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Page 1: Chemische Transportreaktionen. Über die Wanderung von Kupfer(I)-oxyd und von Kupfer im Temperaturgefälle

Chernische Transportreaktionen. Vl) 2, 3, 4,

ober die Wanderung von Kupfer(1)-oxyd und von Kupfer im Temperaturgefalle

\'on HARALD SCHAFER und KARL ETZEL

Mit 3 Abbildungen

Inhaltsubersicht Kupfer(1)-oxyd wurde ini Hochvakuum in ein Quarzrohr eingeschlossen, das an-

schlieBend im Temperaturgefille (tiOO-900" C) erhitzt wurde. Dabei wanderte das Cu,O i n die lici8crc Zone des Rohres und schird sich dort in Kristallen ab. Wurde der gleiche Vcrsuch rnit Kupfer ausgefuhrt, das mit ciner Oxydhaut bedeckt war, so wanderte das Cu,O vollstandig zur he i lken Zone und gleichzeitig t r a t an Stellen mit niedrigerer Tem- ppratur ein Kupferspiegel auf.

Als IJrsachc fur dicse Transporterscheinungen wurden sehr kleine Chloridgehalte tlrr Probcn crrriittelt. Durch Ausheizen im Hochvakuuni ,,txansportinaktiv" gemachtc Praiparatc lkferten die Transporterscheinungen erneut, wcnn HC1-Spuren eingefiihrt, wurden.

Mit cincrn Ansatz, dcr neberi der reversiblcn Einstellung der Gleichgewichtc

(IIC 1)itfusiori I 11 t1t.r C;l:isphdsc brrucl<siclitigt, ist dift t,ransporttrlrtc ('u,O-Menge in Ubcr- rin~tiniiriiing tiiit d r n Exprrinirnteri bercchenbar.

Bei nietlrigrrcn Teniperaturm uberwiegt die exotherrnc Reaktion (a); Cu,O wandert m r hc.iP,m Zone. Hci Anwendung hoherer Temperaturen wird die endothermc Reaktiori (b) nialJgvbcmtl: Cu,O i+aridcrt zur lialtcren Zone. Diese TJmkehrung der Transport- I ictitung liell sic 11 berechrirn urid in1 Exprrinicnt durclifuhren.

Drr in SCIIIC in Unifang gcringere Transport von metallischern Kupfer wird bei den dalw b(~nutztrri Trmperaturcn durch die Reaktion (c)

( c ) 8 CU + 3 HCl = CU,CI,~ + 3/ia H, v c i 111 s,icht.

In1 Zusainmenhang niit der Untersuchung anderer chemischer im Temperaturgefalle, wurden auffallende und Transportvorgange

I ) H. SCHAFER, H. JACOB u. K. ETZEL, Z. anorg. allg. Chem. 286, 27 (1956). ?) H. SCHAFER, A. JACOB u. K. ETZEL, Z. anorg. allg. Chem. 286, 4 2 (1956). I ) H. SrrnA1-m u. 13. MORCHER, Z. anorg. allg. C'hem. 290, 279 (1957). I) H. SCHAFER 11. B. MORCHER, Z. anorg. allg. Chem. 291, 221 (1957).

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H. SCHABER u. K. ETZEI,, Wanderung von Kupfer(1)-oxyd i r n 'I'a~tiperaturgefille 295

zunachst unerklarliche Verfliichtigungserscheinungen von Kupfer und Kupfer(1)-oxyd beobachtet. Zur Aufklarung des Geschehens wurde die hier beschriebene Untersuchung ausgefuhrt.

A. Reohaehtnngen zur Wanderung von Cu,O und Cu im Temperaturgefalle Wurde Kupfer, das eine Oxydhaut besal3, bei Raumtemperatur

im Hochvakuum in ein Quarzrohr (Durchmesser 10 mm, Lange 180 mm) eingeschmolzen und die Substanz wahrend etwa 10Stunden auf 600", die leere Rohrhalfte aber auf 900" C erhitzt, so wanderte das Kupfer(1)-oxyd in die 900 O-Zone. Die transportierte Cu,O-Menge betrug z. B. 10-40 mg, oft in wohl- ausgebildeten, rubinroten KristalIen (Abb. 1). Das bei 600" verbleibende Kupfer

abgeschieden. Vergr6Werung 20fach (Versuch 1). Das transportierte cu,o wurde durch AnaIyse und DEBYE-SCHERRER-Aufnahmen

identifiziert. K u p f e r b e s t i m m u n g durch Reduktion irn Wasscrstoffstroin: 23,522 m g Substanz gaben 21,035 mg Cu, d. h. 88,7% Cu. Fur Cu,O lmechnet: 88,8294 Cu.

