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Beitrage zur Chemie des Schwefels. 419

Uber die Reaktion des Schwefelwasserstoffes mit Chlorsulfanen bzw. Chlor oder Brom

(Synthese niederer Sulfane)

Von F. FEHI~R und W. KRUSE,)

Inhaltsiibersicht Die Kondensationsreaktion zwischen Chlorsulfanen und iiberschiissigem fliissigem

Sehwefelwasserstoff liefert annahernd reine Sulfane, die nach Abdampfen des uber- schusses an H,S isoliert werden konnen. Auf diesem Wege wurden H,S, und H,S, erst- malig direkt synthetisiert. Auch zur Gewinnung von H,S, sowie bei vereinfachter Arbeits- wcbise zur Darstellung von Roholen ist das Verfahren mit Vorteil zu verwenden.

Elementares Chlor und Brom reagieren mit H,S bei den gleichen Bedingungen unter Bildung von Sulfangemischen, in denen hauptsachlich H,S, und H,S, neben H$, und hoheren Homologen enthalten sind.

1. Reaktion von Chlorsulfanen mit flussigem H,S Wie friiher berichtet 3), 1aI3t sich die Kondensationsreaktion zwischen

Sulfanen H,Sm und Chlorsulfanen S,Cl, unter Verwendung eines grol3en Oberschusses des einen Partners bei tiefen Temperaturen so leiten, da13 nahezu reine hohere Homologe isoliert werden konnen. In der Sulfanreihe konnten so unter Verwendung von H,S, als uberschussige Komponente die Verbindungen H,S,, H,S,, H,S, und H,Ss gewonnen werden 3).

Urn nach diesem Prinzip auch niedere Sulfane direkt zu syntheti- sieren, lag c : ~ nahe, flussigen Schwefelwasserstoff als iiberschiissigen Re- aktionspartner einzusetzen. H,S bietet zudem den Vorteil, leicht zu- ganglich und nach der Reaktion wegen seines niedrigen Siedepunktes leicht abdampfbar zu sein.

1) 40. Mittlg. F. F E H ~ R u. G. WIRKHAUS, Z. anorg. allg. Chem. 292, 210 (1957). 2) W. KRUSE, Dissertation Koln 1957. 3) 28. Mittlg. F. F E H ~ R u. L. MEYER, Z. Naturforschg. l l b , 605 (1956); 31. Mittlg.

F. FEHER u. G. WINKHAUS, Z. anorg. allg. Chem. 288, 123 (1966); 37. Mittlg. F. F E H ~ R , K. NAUSED u. HE. WEBER, Z. anorg. allg. Chem. 290, 303 (1957).

F. F E K ~ R u. W. KRUSE, Reaktion des Schwefelwasserstoffcs init Chlorsulfanen 303

H2S m

l i l i

113 130

Produkt Chlorsulfant~ lkaktionsdauer 11 S,Cl, R

S,C12 20 9 H,S,,,S s,clz 1 ,5 2 H,S,,O,

sc1, 1 3 rnotncntsnr Reaktion H2S7,30

F. F E K ~ R u. W. KRUSE, Reaktion des Schwefelwasserstoffcs init Chlorsulfanen 303

Uber die ,,Thiohydrolyse" des S,Cl, in flussigeni H,S liegen bereits einige Beob- achtungen vor (vgl. z. B. 4, 6, 6 ) ) . Allgemein wurde gefundcn, daB die Reaktion unter HC1-Abspaltung verlauft und eleinentarer Schwefel entsteht. Unsrre cigenen fruheren Versuche') hatten jedoch ergeben, daB unter schonendcii Redingungrn hoherr Sulfane crhalten werden konnen.

In der vorliegenden Arbeit wird gezeigt, daB aus Chlorsulfanen und uberschiissigem flussigem Schwefelwasserstoff unter milden Bedin- gungeen nahezu reine Sulfane nach dem Schema:

H S ~ H + - CI, I s, 1- c i + -1 H SH -+ HS,+,H + 2 HCI - I .I

entstehen. in denen keine nachweisbaren Mengen gelosten elementaren Schu-efels enthalten sind.

In Tab. 1 sind die Ergebnisse einiger Versuche angegeben.

