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Z . anorg. allg. Cheni. 516 (1984) 169-17G J. A. Barth, Leipzig

Darstellung und spektroskopische Charakterisierung der reinen Bindungsisomeren [OSCI,(NCS)]~' und [OSCI,(SCN)]~-

W. PREETZ" und U. HORNS

Kiel , lnstitut fur Anorganische Cliemie der Christian-Albrechts-Uqiversitat

Professor Walter Rudorff xum 75 . Geburtstage am 3. Olctober 1984 gewidmet

Inha l t s i ibers ich t . Beim oxydativen Ligandenaustausch a n [OSCI,I]~- mit (SCN), in Dichlor- methan entstehen die Bindungsisomeren [OSCI,(NCS)]~- und {OsCI,(SCN)]Z-, die durch Ionenaus- teuschchromatogra,phie an DEAE-Cellulose in reiner Form isoliert werden. Nur die Salze des N-Iso- meren zeigen als Folge der guten Polarisierbarkeit des endstandigen 8 in den Schwingungs- und Elektronenspektren betrachtliche Bandenverschiebungen in Abhangigkeit von der GroBe der Kiltionen und der Polaritit der Losungsmittel. In den IR- und Ramanspektren liegen vCN(,), Y ~ , ( ~ )

und a,,, stets bei hoheren Frequenzen als vCN(N), vCs(,) und S,,,. I m optischen Spektrum des roteii [OsCI,(SCN)]Z- findet man eine nahezu lrigekonstante S+Os-Charge-Transfer-Bande bei 538 inn, wahrend im gelben bis violetten N-Isomeren die Elektronenubertragung N+Os in organi- schen Lijsiingsmitteln und in Gegenwert groBer Alkylammoniumionen bei 480, in walkiger Losung bei 516 und im festen Cs-Salz bei 544 nm beobachtet wird. Daraus ergeben sich die optischen Elektro- negntivitaten xopt(-SCN) = J , G , zopt( -NCS) = 2,G- 2,8. Die infolge .von Spin-Bahn-Kopplung und niedriger Synimetrie (C4,,) aufgespaltenen Intrakonfigurationsubergange werden bei 10 K als schwache Banden in den Bereichen 600, 1000 und 2000 nm registriert. Die 0-0-Ubergange werden durch Analyse der Schwingungsfeinstruktur ermittelt und fur das niedrigste Niveau beider Isomereli durch Banden in den elekt.ronischen Ramanspektren bestatigt. Mit den Parametern [(0sIv) = 3200 em-l und.B(-SCN) = 316 bzw. B(-NCS) = 288 cm-I ergibt sich zwischen den experimen- t.ellen und berechneten Intrakonfiguraticmsibergangen eine gute Ubereinstimmung. Es ergibt sich die nephelauxetische Reihe: F- > Clk > SCN- > Br- > NCS- > I-.

Preparation and Spectroscopic Characterization of the Pure Bondisorners [OSCI~(NCS)]~- arid [OSC~~(SCN)]~-

Abst rac t . The oxidation of [OsCl,I]*- with (SCN)2 in CH,CI, yields the bondisomers [OsC1,(NCS)]2- and [OSCI,(SCN)]~-, which are isolated as pure compounds by ion exchange chromato- graphy on DEAE-Cellulose. Only the salts of the N-isomer show significant shifts in the vibrational and electroflic spectra caused by polarization of the terminal S depending on the size of the cations and the polarity of the solvents. In the I R and Raman spectra vcs(x) and d,,, are found a t higher wave numbers then Y C ~ ( ~ ) , vCs(,) and 6,,,. In the optical spectrum of the red [OSCI,(SCN)]~- the charge-transfer S ~ O S is nearly constant a t 538 nm, but the N+Os transition of the yellow to violet roloured N-isomer shifts from 480 nm in organic solvents or in presence of large alkylammo- niuin c,itions to 5 16 nm in aqueous solution and to 544 nm in the solid Cs-salt. The opticel electro- negativities are cdculated to zopt(-SCN) = 2.6 and xopt(-NCS) = 2.6-2.8. According to spin- orbit coupling and to lowered symmetry (C4") the splitted intraconfigurational transitions are obser-

