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Zweistoffschichten. VI Elektronenbeugungsuntersuchungen iiber I>iffusionserscheinungen an diinnen Sifber-Selen-Schichten Von U. Zorlll) Mit 14 Abbildungen Inhaltsubersicht Wird eine diinne Selenschicht etwas iiberlappend neben eine relativ dicke Silberschicht aufgedampft, so diffundiert das Silber in die Selenschicht hinein. Die bei Zimmertemperatur vorgenommenen Elektronenbeugungsunter- suchungen dieses Vorganges ergaben, dal3 sich dabei die Verbindung Ag,Se bildet. Das Gitter dieser Verbindung hat zwar nur eine niedrige Symmetrie, kann aber a18 ,,pseudo-kubisch" bezeichnet werden, zumal es sich bei Tem- peraturen oberhalb von ungefahr 130" C in das bekannte, streng kubisch- raumzentrierte Gitter der Hochtemperaturmodifikation des Ag,Se umwandelt. Unter bestimmten Umstanden tritt bei dem pseudo-kubischen Gitter auch eine Umwandlung in ein eindeutig rhombisches ein, dessen [001]-Achse senk- recht zur Oberflache des Schichttragers orientiert ist. Die untersuchten Selen- schichten lagen in einem Dickenbereich von 3-15 mp, die Silberschichten in einem Bereich von 8-30 mp. Die Dicken der Aufdampfschichten wurden ent- weder durch jhre Lichtabsorption oder interferometrisch gemessen. Sie liel3en sich auch aus den verdampften Substanzmengen berechnen. A. Einleitung und Problemstellung In der vorangegangenen Arbeit , ) dieser Veroffentlichungsreihe wurden Erscheinungen behandelt, die bei der Diffusion von Silber in Selenschichten auftraten, wenn beide durch Aufdampfen im Vakuum auf dunne Tragerhautchen hergestellt wurden. Danach zeigte sich eine Ausbildung von Zonen, sowie unter bestimmten Umstanden ein Ablosen der Schichten von der Unterlage. Es ist nicht ausgeschlossen, dal3 hierfiir Gitterumwandlungen die Ursache sind, und es erschien daher lohnend, diese Vorgange von der strukturellen Seite her zu untersuchen, woriiber im folgenden berichtet werden soll. Die geeignetste Methode zur Untersuchung derartiger membratim ver- laufender Reaktionen 2a) in dunnen Schichten ist die Beobachtung der Elek- troneninterferenzen, die bei ihrer Durchstrahlung mit schnellen Elektronen l) Gekurzte Fassung der von der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultkt der Uniiversitat Halle angenommenen Dissertation. 2, G. Kienel, Ann. Physik (6) 16, 1 (1955). 28) G. C. M 6 n c h , NaturnTiss. 41, 550 (1954).

Zweistoffschichten. VI Elektronenbeugungsuntersuchungen über Diffusionserscheinungen an dünnen Silber-Selen-Schichten

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Zweistoffschichten. VI

Elektronenbeugungsuntersuchungen iiber I>iffusionserscheinungen an diinnen Sifber-Selen-Schichten

Von U . Z o r l l l )

Mit 14 Abbildungen

Inhaltsubersicht Wird eine diinne Selenschicht etwas iiberlappend neben eine relativ dicke

Silberschicht aufgedampft, so diffundiert das Silber in die Selenschicht hinein. Die bei Zimmertemperatur vorgenommenen Elektronenbeugungsunter- suchungen dieses Vorganges ergaben, dal3 sich dabei die Verbindung Ag,Se bildet. Das Gitter dieser Verbindung hat zwar nur eine niedrige Symmetrie, kann aber a18 ,,pseudo-kubisch" bezeichnet werden, zumal es sich bei Tem- peraturen oberhalb von ungefahr 130" C in das bekannte, streng kubisch- raumzentrierte Gitter der Hochtemperaturmodifikation des Ag,Se umwandelt. Unter bestimmten Umstanden tritt bei dem pseudo-kubischen Gitter auch eine Umwandlung in ein eindeutig rhombisches ein, dessen [001]-Achse senk- recht zur Oberflache des Schichttragers orientiert ist. Die untersuchten Selen- schichten lagen in einem Dickenbereich von 3-15 mp, die Silberschichten in einem Bereich von 8-30 mp. Die Dicken der Aufdampfschichten wurden ent- weder durch jhre Lichtabsorption oder interferometrisch gemessen. Sie liel3en sich auch aus den verdampften Substanzmengen berechnen.

A. Einleitung und Problemstellung In der vorangegangenen Arbeit ,) dieser Veroffentlichungsreihe wurden

Erscheinungen behandelt, die bei der Diffusion von Silber in Selenschichten auftraten, wenn beide durch Aufdampfen im Vakuum auf dunne Tragerhautchen hergestellt wurden. Danach zeigte sich eine Ausbildung von Zonen, sowie unter bestimmten Umstanden ein Ablosen der Schichten von der Unterlage. Es ist nicht ausgeschlossen, dal3 hierfiir Gitterumwandlungen die Ursache sind, und es erschien daher lohnend, diese Vorgange von der strukturellen Seite her zu untersuchen, woriiber im folgenden berichtet werden soll.

Die geeignetste Methode zur Untersuchung derartiger membratim ver- laufender Reaktionen 2a) in dunnen Schichten ist die Beobachtung der Elek- troneninterferenzen, die bei ihrer Durchstrahlung mit schnellen Elektronen

l) Gekurzte Fassung der von der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultkt der Uniiversitat Halle angenommenen Dissertation.

2, G. Kienel, Ann. Physik (6) 16, 1 (1955). 28) G. C. M 6 n c h , NaturnTiss. 41, 550 (1954).

8 A n d e n der Physik. 6. Folge. Band 16. 1955

entstehen. Sie ergeben unter anderem Bufschlusse iiher das Kristallgitter der durchstrahlten Substanz und damit auch iiber diese selbst. Fur die Unt,er- suehungen waren die folgenden Voraussetzungen von Wichtigkeit :

1. Die Herstellung der Aufdampfschichten erfolgte in der Elektronen- beugungsanlage, damit diese unmittelbar danach durchstrahlt werden konnten.

2. Die Schichtdicke der aufgedampften Substanzen lieB sich interfero- metrisch oder durch Messung ihrer Liehtabsorption bestimmen.

3. Urn die Diffusionsvorgange zu verfolgen, konnte die ganze Schicht vor dem denn als Sonde wirkenden Elektronenstrahl vorbeigeschoben und zur Feststellung von Texturen auch gegen den Strahl geneigt werden.

4. Eine Temperung der Schicht in der Anlage sowie eine mefibare Tem- peraturerhohung wahrend der Elektroneninterferenzaufnahme war moglich ~

B. Experimentelle Grundlagen der Untersuchungen I. Einzelheiten der Elektronenbeugungsanlage

Die Elektronenbeugungsanlage wies fur die vorgesehene Aufgabe einige nachstehend naher beschriebene Besonderheiten auf. Der Durchmesser des Elektronenstrahles hetrug wegen der Ausblendung auf dem Praparat hochstens 0,12 mm ; ein auf einer belichteten Platte ausgemessener Priiniirfleck hatte eineii Ilurchmesser von 0,3 mm. Im Abstand von 36 cm hinter dem Objekt befanden sich die Photoplatten bzw. der Leuchtschirm. Die Beschleunigungs- spannung der Elektronen lag im allgemeinen zwischen 45 und 60 kV, deshalb durfte die Dicke der durchstrshlten Schicht nicht griifier als ungefiihr 60 mp sein (vgl. Angaben von Mollens tedt3)), von denen noch etwa 30 m,u auf das Tragerhautchen anzurechnen sind.

