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Diabetologe 2013 · 9:467–468 DOI 10.1007/s11428-013-1100-9 Online publiziert: 1. September 2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 M. Jecht GK Havelhöhe – Diabetologie, Berlin Zusammenhang zwischen  gesüßten Getränken und  Typ-2-Diabetes-Inzidenz Ergebnisse der EPIC-InterAct bei  europäischen Erwachsenen Ziel.  In den letzten Jahren konnte in mehreren Studien gezeigt werden, dass der Konsum an mit Zucker gesüßten Ge- tränken die Inzidenz des Typ-2-Diabe- tes erhöht. Allerdings sind diese Studien nur an Kohorten in Nordamerika durch- geführt worden. Daten aus Europa fehlen bisher, zumal der Konsum zwar auch hier steigend, aber insgesamt im Vergleich zu Nordamerika noch deutlich geringer ist. Methode.  In dem europäischen Kollek- tiv der European Prospective Investiga- tion into Cancer and Nutrition (EPIC) wurden 12.403 Patienten mit neu aufge- tretenem Typ-2-Diabetes 16.154 Teilneh- mern aus einer Kontrollgruppe gegen- übergestellt. Nachdem notwendige Aus- schlüsse von Teilnehmern aufgrund des Studienprotokolls durchgeführt waren, enthielt die endgültige Stichprobengröße 11.684 Neuerkrankte und 15.374 Teilneh- mer in der Kontrollgruppe. „Cox-propor- tional-hazards“-Regressionsmodelle (ge- ändert für das Fall-Kohorten-Design) und „Random-effects“-Metaanalysen wurden verwendet, um den Zusammenhang zwi- schen dem Konsum von süßen Geträn- ken und der Inzidenz eines Typ-2-Dia- betes abzuschätzen. Der Konsum an sü- ßen Getränken wurde mithilfe validier- ter Ernährungsfragebogen erhoben. Un- tersucht wurden 3 Gruppen von Geträn- ken: mit Zucker gesüßte Softdrinks, ar- tifiziell gesüßte Getränke und reine Saft- oder Nektargetränke. Ergebnisse.  Die Ergebnisse in einem ad- justierten Modell ergaben, dass der Ver- brauch von 336 g (12 Unzen) mit Zucker gesüßten und künstlich gesüßten Soft- drinks mit „hazard ratios“ für Typ-2- Diabetes von 1,22 [95%-Konfidenzinter- vall (95%-KI) 1,09–1,38] resp. 1,52 (95%- KI 1,26–1,83) assoziiert sind. Nach weite- rer Anpassung an Energieaufnahme und Body-Mass-Index (BMI) blieb der Zu- sammenhang zwischen dem Konsum von zuckergesüßten Softdrinks und Typ-2- Diabetes (HR 1,18, 95%-KI 1,06–1,32) sta- bil erhöht, aber die Assoziation von künst- lich gesüßten Softdrinks war statistisch nicht signifikant (HR 1,11, 95%-KI 0,95– 1,31). Der Konsum von reinen Fruchtsäf- ten- und Nektargetränken wurde nicht mit einem Anstieg der Typ-2-Diabetes- Inzidenz assoziiert. Schlussfolgerung.  Diese Studie bestätigt die Assoziation zwischen erhöhter Inzi- denz eines Typ-2-Diabetes und hohem Konsum von zuckergesüßten Softdrinks bei europäischen Erwachsenen. Kommentar Die Verwendung kalorischer Süßungs- mittel hat sich auf der ganzen Welt er- höht; die mit Zucker gesüßten Getränke haben hier einen hohen Anteil [1]. Parallel zu diesem Anstieg wird weltweit auch ein Anstieg in der Prävalenz bei Übergewicht und Typ-2-Diabetes verzeichnet [2]. Der Konsum an mit Zucker gesüßten Geträn- ken kann zur Entwicklung des Typ-2-Dia- betes aufgrund der damit verbundenen Körpergewichtszunahme [3], einer In- duktion von hohen Insulinspitzen durch schnellen Anstieg von Glukose im Blut und Entwicklung einer Insulinresistenz [4, 5] bedingt sein. Eine Metaanalyse aus 2010 lieferte empirische Evidenz für den Zusammenhang zwischen dem Konsum von mit Zucker gesüßten Getränken und dem Typ-2-Diabetes [6]. Der Zusammen- hang zwischen dem Verzehr von Geträn- ken, die aus 100%igem Saft oder künstlich gesüßten Getränken bestehen, und dem Risiko, einen Typ-2-Diabetes zu entwi- ckeln, ist weniger klar – die bisher vorlie- genden Studien zeigen widersprüchliche Ergebnisse [7-12]. Die Mehrzahl der diesbezüglichen epi- demiologischen Studien, die bisher veröf- fentlicht wurden, basiert auf nordameri- kanischen Kohorten. Weiterhin scheint der Konsum von süßen Getränken in Europa geringer als in den USA zu sein – allerdings mit steigender Tendenz [13]. Originalpublikation The InterAct consortium (2013) Consumption  of sweet beverages and type 2 diabetes inci- dence in European adults: results from EPIC- InterAct. Diabetologia 56:1520–1530 467 Der Diabetologe 6 · 2013| Journal Club