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ved a t 10 K as weak peaks in the regions 600, 1000 and 2000 nm. The 0-0 transitions are calculated from the vibrational fine structwe. The lowest level of both isomers is confirmed by peaks in t,he electronic ramm spectra. With the parameters ((0~'~) = 3200 em-' and B(-SCN) = 316 cm-l or B(-NCS) = 288 cm-I there is a good fit of calculated and experimental data, resulting in the nrphe- lauxetic series: F- > CI- > SCN- > Br- > NCS- > I-.

Einleitung In den letzten Jahren gelang die praparative Darstellung der reinen bindungs-

isomeren Hexarhodanokomplexe des Typs [M(NCS),,(SCN),-,]3-, M = Ru, Os, Rh, I r ; n = 1-5 [l-51. Die mittleren Glieder mit n = 2, 3, 4 lieBen sich aufier- dem in die Paare der geometrischen Bindungsisomeren auftrennen. Da das ambi- dente SCN- sowohl als weiche Base uber S (Thiocyanato) als auch als harte Base uber N (Isothiocyanato) koordiniert wird, sind die dreiwertigen Zentralionen der genannten Platinelemente im Sinne der Pearsonschen Theorie [ 61 als Grenzfalle zwischen harten und weichen Lewis-Sauren aufzufassen. Zur Ermittlung des Einf lusses der Oxidatjonsstufe des Zentralions und anderer Liganden auf die Bindungsart des SCN- mussen Gemischtligandkomplexe in verschiedenen Wertig- keiten prapariert werden.

Im folgenden wird uber die Isolierung des bindungsisomeren Paares [OSC~,(NCS)]~-/[O~C~,(SCN)]~- durch Trennung an DEAE-Celluloseionenaus- tauscher-Saulen berichtet [ 7, 81. Die strukturspezifischen Auswirkungen der unter- schiedlichen Bindungsart von SCN- auf die Schwingungs- und Elektronenspek- tren werden diekutiert.

Darstellung und Eigenschaften Da bei der Umsetzung von Hexahalogenoosmaten(1V) mit SCN- in wafiriger

Liisung sofort die Reduktion zu 0s'" eintritt und uber eine Folge schneller Reak- tionsschritte Gemische bindungsisomerer Hexarhodanoosmate(II1) entstehen, kommen nucleophile Substitutionsreaktionen nicht in Betracht. Die unerwunschte Reduktion des Zentralions laBt sich vermeiden, wenn durch Einwirkung des Pseudohalogens Dirhodan leicht oxydierbare Liganden ersetzt werden. Das Nor- malpotential von (SCN), liegt in waRriger Liisung mit 0,77 V weit unter dein von C1, (1,35 V), aber deutlich uber dem von I, (0,53 V). Selbst unter Beriicksichtigung der Tatsache, daB die Redoxpotentiale koordinierter, verglichen mit denen freier Ionen, etwas verandert sind, kanii man davon ausgehen, daB in Chloro-Iodo- Komplexen durch Dirhodan gezielt nur die Iodliganden oxydiert und durch das entstehende SCN- substituiert werden. Eine geeignete Ausgangssubstanz ist da- her das gut zugangliche [OSC~,I]~- [7].

Wegen der in waljrigein Milieu ausgepragten Neigung des (SCN), zur Poly- merisation wird der oxydative Ligandenaustausch in organischer Phase vorge- nommen. Geeignet ist ein 1:l Gemisch aus CH,Cl, und CCl,, in dem (SCN), ausreichend bestandig ist und sich Tetrabutylammanium(TBA)-Komplexsalze gut Idsen. Die Reaktion erfolgt bei Raumtemperatur innerhalb weniger Sekunden

W. PREETZ u. a., Bindungsisomere [OsCI,(NCS)]Z- und [OsCl,(SCN)]*- 161

quantitativ nach folgender Gleichung :

