Anwendung der Gruppenbeitragszustandsgleichung VTPR für die Analyse von reinen Stoffen und Mischungen als Ar-
beitsmittel in technischen Kreisprozessen
vorgelegt von
Diplom-Ingenieur
Rima Abbas
von der Fakultät III – Prozesswissenschaften
der Technischen Universität Berlin
zur Erlangung des akademischen Grades
Doktorin der Ingenieurwissenschaften
Dr.-Ing.
genehmigte Dissertation
Promotionsauschuss:
Vorsitzender: Prof. Dr.-Ing. G. Tsatsaronis
Gutachterin: Prof. Dr. S. Enders
Gutachter: Prof. Dr. J. Gmehling
Tag der wissenschaftlichen Aussprache: 06.06.2011
Berlin 2011
D83
Vorwort
Die vorliegende Arbeit entstand in der Zeit von September 2007 bis Dezember 2010 im Rah-
men eines Kooperationsprojektes zwischen Frau Prof. Enders, TU Berlin und Herrn Prof. J.
Gmehling. Carl von Ossietzky Universität Oldenburg.
Frau Prof. Dr. Sabine Enders danke ich für die interessante Themenstellung, die sehr enga-
gierte Betreuung, ihre konstruktiven Anregungen und ihre stete Diskussionsbereitschaft.
Bei Herrn Prof. Dr. Jürgen Gmehling möchte ich mich für die wissenschaftliche Beratung und
für die Bereitstellung der benötigten Geräte und Mittel bedanken.
Herrn Prof. Dr. George Tsatsaronis danke ich für die freundliche Übernahme des Vorsitzes
der Promotionskomission.
Mein Dank gilt der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AIF:
15345N) für die finanzielle Unterstützung dieser Arbeit. Mein besonderer Dank gilt auch der
AL Baath Universität in Syrien für das Forschungsstipendium.
Bei den Mitarbeitern des Fachgebietes „Thermodynamik und thermische Verfahrenstechnik“
bedanke ich mich für die Hilfsbereitschaft und die angenehme Atmosphäre.
Bei den Mitarbeitern der Arbeitsgruppe Technische Chemie, der LTP GmbH und der DDBST
GmbH möchte ich mich für die gute Zusammenarbeit bedanken, dabei geht mein besonderer
Dank an Herrn Dr. E. Christian Ihmels, Frau Dipl.-Chem. Inga Hahnenkamp, Herrn Rainer
Bölts, Herrn Dipl.-Chem. Andre Schedemann, Herrn Dipl.-Chem. Ingo Schillgalies, Frau Dr.
Dana Constantinescu, Herrn Wilfried Cordes, Herrn Dr. Jens Ahlers und Herrn Dipl.-Chem.
Michael Döker.
Mein spezieller Dank gilt meiner Familie, meinen Eltern, meinen Geschwistern und vor allem
meinem Mann Mohsen, der mich immer unterstützte und mich auf meinem Weg begleitet hat.
Zwei Engeln (Batul und Faten) möchte ich diese Arbeit schenken, denn der Gedanke an euch
hat mich stets beflügelt.
Kurzfassung
Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Untersuchung der realen Mischungseffekte der Ar-
beitsmittel in technischen Kreisprozessen. Für die Beschreibung dieser Effekte kommt die
Gruppenbeitrags – Volumen Translierte Peng-Robinson Zustandsgleichung (VTPR-GCEOS)
zum Einsatz.
Beim Einsatz alternativer Wärmequellen im rechtsläufigen Kreisprozess kann die Energie-
umwandlung durch einen Organic-Rankine-Cycle-Prozess (ORC) erfolgen. Bei der Weiter-
entwicklung des ORC-Prozesses benötigt man die thermodynamischen Reinstoff- oder Ge-
mischstoffdaten der organischen Fluide. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Un-
tersuchung von reinen Stoffen (Aromaten, lineare Siloxane und cyclische Siloxane) und deren
Mischungen hinsichtlich ihrer Verwendung als Arbeitsfluide im ORC-Prozess. Für fünf ver-
schiedene Siloxane wurden die Dampfdrücke, die Wärmekapazitäten, die Dichten, die
Schmelztemperaturen und die Schmelzenthalpien, die Wärmeleitfähigkeiten und die Viskosi-
täten gemessen. Diese Daten dienten einerseits zur Bestimmung der Reinstoffparameter der
Zustandsgleichung (Dampfdrücke und Wärmekapazitäten) und anderseits zur Optimierung
des Kreisprozesses (z.B. die Wärmeleitfähigkeit zur Auslegung des Wärmeüberträgers). Bei
der Entwicklung der VTPR-GCEOS müssen die binären Gruppenwechselwirkungsparameter
angepasst werden. Zu diesem Zwecke wurden für ausgewählte binäre Mischungen die Exzes-
senthalpien und die Dampf-Flüssig Gleichgewichte bestimmt. Das entwickelte Modell erlaubt
nun den Einfluss der Mischungseffekte auf den thermischen Wirkungsgrad zu untersuchen.
Bei der thermodynamischen Analyse linksläufiger Kreisprozesse ist die korrekte Berechnung
des Joule-Thomson-Koeffizienten und der damit verbundenen Joule-Thomson-Inversions-
kurve von großer Bedeutung. Die Analyse der erhaltenen Ergebnisse erlaubt die Feststellung,
dass das entwicklte Modell VTPR-GCEOS erfolgreich zur Berechnung von technischen Käl-
teprozessen für reine Stoffe und für Mischungen eingesetzt werden kann.
Bei der thermodynamischen Untersuchung dieser Kreisprozesse darf das Realverhalten auf
keinen Fall vernachlässigt werden, da der jeweilige thermische Wirkungsgrad des Prozesses
durch ein Extrema als Funktion der Konzentration läuft, wobei die Art des Extremas von dem
Vorzeichen der Mischungsenthalpie abhängt.
I
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung ...................................................................................................................... 1
2 Thermodynamische Berechnungen ............................................................................ 4
2.1 Phasengleichgewichte......................................................................................... 4
2.2 gE-Modelle .......................................................................................................... 6
2.2.1 UNIQUAC (universal quasichemical).................................................... 6
2.2.2 Gruppenbeitragsmethode........................................................................ 8
2.2.2.1 Universal Quasi-Chemical Functional-Group Activity
Coefficient (UNIFAC) Modell ............................................................... 9
2.2.2.2 Die Gruppenbeitragsmethode Modified UNIFAC (Dortmund).
................................................................................................ 10
2.3 Kubische Zustandsgleichungen ........................................................................ 11
2.4 Die Gruppenbeitragszustandsgleichung VTPR ................................................ 16
3 Experimentelle Untersuchungen und Parameteranpassung.................................. 18
3.1 Verwendete Chemikalien ................................................................................. 18
3.2 Reinstoffeigenschaften ..................................................................................... 20
3.2.1 Der Dampfdruck ................................................................................... 20
3.2.1.1 Messung des Dampfdrucks mit dem Scott-Ebulliometer....... 20
3.2.1.2 Die Ergebnisse der Dampfdruckmessungen .......................... 21
3.2.2 Wärmekapazität .................................................................................... 22
3.2.2.1 Tian-Calvet-Kalorimeter (SETARAM) ................................. 23
3.2.2.2 Messprinzip des Tian-Calvet-Kalorimeters ........................... 25
3.2.2.3 Diskussion der Ergebnisse ..................................................... 26
3.2.3 Dichte.................................................................................................... 29
3.2.3.1 Messtechnik zur Bestimmung der Dichte .............................. 29
3.2.3.2 Modell des Biegeschwingers.................................................. 29
3.2.3.3 Messaufbau ............................................................................ 30
3.2.3.4 Diskussion der Ergebnisse ..................................................... 31
3.2.4 Schmelztemperatur und Schmelzenthalpie........................................... 35
3.2.4.1 Messaufbau des DSC-Q100 Kalorimeters von TA Instruments
................................................................................................ 35
3.2.4.2 Diskussion der Messergebnisse.............................................. 37
3.2.5 Wärmeleitfähigkeit ............................................................................... 39
II
3.2.5.1 Messtechnik zur Bestimmung der Wärmeleitfähigkeit.......... 39
3.2.5.2 Modell der instationären Hitzdrahtmethode........................... 40
3.2.5.3 Messaufbau ............................................................................ 40
3.2.5.4 Diskussion der Ergebnisse ..................................................... 41
3.2.6 Viskosität .............................................................................................. 46
3.2.6.1 Messtechnik zur Bestimmung der Viskosität......................... 46
3.2.6.2 Messaufbau des Stabinger-Viskosimeters.............................. 47
3.2.6.3 Diskussion der Ergebnisse der Viskositätsmessungen........... 48
3.3 Gemischdaten ................................................................................................... 49
3.3.1 Die Exzessenthalpie.............................................................................. 49
3.3.1.1 Messaufbau des isothermen Durchflusskalorimeters............. 50
3.3.1.2 Diskussion der Ergebnisse ..................................................... 51
3.3.2 Dampf-Flüssig-Gleichgewicht.............................................................. 53
3.3.2.1 Messtechnik zur Bestimmung der VLE-Daten ...................... 53
3.3.2.2 Messaufbau der statischen Methode ...................................... 54
3.3.2.3 Ergebnisse der VLE-Messungen............................................ 55
3.3.3 Wärmeleitfähigkeit für binäre Systeme ................................................ 57
3.3.4 Anpassung der Wechselwirkungsparameter für das VTPR-GCEOS
Modell ................................................................................................... 58
4 Rechtsläufige Kreisprozesse -Organic-Rankine-Cycle ........................................... 66
4.1 Thermodynamik des ORC-Prozesses ............................................................... 66
4.2 Reine Arbeitsmittel für ORC-Prozesse............................................................. 71
4.2.1 Sattdampfprozesse ................................................................................ 71
4.2.2 Überhitzte Dampfprozesse.................................................................... 74
4.2.3 Überkritischer Prozesse ........................................................................ 76
4.3 Binäre Gemische als Arbeitsmittel im ORC-Prozess ....................................... 77
4.4 Ternäre Gemische als Arbeitsmittel im ORC-Prozess ..................................... 88
5 Linksläufige Kreisprozesse ........................................................................................ 91
5.1 Joule-Thomson-Effekt ...................................................................................... 94
5.1.1 Joule-Thomson-Effekt für reine Stoffe................................................. 96
5.1.2 Joule-Thomson-Effekt für Gemische ................................................. 100
5.2 Kompressionskältemaschine .......................................................................... 106
5.2.1 Reine Stoffe ........................................................................................ 106
5.2.2 Mischungen als Arbeitsmittel bei der Kompressionskältemaschine .. 112
III
6 Zusammenfassung .................................................................................................... 115
7 Literaturverzeichnis ................................................................................................. 119
8 Anhang ...................................................................................................................... 133
IV
Symbolverzeichnis
Symbol Bezeichnung Einheit
a attraktiver Parameter der Zustandsgleichung in der Mischung dm6bar/mol2
ac,i aus kritischen Daten berechneter attraktiver Parameter der dm6bar/mol2
Komponente i
aii attraktiver Parameter der Komponente i (Gl. 2.37) dm6bar/mol2
anm Wechselwirkungsparameter zwischen den Gruppen n und m K
(Gl. 2.30)
bij binärer Parameter der quadratischen b-Mischungsregel (Gl. 2.62) dm3/mol
bnm Wechselwirkungsparameter zwischen den Gruppen n und m −
(Gl. 2.30)
b Co-Volumen-Parameter der Zustandsgleichung dm3/mol
cnm Wechselwirkungsparameter zwischen den Gruppen n und m K-1
(Gl. 2.30)
c Volumentranslationsparameter für das VTPR-Modell m3/mol
cpid Wärmekapazität des idealen Gases J/mol K
cP Wärmekapazität J/mol K
f Fugazität bar
fio Standardfugazität bar
F Zielfunktion −
Fi Verhältnis Oberflächenanteil zu Molanteil der Komponente i −
g Gewichtungsfaktor für den Beitrag zum Zielfunktionswert −
G Gibbssche Enthalpie J
gE molare Gibbssche Exzessenthalpie J/mol
ig partielle molare Gibbssche Enthalpie J/mol
h molare Enthalpie J/mol
hid molare Enthalpie des idealen Gases J/mol
hE molare Exzessenthalpie J/mol
mhΔ molare Schmelzenthalpie J/mol
kij binärer Wechselwirkungsparameter einer Zustandsgleichung −
Li, Mi, Ni Parameter der Twu-α-Funktion (Gl. 2.51) −
V
M Molmasse g/mol
m Masse kg .