Lag zwischen der 600O-Zone und der 900O-Zone ein Temperatur- minimum ( m 500°) , so entstand aulJerdem an dieser Stelle ein kleiner, gliinzender Kupferspiegel (Cu-Menge z. B. 1 mg) (Versuch 2).

war blank und frei Kupfer(I)-oxyd tibt). 1. (h,O-KI'iStall?, h i 900" (:

S c h e m a t i s c h e D u r s t e l l u n g d e s B e f u n d e s : Temperaturverlauf : 600" C j 500" C 900" c Anfangszustand : Cu + Cu,O ' ~- ~-

Endzustand CU Cu-Spiegel : Cu,O-Kristallr

Zunachst wurde die Bildung des Kupferspiegels weniger beriick- sichtigt und vor allem die Wanderung des Kupfer( 1)-oxyds untersucht. Sie erwies sich als reversibel: Kehrte man nach Einstellung des oben genannten Endzustands die Temperaturverteilung um, so wanderte das Cu,O - bei beliebig haufiger Wiederholung - stets zur heiI3esten Zone (Versuch 3).

Zerschnitt man das Reaktionsrohr (Endzustand) und brachte das Cu20-Kondensat mit den anhaftenden Quarzscherben in ein neues Quarzrohr (Hochvakuum), so wanderte das Cu,O - nunmehr in Ab- wesenheit von metallischem Kupfer - vollstandig zur heil3en Zone (600 + 900" C) (Versuch 4).

Alle gepriiften Kupferproben mit Oxydhaut und alle Cu,O-Pra- parate (verschiedener Herkunft) lieferten die gleichen Transporter-

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scheiiiungen. Der T r a n s p o r t 1)Iieb jedocl i 8 us , '1zTcrm das Aus- gungsprapnrat ini Hoc~hvakuurri Lei 800" C ausgeheizt M urdc (Ver- such 5) 5 ) oder weriri Kupfer verwcndet wurde, das im gereinigten Lnft- strorri 1x4 >-, (i(10" C oxjdiert worden war (\'crsuch 6)".

Ll'urcle tlus Cu- Cu,O-Prci parat riiclit (n-ir hisher stcts) im abge- schinolzcner~ (Juarxrohr, sondern a n dc r l a u f e n d e n Ho c h va k u u m - punipcl lrn Teinperaturgefulle 600" (Cu, Cu,O)- 500"-1000" C -z Hoch- vakuuni (10 W I I I I ) erhitzt, so war weder cine Verfluchtiguiig von Cu,O noch die Hildung cines Kupfrrspiegcls zu beobachten (Versueli 7 ) .

Die bis1it.r dargclcgteri Ergebnisse lasseri den Schlufl zu, dal3 die Verf 1 II cli t i p ngscrsch einungcn :in die Ci egenwart ciner Verun reinig ung gclounden siiid und dnli diese Vcrunreinigurig durcch Ausheizcn bei hin- reichcrid hoher Temperatur critfernbar ist.

B. HCI- Spixren als I!rsaehci fur den 'J'ransyort Kupfer(1)-oxyd wurde durcli Ausheizen ,,transportinal<tiv" gemncht.

Ilann wurde versucht, oh sich die Transporterscheinungeri durch kleinc Zusiitze wicclcr hervorrufen lielaen.

W a s s e r z u g a beri erwiesen sich als uriwilrksam (Versuch 8) G ) .

I)as iiiimerhiri denkbare Auftreten eiiies fliichtigen Kupferhydroxyds wurde dnrch ctas Experiment also nicht bcstiitigt.

Sa l z s i iu re rief dagegen aucli bei sehr kleinen Zusiitzen den Trans- port liervor. :

\ 7 c ~ r s u e l ~ 9 : I)ie Ah1). -? zcigt, cliv Anor(iriung. Dcr Hauni V eiithielt einige ccm 21 gi.w.-)~toz. Salzsiiurc. kliiri kulilt,c~ V t i l i t f1iisnigc.i Luft uiid evaliuicrte die Raurrie IV

und V liocli. Dann vcrscliloU iuati die Haline H 1 und H 2 untl vrrltittete bci c mit Piccrin. Iin ltauiii I bcfantl sich 1 g mi t