Dabei verfarbt sich die zu Beginn dunkelgriine Losung nach tiefrot. Die Auf- trennung der entstandenen Bindungsisoineren an DEAE-Cellulose ist problemlos, da sich die Wanderungsgeschwindigkeiten im Verhaltnis 1 : 1,7 stark unterschei- den. Entsprechend der Beobachtung an bindungsisomeren Hexarhodanokom- plexen, bei denen die Adsorption am Ionenaustauscher mit wachsender Anzahl der Isothiocya,natliganden zunimmt, wandert die rote Zone [OSC~,(SCN)]~- schneller als die rotviolette von [OSCI,(NCS)]~- [1,3-5,8]. Ebenfalls in uber- einstimmung niit den Erfahrungen an Hexarhodanoverbindungen ist der Isothio- cyanatokomplex vollig stabil, wahrend [ OSC~,(SCN)]~- bei Raumtemperatur in protonenhaltiger Losung innerhalb von Stunden, in protonenfreier Losung nach Tagen und als festes (TBA)-Salz nach Wochen eine merkliche, irreversible Um- lagerung zum .N-Isomeren aufweist. Durch Temperaturerniedrigung und in kri- stallinen Salzeri mit kleineren Kationen wie (TMA)+ oder Cs+ mird [OsCl,(SCN)]2- stabilisiert.

Schwingungsspektren

I n Abb. 1 sind die IR- und Ramanspektren der Tetrainethylammonium- (TMA)-Salze von [OSC~,(NCS)]~- und [OSC~,(SCN)]~- mit Angabe der Frequenzen der Banden und ihrer Zuordnung dargestellt. Fur beide Bindungsisomere ergeben sich bei Annahme der lokalen Symmetrie C,, fur das Oktaedergerust die folgenden 11 Osmium-Ligand-Grundschm ingungen [ 81.

r, =: 4A1 + 2B, + B, + .lE Yg(0SCl4) v5 V(OSC1,) v7 S(OsC1,) Vg vas(0sC1,)

v2 Y(0SCI) v6 n(OsC1,) vgr pw(ClzOsN) ~y v(0sN) v g t r @,(Cl~OSS) v y Y(0SS) v10 @w(c~,osc~) v, :r(OsC1,) v11 S(OSC1),

Alle Schwirigungen der Rasse A, sind Raman-aktiv; allerdings ist beim Thio- cyanatokomplex v2 nur mit der Erregerlinie 514,5 nm als schwaches Maximum bei 300 em-I zu erkennen. Die Raman-erlaubten Schwingungen der R-Rassen werden nicht beobachtet. I n den IR-Spektren findet man neben vl, vg und v4 als inten- sivste Bande v8 der Rasse E. Dazu kornmen in charakteristischen Bereichen die nach steigenden Frequenzen geordneten internen Schwingungen des iiber N bzw. S koordinierten SCN-: Gscs, vcs(x) , vc.(xl bzw. a,,,, vcscs,, vCN(,). Die zusatzlich auftretenden Ramanbanden sind der haufig beobachtete Oberton 2axCs sowie Kombinations- und Obertiine, insbesondere mit vl, deren Intellsitaten wegen des Resonanzramaneffektes stark von der JVellenlange der Erreger- strahlung abhangen, Abb. 1. Die stets um einige cm-1 hdhere Lage der Raman- als die der entsprechenden IR-Banden ist eine Folge der unterschiedlichen Tem- peratur hei der Messung ( IR: Raumtemperatur, Ra: 80 K).

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Abb. 1 * mnrkiert Banden des Tetramrthylammoniumions

IR- und Ramanspektren von (TiltA),[OsCI,(NCS)1 and (TMA),[OsCI,(SCN)]

Die charakteristische Lage der Banden des koordinierten SCN ermoglicht die sichere schwingungsspektroskopische Unterscheidung der beiden Bindungsiso- meren. Wie fur viele Komplexe mit einem oder zwei Rhodanid-Liganden bekannt [lo], wird aurh im vorliegenden Fall vcs(s) bei deutlich hoheren Frequenzen,