T-h,~l l - I

AuBer bei der Umsetzung des SC1, werden, wie ersichtlich, weit- gehend reine Sulfane gewonnen. In den Produkten, die durch Analyse und Rs;\.rax-Spektren charakterisiert wurden, ist kein geloster elementarer Schn-efel nachweisbar. Die Ausbeuten sind praktisch quantitativ. Die geringen Verunreinigungen bestehen aus hoheren Homologen, die durch Weiterreaktion des Primarproduktes sowie durch eventuelle Neben- reaktionen in geririgem MaBe entstehen. Die grol3ere Verunreinigung des Trisulfans ist durch die erhohte Reaktionsfahigkeit des zu seiner Darstellung verwendeten Anfangsgliedes der Chlorsulfanreihe begriin- det, die die erwahnten Nebenreaktionen begunstigt. Aus den erhalte- nen aiiniihernd reinen Produkten konnen bei Bedarf durch Destillation (vgl. dazu 8 ) ) formelreine Sulfane gewonnen werden.

S a t iirlicli kann man das Verfahren durch Anwendung weniger milder Bedingungen (Arbeiten bei etwas hoheren Temperaturen) auch zur becluemen Gewinnung von ,,Roholen", d. h. von Sulfangemischen verwenderi. Diese Rohole enthalten bei Einsatz von SC1, im Unterschied

*) G. JAKDER u. H. SCHMIDT, Wiener Chem. Ztg. 46, 49 (1943). ") G. X. QL-AM, J. Amer. chem. SOC. 47, 103 (1925). 6, W. BILTZ u. E. KEUNECKE, Z. anorg. allg. Chem. 147, 171 (1925). 7 ) F. FEHER, W. LAUE u. J. KRAEMER, Z. Naturforschg. 7b, 574 (1952). y j F. F P H ~ R , I\'. LAWE u. G. WINKHAUS, 2. anorg. allg. Chrm. 385, 113 (1956).

30.2 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 293. 1958

zu den aus wafiriger Na,S,-Losung und Salzmure darstellbareii I )Icn 9)

auch groBere Mengen H,S,. Von Interesse sind die beobachteten Reaktionsgeschwindigkeiten.

Wahrend SC1, momentan reagiert - wie aus der sofortigen Entfarbung des eintropfenden SC1, zu erkennen ist - setzeii sich die hvheren Chlorsulfane langsamer um. Diese erhohte Realdionsfahigkeit dea An- fangsgliedes ciner homologen Reihe ist kein Sonderfall und wird auch in der organischen Chemie vielfach beobachtet. Dagegen reagiert H,S im allgemeinen bei Kondensationsreaktionen wesentlich langsamer als H,S, (vgl. z. B. 3)10)). Der bei der Reaktion entstehende Chlorwasser- stoff beschleunigt die Umsetzung katalytisch, \vie aus den in Tab. 2 aufgefuhrten Versuchen mit S,Cl, hervorgeht.

Versuch 1 wurde mit frisch dargestelltmi H,S durchgefuhrt. Bei Versuch 2 wurde der ubcrschussige Schwefelwasserstoff des Versuclis 1 \. erwendet, der noch gelostes HCI enthielt. Die Reaktionsdauer war cleutlich abgrhurzt. Derselbe Schmefelwasserstoff wurde auch zu Versuch 3 eingesetzt; dic. [Jrnsetzung fand inomentan statt. Vor I - ~ r w c h 4 wurdc der gelontc Chlorwasstmtoff aus den1 HAS mtfernt.

Tabelle 2

Nr.

I 2

4 3

I'rodukt r-I ,s S2UZ Reaktioiisclsuer g fi 11

I I 3 20 10 HA., , 110 14 1 H254.35

i 0 10 10 €i2SiJ- 105 1 4 momentane Realitior ' 2 ' 4 46

Nach diesen Ergebnissen liann man eine Autokatalj-se der Reaktion durch den gebildeten Chlorwassers toff annehmeii, wobei die Reaktions- geschwindigkeit von der Menge des Katalysators abhangt. Auch andere Reaktionen des H,S werden durch HCl katalysiert, so z. 6. nach G. ,JANDER~) die Thiohydrolyse von Nitrilen. Da iiber Saure-Base-Kata- lysen in der anorganischen Chemie wenig beltannt ist, erscheinen diese Tatsachen auch allgemein von Interesse.

2. Reaktion von Chlor und Brom mit fliissigem H,S Im Zusammenhang mit unseren oben geschilderten Versaichen

setzten wir auch elementares Chlor bzw. Brom uiiter den gleicheia Be- dingungen mit Schwefelwasserstoff urn.

9) F. FEHER u. M. BAUDLER, Z . anorg. Chem. 238. 133 (1949); I?. FE1fr.n 11. W. LAUE, Z. anorg. allg. Chem. 388, 103 (1956).

lo) F. FEHBR 11. H. J. BERTHOLD, Chem. Ber. 88, 1634 (1955).