Die Objektjustiervorrichtung war nach einem von Lassen und Briick*) angegebenen Prinzi p gebaut worden und ernioglichte durch Drehen von drei ineinandergesteckten Kegelschliffen eine me Dbare Vcrschiebung und Kippung

Abb. 1. Objektjustiervorrichtung mit Schliffklemmvorrichtung. In die Rille des Griff- randes der einzelnen Kegelschliffe ist ein Drahtring eingelegt, der durch die Randel- schrauben zusammengezogcn wird und damit den Schliff festhalt. Die auf den einzelnen

Sehliffmanteln angebrachten Cradeinteilungen sind im Bild nicht erkennbaf.

3, G . Mollenstedt, Nachr. Gott. Akad. (Math.-Physik. Kl.) 1946, 83. 4, H. Lassen u. L. Sr i i ck , Ann. Miysik (5 ) , 22, 65 (1935).

U. Zorll: Diifusionserscheinungen a n diinnen Silber-Selen-Sckichten 9

des Objektes i m Vakuum. Diese Justiervorrichtung zeigt die Abb. 1, i n der auch zu erkennen ist, wie die Schliffe sich einzeln durch Drahtringe festklem- men lassen, damit bei einer Drehung eines von ihnen die anderen nicht mit- genommen werden.

Abb. 2. a) Einzelteilc dcr Objekthaltcrungs- und Temperungsvorriohtung. IX : Das eigentliche Temperklotzchen mit den Zufuhrungen fur den Heizdraht (aden) und daa Thermoelement (inncn), j3: Daa Abdeckblech, y : Zwei der bcnutzten Objekttragcrbleche und darunter ein Glasstabchen fur die Schichtdickenbestimmung . b) Ansicht dcs Temper- klotzchens auf der Justiervorrichtung. Vor ihm die Schablone, durch die eine teilweise

Bedampfung des Triigerhautchens ermoglicht wird

10 Annalen der Phyyik. 6 . Folge. Band 16. 1955

In der Bbb. 2a) sind dann die Einzelteib der Objekthalterungs- und Tem- perungsvorrichtung wiedergegeben. Ober y (oberes und mittleres Bild) sieht man zwei der benutzten Tragerbleche, die aus 1 mm-starkem Kupfer- blech bestehen. Ober den Schlitz bzw. die Locher waren die dunnen Trager- hautchen aus Kollodium (Zaponlack) gespannt, deren Dicke sich interfero- metrisch5) messen lieI3. Das Temperklotzchen (Abb. 2a) iiber a) ist in der Mitte mit einer flachen, breiten Nute fur das Tragerblech und mit noch zwei weiteren, schmalen Nuten zur Aufnahme je eines Glasstabchens (Abb. 2a) uber y, unteres Bild) versehen. Die Glasstiibchen werden wie das Trager- hautchen bedampft und ermoglichen so die weiter unten beschriebene Schicht- dickenbestimmung6). Das Temperklotzchen besteht ebenfalls aus Kupfer und ist mit mehreren Bohrungen versehen, in die ein Heizdraht isoliert eingezogen ist. Auf diese Weise wird eine Erwarmung des Klotzchens und damit des Objektes ermoglicht. Im Klotzchen befindet sich noch ein Kupfer-Kon- stantan-Thermoelement, dessen eine Lotstelle direkt am Tragerblech anliegt.

Die Einzelteile werden durch das Abdeckblech (Abb. 2 a) iiber p) zusammen- gehalten. Ein zwischen das Blech und das Klotzchen gelegtes Glimmer- blattchen bewirkt, daI3 nur die Halfte der Glasstabchenoberflache bedampft wird. Das Rlotzchen kann auf die Objektjustiervorrichtung aufgesetzt werden, wobei sich awischen beiden noch eine 3 mm starke Erganplatte zur Warme- isolierung befindet. Auf diese Weise laI3t sich das Klotzchen in Vakuum mehrere Stunden hinduroh ohne eine storende Erwarmung der benachbarten Teile auf Temperaturen bis zu 250" C bringen. Die im folgenden beschriebenen Untersuchungen fanden aber, wenn es nicht ausdrucklich anders vermerkt ist, bei Zimmertemperatur statt.

Abb. 2 b) zeigt das Klotzchen auf der Justiervorrichtung und davor eine Schablone, die fest rnit dieser verbunden ist und beim seitlichen Verschieben des Temperklotzchens nicht mitbewegt wird. Sie ermoglicht, dalj nur ein Teil des Hautchens und eins der Glasstabchen (und dieses nur zur Hiilfte), jeweils mit einer Substanz bedampft werden kbnnen. Dadurch uberlappen sich die Selen- und die Silberschicht auf dem Hautchen zum Teil, wahrend sich auf dem einen Glasstabchen nur Silber und auf dem anderen nur Selen nieder- geschlagen hat.

Senkrecht unter dem Objekt im Abstand von 6,4 cm befindet sich in der Elektronenbeugungsanlage die Aufdampfvorrichtung. Sie besteht aus zwei elektrisch heizbaren Wolframschiffchen zur getrennten Verdampfung der Elemente Silber und Selen. Das Tragerhautchen kann mittels der Justier- vorrichtung in die eur Aufdampfung geeignetste horizontale Lage gebracht werden.

11. Yerfahren ZUP Schiehtdickenbestimmung Die Moglichkeiten einer Massenbestimmung der Substanzen, die sich auf

dem Tragerhautchen befinden, sind von Boettcher') bereits rnit den dabei auftretenden Schwierigkeiten diskutiert worden. Im hier vorliegenden Falle kam an Stelle einer praktisch kaum durchfuhrbaren direkten Massenbestim-

5) G . C. Monch, Optik 8, 550 (1951). 6 ) Hierbei ist vorausgesetzt, da13 sich die Substanz auf dem Glasstabchen und auf der

Kollodiumschicht in gleioher Weise niederschlagt. Im folgenden Abaohnitt iiber die Dickenmessung wird die Berechtigung dieser Annahme naher erlautert.

7) A. B o e t t c h e r , Z . angew. l'hysik 2, 193 (1950).

U . Zorll: Dif fusionserscheinungen an diinnen Silber-Selen-Schichten 11

mung nur eine Dickenbestimmung der Schichten in Frage. Eine Berechnung der Masse einer dunnen Schicht aus ihrer Dicke (d. h. ihrem Volumen) setzt die Kenntnis der Dichte der Substanz voraus. Eine Anderung der Dichte bei dunnen Schichten tritt fur Silber nach Khamsav i und Donaldson8) nicht auf, bei den Selenschichten ist sie - wenn uberhaupt vorhanden - sicher so gering, daB sie wegen der relativ groBen Fehlergrenze der Schichtdickenbe- stimmung, die weiter unten angegeben wird, ohne EinfluB bleibt. Fur massives Silber betragt die Dichte 10,5 g/cm3. Da die Selenschichten sich nach ihrem (in Durchsicht) orangegelben Aussehen und ihren Elektronenbeugungs- diagrammen als amorph erwiesen, wurde fur sie die Dichte dieser Selen- modifikation von 4,28 g/cm3 angenommen.

Die Dickenmessung konnte wegen zu groBer experimenteller Schwierig- keiten nicht direkt an den Schichten vorgenommen werden, die auf das Trager- hautchen aufgedampft waren, sondern muate an den auf die Glasstiibchen- oberflachen mitaufgedampften erfolgen, wobei angenommen wird, da13 sich beim Aufdampfen die Substanz auf den Glasoberflachen stets in der gleichen Dicke niederschlagt cvie auf dem Kollodiumhautchen. Aus geometrischen Griinden miil3te das der Fall sein. Sicher sind aber die Kondensationsbe- dingungen auf dem Hautchen andere als auf der Glasoberflache und auch nicht in jedem Fall konstsnt. Da dieser Sachverhalt einer experimentellen Priifung nur sehr schwer zuganglich ist, wurde lediglich bei allen spater auf den Glas- oberflachen ausgemessenen Schichten ein visueller Vergleich mit den gleich- zeitig auf den Hautchen niedergeschlagenen vorgenommen. Krasse Unter- schiede im Ton und in der Sattigung ihrer Farbe konnten nicht festgestellt werden, wobei zu beachten ist, daB sich diese beiden charakteristischen Eigen- schaften der diinnen Silber- und Selenschichten mit ihrer Dicke erheblich andern.