W. PREETZ u. a,, Ilindungsisomere [OSC&(NCS)]~- und [OsCI,(SCN)Y- 163

aber mit vie1 geringerer Ramanintensitat als Y ~ ~ ( ~ ) gefunden. Dieses Unterschei- dungsmerkmal ist wegen mehrfacher Aufspaltungen bei den Hexakis( thiocyanato- isothiocyanat0)-Metallaten(II1) nicht gegeben [ 1 - 51. Entsprechend den Ver- haltnissen bei anderen Bindungsisomerenpaaren beobachtet man Y ~ ~ ( ~ , und d,,, jeweils bei hoheren Wellenzahlen und mit groBerer Ramanintensitat als Y ~ ~ ( ~ )

und a,,,, die nur mit der Erregerlinie 1, = 647,l nm a19 EiuBerst schwache Maxima bei 693 bzw. 427 cm-1 zu erkennen sind. Bei Anregung mit 1, = 488 nm fehlen sie vollig, Abb. 1.

Wahrend sich bei den Systemen [M(NCS),(SCN),_J3-, M = Ru, Os, die Bin- dungsisomeren auch durch die hohere Frequenz von v(0sN) verglichen mit ~ ( 0 s S ) unterseheidek, fallen sie hier annahernd zusammen. Der Grund dafur durfte die geringere Donorfahigkeit von Os(1V) sein, so da13 die fur Os(II1)-Kom- plexe formulierte n-Ruckbindung zum N nur in geringerem MaBe zustande kommt. Bei Bindung uber S kann sich dagegen zusatzlich zur 0- eine n-Donor- bindung durch Uberlappung eines p-Orbitals von S rnit dem nur partiell besetzten t&-Niveau am Os(1V) ausbilden. Die Schwachung der Bindung mit N und die Verstarkung z u S fuhrt demnach zur gegenseitigen Annaherung von ~ ( 0 s N ) und Y( OsS). In direktem Zusammenhang damit ist der unterschiedliche trans-Effekt von S- und N-gebundenem Rhodanid zu sehen. Er wirkt sich auf die Os-C1- Valenzschwingung der Achse C1- Os-Rhodanid, v2, aus. Die langerwelligere Lage in der Thiocyanato-Verbindung bei 300(Ra)/294(IR) zeigt eine Lockerung, die hohere Frequenz am Isothiocyanatokomplex bei 324(Ra) eine Festigung der 0 s -C1-Bindung an. Daraus folgt fur S-gebundenes Rhodanid ein grol3erer trans- Effekt als fur N-gebundenes.

Ein auffalliger Unterschied zwischen den beiden Bindungsisomeren besteht in der starken Kationenabhangigkeit der Lage der CN- und CS-Valenzschwingun- gen, die an [OsCl,(NCS)]2- beobachtet wird. Dieses Phanomen 1aBt sich durch die mit abnehmendem Radius des einfach positiven Kations zunehmende polarisie- rende Wirkung erklaren. Durch Polarisierung des endstandigen S erfolgt in der linearen Gruppierung Os- NCS eine Elektronendelokalisierung :

Die CS-Einfaohbindung wird dadurch verstarkt, die CN-Dreifachbindung ge- schwacht, so d a13 mit zunehmender Wechselwirkung in der Kationenreihe (TBA)+, (TMA)", Cs+ I J ~ ~ ( ~ ) ansteigt und Y ~ ~ ( ~ ) abnimmt.

Die Zusammenstellung der Schwingungsfrequenzen in Tab. 1 zeigt die starken Verschiebungen fur den Isothiocyanatokomplex und im Vergleich dazu die von den Kationen nahezu unbeeinfluBte Lage im S-Isomeren. Auch die kurzwellige Verschiebung von v(0sN) beim Ubergang von (TMA)+ zum Cs+-Komplexsalz l&Bt sich durch Auswirkung des Elektronenzuges verstehen, indem sie die d,(Os) --t p,(N)-Ruckbindung fordert und so die Os-N-Bindungsordnung erhoht. Das (TBA)-Salz fallt allerdings in dieser Hinsicht aus dem Rahmen.