m Massendurchflussrate kg/s
ni Molmenge der Komponente i mol
P Gesamtdruck bar
Pref Referenzdruck bar
Ps Sättigungsdampfdruck bar
qi van der Waalssche Oberfläche der Komponente i −
Qk van der Waalssche Oberfläche der Strukturgruppe k −
oij binärer Wechselwirkungsparameter einer Zustandsgleichung −
zwischen der Komponente i und der Komponente j (Gl. 5.10)
pij Parameter zur Beschreibung der Temperaturabhängigkeit des
binären Wechselwirkungsparameters kij (Gl. 5.10) Κ−1
qij Parameter zur Beschreibung der Temperaturabhängigkeit des
binären Wechselwirkungsparameters kij (Gl.5.10) Κ−2
q spezifische Wärme J/mol
R allgemeine Gaskonstante J/mol K
ri van der Waalssches Volumen der Komponente i −
Rk van der Waalssches Volumen der Strukturgruppe k −
s molare Entropie J/mol K
sid molare Entropie des idealen Gases J/mol K
T absolute Temperatur K
Tm Schmelztemperatur K
Tr reduzierte Temperatur (Tr = T / Tc) −
T∇ Temperaturgradienten K
Pr reduzierter Druck (Pr = P / Pc) −
V Volumen m³
Vi Volumenbruch der Gl. (2.12) −
Vi‘ modifizierter Ausdruck für den Volumenbruch der Gl. (2.29)
v molares Volumen m³/mol .
V Volumendurchflussrate m3/s
w spezifische Arbeit J/mol
wp benötigte Arbeit für die Pumpe J/mol
VI
.W Gesamtleistung eines Organic-Rankine-Cycle-Prozesses MW
x Molanteil in der flüssigen Phase −
X Gruppenmolanteil −
y Molanteil in der Gasphase −
zc kritischer Kompressibilitätsfaktor −
II.II Griechische Symbole Symbol Bezeichnung Einheit
γ i Aktivitätskoeffizient der Komponente i −
Γ Gruppenaktivitätskoeffizient −
Θk Oberflächenanteil der Gruppe k (UNIFAC) −
λ Wärmeleitfähigkeit W/m K
iμ chemisches Potential der Komponente i J/mol
JTμ Joule-Thomson-Koeffizient K/atm
thη thermischer Wirkungsgrad −
IHEη thermischer Wirkungsgrad des inneren Wärmetauschers −
isTη isentropischer Wirkungsgrad der Turbine −
isPη isentropischer Wirkungsgrad der Pumpe −
isVη isentropischer Wirkungsgrad des Verdichters −
Kε Kältezahl der Kältemaschine −
η dynamische Viskosität mPa s
νk Anzahl der Strukturgruppen vom Typ k −
ωi azentrischer Faktor der Komponente i −
ρ Dichte kg/m3
ϕi Fugazitätskoeffizient der Komponente i −
Ψnm UNIFAC-Parameter (Gl.(2.27) −
Δuij UNIQUAC-Parameter (Gl.2.19) −
ijδΔ binärer Parameter des UNIQUAC-Modells (Gl.2.20) −
VII
ijσΔ binärer Parameter des UNIQUAC-Modells (Gl.2.20) K-1
ijπΔ binärer Parameter des UNIQUAC-Modells (Gl.2.20) K-2
Temperatur °C
II.III Tiefgestellte Indizes
Symbol Bezeichnung
1, 2… Bezeichnung der Zustandsänderungen im Kreisprozess
ab abgeführte Wärme
Ar Arbeitsmittel
c kritischer Punkt
calc berechneter Wert
exp experimenteller Wert
i, j Komponente
k Strukturgruppe
K Kältemittel
MS molekulare Simulation
m Schmelzpunkt
ob oberer Prozessdruck
r reduzierte Größe
res Restanteil (Gl. 2.11)
un unterer Prozessdruck
vap Verdampfungspunkt
zu zugeführte Wärme
Wt Wärmeträger
II.IV Hochgestellte Indizes
Symbol Bezeichnung
α, β Phasen
C kombinatorischer Teil
VIII
E Exzessanteil
id idealer Gaszustand
L flüssige Phase
o Standardzustand
R Restanteil
ref Referenzzustand
s Sättigungszustand
V Dampfphase
II.V Abkürzungen
Symbol Bezeichnung
ASOG Analytical Solution of Groups
BACKONE Boublik-Alder-Chen-Kreglewski-Zustandsgleichung
DDB Dortmunder Datenbank
EOS Equation of State
HEOS Helmholtz-Zustandsgleichung
IHE innerer Wärmetauscher
MRA mittlere relative Abweichung
NRTL Non Random Two Liquid
ORC Organic-Rankine-Cycle
PC-SAFT Perturbed Chain - Statistical Association Fluid Theory
PRSV Peng-Robinson-Stryjek-Vera- Zustandsgleichung
PR Peng-Robinson-Zustandsgleichung
PSRK Predictive Soave-Redlich-Kwong-Gruppenbeitragszustandsgleichung
SLE Fest-Flüssig-Gleichgewicht
SRK Soave-Redlich-Kwong-Zustandsgleichung
VLE Dampf-Flüssig-Gleichgewicht
VTPR volumentranslatierte Peng-Robinson-Zustandsgleichung
VTPR-GCEOS volumentranslatierte-Peng-Robinson-Gruppenbeitragszustandsgleichung
UNIQUAC Universal Quasichemical
UNIFAC UNIQUAC Functional Group Activity Coefficient
Einleitung
1
1 Einleitung
Technische Kreisprozesse dienen einerseits zur Umwandlung von Wärme in Arbeit mit Hilfe
einer Wärmekraftmaschine (rechtsdrehender Kreisprozess) und anderseits zur Umwandlung
von Arbeit in Wärme bei verschiedenen Temperaturniveaus (linksdrehender Kreisprozess) mit
Hilfe einer Kältemaschine oder einer Wärmepumpe. Die Effektivität dieser Prozesse kann
durch den thermischen Wirkungsgrad charakterisiert werden, wobei dieser Wirkungsgrad im
Wesentlichen von der Temperaturdifferenz abhängt. In modernen Kraftwerken, die als Wär-
mequelle die Verbrennung von Erdgas benutzen, kommt dabei der sogenannte GuD-Prozess
zum Einsatz, der Wirkungsgrade von etwa 60% erzielen kann. Dabei handelt es sich um eine
Kombination des Gas- und Dampfprozesses. Die jeweiligen thermodynamischen Vergleichs-
prozesse sind der Joule-Prozess für den Gasprozess und der Claus-Rankine-Prozess für den
Dampfprozess. Beim klassischen Claus-Rankine-Prozess wird das Arbeitsmittel Wasser in der
Speisewasserpumpe verdichtet, anschließend im Verdampfer verdampft und wahlweise über-
hitzt. Danach erfolgen die Entspannung in der Turbine und die Kondensation des Wasser-
dampfs durch Wärmeabgabe an die Umgebung. Beim Einsatz alternativer Wärmequellen, wie
beispielsweise Geothermie, Photovoltaik, Verbrennung von Biomasse, oder Abwärme, steht
für den technischen Prozess Wärme bei einer deutlich niedrigeren Temperatur als der, die mit
der Verbrennung von Erdgas erreicht werden kann, zur Verfügung. Daraus folgt eine drasti-
sche Abnahme des Wirkungsgrades der Wärmekraftmaschine. Die Herausforderung der ge-
genwärtigen wissenschaftlichen Initiativen ist deshalb die Erhöhung des Wirkungsgrades für
Wärmekraftmaschinen, die nur Wärme bei einer niedrigeren Temperatur zur Verfügung ha-
ben. Eine Möglichkeit ist die Verwendung alternativer Arbeitsmittel, z.B. organischer Fluide.
In diesem Fall spricht man vom ORC-Prozess (Organic-Rankine-Cycle). Bei der Weiterent-
wicklung des ORC-Prozesses benötigt man die thermodynamischen Reinstoff- oder Gemisch-
stoffdaten (z.B. Dampfdrücke, Enthalpien, Entropien, Wärmekapazitäten, Wärmeleitfähigkei-
ten) der organischen Fluide [1-5].
Hochtemperatur-ORC-Anlagen (200-400 °C) arbeiten mit Siloxanen oder mit Toluol [6-8].
Drescher und Brüggemann [2] betrachteten über 700 mögliche Arbeitsfluide und stellen her-
aus, dass Alkylbenzene die höchsten Wirkungsgrade erzielen.
Im Vergleich zu den vorhandenen Daten für Wasser ist die Datenlage bzgl. der organischen
Stoffe und erst recht für deren Mischungen nach wie vor limitiert. Die vorliegende Arbeit
zielt auf die Untersuchung von reinen Stoffen (Aromaten, lineare Siloxane und cyklische Si-
Einleitung
2
loxane) und deren Mischungen hinsichtlich ihrer Verwendung als Arbeitsfluide im ORC-
Prozess.
Linkslaufende Kreisprozesse können mit Hilfe der Kompressionskältemaschine realisiert
werden. Meist wird trockener Dampf adiabatisch verdichtet, kondensiert und der nasse Dampf
gedrosselt und erneut durch Wärmezufuhr verdampft. Aus thermodynamischer Sicht spielt
dabei der Joule-Thomson-Koeffizient des Arbeitsfluides eine entscheidende Rolle. In den
technischen Prozessen kommen Kältemittel (z.B. Ammoniak, Kohlendioxid, Fluorchlorkoh-
lenwasserstoffe, kurzkettige Alkane) zum Einsatz, die aus ökologischen Gründen Probleme
verursachen können. Auch auf diesem Gebiet zielt die aktuelle Forschung auf den Einsatz von
alternativen Kältemitteln bzw. Kältemittelmischungen, die eine geringere Belastung für die
Umwelt hervorrufen [9-12]. In der Autoindustrie [13, 14] wird gegenwärtig der Einsatz des
relativ teuren Kältemittels CH2=CF-CF3 (R1234yf) diskutiert. Sowohl bei der Untersuchung
der Anwendungsmöglichkeiten von reinen Stoffen als Kältemittel und ganz besonders von
Kältemittelmischungen stellen die fehlenden Stoffdaten eine Limitierung dar. Die vorliegende
Arbeit soll auch an dieser Stelle einen Beitrag zur Verringerung dieser Limitierung leisten.
Die in der klassischen Verfahrenstechnik für die Weiterentwicklung von Prozessen und die
Optimierung von Apparaten benötigten Phasengleichgewichte (z.B. vapor-liquid equilibria,
VLE) können erfolgreich mit einem Aktivitätskoeffizientenmodel in Kombination mit einer
Dampfdruckgleichung für die reinen Stoffe vorausberechnet werden. Als Aktivitätskoeffi-
zientenmodell (gE-Modell) eignen sich die UNIFAC-Gruppenbeitragsmethode [15-23] und
dessen Weiterentwicklungen (z.B. mod. UNIFAC (Do) [24-28]). Diese Methoden bieten den
Vorteil, komplexe Moleküle als Mischungen von Strukturgruppen zu behandeln. Allerdings
ermöglichen diese Methoden keine Berechnung der zusätzlichen erforderlichen thermodyna-
mischen Stoffdaten, wie beispielsweise der Dichte, der Enthalpie und der Wärmekapazität,
die für die Kreisprozesse relevant sind. Ein weiterer Nachteil bei der Verwendung eines gE-
Modells zur Beschreibung der realen Mischungen besteht darin, dass keine Stoffeigenschaften
außerhalb des Zweiphasengebietes (z.B. überhitzter Dampf) berechnet werden können. Durch
die Kombination eines gE-Modells mit einer geeigneten thermischen Zustandsgleichung
(EOS) können diese Nachteile behoben werden. Zustandsgleichungen können in Gleichun-
gen, die eine Weiterentwicklung der van der Waals-EOS [29] darstellen (z.B. die Redlich-
Kwong (RK-EOS) [30], Soave-Redlich-Kwong (SRK-EOS) [31], die Peng-Robinson (PR-
EOS) [32], volumentransformierte Peng-Robinson (VTPR) [33-35]), die auf einer Gittertheo-
rie (z.B. Sanchez-Lacombe-EOS [36, 37]) oder auf einer Störungstheorie (z.B. SAFT [38],
PC-SAFT [39, 40], BACKONE [41]) basieren, eingeteilt werden.