Die praktischste und genaueste MeBmethode der interferometrischen Dickenmessung mit dem Kostersschen Doppelpri~ma~) kam wegen der Unebenheiten der Glasstabchenoberflachen mit ausreichender Genauigkeit nur fur Dicken uber 25 m,u in Frage. Die Dicke dunnerer Schichten wurde durch ihre Lichtabsorption gemessen.

Zu diesem Zweck wurde paralleles Licht durch eine 6 mm x 3 mm groBe Blende auf ein gegen Streulicht abgeschirmtes Selen-Photoelement einge- strahlt. Direkt vor der Blende befand sich das zur Halfte mit der zu messenden Schicht bedampfte (planparallele) Glasstabchen. Den vom Photoelement ge- lieferten Strom zeigte ein Galvanometer an, dessen Ausschlag der einfallenden Lichtintensitat proportional war. Der Strom in der Lampe hatte bei jeder Messung den gleichen Wert und blieb wahrend der Messung konstantg). AuBer- dern fie1 das Licht stets auf die gleiche Stelle des Photoelementes ein.

Die charakteristische GroBe fur die Lichtabsorption ist der von der Schicht- dicke abhangige ,.Absorptionsexponent" ki :

(1) k , = Ig-. Jll

J ~

a ) A. Khamsavi u. W. K. Donaldson, Nature 159, 228 (1947). 9, Als Lirhtquelle diente eine 6-Volt-Punktlichtlampe mit zwei gckreuzten Wendeln.

Der Lampenstrom betrug 2,8 A.

12 Annalen der Physik. 6 . Folge. Band16. 1955

Dabei ist mit J, die Intensitat des Lichtes, das lediglich die Glasplatte durch- setat hat und mit J die Intensitat des durch die Glasplatte und die Schicht gegangenen Lichtes bezeichnet. Die Messung von ki wurde mit weiRem, gelbem (Schott-Filter OG 1) und blaucm (Schott-Filter BG 7 ) Licht ausge- fuhrt. Hierdurch konnten beim Aufdampfen entstandene Verunreinigungell der Schichten, die sich deutlich in einer Bnderung des fur reine Silberschichten charakteristischen blauen Farbtones bzw. fur reine Selcnschichten orange- gelben Farbtoncs zeigten, wahrgenommen werden. Derartigc Schichten wurden dann nicht weiter untersucht.

Die Messung der Schichtdickenabhangigkeit von k, ist an Hand der Abb. 3 leicht verstandlich. Die beiden Glasplatten G, und G, befinden sich nahezu senkrecht uber dem Schiffclien mit der zu verdampfenden Substanz 8. Die groaere Schichtdicke d, auf G, kann interferometrisch bestimmt werden. Die

auf GI befindlichc Schicht, deren Absorptionsexponent ki gemessen wird, hat dann die Dicke

' I

wobei r, und r , die Abstande der Glasplatte \Tom Schiffchen bedcuten. Zur Kontrolle der Richtigkeit der Gleichung (2) wurden aul3erdem bei einigen dicke- ren Schichten auf GI erst ihr Absorptionsexponent k, und dann ihre Schichtdicke interferometrisch gemcs- Abb. 3. Zur Messung

der Schiclltdickenab- sen 10). Die Ergehnissc der Eichmessungen fur Silber hLngigkeitdesAbsorp- und Selen sind in den Abb. 4a) und 4 b) wiedergegeben. tionsexponenten k,. 8: Bei Selenschichten wird wegen zu geringer Absorption Schiffchen mit Sub- die MeBrnethode fur Dicken unter 12 rnp ungenau. stanz, r1 und r2 Ab- stLnde der Glasplatten Bei den vielen Aufdampfungen, die zur Eichung

#, und G, ron s der Absorptionsmethodc notwendig waren, wurden die Aufdampfbedingungen, vor allem die Aufdampf -

geschwindigkeitll), die fur bcide Elemente etwa bei 0 , l mg/sec lag, und der Abstand der Schichttrager von dem Schiffchen in gewissen Greneen variiert ; letzterer lag zwischcn 4 und 8 cm. Es stellte sich jedoch heraus, daR hierbei die ,,speaifische Verdampfungsmenge" x , die gegeben ist durch

s yG2

(m verdampfte Menge, r Abstand des Schiffchens von dem senkrecht iiber ihm befindlichen Schichttrager, d Schichtdicke) stets ungefahr den gleichen, fur die betreffende Substanz charakteristischen Wert annahm. Als Mittelwcrte ergaben sich :

fur Silber: 2 = (3,04 & 0,13) 10-3-

fiir Selen: 2 = (1,25 0,04) . lo-3 * xtheor. = 1,35 10-3 -- --

Xtheor. = 3930 ' mg . m,u. em2 '

inp om2 ' m p . cm2'

1 0 ) Piir diese Nesaungen konnten Glasplatten benutzt werden, deren OberflLchen-

11) Die Aufdampfgeschwindigkeit ist gleich der rerdampften Substanzmenge dividiert

mp . em2 mg

~ _. -

ebonheit auch eine genaue Bestimmung der Schichtdicken unter 25 mp gestattet.

durch die Aufdampfzeit.

U . Zorll: Dif fusionseracheinungen an diinnen Silber-Selen-Sch~chien 13

Die rechts stehenden theoretischen Werte wurden mit den oben angegebenen Djchten unter der Voraussetzung berechnet, daD die Verdampfung der Sub- stanz nur in den oberen Halbraum iiber dem Schiffchen hinein erfolgt und die Danipfstrahlen das Lambertsche Kosinusgesetz befolgen. Beide Be- dingungen sind zwar, wie weitere Versuche zeigten, nicht streng erfiillt, stellen aber doch fur diesen Fall eine ausreichende Naherung dar.

Die endgiiltige Dickenbestimmung der in der Elektronenbeugungsanlage aufgedampften Schjchten ging auf Grund der obigen Ergebnisse folgender- maBen vor sich: Je nach der gewiinschten Schichtdicke lienen sich mit Hilfe der experimentcll ermittelten z-Werte nach (3) die zu verdampfenden Sub-

Siiber-Schichtdiche in mp

a) b) Ahb, 4. Dickenabhangigkeit des Ahsorptionsexponenton k, von a) Silherschichten und b) Sclcnschichtcn. Die Messung wurde ausgefuhrt fiir weiBes (i = UJ), gelhes ( i = g) und hlaues Licht (i = 6 ) . Fur die mit einem kleinen Kreis umgebenen MeBpunlite erfolgto die Schichtdickenmessung dirokt interferometrisch, fiir die andcren durch Berechnung gem&B G1. (2). Man heachte den Ordinatenmanstab von a) irn Vergleich zu b). Die Be- zeichnung der Kurven ist folgendermanen: k , ~ , MeBpunktc fur diese Kurve +; k, - - -, MeSpunkte fur diese Kurve x ; k6 - * -. -. , MeSpunkte fur diese

Kurve A

stanzmengen berechnen, die d a m auf einer Waage hinreichend genau ausge- wogen werden konnten. Die Bestimmung des Absorptionsexponenten k, ermoglichte weiterhin eine Kontrolle, ob die niedergeschlagenen Schichten auch wirklich die gewiinschten Dicken hatten. Lediglich fur Selenschichten unter 1 2 nip erfolgte die Dickenbestimmung allein aus der verdampften Menge.