4 (h,O hetiecktes C u in Form liieinei D Kupelchcn. Sie rollten leielit durcti

dic \.rrjiiiigungen a und h hin- Hz tlurch. Das Cu/Cu,O wurde gr-

iricitisairi n i i t deli Riiunieri I unti I I 1 Stuntlc-ri bei '300" C und F

10-5 inn1 ausgeheizt. Ansclilielirnd

chcm durcl i die \'erjiiuguiig a von wur t lv die Iialbe Mc-r~gc der Kugel-

< 13

1 P 70 HuoLfvnn --+

= 1 c- ~ - 7 8 0 m m - - 4 - ~ - ?8Omm - d

b

.Al)l). 2. Anortlnung zu Vc.rsucli 9. Ri~akt~ioiisrolirc aus Quarzglas

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H. SCHAFER u. K. ETZEL, W'anderung von Kupfer(1)-oxyd im TemperaturgefAlle 297

Rauni I nach I1 gegeben und die Kapillarc a aIy+xog:l:ri. i h s Itolir I war (laillit fiir ( I t s 1 1

WCI- f r e i e n K on t r 01 1 v c r s 11 c h beschickt. Im AnschluIj hiera.n wurde der Rauni V iriit dcr Salzsaurc auf 0" C g(sl)rclulll, so (1:1 I;

sich der Sattigungsdruck (PHa0 = 2,5 nini, PHcl = 0,05 rn111)7) cinstelltc. D a m wurtiv eine Gasmenge im Raum I V abgemessen und nach Schlieljen des Hahnes H 3 in dic Rauiric. 11 und I11 entspannt. Auf dicse Weise gelangten m a x i m a l - wenn sich der gesanitc Inhalt von IV auf dem Cu/Cu,O niederschlug - rr 1 y HC1 und m 24 y H,O in den R.aurn 11. Nach den1 Abschmelzen bei b war auch das Rohr I1 fur die Temperung bereit.

Die Rohre I und I1 wurden gemeinsam 1 2 Stunden lang getempert. Ergebnis : HC1-freier K o n t r o l l v e r s u c h nii t R o h r I : Kein Cu,O in der heif3en Zone (900" C ) ; kein Cu-Spiegel bei -500". Cu- Kugelchen (600") nach wie vor mit Cu,O-Haut bedeckt. Also keinerlei Transporterscheinung. R o h r I1 mit HC1 -k H,O: Cu,O-Kristalle bei 900" C; Cu-Spiegel bei -500"; Cu-Kugelchen bei 600" vollig blank (oxydfrei).

Damit war gezeigt, da8 die Trarisporterscheiriungeri durch Zugabe schon sehr kleiner Mengen an HC1 (+H,O) ausgelost werden.

Kupfer(1)-oxyd lie0 sich auch auf andere W&e chloridfrei herstellen und dann ,,alrtivieren" : Kupfer(1)-oxyd wurde aus allralischcr, glycerinhaltiger Kupfernitratlosung mit Traubenzucker abgeschieden *). Das grundlich ausgewaschenc: Praparat wurde wahrend 2,5 Stunden bei 500" im Hochvakuum entwassert. Es hatte den erwartetcn Kupfergehrtlt (gefunden 88,8; 88,9%Cu; berechnet 88,82%) und gab das Rantgendiagramm des Cuprits. Das Praparat farbte die Bunsenflamme nicht, enthielt also keine nachweis- bare Chloridmenge. Dcr Transportversuch fie1 negativ aus:

400 mg Cu,O wurden bei Raumtemperatur im Hochvakuum in cin Quarzrohr ein- geschmolzen. Nach 13stundigem Erhitzen im Temperaturgefalle (600/900" C) war kein Cu,O-Transport zu erkennen (Versuch 10).

Fuhrte man den gleichen Versuch unter Zugabe von 100 nig eines wasserhaltigcn Kupfcr(I)-chloridsg) aus, so fand ein bedeutender Cu,O-Transport in die 900"-Zone statt (Vcrsuch 11).

Die im Abschnitt A beschriebenen Transporterscheinungen mil Cu,O-Proben ohne besonderen HC1-Zusatz sind darauf zuriickzufiihren, daB Cu,O eine groBe Neigung besitzt, HC1 aus der Luft zu binden. Der Chloridgehalt dieser Proben lie8 sich durch die grune Flaminenfarbung ' nachweisen. Besondere Versuche, bei denen chloridfreic Cu,O-Proben einen Tag iiber verdunnter Salzsaure von 0" C aufbewahrt wurden, er- gaben, da13 die Flammenfarbung einen Chloridgehalt der Cu,O-Probe

7, Interpoliert aus MeRwerten yon YANNAKIS und von ZEISBERCA ; LANDOLT-BORN-

STEJX, 5. Aufl. Erg. Bd. I 760. 8, J. LOWE, Z. analyt. Chem. 22, 495 (1883); L. VANINO, Handb. d. Prap. Chemie I,

488, Stuttgart 1921. 9, Kupfer(1)-chlorid (MERCK). Gef.: 62,8% Cu; 35,1% C1; bcr.: 64,2%; 35,8%.