Einleitung
3
Die Kombination einer Gruppenbeitragsmethode (z.B. mod. UNIFAC (Do) [24-28]) mit einer
Zustandsgleichung führt zu den Gruppenbeitragszustandsgleichungen.
Beispielsweise führt die Kombination der SRK-EOS mit der Gruppenbeitragsmethode zu der
PSRK (Predictive Soave-Redlich-Kwong-Gleichung) [42-45]. Ahlers et al. [46-48] kombi-
nierte die VTPR mit der mod. UNIFAC-Methode und erhielt die VTPR-GCEOS. Weiterhin
passte Ahlers et al. [46-48] die notwendigen Reinstoffparameter für n-Alkane, einfache Aro-
maten, Ketone, Methanol, Wasser, Kohlendioxid und Kohlenmonoxid, sowie die binären
Wechselwirkungsparameter an [46-48]. Durch die verbesserte Beschreibung der Flüssigvo-
lumina der reinen Stoffe gelang eine deutlich verbesserte Beschreibung der Gemischdichten
für verschiedene Systeme [33, 46-48]. Zusätzlich konnte die Qualität der berechneten Mi-
schungsenthalpien verbessert werden. Ahlers et al. [46-48] konnten diese Methode auch auf
überkritische Prozesse anwenden und die Parametermatrix auf langkettige Kohlenwasserstof-
fe und langkettige organische Säuren erweitern.
Yamaguchi et. al. [49] wendete erstmalig die VTPR-GCEOS zur Berechnung eines techni-
schen Kreisprozesses, dem Kalina-Kreisprozess an. Als Arbeitsmittel dienten Mischungen aus
Aceton + Cyclohexan, Ethanol + Benzol, Hexan + Benzol, Methanol + Benzol [49].
Im Rahmen dieser Arbeit soll die VTPR-GCEOS auf die Berechnung von Wärmekraftma-
schinen und Kältemaschinen angewendet werden. Die Herausforderung dabei besteht in der
signifikanten Erweiterung der Parametermatrix, insbesondere auf lineare und cyklische Silo-
xane. Für die zuverlässige Parameterbestimmung sind genaue experimentelle Daten unerläß-
lich. Deshalb ist der erste Schritt die Verbreiterung der experimentellen Datenbasis der reinen
Siloxane (Dampfdruck, Dichte, Wärmekapazität, Wärmeleitfähigkeit, Viskosität). Die ge-
wonnenen experimentellen Daten sollen einerseits der Kreisprozessoptimierung und anderer-
seits zur Anpassung der Reinstoffparameter der VTPR dienen. Für die Bestimmung der binä-
ren Wechselwirkungsparameter innerhalb des mod. UNIFAC-Modells sind binäre Daten
(Dampf-Flüssig Gleichgewichte, Exzessenthalpien) unabdingbar. Nach der Parameterisierung
des gewählten Modells soll dessen Einsatz anhand der Berechnung von technischen Prozessen
untersucht werden.
Thermodynamische Berechnungen
4
2 Thermodynamische Berechnungen
Ein wesentlicher Gesichtspunkt dieser Arbeit ist die Berechnung von technischen Kreispro-
zessen, bei denen Mischungen als Arbeitsmittel verwendet werden. Für die Beschreibung der
realen Mischungseigenschaften ist dafür eine parametrisierte, thermische Zustandsgleichung
(EOS) notwendig. Die Parametrisierung der Zustandsgleichung erfolgt mit Hilfe von thermo-
dynamischen Größen, die nicht aus dem technischen Prozess gewonnen werden können. Sol-
che Größen sind die Phasengleichgewichte (Vapor-Liquid Equilibrium (VLE), Solid-Liquid
Equilibrium (SLE)) oder andere thermophysikalische Eigenschaften (z.B. Exzessenthalpie
(hE), Wärmekapazität (cP), Joule-Thomson-Koeffizienten (μJT)).
2.1 Phasengleichgewichte
Phasengleichgewicht zwischen zwei koexistierenden Phasen, α und β, herrscht, wenn der
Druck P, die Temperatur T und die chemischen Potentiale jeder Komponente in beiden Pha-
sen die gleichen Werte annehmen.
1i i i nα βμ μ= = K (2.1)
wobei n die Anzahl der Komponenten im betrachteten System ist. Die Berechnung der Pha-
sengleichgewichte kann mit der Gibbsschen-Enthalpie G, die von Druck, Temperatur und
Zusammensetzung abhängt, erfolgen.
( )nPTGG ,,= (2.2) Die erste Ableitung von G nach der Stoffmenge einer Komponente bei Konstanz von T, P und
der Stoffmenge aller anderen Komponenten, ist das chemische Potenzial μi:
i
nnPTii gn
G
ij
=⎟⎟⎠
⎞⎜⎜⎝
⎛∂∂
=≠,,
μ (2.3)
Lewis [50] schlug eine Methode zur Berechnung des chemischen Potenzials mit Hilfe der
Fugazität f vor, um das reale Verhalten einer Flüssigkeit zu beschreiben:
( )ii fRTdd ln=μ (2.4) Die Phasengleichgewichtsbedingung kann auch mit Hilfe der Fugazitäten (Isofugazitätsbe-
dingung) formuliert werden:
1i if f i nα β= = K (2.5)
Thermodynamische Berechnungen
5
Die Fugazität ist mit dem Molenbruch über den Fugazitätskoeffizienten ( iϕ ), und den Druck
(P) verknüpft:
1i i i ix x i nα α β βϕ ϕ= = K (2.6)
Im Falle eines idealen Gases ist der Fugazitätskoeffizient gleich Eins. Für die Beschreibung
eines realen Gases kann der Fugazitätskoeffizient mit einer thermischen Zustandsgleichung
berechnet werden. Betrachtet man die flüssige Mischphase als Abweichung zu einer Gasphase
kann die Zustandsgleichung auch auf diese Mischphase angewendet werden. Eine Alternative
bildet der Aktivitätskoeffizient ( iγ ), der die Abweichung einer realen Mischung von einer
idealen Mischung beschreibt. Der Aktivitätskoeffizient egibt sich aus dem folgenden Zusam-
menhang:
γ =L
ii oL
i i
fx f
(2.7)
Für die Beschreibung der Realitäten in der flüssigen Phase stehen somit zwei Möglichkeiten
zur Verfügung. Demzufolge, können beide Möglichkeiten auch zur Berechung des Dampf-
Flüssig-Gleichgewichts angewendet werden:
( iγ - iϕ ) Methode: oifiγixPviiy =ϕ (2.8)
( iϕ - iϕ ) Methode: Lii
vii yx ϕϕ = (2.9)
Das reale Verhalten der flüssigen Phase wird bei Anwendung von Gl. (2.8) mittels des Aktivi-
tätskoeffizienten ( iγ ) und der Standardfugazität (fio) bei Systemdruck und Systemtemperatur
beschrieben. Der Aktivitätskoeffizient ( iγ ) lässt sich mit Hilfe eines gE-Modells, z. B. einer
Gruppenbeitragsmethode, bestimmen. Zwischen den Aktivitätskoeffizienten und der Gibbs-
schen Exzessenthalpie gE besteht folgender Zusammenhang:
iiEii
E xRTgxg γln∑∑ == (2.10) Die Realität in der Dampfphase wird durch den Fugazitätskoeffizienten ( viϕ ) berücksichtigt,
wobei eine Zustandsgleichung benötigt wird, die in der Lage ist, das PVT-Verhalten in der
Dampfphase zu beschreiben.
Bei der Anwendung von Gl. (2.9) wird die Realität der Dampfphase bzw. der flüssigen Phase
mit Hilfe des Fugazitätskoeffizienten ( iϕ ) beschrieben, welche mit einer Zustandsgleichung
ermittelt werden. Bei dieser Methode wird keine Standardfugazität (fio) benötigt. Noch dazu
kann man bei der Berechnung des Phasengleichgewichts mittels dieser Methode gleichzeitig
weitere prozesstechnisch relevante Reinstoff- und Gemischeigenschaften bestimmen, u. a.
Thermodynamische Berechnungen
6
Enthalpien (h), Entropien (s), Joule-Thomson-Koeffizienten (μJT), Wärmekapazitäten (cP),
Dichten (ρ) und Verdampfungsenthalpien (ΔhV). Im Gegensatz zur ( iγ - iϕ ) Methode ist die
Phasengleichgewichtsberechnung mit der ( iϕ - iϕ ) Methode auch möglich, wenn eine der
Komponenten im überkritischen Zustand vorliegt. Außerdem wird das Resultat bei dieser
Methode sehr stark von den Mischungsregeln beeinflusst.
Eine detaillierte Beschreibung kann der Literatur [51] entnommen werden.
2.2 gE-Modelle
Zur Darstellung des Aktivitätskoeffizienten ( iγ ) als Funktion von Zusammensetzung, Tempe-
ratur und Druck werden gE-Modelle verwendet. Die Darstellung des realen Verhaltens von
Mehrkomponentensystemen erfordert ein gE-Modell, das in der Lage ist, nicht nur binäre Sys-
teme, sondern auch Mehrkomponentensysteme zu beschreiben. Wilson [52], NRTL [53],
ASOG [54] und UNIQUAC [15] basieren auf dem Prinzip der „ Lokalen Zusammensetzung“.
Dieses Prinzip beruht auf der Vorstellung, dass im lokal begrenzten Volumenbereich die mik-
roskopische Zusammensetzung von der Gesamtzusammensetzung der Mischung abweichen
kann. Zur Berechnung des Phasengleichgewichtes mit diesen Modellen werden die benötigten
binären Wechselwirkungsparameter zwischen den beteiligten Komponenten an die experi-
mentellen Daten der Mischung angepasst. Eine Alternative zu den genannten gE-Modellen
bietet die Gruppenbeitragsmethode, die zur Vorausberechnung eingesetzt werden kann. Im
Rahmen dieser Arbeit kommt eine Gruppenbeitragsmethode, die die Eigenschaften von che-
mischen Stoffen aus Struckturgruppen bestimmt, zum Einsatz. Die verwendete Gruppenbei-
tragsmethode zeigt Gemeinsamkeiten mit dem UNIQUAC-Modell, dass im Folgenden näher
beschrieben wird.
2.2.1 UNIQUAC (universal quasichemical)
Der 1952 von Guggenheim [55] entwickelte Ansatz wurde von Abrams und Prausnitz (1975)
angewendet [15]:
RE
CEE
RTg
RTg
RTg )()( += (2.11)
ii
ii
iii
iC
E
VF
xqVxRTg ln5ln)( ∑∑ +=
(2.12)
Thermodynamische Berechnungen
7
jijj
jiii
RE
xFxqRTg τ∑∑−= ln)(
(2.13)
Der (gE/RT) Term besteht aus einem kombinatorischen Anteil (gE/RT)C, der die Beiträge der
Exzessentropie berücksichtigt, und dem Restanteil (gE/RT)R, der die Exzessenthalpie erfasst.