Aufier der gewissen unsicheren Kenntnis uber die Gleichheit der Konden- sationsbedingungen auf den Glasoberflachen und Tragerhautchen kommt als weitere Fehlerquelle noch hinzu, da13 bei der Aufdampfung Fremdatome und Molekule rnit niedergeschlagen werden, deren AusmalS sich schlechthin uber - haupt nicht erfassen lafit, aber sicher auch yon Bedeutung ist. Die Genauig- keit des DickenmeBvcrfahrens betragt deshalb aus diesen angefiihrten Griinden bei vorsichtiger Schatzung nur etwa 5 2 5 % .

14 Annalen der Physik. 6 . Polge. Band 16'. 1955

C. Elektroneninterferenzen der bei den Diffusionsuntersuehungen fest- gestellten Substanzen

Um die Strukturen der bei den Diffusionsvorgiingen beteiligten und ent- stehenden Stoffe uptersuchen zu konnen, wurden die diinnen Silber- und Selenschichten in verschiedenen Konzentrationsverhaltnissen auf diinne Kollodiumtriigerhautchen aufgedampft. Bei der Durchstrahlung der Schichten waren dann verschiedene Elektroneninterferenzdiagramme zu beobachten, die einer besseren Ubersicht wegen in diesem Abschnitt C zunachst erst einmal systematisch aufgezahlt und besprochen werden sollen. Auf die Versuchs- mebhodik und die Ergebnisse der Diffusionsuntersuchungen gehen im einzelnen die Abschnitte D und E ein, in denen dann mitgeteilt wird, w o und unter welchen Versuchsbedingungen diese Interferenzdiagramme und die Substanzen, denen sie zugeordnet sind, beobachtet wurden.

I. Eichsubstaiiz und reine Elemente Fur die Elektroneninterferensen gilt die Braggsche Gleichung :

worin d den Netzebenenabstand, n die Ordnung der Interferenz, 812 den Glanzwinkel und il die Wellenlange der Elektronen bedeutet. Weiter ist f~

Abb. 5. Inter'rercnzdiagramm einer poly- kris tallinen Silberschicht

Abb. 6. Intederenzdkgramm einer amor- phen Selenschicht. Dic im Diagramm noch schwach erkennbaren scharfen Interferenz- rinee ruhrcn von kleinen Fremdkristallchen he< wie sie z. B. in Abb. lob) zu erkennen

sind (s. U. ZorllZ1))

der einem Interferenzpunkt zugeordnete Vektor im reziproken Gitter, seine Komponenten sind die Ebenenindizes h,, h, und h3. Die Bestimmung von A aus der Beschleunigungsspannung der Elektronen war nicht genau genug

U.. Zorll: DiffusionserscLzinunpn an diinnen Silber-Selen-Schichten 15

moglich, deshalb diente nach Konig 12) das kubisch kristallisierende LiF als Eichsubstanz, dessen Gitterkonstante aLiF = (4,020 0,002) betragt. Es wurde einfach auf die Riickseite des Tragerhautchens aufgedampft und mit der zu eichenden Sub- stanz durchstrahlt. Ein solches Eichdiagramm ist z. B. in Abb. 7c) wie- dergege ben .

Die aufgedampften Silberschichten zeigten das bekannte Pulver- diagramm des kubisch- flachenzentrierten Git- ters (Abb. 5), die Ring- scharfe deutete quali- tativ auf einen fein- kristallinen Sohichtauf- bau ohne Voraugsrich- tungen hin. Die Dia- gramme samtlicher un- tersuchten Selenschich- ten, deren Dicke bis zu 15 mp betrug, liel3en - wie oben schon erwahnt wurde und wie Abb. 6 zeigt - auf eine amorphe Struktur schliefien. An diesem Zustand anderte sich auch nach mehrtagi- ger Lagerung (bei Zim- mertemperatur) nichts, eine Modifikationsknde- rung war wahrend dieser Zeit nicht zu beob- achten.

11. ,,Pseudo-kubische" und kubisahe Modifikation

des Silberselenids Dem Zustandsdia-

gramm des Zweistoff- systems Silber- Selen l 3 )

entnimmt man, daB es eine wohldefinierte Ver-

12) H. KBnig, Natur- wiss. 34, 375 (1947).

l 3 ) M. Hansen , Der Aufbau der Zweistofflegie- rungen, Berlin 1936, S. 68.

Abb. 7. Interferenzdiagramme des Ag,Se. aj Das Dia- g r a m der Vcrbindung Ag,Se bei Zimmertemperatur, b) bei einer Temperatur von 140' C. In beiden Dia- grammen sind einige kubisch indizierbare Ringe mit ihren Indizes markiert. In c) und d) sind Diagrammc des Ag,Se mit LiF-Eichringen wiedergegeben, die an ein und derselben Stelle der Schicht fur c) bei Zimmertemperatur undfiir d) bei 140' C aufgenommen wurden. Einige Ringe sind mit Indkes vemehen. In b) und d) ist deutlich die diffuse Aufhellung in der Niihe des (200)-Ringes von Ag,Se zu erkennen. a) zeigt das im folgenden oft erwllhnte Dia-

gramm des ,,pseudo-kubischen" Ag,Se

16

bindung Ag,Se gibt, und es war au erwarten, da13 diese bei den Diffusions- vorgangen eine bedeutende R ~ l l e spielen wiirde. Untersuchungen iiber die Struktur der oberhalb von etwa 130' C bestiindigen Modifikation (Hoch- Ag,Se) sind von Rah l f s la) vorgenommen worden. Aus Rontgeninterferenz- diagrammen konnte er das Kristallgitter als kubisch-raumzentriert und die Gitterkonstante zu ~ A ~ , s ~ = (4,983 & 0,016) bestimmen. Eine Auswertung der Intensitaten der Interferenzringe mit Hilfe der Strukturfaktoren fuhrte auch auf eine Klarung der Lage der Gitterionen. Danach besetzen die Se2--

Annalen der Physik. 6. Folge. Band 16. 1055

Tabelk 1 Ifjl-Werte der Interferenzringe des

Ag,Se (@. Abb. ?

Intensitat

3eudo-kubischen 1

161 P I

0,286 0,322 0,343 0,376 0,405 0,427 0,447 0,474 0,498 0,521 0,573 0,623 0,637 0,671 0,685 0,727 0,762 0,810 0,862 0,906 0,948 1,034

(b) verbreiterter Interferenzring

Ionen die Eckpunkte und die Mitte des Elernentar- wurfels, wahrend die Ag+- Ionen statistisch auf die Liicken des Se2--Gitters, und zwar bevorzugt auf die grol3eren verteilt sind. Sie haben infolgedessen sicher eine gewisse Beweglirhkei t im Gitter. Ober die Tief- temper a tur modi fikation sind in der Literaturls) keine iibcreins timmenden Angaben zu finden.

Das in der Abb. 7a) wiedergege bene Diagramm wurde bei den Diffusions- untersuchungen gefunden. Ks gleicht vollkommen dem- jenigen einer diinnen Auf- dampfschicht, in der Silber und Selen ungefahr in einem der Verbindung Ag,Se ent- sprechenden Mengenverhalt- nis vorhanden waren. Ein entsprechcndes Gemisch war

zusammengeuchmolzen und ein Stiickchen des Regului dann zur Verdampfung gebracht worden. Die genauen 19 I-TVerte der Interferenzringe lienen sich mittels eincr LiF-Eichung (Abb. 7c)) berechnen, die Ergebnisse sind in der Tabelle 1 angefiihrt. Der Fehler der 117 1-Werte betragt ungefahr &0,5%, nur bei den schwachen Ringen ist er etwas grol3er. Einige der Ringe, und zwar im wesentlichen die intensivsten, lassen sich kubisch indizieren und ent- sprechen dann einem raumzentrierten Gitter.