Das Praparat war schwach grun gefarbt und gab beim Erhitzen 1,2% H,O ab. (H,O i n der Hitze ausgetrieben, ausgefroren und gewogen.)

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298 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 291. 1957

anzeigte, wenn der HC1-Druck uber der Losung X mm Hg betrug. Der HCl-Gehalt der Laboratoriumsluft macht offenbar Cu,O-Proben schneIl , , transportaktiv".

Werden die mit Chlorid beladenen Cu,O-Praparate erhitzt, so ent- stehen die fur den Transport notwendigen, gasforrnigen Reaktions- partner (HC1, Cu3C13, H,O, H,). Beim Abkuhleri bindet das transpor- tierte Cu,O erneut HCl. Das Praparat liefert daher die Transport- erscheinung auch weiterhin. Wird vor dern Abschmelzen des Reak- tionsrohres hinreichend hoch im Vakuum oder im Luftstrom erhitzt, so werden die gasformigen Reaktionspartner entfernt und der Transport unterbleibt .

Diese experimentellen Ergebnisse fuhren zu dern SchluB, daB der Cu,O-Transport durch reversible Einstellung des heterogenen, ex o - t h e r m e n Gleichgewichts

besorgt wird. Fur die umgekehrte Transportrichturig des metallischen Kupfers ist das e n d o t h e r m e Gleichgewicht

maflgebend. Diese Uberlegungen werden durch die im Abschnitt C dar- gelegte Berechnung der Transportleistung bestatigt.

3 CU,O + 6 HC1 = 2 CU,CI,~ + 3 H,O

3 CU + 2 HCl = Cu3C13g + 3/2 H,

C. Uberschliigliche Bcrwhniing des Ciiii0-Tmnsports Bisher 1-4) hat es sich bei Transportversuchen bewahrt, bei ,,mitt-

leren Drucken" anzunehmen, daB das heterogene Gleichgewicht in beiden Temperaturzonen vollstandig eingestellt wird und daB die trans- portierte Bodenkorpermenge bestiinmt wird durch die Geschwindigkeit, mit der die gasformigen Reaktionsteilnehmer diffundieren. Ma.n be- notigt aIso zur Berechnung der Transportleistung Kenntnisse ijber die Gleichgewichts lage und die Diffusion.

1 . Gkichgcwichtc

Nach Messungen von BREWER und L O P G R E N ~ ~ ) enthalt Kupfer(1)- chlorid-Dampf CuC1- und Cu,Cl,-Molekeln nebeneinander. Das auffallend hestindige Trimere wurde inzwischen auch inn Massenspektruni als Hauptbestandteil des gasformigen Kupfer (I) -chlorids beobachtet 'I) I' ") .

l o ) L. BREWER u. N. L. LOBGREN, J. Amcr. clieiii. SOC. 53, 3038 (1950). 11) H. M. ROSENSTOCK, J. R. SITES, J. R. \ /VALTON 11. R. UALDOCK, J. chcm. Physics

I l a ) Infrarotspektruin yon Kupfer(I)-chlorid-Dampf vgl. W. KLEMPERER, S. 4. RICE 23, 2442 (1955).

t i . R. S. BERRY, J . Amcr. ohcm. SOC. 79, 1810 (1957).

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H. SCHAFER u. K. ETZEL, Wanderung von Kopfer(1)-oxyd im Teinperaturgefalle 299

BREWER und LOPGREN geben Interpolationsformeln an fur die Gleich- gewichte

CU, + HC1 = CuCI, -t H, 10g (PcUCl . P~~~/PIIol),t = - 9541/T + 6,951 - 0,911 log T ( m 1300' K) (1)

3 CU, + 3 HCI = Cu,CI,, + 3/iz HL log P2/P&l)at = - 983/T - 2,054 (- 1300" K)

Die Rechnung ergibt ferner fur das Gleichgewicht

CU,O, + H, = 2 CU, + H,O,

log (t'l~20/l'~2) -- 1- 3641,5/T -t 7,9867 - 2,1893 log T. (3)

Her k u n f t d e r t h e r in o c hem i 8 c h en W e r t e: AHizQ8 nach RCSSINI-WAGMAN~~) ; 8298 nach KELLEY',), jedoch s2Q8,0u,o nach Hu und JOHN ST ON^^); dCp nach K E L L E Y ~ ~ ) init geririger Abwandlung, so daR d C p als ltonetant angesehen werden konnte.