Der Aktivitätskoeffizient besteht aus einen kombinatorischen und einen Restanteil:
Ri
Cii γγγ lnlnln += (2.14)
Der kombinatorische Anteil des UNIQUAC-Modells ergibt sich aus:
⎟⎟⎠
⎞⎜⎜⎝
⎛+−−+−=
i
i
i
iiii
Ci F
VFV
qVV ln15ln1lnγ (2.15)
wobei :
jj
j
ii xr
rV
∑=
(2.16)
jj
j
ii xq
qF
∑= (2.17)
Zur Berechnung von Vi und Fi benötigt man die van der Waalsschen Größen (Volumen ri und
Oberfläche qi), die in der Literatur [56] tabelliert sind. Die Wechselwirkungskräfte zwischen
den Molekülen i und j werden durch den Restanteil berücksichtigt:
⎥⎥
⎦
⎤
⎢⎢
⎣
⎡
∑−−= ∑∑
∑j kjkk
k
ijjj
j jj
j ijjji
Ri xq
xqxq
xqq
τττ
γ ln1ln
(2.18)
wobei :
Tuij
ij
Δ−= expτ
(2.19)
Durch den UNIQUAC-Ansatz lässt sich das reale Verhalten von Mehrkomponenten-
Systemen beschreiben. Für die Beschreibung der Temperaturabhängigkeit des Phasengleich-
gewichts werden temperaturabhängige Parameter für diese Modelle eingeführt [57, 58]:
T
TT ijijijij
)(exp
2πσδτ
Δ+Δ+Δ−= (2.20)
wobei Δδij Δσij und Δπij die anpassbaren, temperaturabhängigen Parameter zwischen der
Komponente i und der Komponente j sind.
Thermodynamische Berechnungen
8
2.2.2 Gruppenbeitragsmethode
Die Anwendung der gE-Modelle zur Anpassung des realen Verhaltens von Systemen benötigt
experimentelle Informationen zur Bestimmung der Modellparameter. Obwohl eine Vielzahl
an Phasengleichgewichten publiziert wurde (z.B. [59-61]) existieren oft Systeme, für die kei-
ne experimentellen Daten verfügbar sind. Für das Basic-Engineering der Verfahrensentwick-
lung, bei denen Systeme auftreten, für die keinerlei experimentelle Information zur Verfügung
stehen, gestaltet sich die Anwendung der gE-Modelle schwierig, da sie nicht parametrisiert
werden können. Um jedoch trotzdem thermodynamische Eigenschaften vorherzusagen, wur-
den Gruppenbeitragsmethoden entwickelt [16-19]. Diese Methoden basieren auf der Vorstel-
lung, dass ein Gemisch nicht als Molekülgemisch sondern als Strukturgemisch angesehen
wird (Abb. 2. 1).
Abb. 2. 1 Das Prinzip des Gruppenbeitragskonzepts anhand des Systems Benzol +
Hexamethyldisiloxan
Der große Vorteil dieser Vorstellung gegenüber herkömmlichen gE-Modellen besteht nun
darin, dass die Anzahl der möglichen Strukturgruppen sehr viel kleiner als die Anzahl mögli-
cher Moleküle ist.
Am Beispiel von Benzol + Hexamethyldisiloxan kann das reale Verhalten bei Kenntnis der
Wechselwirkungsparameter zwischen den vorliegenden Hauptgruppen berechnet werden. In
diesem Beispiel bilden die Aromaten (ACH), die Siloxane (SIO) und die Silane (SIH2) die
Thermodynamische Berechnungen
9
Hauptgruppen. Die Hauptgruppen unterteilt man in Untergruppen, wobei die Hauptgruppe der
Silane in vier Untergruppen (SIH2, SIH3, SIH, SI) unterteilt wird. Die entsprechenden Unter-
gruppen für die Hauptgruppe der Siloxane sind SIH2O und SIHO. Die Hauptgruppe der Alka-
ne kann in vier Untergruppen (CH3, CH2, CH, C) unterteilt werden. Diese Vorgehensweise
erlaubt das thermodynamische Verhalten von beliebigen Mischungen, die aus diesen Haupt-
und Untergruppen aufgebaut sind, zu berechnen.
2.2.2.1 Universal Quasi-Chemical Functional-Group Activity Coefficient (UNIFAC) Modell
Das Konzept der Strukturgruppen wurde 1969 erstmals von Derr und Deal [54], dann 1975
von Fredenslund et al. [19] umgesetzt. Analog zum UNIQUAC-Modell (Gl. (2.14)) ergibt
sich der Aktivitätskoeffizient im Rahmen des UNIFAC-Modells additiv aus einem kombina-
torischen Anteil und einem Restanteil [16-23]. Der kombinatorische Teil (Gl. (2.15)), der die
Exzessentropie berücksichtigt, wurde aus dem UNIQUAC-Ansatz unverändert übernommen
und wird in der Literatur als Stavermann-Guggenheim-Term bezeichnet. Die van der Waalss-
chen Volumina Rk und Oberflächen Qk der Strukturgruppe k sind nach Bondi ermittelbar [56].
Die Werte für ri und qi eines Moleküls ergeben sich aus den entsprechenden Größen der
Strukturgruppen:
ki
kiRr )(∑= ν (2.21)
ki
kiQq )(∑= ν (2.22)
Die Größe )(ikv stellt dabei die Anzahl der Strukturgruppen vom Typ k im Molekül i dar.
Der Restanteil, der die Exzessenthalpie erfasst, wird folgendermaßen definiert:
( ))()( lnln ikk
k
ik
Ri v Γ−Γ= ∑γ
(2.23)
Dieser Anteil lässt sich additiv aus den Gruppenaktivitätskoeffizienten Γk und Γk(i) der Struk-
turgruppen k in der Mischung bzw. in den Reinstoffen berechnen:
⎥⎥⎥
⎦
⎤
⎢⎢⎢
⎣
⎡
ΨΘΨΘ
−⎟⎠
⎞⎜⎝
⎛ΨΘ−=Γ ∑ ∑∑ m
nnmn
mkm
mmkmkk Q ln1ln (2.24)
wobei der Oberflächenanteil mΘ :
Thermodynamische Berechnungen
10
∑
=Θ
nnn
mmm XQ
XQ
(2.25)
und der Molanteil mX :
( )
( )
jm j
jm j
n jj n
v xX
v x=
∑∑∑
(2.26)
der Strukturgruppe k ist. Die Funktion (Ψnm) in der Gl. (2.24), die die Temperaturabhängig-
keit dieses Modells erfasst, enthält Gruppenwechselwirkungsparameter ( nma ) zwischen den
Gruppen n und m.
exp nmnmaT
⎡ ⎤Ψ = −⎢ ⎥⎣ ⎦ (2.27)
Die nma bzw. mna - Parameter werden durch die Anpassung an experimentelle thermodyna-
mische Größen (z.B. Dampf-Flüssig Gleichgewicht) bestimmt. Die Untergruppen einer
Hauptgruppe haben unterschiedliche van der Waalssche Volumina (Rk) und Oberflächen (Qk)
aber die gleichen Gruppenwechselwirkungsparameter. Dieses Modell findet für die Berech-
nung der Aktivitätskoeffizienten eine breite Anwendung, jedoch wird meist eine Modifikati-
on, die im Folgenden erläutert wird, benutzt.
2.2.2.2 Die Gruppenbeitragsmethode Modified UNIFAC (Dortmund)
Die Modifikation, vorgeschlagen von Weidlich und Gmehling [24], besteht aus einem modi-
fizierten kombinatorischen Term mit einem veränderten Volumenquotienten (V´):
⎟⎟⎠
⎞⎜⎜⎝
⎛+−−+−=
i
i
i
iiií
Ci F
VFVqVV ln15ln1ln ''γ (2.28)
∑
=′
jjj
ii
rx
rV
43
43
(2.29)
Für die Optimierung des angepassten Exponent (3/4) wurden Aktivitätskoeffizienten bei un-
endlicher Verdünnung ( ∞γ ) für verschiedene Alkan-Alkan-, Alkan-Alkohol-, Alkohol-
Alkohol-Systeme angewandet [24-26].
Thermodynamische Berechnungen
11
Anderseits wurde die Temperaturabhängigkeit der Wechselwirkungsfunktion (Ψnm) in der Gl.
(2.27) neu adjustiert [24-26]. Im Rahmen des modifizierten Modells berücksichtigt man die
Temperaturabhängigkeit bis zum quadratischen Term:
( )
⎥⎦
⎤⎢⎣
⎡ ++−=Ψ
TTcTba nmnmnm
nm
2
exp (2.30)
Die in der Gl. (2.30) auftretenden Parametern ( nma , nmb , nmc ) können aus folgenden thermo-
dynamischen Größen: Dampf-Flüssig-Phasengleichgewichten (VLE), Exzessenthalpien (hE),
Exzesswärmekapazitäten ( EPc ), Fest-Flüssig-Phasengleichgewichten für eutektische Systeme
(SLE), Flüssig-Flüssig-Phasengleichgewichten (LLE), azeotropen Daten (AZD) und Aktivi-
tätskoeffizienten bei unendlicher Verdünnung ( ∞γ ) gewonnen werden. Die Einführung der
verbesserten Temperaturfunktion von Ψnm (Gl. (2.30)) führt zu einer signifikant besseren Mo-
dellierung der Phasengleichgewichten und Exzessenthalpien [27, 28].
2.3 Kubische Zustandsgleichungen
Für die Phasengleichgewichtsberechnung wird der Fugazitätskoeffizient ( iϕ ) als Funktion des
Druckes, der Temperatur und der Zusammensetzung benötigt. Dieser Fugazitätskoeffizient
lässt sich aus einer thermischen Zustandsgleichung (EOS) mit der folgenden Gleichung be-
rechnen:
∫∞
⎟⎟⎠
⎞⎜⎜⎝
⎛−
⎥⎥
⎦
⎤
⎢⎢
⎣
⎡−⎟⎟
⎠
⎞⎜⎜⎝
⎛∂∂
=≠v nvTi
i TRvPvd
vTR
nP
TRij
ln1ln,,
ϕ
(2.31)
Die 1873 von van der Waals [29] entwickelte Gleichung, mit der das reale Gasverhalten bis
hin zur Kondensation zur Flüssigkeit und die kritischen Erscheinungen mathematisch be-
schrieben werden konnten, hat bezüglich des Volumens kubischen Charakter:
2va
bvRTP −−
= (2.32)
Für reine Stoffe enthält diese Gleichung zwei stoffspezifische Parameter a und b. Für die An-
wendung der EOS auf Mischungen müssen diese Parameter aus den in der Mischung vorhan-
denen Reinstoffen (z.B. i und j) durch Mischungsregeln bestimmt werden. Eine Möglichkeit
für diese Mischungsregeln ist:
= ∑∑ i j iji j
a x x a (2.33)
Thermodynamische Berechnungen
12
Mit 0.5( ) (1 )= −ij ii jj ija a a k
= ∑ i ii
b x b (2.34)
wobei der binäre Wechselwirkungsparameter kij an thermodynamische Größen der Mischung
angepasst werden muss.
Die van der Waals EOS besteht aus zwei Termen, einem abstoßenden und einem anziehenden
Term. Dabei erfasst der Parameter a die anziehenden Wechselwirkungen zwischen den Mole-
külen, und der Parameter b berücksichtigt das inkompressible Eigenvolumen der Moleküle.
Beide Parameter a und b sind aus kritischen Daten berechenbar.
Eine der erfolgreichsten modifizierten Zustandsgleichungen wurde von Redlich und Kwong
(RK-EOS) publiziert [30]. In dieser Zustandsgleichung wurde eine Modifikation des attrakti-
ven Terms durchgeführt.