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Tabelle 1 [OSCI,(NCS)]~- und [OsC1,(SCN)]2- in Form der Cs-, (TMA)- und (TBA)-Salze

IR- und Ramanfrequenzen [cm-l] von vcN, vCs, v(OsN), v (0sS) der Bindungsisomeren

Kation %N(N) "CN(S) 'CS(N) %S(S) V(OSN) v (0sS)

Csf I R 2 020 2 125 - - 285 265 Re 2027 2 140 890 692 290 2G9

(TMA)+ I R 2059 2 118 - - 259 261 Ra 2048 2120 878 693 260 272

(TBA)+ IR 2087 2 119 - - 261 260 Ra 2087 2 117 857 692 276 865

Elektronenspektren Die in Abb. 2 wiedergegebenen elektronischen Absorptionsspektren sind ent-

sprechend den stark unterschiedlichen Extinktionskoeffizienten im Bereich der Intrakonfigurationsubergange (rechte Seite) und der Elektronenubertragungs- banden (linke Seite) an KBr-PreBlingen mit verschiedenen Gehalten an den (TBA)- Salzen der beiden Bindungsisomeren bei 10 K registriert worden.

Intrakonfigurationsiibergiinge

Fur oktaedrische low-spin-Komplexe von 0sIv ergeben sich fur die t&-Elek- tronenkonfiguration im Ligandenfeld die Terme 3Tlg, IE,, ITzg und lA,,, die infolge starker Spin-Bahn(SL)-Kopplung und durch Erniedrigung der Symmetrie von 0, nach C,, weiter aufspalten. Auf der Grundlage der fur die Oh-Punktgruppe be- kannten Rechnungen [ll] folgt damit das in Abb. 3 wiedergegebene Energie- niveauschema, in dem die irreduziblen Darstellungen in der Nomenklatur von BETHE und von MULLIKEN (in Klammern) bezeichnet sind. Da die Zentralionen- banden als Ubergange innerhalb der gleichen Elektronenkonfiguration dem Paritatsverbot unterliegen, ist fur sie nur mit geringen Intensitaten zu rechnen. Auf Ubergange vom Grundzustand IT,, der aus 3T,, hervorgegangen ist, in Ni- veaus, die sich aus Singulettzustanden ableiten, wirkt sich zusatzlich das Spinver- bot aus. Sie sollten daher noch schwacher sein. DaB dennoch eineReihe von Banden beobachtet werden, ist einerseits in der starken Spin-Bahn-Kopplung begriindet und andererseits darin, da13 diese orbitalerlaubt sind. Da der Vektor des elektri- schen Dipolmomentoperators in der Punktgruppe C,, wie Fl(Al) und r,(E) trans- formiert, sind die Ubergange T, -+ r,, I', formal als elektrische Dipolstrahlung, diejenigen nach r, bzw. S; und r, jedoch nur als magnetische Dipol- bzsv. elek- trische Quadrupolstrahlung erlaubt. Letztere sollten, wenn uberhaupt erkennbar, iiul3erst schwache Banden verursachen. Haufig werden aber die moglichen elek- tronischen Ubergange durch Kopplung mit Schwingungen geeigneter Rassen erheblich verstarkt. Fur die Zuordnung ist daher die Analyse der Schwingungs- feinstruktur sehr wichtig. Eindeutig lassen sich die in Absorption schwachen 0 - 0-Elektronenbanden dann erkennen, wenn die Messung des elektronischen Ramanspektrums moglich ist, weil die d - d-ffbergange nach den Auswahlregeln

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Abb. 2 Absorptionsspektren von (TBA),[OsCl,(NCS)] und (TBA),[OsCI,(SCN)] (links: Elektronen- ubertragungsbanden; rechts: Intrakonfigurationsubergslnge, vgl. Tab. 2), gemessen an KCl-PreB- lingen bei 10 K * Quarzabsorptjon

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20

A E lkKJ

10

LfA.1

Oh oh (s LI C4" /s LI

Abb. 3 Energieniveauschema der Intrakonfigurationsubergange von Os(1V) in 0,- bzw. C,,-Symme- trie bei starker Spin-Bahn(SL)-Kopplung, angepaBt fur (TBA),[OsCI,], O,(SL) [12] und fur (TBA)JOsCl,(NCS)I, C,,(SL)

als Ramanstreuung erlaubt sind. Aus apparatetechnischen Grunden (Anregung im sichtbaren Epektralbereich, Grenze der Empfindlichkeit des Photomultipliers bei etwa 12000 cm-l) lassen sich nur die energieiirmsten Ubergange bis etwa 6 000 cni-l erfassen.