Die Kombination dieser Gleichung mit denen von BREWER und LOFGREN liefert

CU,O + 2 HCl = 2 CuCI, + H,Og (4) log ( P i u C l . PH,o/P&)at = - 15441/T + 21,889 - 4,011 log T

3 CU,O + 6 HC1 = 2 CU,CI,~ + 3 H,Og (5)

Die Vorzeichen der Enthalpieglieder zeigen, dafi der Cu,O-Transport in die heifie Zone geht, solange Cu,CI, mafigebend ist GI. ( 5 ) , dafi er jedoch prinzipiell auch zur kalteren Zone gehen kann, wenn - bei kleineren Drucken oder hoheren Temperaturen - das monomere Kupfer( I)-chlorid entscheidend wird GI. (4). Das metallische Kupfer wandert dagegen in jedem Falle [ G1. (1) oder ( 2 ) ] in die kaltere Zone.

Kupfcr(1)-chlorid zu beachtenlo). Bei 600" C betragt er ZP = 4 . 10-j at.

log (P&IcIs . P&20/P&l)at = +8959/T + 19,852 - 6,568 log T.

Bei der Bercchriung der Gleichgewichtsdrucke ist der Sattigungsdruck uber fliissigem

2. Diffusion Fur die Diffusion von Cu,CI,, in H,O, + HC1, durfte die Diffu-

sionskonstante etwa Do (273" K ; 1 at) = 0,05 cm2/sec betragen. Beiunserer mittleren Versuchstemperatur T rn 1000" K und beim Druck 2 P er-

12) F. D. ROSSINI, D. D. WAGMAN u. Mitarb., Selected Values of Chemical Thermo-

13) K. K. KELLEY, Contr. Data Theor. Met. XI, Entropies of Inorg. Subst. Bur. of

14) JTH-HENC Hu u. H. L. JOHNSTON, J. Amer. chem. Soc. 73, 4550 (1951). 15) K. K. KELLEY, Contr. Data Theor. Met. X, High-Temperature Heat-Content,

dynamic Propertics, Washington 1952.

Mines, Bull. 477 (1950).

Bur. of Mines, Bull. 4% (1949).

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300 Zeitschrift fur anorganische und allgemeirie Chemie. Band 291. 1957

gibt sich dann

Die diff undierenden Mole Cu,CI, sind angenahest berechenbar mit 16)

P<;uLc,,s gibt den Gleicligewichtsdruck (at) bei T, und T, an. Die Ver- suchsdauer t ist in Sekunden einzusetzen. Betriigt - wie bei unseren Versuchen - der Rohrquerschnitt cl = 0,5, 7c em2 und die Diffusions- strecke s = 10 em, so erhalt man

n(C,I,Cl,) = 0,5 1 0 P . t . dPCuaCld/27P (Mole).

W i d beschtet, da13 1 Mol Cu,Cl, 1,5 Mole Cu,O liefert, so folgt schlieBlich

Von einer solchen groben fjberschlagsrechnung lrann man freilich nur griillenordnungsmafiig richtige Ergebnisse erwarten 1).

Cu,O = 0,00011 . t . dPcuScl,/ZP (Gramm).

3. Vergleieh von Reehnung und Experiment beim Cue 0-Transport zur heifleren Zone

Fiir den Fall, daI3 man in ein Reaktionsrohr mit 12 em3 Rauminhalt neben reinem Cu,O 0,029 mg HC1 einfuhrt und das Rohr, das auf beiden Seiten Cu,O als Bodenkorper enthalt, je zur Halfte auf 873" K und 11 73" K erhitzt, liefert die Rechnung fur gleichen Gesamtdruck im ganzen Rohr folgende Gleichgewichtsdrucke :

873" K - Z o n e : PIIc1 = 0,10. 10-3 a t ; Pc,,sc13 = 1,80. a t ; P,,, = 2,70 . 10-3 at.

1173OK-Zone: PHCl = 0,36 . a t ; Pc,,3cII = 1,69 . at ; P,,, = 2 , 5 4 . at.