)(5.0 bvvT
abv
RTP+
−−
= (2.35)
Die Einführung der Temperaturabhängigkeit führt zu einer verbesserten Beschreibung des
PVT-Verhaltens. Eine weitere Verbesserung gelang Soave [31] durch die Berücksichtigung
der Temperaturabhängigkeit des Wechselwirkungsparameters. Diese Zustandsgleichung wird
Soave-Redlich-Kwong-Zustandsgleichung (SRK-EOS) genannt:
)()(bvv
Tabv
RTP+
−−
= (2.36)
Die Parameter a und b der Zustandsgleichung SRK-EOS können ebenfalls aus den kritischen
Daten und dem azentrischen Faktor (ω) erhalten werden:
)()( , TaTa iicii α= (2.37)
ic
icic P
TRa
,
2,
2
, 42748.0= (2.38)
ic
ici P
TRb
,
,08664.0= (2.39)
Die α(T)-Funktion ist als Korrektur für den Reinstoffsättigungsdampfdruck gedacht [31] und
deshalb mit dem azentrischen Faktor ω verknüpft:
2
( ) 1 (1 )r EOS r rc
TT m T T Tα⎡ ⎤= + − =⎣ ⎦ (2.40)
20.48 1.574 0.176EOSm ω ω= + − (2.41)
0.71 log ( ) rs
r T rc
PP P Pω == − − = (2.42)
Thermodynamische Berechnungen
13
wobei Pr und Tr den reduzierten Druck bzw. die reduzierte Temperatur darstellen. Der azentri-
sche Faktor ω, der charakteristisch für jeder Substanz ist, enthält Informationen über den re-
duzierten Dampfdruck bei einer reduzierten Temperatur von 0.7. Die oft benötigten Parameter
Tc, Pc und der azentrische Faktor ω sind für viele Reinstoffe in der Dortmunder Datenbank
(DDB) [61] gespeichert. Wenn keine kritischen Daten zur Verfügung stehen, werden diese
Parameter über eine geeignete Methode wie die von Ambrose [62] oder Joback und Reid [63]
abgeschätzt.
Eine alternative Zustandsgleichung ist die von Peng und Robinson [32] entwickelte Zustands-
gleichung (PR-EOS):
)()()(
)( bvbbvvTa
bvRTP
−++−
−=
(2.43)
Die Reinstoffparameter a und b der PR-EOS können analog zu den Reinstoffparametern der
SRK-EOS aus den kritischen Größen und dem azentrischen Faktor bestimmt werden. Die von
der SRK-EOS abweichenden Zusammenhänge sind:
cc
c PTR
a22
45724.0= (2.44)
cc
PTR
b 0778.0= (2.45)
20.37464 1.54226 0.26992EOSm ω ω= + − (2.46)
Zur Verbesserung der Beschreibung der Flüssigdichte wurde die Volumentransformation
1982 von Peneloux [64] für die SRK-EOS eingeführt. Dieses Konzept kann auch auf andere
kubische Zustandsgleichungen angewendet werden. Das Konzept beruht auf der Idee, dass für
eine definierte Temperatur dem berechneten Volumen der Zustandsgleichung ein dritter kon-
stanter Parameter c additiv hinzugefügt wird. Peneloux [64] konnte zeigen, dass der Transla-
tionsparameter c keinen Einfluss auf die Phasengleichgewichtsberechnungen hat. Bei Einfüh-
rung des volumentranslatierten Parameters in die PR-EOS ergibt sich die volumentranslatierte
Peng-Robinson-Zustandsgleichung (VTPR) [33-35]:
)())((
)()( bcvbbcvcv
Tabcv
RTP−+++++
−−+
= (2.47)
Wie in Abb. 2. 2 dargestellt, wird der Parameter c aus der Abweichung der experimentellen
und berechneten Flüssigvolumen (Flüssigdichten) der Isotherme im PV-Diagramm bei einer
reduzierten Temperatur Tr = 0.7 abgeleitet. Zur Bestimmung des Parameters c kann die Sätti-
gungsdichte bei dieser Temperatur nach:
Thermodynamische Berechnungen
14
, ,exp ,( 0.7)= − =i i calc i i rc v v T (2.48)
bestimmt werden. Eine Alternative ist die Verwendung der generalisierten Gleichung [46,
65]:
( )0.252 1.5448 0.4024i ii
ci c
c
R Tc z
P⋅
= − − (2.49)
wobei zci der Kompressibilitätsfaktor der reinen Komponente am kritischen Punkt ist. Diese
Alternative wurde in dieser Arbeit benutzt. Für Mischungen wird der c-Parameter mit Hilfe
eines linearen Ansatzes berechnet:
i i
ic x c= ⋅∑
(2.50)
Abb. 2. 2 Die schematische Darstellung des Konzeptes der Volumentranslation [33]
Eine genaue Beschreibung der Dampfdruckkurve eines Reinstoffs ist eine Voraussetzung für
eine zuverlässige Phasengleichgewichtsberechnung von Gemischen, demzufolge existieren in
der Literatur zahlreiche Arbeiten [33, 66-72] zur Verbesserung der Modellierung der Dampf-
druckkurve eines reinen Stoffes durch die Modifikation der α(T)-Funktion. Die Entwicklung
dieser Funktion muss neben der genauen Beschreibung der Dampfdruckkurve folgende Krite-
rien erfüllen:
• Zur Erfüllung des Korrespondenzprinzips muss die α(T)-Funktion am kritischen Punkt
den Wert Eins annehmen.
• Die α(T)-Funktion muss positiv und endlich sein, weil der attraktive Parameter a(T),
der die anziehenden Wechselwirkungen erfasst, positiv sein muss.
• Bei sehr hohen Temperaturen muss die α(T)- Funktion asymptotisch gegen Null ver-
laufen, um das Grenzgesetz des idealen Gases zu erfüllen.
Thermodynamische Berechnungen
15
• Bei fehlenden experimentellen Informationen sollte eine generalisierte α(T)-Funktion
zur Verfügung stehen.
Die von Twu et al. [67] vorgeschlagene α(T)-Funktion:
( )( 1)( ) exp 1α ⋅ − ⋅⎡ ⎤= ⋅ ⋅ −⎣ ⎦i i i ii iN M N Mi r i rT T L T (2.51) erfüllt die oben formulierten Kriterien. Die Parameter Ni, Mi und Li werden an experimentelle
Danpf-Flüssig Gleichgewichtsdaten angepasst. Diedrichs [73] schlug vor neben Dampfdruck-
daten auch Verdampfungsenthalpien and Wärmekapazitäten zur Parameterbestimmung zu
benutzten.
Stehen für einen unbekannten Soff nur die kritischen Größen und der azentrische Faktor zur
Verfügung, kann die α(T)-Funktion mit Hilfe der generalisierten Gleichung, die als Funktion
des azentrischen Faktors ω formuliert ist, abgeschätzt werden [69]:
(0) (1) (0)( ) ( )i iTα α ω α α= + ⋅ − (2.52)
Für die allgemeine Form der Gleichung zur Berechnung der Größen α(0) bzw. α(1) schlug Twu
et al. [69] vor:
( ) ( )0 00 0( ) exp 1a cr r rT T b Tα ⎡ ⎤= −⎣ ⎦ (2.53) bzw.
( ) ( )1 11 1( ) exp 1a cr r rT T b Tα ⎡ ⎤= −⎣ ⎦ (2.54) wobei a0, b0, c0, a1, b1 und c1 vom Zustand des Reinstoffes (über- oder unterkritisch) abhän-
gen. Im unterkritischen Zustandsgebiet wurden diese Parameter bei Verwendung der PR-EOS
aus Dampfdruckdaten von n-Alkanen (von Methan bis n-Eicosan) erhalten [71]. Im überkriti-
schen Zustand erfolgt die Ermittlung dieser Parameter aus Löslichkeiten von Stickstoff und
Wasserstoff in langkettigen n-Alkanen. Im Gegensatz dazu verwendete Ahlers [33] für die
Parameteranpassung mit Hilfe der VTPR im unterkritischen Zustand Dampfdrücke von 65
Komponenten, wobei auch Aromaten, Ketone, Alkohole und Kältemittel genutzt wurden.
Dabei ergab sich [33]:
( ) ( )0 0.1883273 2.1329765exp 0.1048767 1α − ⎡ ⎤= −⎣ ⎦i ir rT T (2.55)
( ) ( )1 0.6029386 2.2059312exp 0.5113343 1α − ⎡ ⎤= −⎣ ⎦i ir rT T (2.56) Im überkritischen Zustand kamen die von Twu et al. [71] vorgeschlagenen Parameter zum
Einsatz:
( ) ( )0 0.792651 0.992615exp 0.401219 1α − −⎡ ⎤= −⎣ ⎦i ir rT T (2.57)
Thermodynamische Berechnungen
16
( ) ( )1 1.984711 9.98471exp 0.024955 1α − −⎡ ⎤= −⎣ ⎦i ir rT T (2.58)
2.4 Die Gruppenbeitragszustandsgleichung VTPR
Durch die von Huron und Vidal [74] vorgeschlagene Kombination eines gE-Modells (z.B.
NRTL [53]) mit einer Zustandsgleichung (z.B. SRK-EOS) werden die Vorteile beider Vorge-
hensweisen zur Phasengleichgewichtsberechnung (( iγ - iϕ ) Methode Gl. (2.8) und ( iϕ - iϕ )
Methode Gl. (2.9)) vereint. Gleichzeitig eröffnete diese Kombination die Möglichkeit, eine
Gruppenbeitragsmethode mit einer Zustandsgleichung zu kombinieren und es ergeben sich
sogenannte Gruppenbeitragszustandsgleichungen. Ein Beispiel ist die GCEOS-PSRK (Group
Contribution-Predictive Soave-Redlich-Kwong equation of state) [42-45].
Bei der Kombination einer Zustandsgleichung mit einem gE-Modell beruhen alle Mischungs-
regeln auf der Annahme, dass ein Aktivitätskoeffizientenmodell und eine Zustandsgleichung
bei einem definierten Druck (Referenzdruck) einen äquivalenten Wert für die Gibbssche Ex-
zessenthalpie aufweisen:
, ,
( )E EOS E
refg g P PR T R T
γ
= = (2.59)
Diese Annahme führt für kubische Zustandsgleichungen zu:
( )E ref
i i
i i
x a g Pa bb
⎛ ⎞= −⎜ ⎟Λ⎝ ⎠
∑ (2.60)
wobei Λ nur von der Art der Zustandsgleichung abhängt. Chen et al. [75] leiteten für die
VTPR-GCEOS einen Wert von Λ=0.53087 ab. Wählt man ein gE-Modell, die Reinstoffpara-
meter ai und bi, sowie eine Mischungsregel für b, erlaubt Gl. (2.60) die Berechung des Para-
meters a für beliebige Mischungen.
Im Rahmen dieser Arbeit wird der Restanteil des mod. UNIFAC (Do)-Modells (Abschnitt
2.2.2.2) in der Gl. (2.60) als gE-Modell eingesetzt. Der Reinstoffparameter bi in Gl. (2.60)
berechnet sich nach Gl. (2.45). Der Reinstoffparameter ai in der Gl. (2.60) setzt sich nach Gl.
(2.37) aus ac und der α(T) Funktion zusammen, wobei ac mit der Gl. (2.44) und α(T) mit der
Gl. (2.51) berechnet wird. Die in Gl. (2.47) auftretenden Reinstoffparameter müssen jedoch
für die in dieser Arbeit relevanten Stoffe, insbesondere die Siloxane, angepasst werden. Die
Berechnung des Mischungsparameters b in Gl. (2.60) erfolgt durch:
i j ij
i jb x x b= ⋅ ⋅∑∑
(2.61)
Thermodynamische Berechnungen
17
mit 3/4 3/4
3/4
2ii jj
ij
b bb
+= (2.62)
Der Exponent 3/4 wurde vom mod. UNIFAC (Do)-Modell übernommen. Durch die Einfüh-
rung des Exponenten 3/4 wird die Vorhersage des Phasengleichgewichts mit der VTPR-
GCEOS für asymmetrische Systeme deutlich verbessert (z.B. Ethan + Hexatriacontan, Ethan
+ Eicosan, Ethan + Decan) [33].
Der Parameter c innerhalb der VTPR folgt aus Gl. (2.49).
Das in diesem Abschnitt vorgestellte Konzept wird in der weiteren Arbeit mit VTPR-GCEOS
abgekürzt. Für die Anwendung dieser Methode zur Berechnung von technischen Prozessen
müssen jedoch alle relevanten Parameter für die auftretenden reinen Stoffe und Gruppen be-
kannt sein. Für die Stoffgruppe der Siloxane sind jedoch noch Lücken, sowohl in der experi-
mentelle Datenlage als natürlich auch in der bisher vorhandenen Parametermatrix vorhanden.
Demzufolge werden ausgewählte thermodynamische Eigenschaften experimentell bestimmt.