Fur die iibrigen Ringe der Tabelle 1 konnte keine Indizierung gefunden werden, die a l len Interferenzringen und der Genauigkeit ihrer 1 1) /-Werte gerecht wiirde. AuBerdem sind die Ringe teilweise recht verbreitert, so dafi man ein Zusammenfallen von zweien (oder mehreren), die nahe beieinander-

la) P. Rahlfs, Z. physik. Chem. (B) 31, 157 (1936). la) H. Strunz, Miricral. Tabellen, 2. Aufl., Leipzig 1949, S. 74; Gmel ins Hsndb.

anorg. Chem., 8. Aufl., Berlin 1942, Nr. 10, Teil A, Lieferung 1, S. 69.

bT. Zorll: Dif fusionserscheinungen an diinnen Silber-Sel~n-SchicAkn 1:

liegen, vermuten kann. Auch der naheliegende Versuch, die dem Ag,Se ent- sprechende Schwefelverbindung des Silbers zur Deutung der Diagramme der Abb. 7 heranzuziehen und die Interferenzen einem rhombischen Gitter zuzu- ordnen, das dem bekannten der Tieftemperaturmodifikation des Ag,S ahnlich ist und entsprechend der Ionenradien des Se2- und S2- etwas groljerc Gitter- konstanten als dieses haben miifite, fiihrte zu keinem einwandfreien Ergebnis.

Einen tie€eren Einblick lieferten noch die Untersuchungen der Schichten bei Temperaturen oberhalb des Umwandlungspunktes. So zeigen die Abb. 7 a) das Diagramm einer Schicht bei Zimmertemperatur und 7 b) bei einer Tem- peratur von 140" C. Im allgemeinen halt das Kollodiumhautchen diese Tem- peraturen nicht aus und reiBt. Gelegentlich - und um einen solchen Fall handelt es sich hier - bleibt jedoch ein kleiner Hautchenfetzen am Trager- blech hangen, der sich nicht gefaltet hat und einwandfrei durchstrahlen lafit. In Abb. 7c) ist das Diagramm der Schicht noch einmal mit LiF-Eiohringen wiedergegeben, und zwar bei Zimmertemperatur, wahrend die Abb. 7d) von der gleichen Stelle der Schicht bei 140" C aufgenommen wurde. Die wenigen und intensivcn Ringe der Abb. 7 b) lassen sich vollstilndig einem kubisch- raumzentrierten Gitter zuordnen, dessen Gitterkonstante sich nach Abb. 7 d) zu ~ A ~ , s ~ = (4,978 0,004) Als) ergibt. Da diese Gitterkonstante nur um O , l % kleiner ist als die von Rah l f s fur das Hoch-Ag,Se gefundene, besteht kein Zweifel, daB das Diagramm der Abb. 7 b) dieser Modifikation zukommt. Die eben beschriebene Umwandlung verlauft im iimgekehrten Sinne, wenn man die Schicht wieder auf Zimmertemperatur abkuhlen laljt, wie sich durch die Elektroneninterferenzen nachweisen lieO. Bemerkenswert ist aiich, da13 die Intensitaten der Ringe des Hoch-Ag2Se (Abb. 7b)), wie auch die der kubisch indizierbaren Ringe des Diagramms der Abb. 7a) mit denen von R a h l f s mit Rontgenstrahlinterferenzen fur Hoch-Ag,Se gefundenen gut ubereinstimmen, doch ist bei einem Vergleich zu beachten, dalj die Struktur- faktoren wegcn der 1-erschiedenen Atomformfaktoren fur Elektronen- und Rontgenstrahlen nicht ganz iibereinstimmen mussen.

Aus diesen Ergebnissen darf man wohl den Schlulj ziehen, dalj auch das Diagramm der Abb. 7a) dem Ag,Se zukommt, und zwar nicht der Hoch- temperaturmodifikation. Wenn auch das Kristallsystem nieht ermittelt werden konnte, so steht doch aweifellos fest, dalj das stabilisierende Gitter der Se2--1onen des Hoch-Ag,Se im wesentlichen auch bei der hier vorliegenden Modifikation erhalten geblieben ist. Die einzelnen Ringverbreiterungen und die Anzahl der ubrigen nicht kubisch indizierbaren Interferenzringe deuten darauf hin, daB hier ein Kristallsystem mit niedrigerer Symmetrie vorliegen mu& das man aber doch mit gutem Recht als ,,pseudokubisch" bezeichnen darf le).

' 6 ) Dicscr W'ert wurde unter Benutzung der Gitterkonstanten von LiF bei 140" C ermittelt, deren Gro8e sich nach eincr yon A. E u c k e n und W. Dannohll ' ) angegebenen Glcichung iiber die Temperaturabhiingigkcit dcs Ausdehnungskoeffizienten von LiF berechnen IieO.

l 7 ) A. Eucken u. W. Danniihl, Z. Elektrocheni. 40, 814 (1934). l8) Die Ausdrucksweise ist in der Kristallographie fur solche Iiristalle iiblich, die

zwar cinem Kristallsystem mit wenigen Symmetrieelementen angehoren, bei denen aber die kristallographiscEicn Achsen und Achsenwinkel so beschaffen sind, daI3 sie von denen eines Kristalls mit mehr Symmetrieelementen n u sehr wenig abweichen.

3 Ann. Physik. 6 . Folge.?Bd. 1 G

18 Bnnalen der Physik. G. Folge. Band 16. 1955

Interessant ist noch die Tatsache, da8 das Diagramm des Hoch-Ag,Se, wie man in den Abbildungen 7 b) und 7 d) gut erkennen kann, in der Umgebung des (200)-Ringes ein deutliches Maximum der diffusen Untergrundhslligkeit zeigt. Das ist aber die Gegend, in der im Diagramm des pseudokubischen Ag,Se (Abb. 7a) und 7 c ) ) mehrere Ringe mit recht starker Intensitat auf- treten, die sich nicht kubisch indizieren lieBen. Es erscheint durchaus moglich, da13 eine eingehendere Untersuchung dieser Intensitatsverhaltnisse zu Ruck- schlussen uber die Umordnung der Ionen im Gitter bei der Umwandlung fuhrt.

Abb. 8. lnterferenzdiagramme einer rhombisch kristallisierenden Substanz, sehr wahr- scheinlich auch Ag,Se. Die Kristallchen haben eine Vorzugsrichtung auf dem TrLger- hautchen eingenommen. a) 1)er Elektronenstrahl trifft unter dem Einfallswinkel a = 0" und damit zugleirh parallel zur Faserachsc, der [OOlI-Richtung auf. Die anderen drei Diagramme zeigen Sdiichtlinien, die prtrallel zur Kippachse verlaufen und um so enger liegen, je groficr dcr Einfallswinkel LX des Strahles ist. Fur h) hetraigt a = 18', fur c)

d = 34" und fur d) a = 67"

U. Zorll: Dif f~qionserscheinungen an diinnen Silber-Selen-Sch~chten 19

st i (100) S (010) m (110) m (200)

111. Vermutliehe rhombisohe lodifikation des Silberselenids Weiterhin zeigte sich bei den Diffusionsuntersuchungen ein Interferenz-

diagramm, das in der Abb. 8a) wiedergegeben ist. Diese Interferenzringe er- schienen nur bei senkrechter Durchstrahlung der Schicht. Fallt der Elek- tronenstrahl dagegen unter einem von Null verschiedenen Winkel cc gegen die Schichtnormale ein, so erscheinen ausgepragte Schichtliniendiagramme

0,1419 0,2311 0,2708 0,2844

(Abb. 8b) bis 8d)), ahnlich denen, die bei Rontgenstrahl- interferenzen auftreten. Hier- durch wird die Berechnung der Gitterkonstanten der Substanz ganz wesentlich erleichtert, wie RuhlelS) zu- erst gezeigt hat.

Das Kristallgitter erwies sich als rhombisch , und zwar ist fur alle Ringe der Abb. 8a) der Index h, gleich Null, d. h. die Faserachse fallt mit der [001]-Richtung zusammen. In den Abb. 8 b) bis 8d) dagegen ist h, nur auf der durch den Primar- fleck gehenden Schichtlinie gleich Null, auf den beiden benachbarten ist er gleich Eins usw. Auf den Ellipsen schlieIjlich sind die Indizes h, und h, konstant. Man kann auf dem Leuchtschirm der Anlage direkt beobachten, wie beim Kippen des Ob- jektes die Schichtlinien von aul3en her in das Diagramm hineinwandern und dabei die Interferenzringbiigen ver- schieden stark aufleuchten.