Der Gesamtdruck betragt Z'P = 4,6 * lo-, at,. Der Gleichgewichtsdruck des monomeren CuCI ltann unter diesen Bedingungeii gerade

noch vernachlassigt werden.

Mit diesen Drucken und einer Versuchsdauer von 15 Stunden (t = 54000 see) berechnet man nach Abschnitt 2 einen Transport von 0,14 g Cu,O.

Das Ergebnis dieser Bereehnung wurde mit den dabei eingefuhrten Mengen iind Rohrdimensionen experimentell gepruft : Das Quarzrohr mit 1 g Cu,O wurde 6 Stunden bei mm und 900" C ausgeheizt. TIC1 wurde mit einer Glaskapillare eingefiihrt") und bei -183" beim

lo) Naliercs zur Rercclinung vyl. '). 17) Einxellii~iti~~r r lw Atiordnung l i n t ! Arlwita\beisr wie ltei 11. SCHAPER u. B. MOK-

( I l h K I ) ; Abb. I .

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H. Q C H ~ F E R u. K. ETZEL, Wanderung von Kupfer(1)-oxyd im Temperaturgefalle 301

Cu,O kondensiert. Nach dem Abschmelzen des Rohrs und 15stundiger Temperung (Cu,O 600"/900" C) hatten sich 0,107 g Cu,O in rubinroten Kristallen in der heifien Zone abgeschieden (Versuch 12) 18). Dieser Befund stimmt mit der iiberschlaglichen Berechnung gut iiberein. Rechnung und Experiment zeigen also, dafi schon sehr kleine HCI- Mengen einen erheblichen Cu,O-Transport veranlassen.

D. Richtungsumkehr beim Cu,O-Transport Vor kurzem 3) wurde gezeigt, da13 der Transport des Silicium-Boden-

korpers im System Si/J sowohl von Stellen mit hoherer zu solchen mit niedrigerer Temperatur als auch umgekehrt erfolgen kann, weil bei hoheren Drucken eine endotherme, bei kleineren Drucken aber eine exo- therme Reaktion fur die Transportrichtung bestimmend ist. Die Be- dingung (L'P, T), bei der sich die Transportrichtung umkehrt, lie13 sich auch berechnen.

Eine solche Umkehrung der Transportrichtung war im System Cu,O/HCl ebenfalls vorauszusehen, da die Umsetzung zu Cu3C13, exo- therm, zu CuCI, aber endotherm verlauft. Zunachst wurde eine zur Demonstration der Transportumkehr geeignete Versuchsbedingung berechnet. Im Anschlufi daran wurde das Ergebnis der Rechnung ex- perimentell gepriift.

1. Rechnung

Es besteht die Absicht, Cu,O rnit der gleichen Fullung des Reak- tionsrohres zunachst von TI nach T, und anschliefiend in umgekehrter Richtung von T3 nach T, wandern zu lassen, wobei T3 > T, > T, ist. Man mu13 daher die Beschickung so einrichten, dafi der Kupfer(1)- chlorid-Gehalt der Gasphase im wesentlichen bei Tl als Cu,Cl, und bei T3 als CuCl vorliegt. Das Reaktionsrohr sol1 zu Beginn reines Cu,O und bekannte Mengen von H,O und HCl enthalten.

Der Rechengang ist folgender: Man bringt die Gase (ohne Reaktion mit Cu,O) auf die Versuchstemperatur (z. B.

Rohr je zur Halfte bei 873 und 1173" K) und erhalt PRCl(Anfang) und PHao(Anfang). Dann denkt man sich das Rohr in 2 Kammern getrennt und berechnet mit den bekannten GroDen - PH,O(Anlang), PHCIIAnIang), G1. (41, GI. ( 5 ) - die Gleichgewichtsdrucke PH,Or P,,,, PcucI, Pcu,cla iiber Cu,O-Bodenkorper.

Der Wasserdampfdruck ist vie1 groBer als die anderen Gleichgewichtsdrucke. Man kann daher PHso (Anfang) vereinfachend als H,O-Gleichgewichtsdruck einsetzen. AuDerdem entspricht Pato praktisch dem Gesamtdruck. Das hat zur Folge, daD man im Gedanken- experiment weiter die angenommenen beiden Kammern verbinden kann, ohne daD eine wesentliche Bnderung der Drucke eintritt.

18) Diesen Versuch verdanken wir Herrn H.-J. HEITLAND.