F. F E H ~ R u. W. BRUSE, Realrtion des Schwefelwasserstoffes init Chlorsulfanen 305

ober die Reaktion von Chlor mit Schwefelwasserstoff finden sich bereits verschiedene Anqaben in der Literatur. In einer neueren Arbeit findet S C H E N K ~ ~ ) als Endprodukt der Vnisetzung der gasformigen Stoffe fliissige Schwefel - Chlor-Systenie verschiedenen Schwefelgehaltes, die nicht niiher charakterisiert wurden.

TTir gingen von dem Gedanken aus, durch die Reaktion

H S H A X - - X + H S H - r H S S H + ? H X no Disulfan zu gewinnen. Dabei war allerdings von vornherein anzunehmen, dsfi wegen der grol3eren Reaktionsfahigkeit der elemen taren Halogene keine formelreinen Produkte, sondern Gemische niederer Sulfane entstehen wurden.

Die Reaktion des flussigen Chlors mit H,S verlief aufierst stiirmisch, obwohl die Komponenten bei -80" C zusanimengegeben wurden. Die analytische Zusammensetzung der Endprodukte lag zwischen H,S, und H,S,. Die Rmm-Aufnahmen zeigten, da13 in den entstandenen Gemischen hauptsachlicli H,S, und H,S, neben einem geringeren An teil an H,S, und hoheren Sulfanen enthalten waren. Zu dem gleichen Er- gebnis fuhrte die Umsetzung mit in CS, gelostem Chlor. Auch die Reak- tion von Brom mit H,S, die wesentlich langsamer verliiuft, lieferte ein Gemisch. in dem hauptsa chlich H,S, und H,S, nachznweisen waren.

Experimenteller Teil H,S: Zur Darstellung von H,S zersetzten wir ei.ne konzentrierte waBrige Losuiig von

Ya,S - 9 H,O niit 20-30proz. H3POd. Das Gas wurde iiber CaCl, und P,05 geleitet uiid in einer Kiihlfalle bei -80' C kondensiert.

Der nach den Reaktionen wiedergewonnene H,S-CbcrschuB wurde zur Entfernung des Chlorwasserstoffes mit Wasser gewaschen : die letzten Spuren HCl wurden mit AI,S, mtfernt .

C h 1 o r s u 1 f a n e : Die Chlorsulfane SCI,, S,C1, und S,Cl, murdrn wie bei unsercn friiheren Arbeiten (vgl. ,)) gewonnen.

D i e U in s e t z u n g : Die Umsetzung wurde im weseiitlichen in der friiher3) beschrie- henen Weise durchgefiihrt. I n dem Reaktionskolben wird trockener Schwefelwasserstoff kondensiert. Aus einem Tropftrichter, dessen gebogeno Auslaufkapillare zur Vorlruhlung des Chlorsulfans in das fliissige H,S taucht und dann obrrlialb cler Oberflache des fliissigen H,S miindet, wird das Chlorsulfan bzw. das fliissige Halogen unter Riihren langsam bei -80" zugetropft. Dabei scheiden sich infolgc der nicht sehr groRen Loslichlreit der Sulfalie in flussigem Schwefelwasserstoff bei dieser Temperatur die Rcaktionsprodukte meist als zweite Phase aus. Nach Beendigung der Unisetzuiig wird der iiberschiissige Schwefel- wasserstoff langsam abgedampft und in einer Falle kondensiert.. Dic letzten Reste H,S werden durcli kiirzes Anlegen eines Wasserstrahlvakuuins entfernt. Die Produkte sind iiu allgemeiiien Irlar.

11) P. W. SCHENK, Mh. Cheni. 80, 117 (1949); siehe dort aiich Literat.urzusammcii- stellung der alteren Arbeiten.

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Diese extrem schonenden Umsetzungsbedingungen sind nur bei der Gewinnung an- iiahernd formelreiner Sulfane zu beachten. Will man Sulfangemische darstoilen oder die Produkte anschliefiend destillieren, so kann bei etwas hoheren Temperaturen gearbeitet merden.

D i e U n t e r su c h u n g d e r R e a k t i o n s p r o d u k t e : Die erhaltenen Verbin- dungen wurden durchAnalyse und ramanspektroskopische Untersuchung charakterisiert (rgl. unsere fruheren Arbeiten3)).

Koln, Abteilung fur Anorgmnische und Analytische Chernie des Chemi- schen Instituts.

Bei der Redaktion eingegangen arn 20. Juli 1957.


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