Die Eichung erfolgte auch bei diesem Gitter mit LiF. Die berechneten lj 1-Werte der Abb. 8a) sind in der

st st S

Tabelle 2 IQl-Wertc der (h, h, 0)-Interferenzen des rhombisohen

Gitters

(220) + 1 0,5437 (400): i 0,5676 (410). 0,6083

(102) ' 0,2918 (111) 1 0,2998 (012) 0,3466 (112) ' 0,3729 (211) 0,3869

Tabelle 3 Einige weitere 191 -Werte des rhombischen Critters, die zur Berechnung der Gitterkonstanten c dienten

0,0650 0,0163 0,0660 0,0666 0,0167

2 h'lc2 = 0,0163, A-2 E = (7,82 & 0,08) A S h: (Relativer Fehler 51%)

Tabelle 2 zusammengestellt. Aus den ange- kreuzten Interferenzringen, die sich am genauesten ausmessen lielien, wurden die Gitterkonstanten a und b durch Ausgleichsrechnung bestimmt. Mit diesen Werten konnte dann aus einem geeigneten Schichtliniendiagramm die dritte Gitterkonstante c berechnet werden ; die Zahlenwerte enthalt die Tabelle 3. Die Gitterkonstanten dieses rhombischen Gitters betragen demnach :

a = 7,046 A, b = 4,325 8, c = 7,82 8. ~~

19) R. Ruhle, Optik 7, 279 (1950). 2*

20 Annalen der Physik. 6. Folge. Band 16. 1955

Es sei noch darauf hingewiesen, dal3 die Gitterkonstanten a und b ganz in der Nahe der Werte liegen, fur die eine ,,orthorhombische Translation" auf ein hexagonales Gitter fiihrt. Man kann also das hier vorliegende Gitter auch als ein verzerrtes hexagonales ansehen.

Bei der Substanz, die das vorliegende Interferenzdiagramm hervorruft, handelt es sich sehr wahrscheinlich auch um Ag,Se. Eine ausfuhrliche Be- griindung fur diese Vermutung sol1 jedoch erst im AnschluB an die Ergebnisse der eigentlichen Diffusionsuntersuchungen im Abschnitt E gegeben werden.

D. Ergebnisse der Diffusionsuntersuehungen bei versehiedenen Herstellungs- arten dar Sehiehten

Die jetzt folgenden Ergebnisse der Untersuchungen der eigentlichen Diffu- sionserscheinungen zeigten alle untersuchten Proben, bei denen jeweils die gleichen Herstellungsbedingungen gewahlt waren ; sie sind also jederzeit unter den entsprechenden Voraussetzungen reproduzierbar.

J e nach den Konzentrstionsverhaltnissen der Elemente Silber und Selen in den Schichten und der Reihenfolge bei ihrer Aufdampfung lassen sich die hergestellten Proben in drei Herstellungsserien einteilen, die vwschiedene Untersucbungsergebnisse zeigten und nun der Reihe nach behandelt werden sollen .

I. Dunne Selenschicht elwas uberlappend neben relativ dicker Silberschicht (Herstellungsserie A)

Fur die Diffusionsuntersuchungen dienten die Tragerbleche mit Schlitz (vgl. Abb. 2a)). In der Abb. 9 ist das Prinzip der Schichtherstellung wieder- gegeben. Unter Benutzung der Schablone (vgl. Abb. 2 b)) wurden zunachst

ungefahr z/3 des Triiger- hautchens mit Silber (Be- '''' Abb6 reich a-c) und danach ehenfalls ungefahr 2/3 des Hautchens mit Selen (Be- reich b-d) bedampft, so

Abh. 9. Schematische Darstellung der untersuchten daB in der cine Uber- Sc hichten der Herstellungsserie A mit Ausbildung lappung beider Schichten einer Anlaufschicht. a und d: Rand des Trager- stattfand. hautchens, b: Rand der Selenschicht, c : Rand der Die Konzentration des Silberschicht, e: Diffusionsgrenzc. Die Markierungen peben an, welches Diagramm an der betreffenden Stelle im Uberlappungs-

der Schicht zu beobachten ist bereich b--c liegt bei dieser Herstellungsserie A unter

27 Gewichtsprozenten (27 ;(, ist ungcfahr seine Konzentration im Ag2Se) ; das Silber ist also im UberschuB vorhanden.

Dann beginnt unmittelbar nach der Selenaufdampfung von der Grenze c aus cine Eindiffusion des Silbcrs in die Selenschicht in Richtung auf d hin. Es bildet sich also eine ,,Anlaufschicht" (vgl. Kienelz)) aus, die in der Abb. 10a) deutlich zu erkennen ist. Die Trennungslinie e zwischen der reinen gelen- und dcr Anlaufschicht sol1 als ,,Diffusionsgrenze" bezeichnet werden, denn bis dahin ist das Silber im Zeitpunkt der Beobachtung gerade vorgedrungen.

U . Z d l : D;ffu~ion4erschsinunJen an diinnw Silher-Selen-Schichten 21

I n der Abb. 9 ist auch vermerkt, welahe Elektrorieninterferenzdiagramme in den einzelnen Teilen der Schichten zu beobachten sind.

Bei der Durchstrahlung kann man in der Selenschicht von d bis zur Diffu- sionsgrenze e lediglich das Diagramm des amorphen Selens feststellen (vgl. Abb. 6 ) . Uberschreitet nun der Elektronenstrahl die Diffusionsgrenze, so erscheint das Ringsystem des pseudo-kubischen Ag,Se (vgl. Abb. 7s)), es hat sich also in der Anlaufschicht diese Verbindung gebildet. Diese Ringe lassen sich bei weiterer Versehiebung des Objektes bis kurz hinter die Linie c verfolgen 20), dann erscheinen zusatzlich die Interferenzringe des metallischen

Abb. 10. Mikrodurchlichtaufnahmen einer Probe der Herstellungsserie A. a) Ubersichts- aufnahme, VergroDerung 1 :30. Die Trennungslinie zwischen der Selen- und der Anlauf- schicht ist die Diffusionsgrenze. Uber die Redeutungder Markierungen c und e T-gl. Abb. 9. b) Aufnahme im Bereich der Diffusionsgrenze in 630-facher VcrgroBerung. Das helle Gebiet ist die reine Selenschicht, das dunkle die Anlaufschicht und die Trennungslinie zwischen beiden die Niffusionsgrenze. Die KristiUchcn sin& keine Redktionspprodukte von Silbcr und Selen, sondern waren auch auf den unbedampften Trligerhiiutchen zu

bcobachten. Uber ihren Ursprung vgl. U. Zorl121j

Silbers (vgl. Abb. 5), wie es auch zu erwarten war. Natiirlich mu13 der Bildung des Ag,Se im Wberlappungsbereich auch eine Eindiffusion des Silbers senk- recht zur Hautchenebene in die uberdampfte Selenschicht vorausgegangen sein. Dieser Vorgang ist aber sicher nur wenige Sekunden nach der Aufdamp- fung beendet. Die Intensitat der Silberringe war je nach dem SilberuberschuB im Wberlappungsbereich verschieden stark. An diesem Ringsystem anderte

20) Bei der Deutung der Interferenzerscheinungen an den Riindern der Aufdampf- schichten bei b und c ist immer zu beachten, daD dort dic betreffende Sihicht erst innerhalb eines kleinen, aber doch merklichen Bereiches auf ihre volle Dicke ansteigt, wie in der Abb. 9 angedeutet ist. In vielen Flillen konnte dieser Bereich auch durch die Elektronen- strahluntersuchungen ausgemesscn wcrdcn.