Z . snore. allg. Chemie. Rd. 291. 20

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Fur die gewahlten Ausgangsdrucke PHC1(Anfang) = 23,O * a t und PH,O(Anfang) = 1,15 . lo-, at19) berechnet man iiber Cu,O- Bodenkorper die Gleichgewichtsdrucke der Tab. 1.

Tabelle 1 G l e i c h g e w i c h t s d r u c k e i n a t u b e r Cu,O

Man erkennt, da13 das gasformige Kupfer( I)-chlorid im wesentlichen bei 873" K trimer und bei 1373" K monomer ist. Bei 1173" K miissen beide berucksichtigt werden. Der Gesamtkupfergehalt der Gasphase (letzte Spalte) geht durch ein Minimum, was eine Umkehrung in der Richtung des Cu,O-Transports bedeutet.

Verwendet man als Ma13 fur das Partialdruckgefalle an Kupfer(1)- chlorid den Ausdruck

(pCu8ClJ + "13 PCuCI)T1 - (PCu8Cls 3. '13 PCuCl)T,

und setzt man die gleichen Rohrdimensionen und die gleiche Diffusions- strecke wie fruher ein, SCJ kann man direkt an Abschnitt C 2 an- schlieI3en. Bei 10stiindiger Versuchsdauer berechnet man :

Transport zur heiBeren Zone (873 -+ 1173" K) : etwa 11 mg Cu,O. Transport zur kalteren Zone (1373 -+ 1173" K:): etwa 5 mg Cu,020).

2. Versuche l8) Eiii Reaktionsrohr wurde mit Cu,O und den H,O- und HCI-Mengen

beschickt, die der Rechnung (Abschnitt 1) entsprechen und dann im Temperaturgefalle erhitzt.

a) Beschickung des R e a k t i o n s r o h r e s Die Abb. 3 zeigt die aus Quarzglas bestehende Anordnung. Das eigentliche Re-

aktionsrohr C mit 1,2 g Cu,O wurdc 8 Stunden bei 10" nim und 900" C ausgeheizt ehc bei B abgeschrnolzeii wurde. Das GefaB I, enthielt 21,O gew.-proz. Salzsaure. Es wurde mit

19) Dieses Verhaltnis HCl/H,O ist experimentell leicht realisierbar (vgl. den fol- gendcn Abschnitt 2) und wurde deshalb bei der Berechnung gewahlt.

20) Bei diescr iiberschlaglichen Berechnung wurde die Anderung der Diffusions- konstanten beim h e r g a n g von Cu3Cl, zu CuCl und von TJT, zu T,/T, vernachlassigt. Dadurch wird die fur den Transport (1573 --t 1173' K) bcrcchiiete Cu,O-Menge etwas zu niedrig.

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fliissiger Luft gekuhlt, wahrend E, F, G, J, K ausgeheizt wurden mm; 5 Stunden; Geblaseflarnme). Dann schmolz man bei G ab. Hiernach wurde die Salzsaure wahrend daB 4s Stunden sich in auf F, J, 0" K, C L gehalten, ihr Satti- so &*~~y Hathvak

gungsdruck (P,,, = 0,05, PRBo = cu,o Mognetischer 2 , j nim) p ) einstellte. Nach dem Ab- Hammer

schmelzen bei J cnthielt F bekannte H,O- und HCI-Mengen. Sie wurden

_ _ -- 21 ew.%

C kondensiert (Kiihlung von C rnit Abb. 3. Beschickung des Reaktionsrohres mit fliissiger Luft ; Erhitzen von F rnit dem definierten Mengen von HCI und H,O. Innen- Brcnner). Schliefllich wurde bei D ab- durahmesser von C = 10 mm geschmolzen. Das Rohr C war darnit fur dieTemperung vorbereitet. Wurde es je zur Halfte auf 873 und 1173" K erhitzt, so betrug PH90 (Anfang) = 1,15 . lo-, a t und PHc, (anfang) = 23,O . 10-j at, wie das der vorangehenden Rechnung entspricht.

A D E F H

nach Zerschlagen der Spitze E rnit dem magnetischen Hammer quantitativ in Saisaure

b) E r h i t z u n g im T e m p e r a t u r g e f a l l e La.g der Cu,O-Bodenkorper bei 1373" K, wahrend die andere Seite

des Reaktionsrohres 1173" K hatte, so wanderte Cu,O aus der heikiesten Zone hin zu Stellen rnit n iedr igerer Temperatur (Versuch 13).