Experimentelle Untersuchungen und Parameteranpassung
18
3 Experimentelle Untersuchungen und Parameteranpassung
3.1 Verwendete Chemikalien
Ein wesentlicher Gesichtspunkt der vorliegenden Arbeit ist die Untersuchung der Einsatz-
möglichkeiten von Mischungen, die einerseits aus Siloxanen und andererseits aus Siloxanen
und Aromaten aufgebaut sind, im ORC-Prozess. Aufgrund der limitierten Datenlage, insbe-
sondere für die Siloxane, sind für diese Stoffgruppe die relevanten Reinstoffeigenschaften
experimentell zu bestimmen. Für die Untersuchung der Siloxan-Reinstoffeigenschaften wur-
den sowohl lineare als auch cyklische Vertreter ausgewählt. In Tabelle 3. 1 sind die in dieser
Arbeit verwendeten Chemikalien aufgelistet.
Im Falle von Mischungen aus Siloxanen und Aromaten liegen nur für zwei Mischungen
(MM + Toluol [76], D4 + Benzol [77]) VLE-Daten vor. Für die Siloxan-Gemische und die
Siloxan-Aromaten-Gemische von existieren experimentelle Exzessenthalpien in der Literatur
nur sehr wenige (z. B. D4 + Benzol [78]).
Die von Wacker gelieferten Siloxanmischungen wurden mit Hilfe einer 3 m hohen Destillati-
onskolonne mit Sulzer Laborpackung bei Unterdruck destilliert und gereinigt. Alle zu ver-
messenden Substanzen wiesen eine gaschromatographisch ermittelte Reinheit größer als 99.7
% auf. Der Wassergehalt, der bei allen vermessenen Substanzen unter 40 ppm lag, wurde mit
Hilfe der Karl-Fischer-Titration bestimmt.
Ein wesentliches Ziel dieser Arbeit ist die Untersuchung der thermodynamischen Eigenschaf-
ten von Mischungen aus Aromaten und Siloxanen. Ausgewählte Mischungseigenschaften
(VLE, hE) werden deshalb für Mischungen, die ein Siloxan und Benzol oder Toluol (Tabelle
3. 1 ) enthalten, experimentell untersucht. Toluol wurde von der VWR International GmbH
(Darmstadt) und Benzol von der Carl Roth GmbH (Karlsruhe) erhalten. Diese beiden Aroma-
ten weisen eine gaschromatographische Reinheit von 99.9 % und einer Wassergehalt unter-
halb von 40 ppm auf.
Experimentelle Untersuchungen und Parameteranpassung
19
Name chemische Formel CAS-
Nummer
Hexamethyl-
disiloxan (MM) SiSiO
CH3
CH3
CH3
CH3
CH3
CH3
107-46-0
Octamethyl-
trisiloxan(MDM) SiSi OCH3
CH3
CH3
CH3
CH3
CH3
SiO
CH3
CH3
107-51-7
Decamethyl-
tetrasiloxan (MD2M) SiSi O
CH3
CH3
CH3
CH3
CH3
CH3
SiO
CH3
CH3
SiO
CH3
CH3
141-62-8
Octamethylcyclotetra-
siloxan (D4) O
SiO Si
O
SiOSi
Si O
CH3
CH3CH3
CH3
CH3
CH3
CH3
CH3
556-67-2
Decamethylcyclopenta-
siloxan (D5)
Si
OSi O Si
O
SiOSiO
CH3 CH3CH3
CH3
CH3
CH3CH3
CH3
CH3
CH3
541-02-6
Toluol HHH
H
H
H
H
H
C
CC
CC
C
C
108-88-3
Benzol H
H
H
H
H
H CC
CC
C
C
71-43-2
Tabelle 3. 1. Verwendete Chemikalien
Experimentelle Untersuchungen und Parameteranpassung
20
3.2 Reinstoffeigenschaften
3.2.1 Der Dampfdruck
Die genaue Beschreibung des Dampfdrucks des reinen Stoffes ist eine Voraussetzung für die
zuverlässige Beschreibung des Dampf-Flüssig Gleichgewichts von Mischungen. Weiterhin
werden diese Daten benötigt, um die Parameter (Li, Mi, Ni) der Gl. (2.51) für die VTPR zu
ermitteln. Prinzipiell können Dampfdrücke mit der statischen oder der dynamischen Methode
bestimmt werden. In dieser Arbeit wurde die dynamische Methode (Scott-Ebulliometer) ver-
wendet.
3.2.1.1 Messung des Dampfdrucks mit dem Scott-Ebulliometer
Mit dem verwendeten Scott-Ebulliometer sind die Siedetemperaturen der reinen Stoffe im
Bereich von 250 bis 620 K bei Vorgabe des Druckes im Bereich von ca. 2 mbar bis 1 bar zu-
gänglich. Abb. 3. 1 zeigt eine schematische Darstellung für dieses Messprinzip.
T
Kühlung
Druckregelung
Kühlung
Magnetrührer/ Heizung
Abb. 3. 1 Schematischer Aufbau des Scott-Ebulliometers
Experimentelle Untersuchungen und Parameteranpassung
21
Die Messzelle ermöglicht Messungen für ein Probenvolumen von etwa 5 ml. Die ermittelte
Genauigkeit des gemessenen Druckes liegt bei: σ (P) = 0.0005 × P + 10 Pa und für die Tem-
peraturmessung bei: 0.05 K.
3.2.1.2 Die Ergebnisse der Dampfdruckmessungen
Eine graphische Darstellung der Messergebnisse ist in Abb. 3. 2 zu finden. Die Messwerte
sind im Anhang A in Tabelle A. 1 bis Tabelle A. 5 angegeben.
0
40
80
120
250 330 410 490
Ps[k
Pa]
T [K]
MM MDM MD2M
0
40
80
120
280 360 440 520
Ps[k
Pa]
T [K]
D4 D5
Abb. 3. 2 Experimentelle (♦ diese Arbeit, x [61]) und berechnete (——VTPR) Dampf-
druckdaten
Die in Abb. 3. 2 dargestellten gemessenen Dampfdruckdaten stimmen sehr gut mit den expe-
rimentellen Daten aus der Literatur [61] überein. Somit können diese Daten in die Anpassung
der notwendigen Parameter einfließen. Im Rahmen des Modells werden die kritischen Grö-
ßen, der azentrische Faktor für die Bestimmung der Reinstoffparameter ac (Gl. 2.44), b (Gl.
2.45) und c (Gl. 2.49) aus der Literatur benutzt. Diese Größen sind in der Tabelle 3. 2 aufge-
listet.
Experimentelle Untersuchungen und Parameteranpassung
22
Stoff Tc [K] Pc [MPa] vc [cm3/mol] ω Literatur
MM 518.8 1.91 633.3 0.415 [79]
MDM 565.5 1.46 898.8 0.531 [79]
MD2M 599.4 1.19 1212 0.682 [79]
D4 586.5 1.324 910.0 0.587 [80]
D5 619.15 1.035 1216.0 0.627 [79, 81]
Toluol 591.7 4.114 316.0 0.257 [61]
Benzol 562.1 4.894 259.0 0.212 [61]
Tabelle 3. 2 Reinstoffgrößen der verwendeten Chemikalien.
Die α(T)-Funktion (Gl. 2.51) enthält drei Parameter, die an die dargestellten Dampfdrücke
angepasst wurden. Mit den erhaltenen Parametern konnten die experimentellen Dampfdrücke
innerhalb der experimentellen Genauigkeit wiedergegeben werden.
Parameter
Komponente
L M N
MM 1.0706 0.9028 0.8773
MDM 1.0940 0.8781 1.0184
MD2M 0.5470 0.8238 2.1691
D4 1.2453 0.8065 0.9270
D5 1.2103 0.6759 0.9689
Tabelle 3. 3 Die in dieser Arbeit an die experimentellen Dampfdruckdaten angepassten
α(T)-Funktionsparameter für die untersuchten Siloxane (Gl. 2.51)
3.2.2 Wärmekapazität
Die Wärmekapazitäten des Arbeitsmittels sind von großer Bedeutung für die Auslegung und
Optimierung von Kreisprozessen. Allgemein ist die Wärmekapazität durch die folgende Glei-
chung definiert:
∂⎛ ⎞= ⎜ ⎟∂⎝ ⎠ x
QcT (3.1)
Die Wärmekapazität ist die zwischen einem System und seiner Umgebung ausgetauschte
Wärmemenge ∂Q pro Temperaturänderung ∂T unter spezifizierten Bedingungen x.
Experimentelle Untersuchungen und Parameteranpassung
23
Bei konstantem Druck handelt es sich um die isobare Wärmekapazität cP. Erfolgt der Wärme-
austausch bei konstantem Volumen spricht man von isochorer Wärmekapazität cV.
∂ ∂⎛ ⎞ ⎛ ⎞= =⎜ ⎟ ⎜ ⎟∂ ∂⎝ ⎠ ⎝ ⎠P
P P
Q hcT T (3.2)
∂ ∂⎛ ⎞ ⎛ ⎞= =⎜ ⎟ ⎜ ⎟∂ ∂⎝ ⎠ ⎝ ⎠V
V V
Q ucT T (3.3)
Die experimentelle Bestimmung der Wärmekapazitäten erfolgte in dieser Arbeit mit dem Ti-
an-Calvet-Kalorimeter (BT 2.15 II der Firma SETARAM) [82].
3.2.2.1 Tian-Calvet-Kalorimeter (SETARAM)
Für die im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Messungen zur Bestimmung der Wärmeka-
pazitäten wurde ein Tian-Calvet-Kalorimeter benutzt, das in einem Temperaturbereich von
(-196 bis +190 °C) einsetzbar ist.
Abb. 3. 3 zeigt eine schematische Darstellung des Hauptteils des Kalorimeters. Die Tempera-
tur des thermostatisierten Kalorimeterblocks, der die Mess- und Referenzzelle enthält, kann
mit Hilfe einer elektrischen Widerstandsheizung erhöht werden. Mit flüssigem Stickstoff wird
der thermostatisierte Kalorimeterblock gekühlt. Die Thermosäulen, welche die Mess- und
Referenzzelle umgeben, bestehen aus je 480 in Zylinderform angeordneten und in Reihe ge-
schalteten Thermoelementen, die sich im thermischen Kontakt mit den Zellen und dem ther-
mostatisierten Kalorimeterblock befinden. Ein vakuumdichter thermisch isolierter Kalorime-
tertank umgibt den thermostatisierten Kalorimeterblock. Das Arbeiten unter Stickstoffatmo-
sphäre ist erforderlich, da sonst bei Anwesenheit von Luft die darin enthaltene Luftfeuchtig-
keit bei tiefer Temperatur kondensieren bzw. kristallisieren würde. Dieser Umstand hätte ei-
nen negativen Einfluss auf die Messergebnisse. Der Druck des trockenen Stickstoffs beträgt
im vakuumdichten Kalorimetertank 0.2 bar. Das Einfüllen des Stickstoffes erfolgte manuell.
Das Kalorimeter wird über einen angeschlossenen Computer gesteuert, der mit der geeigneten
Software der Firma SETARAM ausgestattet ist.
Experimentelle Untersuchungen und Parameteranpassung
24
Abb. 3. 3 SETARAM Tian-Calvet-Kalorimeter BT 2.15 II [82]
Für die Messungen wurde eine Hochdruckzelle verwendet. Die Hochdruckzelle (Abb. 3. 4)
besteht aus einem Stahlzylinder mit einer Höhe von 8 cm, einem Außendurchmesser von 1.7
cm und einem Innendurchmesser von 1.38 cm. Diese Zelle besitzt ein Füllvolumen von 8.5
cm³. Das Einführen der Messzelle in das Kalorimeter erfolgt mit Hilfe einer Stange, die mit
dem Gestängekopf verbunden ist, welcher sich an der Außenseite des Kalorimeters befindet
(Abb. 3. 4).