2 l j U. Zorll, Naturwiss. 41, 572 (1954).

22

sich irn Oberlappungsgebiet nichts bis zur Linie b ; dort verschwanden inner- halb eines engen BereichesZ0) die Ag,Se-Ringe und im Gebiet a-b zeigten sich nur noch Interferenzen des reinen Silbers (vgl. Abb. 5). Irgendwelche Diffu- sionsvorgange im Bereich der Linie b konnten wahrend der ganzen Zeit der Untersuchung nicht festgestellt werden und sind wohl auch nicht zu erwarten.

Von der Umgebung der Diffusionsgrenze wurde die in der Abb. lob) wiedergegebene Mikroaufnahme gemacht. Das hellere Gebiet ist die reine Selenschicht, wahrend sich in dem dunkleren durch das eindiffundierte Silber bereits Ag,Se gebildet hat. Die spindelformigen Kristallchen haben sich auf dem Tragerhautchen gebildet und waren sehr oft zu beobachten. Sie sind keine Reaktionsprodukte von Silber und Selen. Der Verlauf der Diffusions- grenze in der Abb. lob) deutet darauf hin, daB diese Kristallchen in kleineu Bereichen einen gewissen fordernden oder hindernden Einflu13 auf die Diffu- sion haben. (Uber die Natur dieser Kristallchen (Bestandteile des Dichtungs- fettes) siehe U. ZorllZ1).)

Im Gebiet der Linie c, d. h. dort, wo die eigentliche aufgedampfte Silber- schicht beginnt, nimmt die Intensitat der Silberinterferenzringe in Richtung auf den Uberlappungsbereich hin allmahlich xu, was sunachst wegen des

schrag abfallenden Randes der Silberschicht verstandlich ist. Ob dariiber hinaus aber noch eine Verarmung dieses Gebietes an Silber durch die Abwanderung in die Selenschicht die Ursache fur diese Erscheinung ist, lie13 sich nicht ganz eindeutig nachweisen. Es scheint jedoch ein solcher Effekt vorhanden zu sein.

Die zunehmende VergroBerung der Anlaufschicht lie13 sich durch Beobachtung der Diffusionsgrenzt:

Abb. 11. Graphische Darstellung der zeitlichen mit dem Elektronenstrahl gut ver- Verschicbung der Diffusionsgrenze, d. h. des folgen. Die in der Abb. 11 dar- Anwachsens der Liinge der Anlaufschicht in Abb. 10a) mit der Zeit. der gestellte Kurve ist charakteristisch schicht betrug bei dieser Probe etwa 14 mp, die meisten untersuchten

die der Selenschicht etwa 6 mp Proben dieser Herstellungsserie. Der Diffusionsablauf stimmt also

qualitativ mit dem von Mohr22) und Kienel2) beim System Silber-Tellur bzw. Silber-Selen gefundenen iiberein.

Bei dieser Herstellungsserie A lag die Dicke der Silberschichten im Bereich von 14-27 mp, die der Selenschichten betrug hochstens 7 mp.

Annalen der Physik. 6. Folge. Band 16. 1955

I-. I . ~ I ,"..,

11. Diinne Selenschicht etwas iiberlappend neben Silberschicht von iingcfahr gleicher Dicke (Herstellungsserie B)

Die Proben dieser Herstellungsserie B unterscheiden sich nur dadurch von den eben beschriebenen der Serie A, daB die Selenschicht ungefahr SO dick wie die zuerst aufgedampfte Silberschicht ist. Es w i d also wieder zu-

~~

22) Th. Mohr? Ann. Physik (6) 14, 370 (1964).

U . Zorll: Dif fuaionseracheinungen an diinnen Silber-Selen-Schichten 23

nachst Silber und dann Selen auf das Hautchen gedampft, wie auch in der schematischen Darstellung der Abb. 12 zum Ausdruck kommt. Die Konzen- tration des Selens im Wberlappungsbereich betragt jetzt ungefahr 27 Gewichts- prozent und entspricbt dem stochiometrischen Verhaltnis der Elemente in der Verbindung Ag,Se.

Im Gebiet der Selenschicht c-d lieB sich bei der Durchstrahlung wieder das Diagramm des amorphen Selens (Abb. 6) feststellen. Die Ausbildung einer Anlaufschicht konnte n ich t heobachtet werden.Im Uberlappungsbereich 6-c zeigte sich nur das Ringsystem des pseudo- err/ lbb 7 dannlbb 8

kubischen Ag,Se (Abb. 7) und nur in einem schmalen Gebiet am Rande der Selen- schicht b war noch zusatz- liCh das Ringsystem des Abb. 12. Schematische Darstellung der untersuchten Silbers (Abb. 5) zu er- Schichtcn der Herstellungsserie B mit einer Mdi- kennen. Die Durchstrah- fikationenderung im Uberlappungsbereich 6-c. a und lung des reinen Silber- d: Rand des Triigerhautchens, b : Rand der Selen-

schicht, c : Rand der Silberschicht. Die Markierungen gebietes lieferte die geben an, welches Diagramm an der betreffenden Interferenzen des Silber- Stelle der Schicht zu beobachten ist gitters.

Nach einer Zeit von (grol3enordnungsmailg) einer halben Stunde zeigte der ganze Wberlappungsbereich b-c nur noch das in der Abb. 8 wiedergegebene rhombische Ringsystem mit Textur. An e i n e r Probe konnte sogar festge- stellt werden, daB die Urnwandlung von einem Punkt ausging und sich inner- halh weniger Minuten uber den ganzeu Uberlappungsbereich ausbreitete.

Bei dieser Herstellungsserie lag die Schkhtdicke der Selenschichten zwi- schen 8 und 15 mp, die Dicke der Silberschichten war (wie oben schon erwahnt) ungefahr genau so grol3.

111. Dickc Silberschicht &was uberlappend neben relat,iv dunner Selenschicht (Herstellungsserie C)

Wie aus der schematischen Darstellung in der Abb. 13 hervorgeht, ist bei den in diesem Abschnitt beschriebenen Proben der Herstellungsserie C gegen- iiber denen der Serie A lediglich die Reihenfolge der Aufdampfung (Selen wird hier als erste Sub- stanz verdampft), nicht da- gegen das Konzentrations- verhaltnis der Substanzen verandert worden. Im Wberlappungsbereich be- tragt die Konzentration des Selens wieder weniger als 27%, dort ist also ein SilberiiberschuB vorhanden. in die Selenschicht hinein

I c / d fiayerbautchen Seknscbicbt

Abb. 13. Schematische Darstellung der untersuchten Schichten der Herstellungsserie C. Keinc Ausbildung einer Anlaufschicht wegen QuecksilbereinfluS. a und d : Rand des Tragerhautchens, 6 : Rand der Selenschicht, e : Rand der Silberschicht. Die Markierungen geben an, welches Diagramm an der hetreffcnden Stelle der

Schicht zu beobachten ist

Alle Voraussetzungen fur eine Diffusion des Silbers waren nach den biskerigen Erfahrungen gegeben

0 1 Si fberschicht

24 Annalen der Ph ysik. 6. Folge. Band 16. 1955

Dennoch konnte hier bei dieser Herstellungsart eine Diffusion n i c h t gefunden werden. Diesc Behinderung der Diffusion ist sicher au€ die Einwirkung der in der Elektronenbeugungsanlage vorhandenen Quecksilberdampfe zuriick- zufiihren, die von der Diffusionspumpe herriihren. Im einzelnen wird diese Erscheinung in der unmittelbar folgenden Arbeit (Zweistoffschichten VII ) be- h andelt .

Die Dicke der Selenschicht betrug bei dieser Herstellungsserie hochstens 6 m,u, die Dicke der Silbcrschichten lag zwischen 16 und 26 m,u.