Zusammenhang zwischen gesüßten Getränken und Typ-2-Diabetes-Inzidenz; Association between sweetened beverages and the incidence of type 2 diabetes;

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Page 1: Zusammenhang zwischen gesüßten Getränken und Typ-2-Diabetes-Inzidenz; Association between sweetened beverages and the incidence of type 2 diabetes;

Diabetologe 2013 · 9:467–468DOI 10.1007/s11428-013-1100-9Online publiziert: 1. September 2013© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

M. JechtGK Havelhöhe – Diabetologie, Berlin

Zusammenhang zwischen gesüßten Getränken und Typ-2-Diabetes-InzidenzErgebnisse der EPIC-InterAct bei europäischen Erwachsenen

Ziel.  In den letzten Jahren konnte in mehreren Studien gezeigt werden, dass der Konsum an mit Zucker gesüßten Ge-tränken die Inzidenz des Typ-2-Diabe-tes erhöht. Allerdings sind diese Studien nur an Kohorten in Nordamerika durch-geführt worden. Daten aus Europa fehlen bisher, zumal der Konsum zwar auch hier steigend, aber insgesamt im Vergleich zu Nordamerika noch deutlich geringer ist.

Methode.  In dem europäischen Kollek-tiv der European Prospective Investiga-tion into Cancer and Nutrition (EPIC) wurden 12.403 Patienten mit neu aufge-tretenem Typ-2-Diabetes 16.154 Teilneh-mern aus einer Kontrollgruppe gegen-übergestellt. Nachdem notwendige Aus-schlüsse von Teilnehmern aufgrund des Studienprotokolls durchgeführt waren, enthielt die endgültige Stichprobengröße 11.684 Neuerkrankte und 15.374 Teilneh-mer in der Kontrollgruppe. „Cox-propor-tional-hazards“-Regressionsmodelle (ge-ändert für das Fall-Kohorten-Design) und „Random-effects“-Metaanalysen wurden verwendet, um den Zusammenhang zwi-schen dem Konsum von süßen Geträn-

ken und der Inzidenz eines Typ-2-Dia-betes abzuschätzen. Der Konsum an sü-ßen Getränken wurde mithilfe validier-ter Ernährungsfragebogen erhoben. Un-tersucht wurden 3 Gruppen von Geträn-ken: mit Zucker gesüßte Softdrinks, ar-tifiziell gesüßte Getränke und reine Saft- oder Nektargetränke.