Die groBenordnungsmafiige Lage und Intensitat der Absorptionsbanden der beiden Bindungsisomeren ergibt sich aus dem Vergleich mit den Spektren des regular oktaedrischen [OSC~,]~- [ 121 und denen der ebenfalls gut untereuchten niedersymmetrischen Komplexe der Typen [OSX,OX]~- bzw. [OSX~Y~-,,OX]~-, X +. Y = C1, Br, I [13-151. Tatsachlich findet man bei allen ahnlich wie in Abb. 2 mehr oder weniger strukturierte Bandensysteme in den Bereichen um 2000,1000 und 600 nm.

Die genaue Analyse der insbesondere bei (TBA),[ OsCl,( NCS)] gut aufgelosten Schwingungsfeinstruktur fuhrt zu der in Tab. 2 aufgelisteten Zuordnung. Man findet nahe 4800 bzw. 10000 cm-l jeweils eine Gruppe aus 4 Absorptionen, Abb. 2, von denen die beiden intensiveren als die formal elektrisch dipolstrahlungs- erlaubten Obergange IT, 4 2T5 ( E = 20) und IT, 2 r , ( E = 120) bzw.

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Tabolle 2 Intrakonfigurationsiiberggnge mit Schwinguogsfeinstruktur der Bindungsisomeren (TBBA),IOsCId~CS)I und (TBA).[OsCI,(SCN)], vgl. Abb. 2, rechte Seite

Rr. 1 Y Av ZuordnunR [nml [cm-'1 [cnl-']

(TBA)J08Cls(NCS)I

1 a 3 4 5 6 7 8 9

1 0 11 1 2 1 3 1 4 16

16

iY 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 49:

2 133 2102 2086 2079 2064 2034 2022 1998 1973 1958 1920' 19011 1898 1890 1884

{ :Ss;:; 1868 1860 1848 18371 100:1

990 982 97'7 968 961 9 57 95 1 946 936 93'5 926 91 2 907 89 8 883 87 3 622 611 598 590 552

(TBA),[OsCl,(SCN)]

1 2 072 2 2 004 3 1964 4 1935 5 1848 6 1 7 9 2 7 1761 8 1748 9 1700

10 1660

4 688 4757 4794 4810 4845 4916 4945 5 005 5 068 5107 5 205 5238 5270 5291 5305 5319 5339 5353 53iG 5411 5145 9995

10101 10183 10235 10331 10406

10515 10575 10683 10747 10799 10960 11 025 11136 11 325 11 461 16077 16367 16722 16949 18116

la 444

4 826 4990 5092 5 167 5411 5 580 5680 5721 5 882 6024

157 159 2571161 317 311/358 4191313 5171411 428 5131457 6031534 6191513

651 6651514 6881619 654/617 7571688

5621509

341 4161305 3431260 432 570/340 6881500 646/512 6151564 776

1030 1035 1335 1360

310 645 872

2039

164 266 341

169 269 310 471 613

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Tabelle 2 (Fortsetzung)

Wr. L V A v Zuordnung [am1 [ cm-' J [em-' 1

11 12 13 14 15 16 17 18 19

1013 860 838 593 590 587 581 576 570

9 872 11628 11933 16878 16949 17036 17212 17346 17544

+3r6 +3r,

+w, 305 3r1 + V.