E. Diskiission der Versuchsergebnisse Die Versuchsergebnisse zeigen, dal3 eine Diffusion dann xu beobachten ist,

nenn eine Selenschicht etwas uberlappcnd neben eine Silberschicht gedampft wird, wobei sich in der Anlaufschicht stets die pseudo-kubische Modifikation des Ag,Se bildet. A h weitere Voraussetzung muO natiirlich Silber fur die Diffusion in ausreichendem Ma13e zur Verfiigung stehen, d. h. im Oberlappnngs- bereich, wo sich entsprechend der aufgedampften Selenmenge auch das pseudo- kubische Ag,Se gebildet hat, mu13 noch ein Uberschul3 an metallischem Silber vorhanden sein. Die Diffusionsgrenze verschiebt sich im wesentlichen geradlinig. Hindernisse, die sich auf der Tragerhautchenoberflache befinden, wie die in der Abb. 10 sichtbaren Kristallchen und sonstigen Verunreinigungen, werden dabei gewissermafien umflossen.

Die Erscheinung des in der Abb. 8 gezeigten Ringsystems bei den Unter- suchungen, d. h. die Bildung des entsprechenden rhombischen Gibters mit der Textur, war unter den folgenden Bedingungen zu beobachten :

1. Die Substanz mit dem rhombischen Gitter bildete sich stets erst nach einer gewissen Zeit aus dem pseudo-kubischen Ag,Se.

2. Diese Umwandlung erfolgte nur an den Stellen, wo sich urspriinglich auf- gedampftes Silber befunden hatte, in der Anlaufschicht konnte sie nicht beobachtet werden.

3. Eine gewisse Iblindestschichtdicke des pseudo-kubischen Ag,Se scheint eine Voraussetzung fur die Umwandlung zu sein.

4. Bei SilberuberschuB im Wberlappungsbereich trat die Umwandlung nicht auf.

Von dieser 4. Bedingung konnte jedoch unter etwas veranderten Versuchs- bedingungen eine Ausnahme gefunden werden. Uenn bei einer rnit Selen be- dampften frei t r agenden Silberschicht, die zunachst bei Durchst,rahlung mit Elektronen im uberwiegenden MaSe das Ringsystem des pseudo-kubischen Ag,Se gezeigt hatte (die Silberringe traten nur schwach hervor), war nach einer halbstundigen Erwarmung bis auf ungefahr 80" C sehr deutlich das rhombische Ringsystem mit der Textur neben den Silberringen zu erkennen. Es ist deshalb moglich, daS bei dickeren Selen- und Silberschichten, die dann aber nicht mehr mit Elektroneninterferenzen untersucht werden konnen , oder bei etwas hoherer als Z'mmertemperatur die Umwandlung des pseudo- kubischen in das streng rhombische Gitter auch in der Anlaufschicht statt- findet und eventuell auoh schneller erfolgt.

Man darf aus den Ergebnissen wohl den SchluB ziehen, da13 es sich bei der Substanz rnit dem rhombischen Gitter ebenfalls urn Ag,Se und zwar um eine bei Z mmertemperatur bestandigere als die pseudo-kubische Modifikation

U. Zwll: Dif fusionserschein~ngen an dunnen Xilber-Selen-Schichten 25

handelt, die aber moglicherweise noch in geringem Mafie eine der beiden Komponenten Silber oder Selen gelost enthalt. Auf eine Verwandtschaft der beiden Gitter deutet vielleicht der Umstand hin, dafi die Elementarzelle des rhombischen Gitters ein Volumen von 238 A 3 hat, wahrend diese bei dem pseudo-kubischen Gitter mit einem Volumen von 1 2 1 A3 etwas mehr als halb so grol3 wie die rhombische Zelle ist. Fur eine weitergehende Strukturanalyse reicht allerdings die Deutung der hier wiedergegebenen Elektroneninter- ferenzen kaum aus.

Als weiterer Beweis mag noch das in der Abb. 1 4 wiedergegebene Dia- gramm dienen, in dem die beiden Ringsysteme zu erkennen sind. Es stammt von der schon in Abschnitt C I erwahnten Schicht des wohldefiniert hergestellten Ag,Se. Diese Schicht befand sich ebenfalls auf einem Kollodiumhautchen, das iiber ein Schlitztriigerblech gespannt war. Merk- wiirdigerweise war das Ringsystem des pseudo-kubischen Ag,Se in der Mitte der Schichtflache und das Ringsystem des rhombischen Ag,Se am Rand der Schicht, alsoin der Nahe der Kante des Schlitzes, zu finden. Eine Erklarung fur diese eigen- artige Verteilung kann noch nicht gegeben werden. Die Aufnahme wurde im Wber- gangsgebiet der beiden Modifikationen ge- mach t.

AbschlieBend sol1 noch erwahnt werden, daB ein EinfluB einer Erwarmung des Ob- jektes durch die auftreffenden Elektronen Abb. 14. Inkrferenzdiagramm einer auf die Diffusionsvorgiinge nicht festgestellt dunnen Srhicht der wohldefinierten werden konnte, denn er hatte sich be- Verbindung Ag&, mit den Inter- ferenzringsgstemen der pseudo-kubi- stimmt in einer Verzerrung der gradlinigen schen (ps. k.) und der rhombiscben Diffusionsgrenze oder in einer Umwand- (rh.) Modifikation lung des pseudo-kubischen Ag,Se in die streng kubische Hochtemperaturmodifikation bemerkbar gemacht. Es ist aber moglich, daB die also sicher geringfiigige Erwarmung die Umwandlung der peeudo-kubisehen Ag,Se-Modifikation in die rhombische begiinstigt oder gar auslosen kann .

F. Zusarnmenfassung der Untersuchungsergebnisse Die Untersuchungen an den Silber-Selen-Aufdampfschichten fuhrten zii

folgenden Ergebnissen : 1. Eine Diffusion des Silbers in die Selenschicht konnte dann beobachtet

werden, wenn die Selenschicht iiberlappend neben die Silberschicht aufge- dampft und in diesem Uberlappungsgebiet Silber im UberschuR vorhanden war.

2. In der Anlaufschicht, d. h. dem Teil der Selenschicht, in den bereits Silber eindiffundiert ist, bildet sich die Verbindung Ag,Se. Sie tritt in der Anlaufschioht bei Zimmertemperatur nur in einem Kristallgitter mit nied- riger Symmetrie auf, das aber doch eine weitgehende Shnlichkeit mit der

26 Annalen deer Physik. 6. Folge. Band 16. 1955

bei hoheren Temperaturen bestandigen kubisch-raumzentrierten Modifikation hat und deshalb als pseudo-kubisch bezeichnet werden kann. Die Gitter- konstante des streng-kubischen Gitters des Hoch-Ag,Se konnte zu aAg,Se = 4,978 ermittelt werden.

3. Wenn im Uberlappungsbereich kein uberschussiges Silber vorhanden ist, wandelt sich nach einer gewissen Zeit die pseudo-kubische Modifikation des Ag,Se in eine rhombische Modifikation um23). Die Umwandlung scheint eine Mindestschichtdicke der ursprunglichen pseudo-kubischen Ag,Se-Schicht zur Voraussetzung zu haben. Das rhombische Gitter liegt mit seiner (001)- Ebene parallel zur Oberflache des Schichttragers ; seine Gitterkonstanten haben die Werte:

a = 7,046 A, b = 4,325 A, G = 7,82 b.

Herrn Prof. Dr. G. C. Monch mochte ich fur die Anregung xu dieser Arbeit sowie fur die fordernden Ratschliige und Diskussionen meinen herzlichen Dank aussprechen.

za) ?Cur bei einem freitragqden Silberhautchen, das mit etwas Selen iiberdampft war, konnte nach einer Erwarmung auf 80" C das rhombische Ag,Se neben dem metalliwhen Silber beobachtet werden

Hal le (Saale), 11. Physikalisches Institut der Martin-Luther-Universitat.

Bei der Rcdaktion eingegangen am 23. Oktober 1954.