Ergebnisse.  Die Ergebnisse in einem ad-justierten Modell ergaben, dass der Ver-brauch von 336 g (12 Unzen) mit Zucker gesüßten und künstlich gesüßten Soft-drinks mit „hazard ratios“ für Typ-2-Diabetes von 1,22 [95%-Konfidenzinter-vall (95%-KI) 1,09–1,38] resp. 1,52 (95%-KI 1,26–1,83) assoziiert sind. Nach weite-rer Anpassung an Energieaufnahme und Body-Mass-Index (BMI) blieb der Zu-sammenhang zwischen dem Konsum von zuckergesüßten Softdrinks und Typ-2-Diabetes (HR 1,18, 95%-KI 1,06–1,32) sta-bil erhöht, aber die Assoziation von künst-lich gesüßten Softdrinks war statistisch nicht signifikant (HR 1,11, 95%-KI 0,95–1,31). Der Konsum von reinen Fruchtsäf-ten- und Nektargetränken wurde nicht mit einem Anstieg der Typ-2-Diabetes-Inzidenz assoziiert.

Schlussfolgerung.  Diese Studie bestätigt die Assoziation zwischen erhöhter Inzi-denz eines Typ-2-Diabetes und hohem Konsum von zuckergesüßten Softdrinks bei europäischen Erwachsenen.

Kommentar

Die Verwendung kalorischer Süßungs-mittel hat sich auf der ganzen Welt er-höht; die mit Zucker gesüßten Getränke haben hier einen hohen Anteil [1]. Parallel zu diesem Anstieg wird weltweit auch ein Anstieg in der Prävalenz bei Übergewicht und Typ-2-Diabetes verzeichnet [2]. Der Konsum an mit Zucker gesüßten Geträn-ken kann zur Entwicklung des Typ-2-Dia-betes aufgrund der damit verbundenen Körpergewichtszunahme [3], einer In-duktion von hohen Insulinspitzen durch schnellen Anstieg von Glukose im Blut und Entwicklung einer Insulinresistenz [4, 5] bedingt sein. Eine Metaanalyse aus 2010 lieferte empirische Evidenz für den Zusammenhang zwischen dem Konsum von mit Zucker gesüßten Getränken und dem Typ-2-Diabetes [6]. Der Zusammen-hang zwischen dem Verzehr von Geträn-ken, die aus 100%igem Saft oder künstlich gesüßten Getränken bestehen, und dem Risiko, einen Typ-2-Diabetes zu entwi-ckeln, ist weniger klar – die bisher vorlie-genden Studien zeigen widersprüchliche Ergebnisse [7-12].

Die Mehrzahl der diesbezüglichen epi-demiologischen Studien, die bisher veröf-fentlicht wurden, basiert auf nordameri-kanischen Kohorten. Weiterhin scheint der Konsum von süßen Getränken in Europa geringer als in den USA zu sein – allerdings mit steigender Tendenz [13].

Originalpublikation

The InterAct consortium (2013) Consumption of sweet beverages and type 2 diabetes inci-dence in European adults: results from EPIC-InterAct. Diabetologia 56:1520–1530

467Der Diabetologe 6 · 2013  | 

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Page 2: Zusammenhang zwischen gesüßten Getränken und Typ-2-Diabetes-Inzidenz; Association between sweetened beverages and the incidence of type 2 diabetes;

Der Konsum an gesüßten Softdrinks im Vergleich zur täglichen Kohlenhyd-rataufnahme beträgt in den USA 10,4% (Daten aus 1994/1996, [1]) und in Euro-pa 2,5% (Daten aus 1992 und 2000, [14]). Allerdings gibt es in Europa einen gro-ßen Nord-Süd-Gradienten; hierbei ist in Nordeuropa ein eindeutig höherer Ver-brauch vorhanden [13, 15].

Die vorgestellte Studie zeigt nun erst-mals einen schädlichen Zusammenhang an europäischen Teilnehmern der EPIC. Insgesamt erhöhte der Verzehr von gezu-ckerten Getränken das Risiko, einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln, um den Faktor 1,22 bzw. 1,52, je nachdem wie die Geträn-ke gesüßt waren (mit Zucker oder Süß-stoff). Die beschriebenen 12 Unzen bzw. 336 g entsprechen in Europa dem Inhalt einer normalen Getränkedose, z. B. Coca Cola oder andere zuckersüße Limonaden.