Experimentelle Untersuchungen und Parameteranpassung
25
Abb. 3. 4 Hochdruckzelle
3.2.2.2 Messprinzip des Tian-Calvet-Kalorimeters
Das Kalorimeter arbeitet nach dem Zwillingsprinzip, wobei die zwei Thermosäulen nebenein-
ander platziert sind. Die Bestimmung der Wärmekapazitäten mit diesem Gerät erfolgt nach
der Dreischrittmethode (Abb. 3. 5). Im ersten Schritt wird die Leermessung durchgeführt.
Dabei wird der Basisdurchfluss des Kalorimeters bestimmt. Für eine ausreichende Gleichge-
wichtseinstellung betrug sowohl die Wartezeit bei konstanter Temperatur vor (t1 in Abb. 3. 5)
und nach (t2 in Abb. 3. 5) der eigentlich Messung mindesten 5 Stunden. Im zweiten Schritt
erfolgt die Referenzmessung. Die Wärmekapazität der Referenzsubstanz muss über einen
breiten Temperaturbereich bekannt sein. In dieser Arbeit wurde Aluminiumoxid als Referenz-
substanz verwendet [61]. Im dritten Schritt wird die eigentliche Messung durchgeführt. Die
Leermessungen und die Referenzmessungen erfolgten über einen großen Temperaturbereich
(200 K - 450 K). Die Leermessung, die Referenzmessung und die eigentliche Messung wer-
den unter identischen Bedingungen bzgl. der Aufheizgeschwindigkeit und der Wartezeiten
durchgeführt.
Experimentelle Untersuchungen und Parameteranpassung
26
Zelle ohne Substanz
Zelle mit Referenzsubstanz
Zelle mit Probensubstanz
t1 t2
T1
T2
Temperatur Wärmefluß
Zeit
Q -
Qpr
obe
Leer
..
Q -
Qre
fere
nzLe
er
..
.
Abb. 3. 5 Das Prinzip der Dreischrittmethode [82]
Der Basiswärmefluss des Kalorimeters wird durch Subtraktion der Leermessung von der Re-
ferenzmessung bestimmt und kann als Kalibrierung für die nachfolgenden Messungen ver-
wendet werden. Die Wärmekapazität der vermessenen Substanz wird mit der folgenden Glei-
chung berechnet:
( )( )
.Probe leer refProbe refref leer Probe
Q Q mc c
Q Q m
−=
−
& &
& & (3.4)
ist hierbei der Wärmefluss der jeweiligen Messung, mProbe und mref sind Massen für die
Probe- und die Referenzsubstanz, cref ist die spezifische Wärmekapazität der Referenzsub-
stanz.
Alle Versuche wurden mit einer Heizrate von 0.1 K/min durchgeführt. Die Genauigkeit der
Wärmekapazitätsmessungen mit dem Tian-Calvet-Kalorimeter beträgt ±1 % [82]. Der Tem-
peraturbereich für die Messung von MM, MDM und MD2M lag zwischen -70 °C und 120 °C.
Für D4 und D5 betrug der Temperaturbereich 15 °C bis 170 °C.
3.2.2.3 Diskussion der Ergebnisse
Um die Kalibrierung zu überprüfen wurde Toluol vermessen und die Ergebnisse mit den Lite-
raturdaten [61] verglichen. Aus Abb. 3. 6 ist zu ersehen, dass die experimentellen Daten sehr
gut mit den Literaturdaten [61] übereinstimmen.
Experimentelle Untersuchungen und Parameteranpassung
27
120
140
160
180
200
150 250 350 450
c P[J
/mol
K]
T [K]
Toluol
Abb. 3. 6 Experimentelle (● diese Arbeit, * [61]) Wärmekapazitäten
Die Messwerte der Wärmekapazitäten für die fünf betrachteten Siloxane finden sich im An-
hang B in Tabelle B. 1 bis Tabelle B. 5. Die Ergebnisse der Messungen mit dem SETARAM -
Gerät (Dreischrittmethode) sind in Abb. 3. 7 für die vermessenen linearen Siloxane (MM,
MDM und MD2M) zusammen mit den Literaturdaten dargestellt.
200
350
500
650
150 250 350 450
c P[J/
mol
K]
T [K]
MD2M
MDM
MM
Abb. 3. 7 Experimentelle ((♦, ●, ■) diese Arbeit, x [83], ▲[84], + [61]) und mit der
VTPR berechnete (- - - Vorhersage, —— Anpassung) Wärmekapazitäten
Die experimentellen Daten für die zyklischen Siloxane sind in Abb. 3. 8 als Funktion der
Temperatur dargestellt.
Experimentelle Untersuchungen und Parameteranpassung
28
350
450
550
650
750
280 320 360 400 440
c P[J/
mol
K]
T[K]
D4
D5
Abb. 3. 8 Experimentelle ((♦, ●) diese Arbeit, (x, +) [85]) und mit der VTPR berechnete
(- - - Vorhersage, —— Anpassung) Wärmekapazitäten
Während die experimentellen Wärmekapazitäten für D5 exzellent mit den Daten aus der Lite-
ratur [85] übereinstimmen, treten geringe Abweichung bzgl. der Wärmekapazitäten für D4,
insbesondere bei tiefen Temperaturen auf. Palczewska-Tulinska et al. [85] benutzten für ihre
Messung die Perkin-Elmer DSC 1B.
Die in den Abb. 3. 7 und Abb. 3. 8 dargestellten Wärmekapazitäten wurden auch zur Verbes-
serung der α(T) Funktion in Gl. (2.51) benutzt. Die Readjustierung der Stoffparameter erfolg-
te dabei durch simultane Anpassung an die Dampfdruckdaten und die isobaren Wärmekapazi-
täten. Die so erhaltenen Parameter sind in der Tabelle 3. 4 angegeben. In Abb. 3. 7 und Abb.
3. 8 erkennt man, dass diese neuen Parameter einen deutlichen Einfluss auf die berechneten
Wärmekapazitäten, insbesondere bei niedrigen Temperaturen, haben.
Parameter
Komponente
L M N
MM 0.4472 0.7903 1.6775
MDM 0.5199 0.7769 1.7719
MD2M 0.3175 0.8072 3.0199
D4 0.4308 0.6968 1.8202
D5 1.0404 0.4537 1.0261
Tabelle 3. 4 Die in dieser Arbeit an die experimentellen Dampfdruckdaten und Wärmeka-
pazitäten angepassten α(T)-Funktion-Parameter (Gl. (2.51))
Experimentelle Untersuchungen und Parameteranpassung
29
3.2.3 Dichte
Für die Dimensionierung der Turbine sind die Volumenströme am Turbineneingang und aus-
gang wichtige Größen. In der Turbine tritt üblicherweise aufgrund der Entspannung ein gro-
ßer Druckgradient auf. Im Gegensatz dazu, existieren in der Dortmunder Datenbank [61] nur
wenige PvT-Daten, die über einen großen Druck- und Temperaturbereich gemessen wurden.
Im Bereich hoher Drücke existieren nur Daten für D4 [61, 86, 87]. Um diese Datenlücke zu
schließen wurde mit einem Biegeschwinger für drei Siloxane (MM, MDM und MD2M) die
Flüssigdichte über einen Temperaturbereich von 278 K bis 437 K und einen Druckbereich
von 1 bis 1400 bar experimentell bestimmt.
3.2.3.1 Messtechnik zur Bestimmung der Dichte
In dieser Arbeit wurde die Dichte mit einem Biegeschwinger gemessen.
3.2.3.2 Modell des Biegeschwingers
Die harmonische Schwingung ist das Grundprinzip dieser Messtechnik [88]. Dabei wird ein
Körper der Masse m über eine Feder, deren Federkonstante D ist, mit einer Gegenmasse M∞
verbunden (Abb. 3. 9).
mM ͚
D
Abb. 3. 9 Das Grundprinzip der Dichtemessung mit einem Biegeschwinger
Die Eigenfrequenz v der Schwingung lässt sich folgendermaßen bestimmen:
1 12
Dvmτ π
= = (3.5)
Die Umstellung Gl. (3.5) nach der Periodendauer τ ergibt:
Experimentelle Untersuchungen und Parameteranpassung
30
2 mD
τ π= (3.6)
Die gesamte Masse des Schwingers m ist die Summe aus der Masse m0 des leeren Schwingers
und der Masse der zu vermessenden Substanz (mP=ρV). Aus diesem Zusammenhang wird die
Gl. (3.6) folgendermaßen umgeformt:
02 m VD+
=ρτ π (3.7)
Durch die Umformung der Gl. (3.7) ergibt sich:
2 024mD
V V= −ρ τ
π (3.8)
Mit Hilfe dieser Gleichung lässt sich die Dichte der vermessenen Substanz bestimmen. All-
gemein wird die Gl. (3.8) in der folgenden Form wiedergeben:
2A B= −ρ τ (3.9)
Da D und V nicht direkt bestimmbar sind, werden A und B durch eine Kalibrierung bestimmt.
In dieser Arbeit wurde die Kalibrierung im Vakuum und mit Substanzen bekannter Dichte
(Wasser, Heptan) durchgeführt.
3.2.3.3 Messaufbau
Mit dem verwendeten Biegeschwinger-Modell (DMA-HPM der Firma Anton Paar) können
Dichten im Druckbereich von 0-1400 bar und im Temperaturbereich von -10 -200 °C be-
stimmt werden (Abb. 3. 10). Zur Temperierung des Gerätes wird ein Kältethermostat (Lauda,
Proline RP 1845) verwendet. Durch einen internen PID-Regler wird die Temperatur des
Thermostaten kontrolliert. Dieser Regler sorgt laut Hersteller für eine Stabilität von ± 0.01°C
in der Temperatureinstellung über den gesamten Temperaturbereich. Eine Hochdruck-
Kolbenpumpe (ISCO 65D) mit einem Zylinder, der ein maximales Aufnahmevolumen von 68
cm3 hat, erzeugt den Druck.
Die Messwerte werden von der Auswerteeinheit mPDS 2000V3 ausgelesen. Mit einem Pt100-
Thermometer, dessen Genauigkeit bei ± 0.06 K liegt, wird die Temperatur im Biegeschwinger
bestimmt. Ausführlich wird dieses Gerät in der Arbeit von Schedemann [89] beschrieben.
Sowohl für die Reinigung als auch für die Kalibrierung kann das gesamte Gerät unter Vaku-
um gesetzt werden. Die Steuerung des Messablaufes erfolgt mit der Software DynaSol Au-
toTPX.
Experimentelle Untersuchungen und Parameteranpassung
31
Thermostat PCDynasolAutoTPX
Pumpe-Kontroller
Isco 65D
Multimeter
Vakuum-pumpe
P
mPDS2000V3
Thermometer
Drucksensor
P
N2
Biegeschwinger
Vorratsgefäß
(C)
(G)(H)
(I)
(D)
DMA-HPM(E)(F)
Abfluss mit Auffanggefäß
Abb. 3. 10 Schematische Darstellung der Anlage [89]
3.2.3.4 Diskussion der Ergebnisse
In dieser Arbeit werden Dichtemischungen über einen Temperatur- und Druckbereich ver-
messen, um die Druckabhängigkeit der Dichte auch bei der Kalibrierung zu berücksichtigen
[89]. Aus diesem Grunde werden für die Kalibrierung zwei Stoffe (Wasser [90] und Heptan
[91, 92] (Druckbereich 0-300 bar [91] und ab 300 bar [92])), die mit einer hochgenauen Zu-
standsgleichung [90-92] innerhalb der experimentellen Genauigkeit beschrieben werden kön-
nen, ausgewählt. Weiterhin müssen beide Stoffe in extrem reiner Form darstellbar sein.
Die aufgenommenen Schwingungsperioden der Kalibriersubstanzen wurden durch multilinea-
re Regression mit den aus den erwähnten Zustandsgleichungen [90-92] berechneten Dichten,
an die folgende Formel angepasst:
2A B= −ρ τ (3.10)
wobei: 2 3 4 2 2
00 10 20 30 40 01 02 11 12A A A T A T A T A T A P A P A TP A TP= + + + + + + + +
2 3 4 2 200 10 20 30 40 01 02 11 12B B B T B T B T B T B P B P B TP B TP= + + + + + + + +
Mit Gl. (3.10) kann jede Periodendauer τ im kalibrierten Druck- und Temperaturbereich ei-
nem Dichtewert zugeordnet werden. Nach Schedemann [89] liegt die Genauigkeit der Dich-
temessung mit diesem Gerät bei ± 0.7- 0.8 mg/cm3. Abb. 3. 11 zeigt die relativen Abwei-
chungen zwischen den experimentellen und die mit der hochgenauen Zustandsgleichung von
Wagner et al. [90, 92] berechneten Dichten für Wasser und Heptan.