Wurde das gleiche Rohr jedoch so in das Temperaturgefalle gelegt, da13 der Cu,O-Bodenkorper 873" K hatte und die andere Seite des Rohres heiBer war (1173"K), so schlug sich Cu,O in der heiljeren Zone nieder (Versuch 14).

Endlich wurde das Rohr in ein von 873" bis 1373" K reichendes Temperaturgefalle gebracht. Dabei befand sich der Cu,O-Bodenkorper zu Beginn auf beiden Se i ten des Rohres, also bei 873" und 1373°K. Diesmal wanderte das Cu,O von beiden Seiten her in eine Zone mit mittlerer Temperatur (Versuch 15).

Der experiinentelle Befund wird also mit T, > T, > T, durch das Schema

TI TE T3 Cu,O-- I -Cu,O

wiedergegeben und entspricht der Vorausbsrechnung. Mit der q u a l i t a t i v e n Feststellung der Umkehrbarkeit der Trans-

portrichtung haben wir uns begniigt ,l). Die Versuchsdauer betrug jeweils 10 bis 15 Stunden. Das Cu,O-Kondensat bestand in allen Fallen aus kleinen, rubinroten Kristallen.

,l) Die in die Rechnung eingesetzten Drucke PHCl(Anfang) und PHso herrschen mit der verwendetcn Rohrfullung bei 873/1173' K. Mit den gleichen Drucken wurde auch bei 1173/1373" K gerechnet, obwohl sie im Experiment - den Gasgesetzen entsprechend - etwas groBer waren. Wegen der nur qualitativen Behandlnng war das unwesentlich.

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Page 11: Chemische Transportreaktionen. Über die Wanderung von Kupfer(I)-oxyd und von Kupfer im Temperaturgefälle

304 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 291. 1957

E. Transport von metallischem Kupfer Bei den ersten Experimenten (vgl. Versuch 2) mit metallischem

Kupfer, das mit einer Cu,O-Schicht bedeckt war, wurde aul3er einem relativ grol3en - z. T. vollstandigen - Cu,O-Transport zur heil3en Zone (GOO -+ 900" C) auch die Abscheidung eines mengenmaoig erheblich geringeren Kupferspiegels in einer kalteren Zwischenzone ( m 500" C) beobachtet. Der Sattigungsdruck des Kupfers verursacht die Bildung dieses Spiegels nicht; er betragt bei GOO" C nur 3 * 10-14 at22). Das metallische Kupfer wird vielmehr mit Hilfe des endothermen Gleich- gewichts

in die kaltere Zone transportiert. 3 Cuf + 3 HCI = Cu,C1,g + ''iz H,

,4uch die Reaktion CU, + HC1 = CuCI, + '/. H,

transportiert in gleicher Richtung, jedoch ist der Gehalt der Gasphase an monomerem Kupfer(1)-chlorid bei den niedrigen Temperaturen ( m 500-600" C) noch unbedeutend.

Es wurden bis zu 1 mg Kupfer - oft aber wesentlich lrleinere Mengen - transportiert.. Die iiberschlagliche Berechnung macht den beohachteten Umfang des Kupfertransports verstandlich.

Bei der Rechnung war die grol3e Diffusionsgeschwindigkeit des Wasserstoffs und der kiirzere Diffusionsweg zu beriicksichtigen. Aunerdem war zti beachten, daB es fur deli Kupfertransport von Bedeutung i d , ob noch Cu,O in der 600" C-Zone vorliegt, oder ob es bereits vollstandig zur 900O-Zone abgewandert. ist. Auf die Wiedergabe von Einzel- heiten der Berechnung wird verzichtet.

F. Abschliegende Bemerkung Untersuchungen von BREWER und LOFGREN lo) haben ergeben,

dal3 gasformiges Kupfer( 1)-chlorid im wesentlichen aus dem Monomeren und dem Trimeren besteht und daIj das bis dahin angenommene Dimere nur von untergeordneter Bedeutung sein kann. In tf bereinstimmung hiermit sind unsere Transportversuche nur durch das Auftreten von monomerem u n d von polymerem (trimerem) Kupfer( I)-chlorid deutbar.

Ein Teil dieser Untersuchungen wurde im Max-Planck- [nstitut fur Metallforschung in Stuttgart ausgefuhrt. __

22) K. K. KELLEY, Contr. Data Theor. Met. 111. The Free Energies of Vapori- zation. Bur. of Mines Bull. 383 (1935).

Miinster, Anorganisch-Chemisches Institut der IJniversitat.

Bei der Redaktion eingeganqen am 18. Februar 1957.


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