Wurden Kalorienaufnahme und BMI berücksichtigt, blieb dennoch eine signi-fikante Risikoerhöhung von 18% für den Konsum von mit Zucker versetzten Ge-tränken bestehen. Die oben beschriebe-nen amerikanischen Studien zeigten eine 25%ige Risikoerhöhung. Für Fruchtsäf-te, Nektare und mit Süßstoff versetzte Getränke war allerdings kein signifikan-ter Zusammenhang in der multivariaten Analyse mehr nachweisbar.

Korrespondenzadresse

Dr. M. JechtGK Havelhöhe – DiabetologieKladower Damm 22114089 [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt.  M. Jecht gibt an, dass kein Inte-ressenkonflikt besteht. 

Literatur

  1.  Popkin BM, Nielsen SJ (2003) The sweetening of the world’s diet. Obes Res 11:1325–1332

  2.  Farag YM, Gaballa MR (2011) Diabesity: an over-view of a rising epidemic. Nephrol Dial Transplant 26:28–35

  3.  Malik VS, Schulze MB, Hu FB (2006) Intake of su-gar-sweetened beverages and weight gain: a sys-tematic review. Am J Clin Nutr 84:274–288

  4.  Hu FB, Malik VS (2010) Sugar-sweetened bever-ages and risk of obesity and type 2 diabetes: epi-demiologic evidence. Physiol Behav 100:47–54

  5.  Malik VS, Hu FB (2012) Sweeteners and risk of obe-sity and type 2 diabetes: the role of sugar-sweete-ned beverages. Curr Diab Rep 12:195–203

  6.  Malik VS, Popkin BM, Bray GA et al (2010) Sugar-sweetened beverages and risk of metabolic syn-drome and type 2 diabetes: a meta-analysis. Dia-betes Care 33:2477–2483

  7.  Bazzano LA, Li TY, Joshipura KJ, Hu FB (2008) Inta-ke of fruit, vegetables, and fruit juices and risk of diabetes in women. Diabetes Care 31:1311–1317

  8.  Koning L de, Malik VS, Rimm EB et al (2011) Sugar-sweetened and artificially sweetened beverage consumption and risk of type 2 diabetes in men. Am J Clin Nutr 93:1321–1327

  9.  Nettleton JA, Lutsey PL, Wang Y et al (2009) Diet soda intake and risk of incident metabolic syndro-me and type 2 diabetes in the Multi-Ethnic Study of Atherosclerosis (MESA). Diabetes Care 32:688–694

10.  Schulze MB, Manson JE, Ludwig DS et al (2004) Su-gar-sweetened beverages, weight gain, and in-cidence of type 2 diabetes in young and middle-aged women. JAMA 292:927–934

11.  Palmer JR, Boggs DA, Krishnan S et al (2008) Su-gar-sweetened beverages and incidence of type 2 diabetes mellitus in African American women. Arch Intern Med 168:1487–1492

12.  Eshak ES, Iso H, Mizoue T et al (2012) Soft drink, 100% fruit juice, and vegetable juice intakes and risk of diabetes mellitus. Clin Nutr 32:300–308

13.  Naska A, Bountziouka V, Trichopoulou A (2010) Soft drinks: time trends and correlates in twen-ty-four European countries. A cross-national stu-dy using the DAFNE (Data Food Networking) data-bank. Public Health Nutr 13:1346–1355

14.  Wirfalt E, McTaggart A, Pala V et al (2002) Food sources of carbohydrates in a European cohort of adults. Public Health Nutr 5:1197–1215

15.  Slimani N, Fahey M, Welch AA et al (2002) Diversity of dietary patterns observed in the European Pro-spective Investigation into Cancer and Nutrition (EPIC) project. Public Health Nutr 5:1311–1328

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Quelle: Ärzte Zeitung

Fachnachrichten

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