Experimentelle Untersuchungen und Parameteranpassung
32
-0.04
-0.02
0
0.02
0.04
270 310 350 390 430
((ρex
p.-ρ c
alc.)/ρ e
xp.)%
T [K]
Wasser
-0.08
-0.04
0.00
0.04
0.08
260 300 340 380 420 460
((ρex
p.-ρ
calc
.)/ρ e
xp.)%
T[K]
Heptan
Abb. 3. 11 Die relativen Abweichungen zwischen den in dieser Arbeit gemessenen Dich-
ten und den mit der EOS [90-92] berechneten Daten für Wasser und Heptan
Es ist ersichtlich, dass die maximale relative Abweichung für Wasser bei ± 0.04 % liegt. Für
Heptan ergibt sich eine maximale Abweichung von ± 0.08 %.
Die graphischen Darstellungen der Messergebnisse für die drei untersuchten linearen Siloxane
(MM, MDM, MD2M) sind in Abb. 3. 12 gezeigt. Hier ist zu erkennen, dass die Dichten der
betrachteten Substanzen stark vom Druck und der Temperatur abhängig sind. Mit steigendem
Druck nimmt die Dichte zu und mit steigender Temperatur ab. Aus den erhaltenen Messer-
gebnissen ist ersichtlich, dass die Dichte mit zunehmendem Molekulargewicht des Siloxans
zunimmt. Die Messwerte für die drei betrachteten linearen Siloxane finden sich im Anhang C
in Tabelle C. 1 bis Tabelle C. 3.
Experimentelle Untersuchungen und Parameteranpassung
33
0
500
10001500
0.59
0.66
0.74
0.81
0.88
270312.5
355397.5
440
ρ [g
/cm
]3
T [K]
P [ba
r]
MM
0
500
10001500
0.67
0.72
0.77
0.82
0.88
0.93
270315
360405
450
ρ [g
/cm
]3
T [K] P [ba
r]
MDM
ρ [g
/cm
]3
MD M2
T [K] P [ba
r]
0
500
10001500
0.71
0.77
0.83
0.90
0.96
270312.5
355397.5
440 Abb. 3. 12 Die Messergebnisse der Dichten für MM, MDM und MD2M
Eine Möglichkeit die experimentellen Dichten zu korrelieren ist die Anwendung des
TRIDEN-Korrelationssystems [93, 94].
Die VTPR mit den Parametern in Tabelle 3. 4, die an die Dampfdruckdaten und die experi-
mentellen Wärmekapazitäten angepasst wurden, erlaubt die Berechnung der Flüssigdichte. Im
Gegensatz zu den Dampfdruckdaten, die bis zu einem Druck von 100 kPa gemessen wurden,
und zu den experimentellen Wärmekapazitäten, die bei Normaldruck bestimmt wurden, liegen
nun Dichtedaten über einen großen Druckbereich vor. In Abb. 3. 13 ist die Abweichung zwi-
schen den experimentellen Daten und den mit der VTPR vorausberechneten Dichten als
Funktion der Temperatur aufgetragen. Die Abweichungen sind für die Dichten aller drei Silo-
xane über den gesamten Temperatur- und Druckbereich kleiner als 8%. Die Volumentransla-
tionsparameter ci in der Gl. (2.47) kann mit Hilfe der Gl. (2.48) oder mit der Gl. (2.49) be-
rechnet werden. Beide Methoden führen auf ähnliche Ergebnisse.
Experimentelle Untersuchungen und Parameteranpassung
34
-4%
-2%
0%
2%
320 370 420
100·
((ρca
lc-ρ
exp)/ρ e
xp)
T [K]
MM
-5%
-3%
-1%
1%
3%
320 370 420
100·
((ρca
lc-ρ e
xp)/ρ
exp)
T [K]
MDM
-8%
-6%
-4%
-2%
0%
2%
4%
320 370 420
100·
((ρca
lc-ρ
exp)/ρ e
xp)
T [K]
MD2M
Abb. 3. 13 Die relativen Abweichungen der experimentellen und vorhergesagten Dichten
von Siloxanen
Experimentelle Untersuchungen und Parameteranpassung
35
3.2.4 Schmelztemperatur und Schmelzenthalpie
In den technischen Prozessen muss zwingend ausgeschlossen werden, dass das Arbeitsmittel
im betrachteten Temperatur- und Druckbereich ausfriert. Für die Beurteilung der SLE's von
Mischungen sind die Reinstoffgrößen essentiell. Für die hier betrachteten Siloxane existieren
in der Literatur [61] nur wenige Messwerte bzgl. der Schmelztemperatur- und der Schmel-
zenthalpie, die zudem eine große Streuung aufweisen (z.B. die Schmelztemperatur von MM
varriiert von 205.15 K [95] bis 214.15 K [96]). Deshalb wurden diese Größen für die fünf
betrachteten Siloxane (MM, MDM, MD2M, D4, D5) experimentell mit der DSC ermittelt.
3.2.4.1 Messaufbau des DSC-Q100 Kalorimeters von TA Instruments
In dieser Arbeit wurden die Messungen der Schmelztemperatur und der Schmelzenthalpie mit
dem Dynamischen Differenzkalorimeter „DSC Q100“ von TA Instruments (DSC für Diffe-
rential Scanning Calorimeter) durchgeführt. Dieses Gerät wurde in der Diplomarbeit von
Diedrichs ausführlich beschrieben [97].
Abb. 3. 14 Schematischer Aufbau des Messkopfes
Experimentelle Untersuchungen und Parameteranpassung
36
Abb. 3. 15 Schaltbild für die TzeroTM-Technik [98]
In Abb. 3. 14 ist der prinzipielle Aufbau der verwendeten Apparatur dargestellt. Das Mess-
prinzip ist in Abb. 3. 15 veranschaulicht. Die Messung der Temperaturen Tr, Ts und T0 erfolgt
durch Konstantan/Chromel-Flächenthermoelemente, die unter den Konstantan-Plattformen
liegen (Abb. 3. 14). Die relevanten Wärmeströme sind:
0 2ss ss
T T dTq CR dt−
= −& (3.11)
0 r rr rr
T T dTq CR dt−
= −& (3.12)
wobei Rs, Rr die Wärmeleitwiderstände des Probensensors bzw. des Referenzsensors sind. Cs,
und Cr stellen die Wärmekapazitäten der Probe bzw. der Referenz dar. Die Bestimmung der
Wärmeleitwiderstände (Rs und Rr) erfolgt durch die TzeroTM -Kalibrierung, die zwei Experi-
mente erfordert. Während das erste Experiment ohne Tiegel bzw. Probe durchgeführt wird,
werden beim zweiten Experiment zwei Saphirscheiben unterschiedlicher Masse benutzt. Bei
diesen beiden Experimenten ist die Heizrate 20 K/min.
Die Zellkonstante wird mit Hilfe der Schmelzenthalpie von Indium bestimmt.
Zellkonstante = Δhm,Lit/Δhm,exp (3.13)
wobei Δhm,Lit die Schmelzenthalpie des Indiums (Δhm,Lit = 28.71 J/g [99]) ist. Für die Messung
von Δhm,exp wurde eine Heizrate von 1 K/min verwendet. Für einen reinen Stoff ist die
Schmelztemperatur ein konstanter Wert, der unabhängig von der Heizrate ist. Für praktische
Messungen muss jedoch eine endliche Heizrate gewählt werden. Das bedeutet, der untersuch-
te Stoff schmilzt über einen Temperaturbereich. Die experimentelle Schmelztemperatur hängt
somit von der Wahl des sogenannten Onset-Punktes (Abb. 3. 16) ab. Der Schnittpunkt zwi-
schen der Wendetangente der Schmelzkurve und der extrapolierten Basislinie vor Einsetzen
Experimentelle Untersuchungen und Parameteranpassung
37
des Schmelzvorgangs stellt den Onset-Punkt dar. Die gezogene Vertikale vom Onset-Punkt
bis zur Temperaturkurve wird als Onset-Temperatur bezeichnet, die wiederum als Schmelz-
temperatur angesehen wird (Abb. 3. 16). Der Gerätehersteller stellt 5 Stoffe, die bei unter-
schiedlichen Temperaturen schmelzen, zur Verfügung. In dieser Arbeit wurden Indium und
Wasser gewählt.
Wärmefluss
Onset-Punkt
Temperatur
Zeit
Onset-Temperatur
Abb. 3. 16 Schematische Darstellung der Schmelzpunktbestimmung
Die experimentelle Vorgehensweise hängt vom Aggregatzustand der Probe bei Raumtempe-
ratur ab. Proben im flüssigen Zustand werden mit Hilfe von flüssigem Stickstoff ungefähr 50
K unterhalb des erwarteten Schmelzpunkts, mit einer Heizrate von 1 K/min abgekühlt, und
anschließend unter isothermen Bedingungen eine Stunde gewartet. Die Erwärmung auf etwa
40 K oberhalb der erwarteten Schmelztemperatur erfolgt mit einer Geschwindigkeit von 1
K/min. Die Messung schließt mit einer weitern 60 minütigen isothermen Phase ab. Im Falle
von festen Proben bei Raumtemperatur erfolgt die Messung in der umgekehrten Reihenfolge.
3.2.4.2 Diskussion der Messergebnisse
Zur Überprüfung der Kalibrierung sind mehrere Substanzen mit bekannten Schmelzenthal-
pien und -temperaturen gemessen worden, und zwar Naphthalin, Benzol und Heptadecan. Die
relativen Abweichungen zwischen den experimentellen Schmelztemperaturen bzw. -
enthalpien und den Literaturwerten [100-102] wurden wie folgt berechnet
,exp ,,,exp
−Δ = m m Litm rel
m
T TT
T (3.14)
Experimentelle Untersuchungen und Parameteranpassung
38
,exp ,,,exp
Δ − ΔΔ =
Δm m Lit
m relm
h hh
h (3.15)
und sind in Tabelle 3. 5 gegeben:
Tm Δhm Substanz
Tm,exp.
[K]
Tm,Lit.
[K]
ΔTm, rel % Δhm,exp
[kJ/mol]
Δhm,Lit
[kJ/mol]
Δhm, rel %
Naphthalin 353.25 353.38 [100] 0.037 19.08 19.05 [100] 0.16
Benzol 278.38 278.65 [101] 0.097 98.50 98.11 [101] 0.396
Heptadecan 294.24 294.8 [102] 0.19 39.12 39.40 [102] 0.72
Tabelle 3. 5 Schmelztemperaturen und Schmelzenthalpien der Vergleichsstoffe
Aus Tabelle 3. 5 ist ersichtlich, dass die Messdaten und die Literaturdaten gut übereinstim-
men und die Abweichungen zwischen den Literatur- und den experimentellen Daten für alle
drei gemessene Substanzen gering sind.
Tm Δhm Substanz
Tm,exp.
[K]
Tm,Lit.
[K]
ΔTm, rel % Δhm,exp
[kJ/mol]
Δhm,Lit
[kJ/mol]
Δhm, rel %
MM 206.11 205.15 [95]
214.15 [96]
0.47
3.9
11.99 11.93 [83] 0.53
MDM 186.73 186.36 [103]
187.15 [95]
0.19
0.23
13.6 13.83 [103] 1.74
MD2M 196.97 197.15 [95] 0.019 17.13 - -
D4 291.12 290.65 [77]
290.55[104] 0.16
0.2
19.06 - -
D5 229.69 229.15 [104]
235.15[105]
0.23
2.38
19.51 - -
Tabelle 3. 6 Schmelztemperaturen und Schmelzenthalpien der betrachteten Siloxane
Die Mes