158 4r, + yJ" 331 4r1 + v1 468 4r, + yI + v8

666 4r, + zx v 1

7 1 4r1 4- Gitterschwiugung

1I; -+ 3I' , ( E = 8) und IF, 4 3T, ( F = 4) angesehen werden. Diese Zuordnung wircl fur das erstgenannte Paar dadurch abgesichert, daB im elektronischen Ramanspektrum, Abb. 4 und 5b, bei den gleichen Wellenzahlen ebenfalls starke Randen auftreten.

Die elektrischen Quadrugolstrahlungs-Ubergange IT, 4 IF, ( E = 4) und IT, + IT, ( E = 4) bzw. lI', --f 2r4 ( F < 1) und IT, -+ 2r3 ( E < 1) sind urn mehr als eine GrGBenordnung schwacher. Aher auch in diesem Fall lassen sich die 0 - O-Ubergange sehr geiiau aus der Schwingungsstruktur ermitteln. Es fallt auf, daB gerade diese Quadrupoliibergange gekoppelt mit v, und vg jeweils die starksten Banden verursachen.

Im Falle des Thiocyanatokomplexes ist die Feinstruktur weniger ausgepragt, so daIJ in beiden Bereichen nur die intensiren elektrisch dipolerlauhten Banden erkennbar sind. Die Intensitaten der nbergange 1 Tl -+ 2 r5 (E= 1050), 1 I', 3 2 r, ( E = 400), 1 I', 4 3 T, ( E = 29) und 1 TI -+ 3 r, ( F = 10) liegen deutlich uber denen des Isothiocyanatokomplexes. Das ist als Folge der Symmetrieerniedrigung beim Austausch des linear gebundenen -NCS gegen gewinkelt gebundenes -SCN zu verstehen , wodurch das Paritatsverbot weiter abgeschwacht und die Ubergangs- wahrscheinlichkeit vergrofiert wird. Die beiden erstgenann ten tfbergiinge sind auch wieder im elektronischen Ramanspektrum beobachtbar, Abb. 5 a. Nur beim S-Isomeren findet man zusatzlich eine hreite schwache Ramanbande bei 2680cm-l die dem nbergang lr, -+ 3 I', zugeordnet uird.

Der fur beide Bindungsisomere sehr scharfe ITl 3 4Tl-Ubergang zeichnet sich durch deutlich hohere Intensitat ( E M 560) aus, was rnit der Nahe des Charge- Transfer-Bereichs zusammenhangen durfte. Da der O-0-Obergang des Thio- cyanatokornplexes nahe an der ersten CT-Bande liegt, sind nur Kopplungen mit niederfrequenten Schwingungen erkennbar. Bei der Tsothiocyanatoverbindung werden dagegen aufier mit y1 auch Kombinationen mit den inneren Ligandschwin- gungen vCs(a, und vcx(x) beobachtet. Ihre Lage wird bestatigt durch das Auf- treten von Absorptionsbanden im Ramanspektrum hei den gleichen absoluten Frequenzen, Abb. 4. Dieses als Lumineszenzabsorption bezeichnete Phiinomen ist kiirzlich von HOMBORG [ 16) beschrieben worden. Aufgrund des steilen Anstiegs der Lumineszenz im Bereich des ifbergangs 1 r, -+ 4r, tritt eine Verzerrung ein,

Abb. 4 Schwingungs- und elektronisches Ramanspektrum von (TBA),[OsCI,(NCS)] bei 77 K, Lo = 488 bzw. 514,5 nm mit Lumineszenzabsorptionen durch den IF, --f 4T, Intrakonfigurations- fibergang

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P I I 4

5500 5000 4500 5500 5000 Icrn-7 4500

Abb. 5 bei 77 K im Bereich der ubergange 1 T', + W5 und IT, + W,, A,, = 614,6 nm

Elektronische Ramanspektren von (a) (TBA),[OsCl,(SCN)] und (b) (TBA),[OsCl,(NC8)]

die das Minimum scheinbar zu hoherer Frequenz verschiebt. Die ubrigen aus Schwingungskopplungen resultierenden Lumineszenzabsorptionen stimmen mit den aus den Absorptionsspektren entnommenen Werten uberein.

Der IF, -+ 4rl-ubergang ist, wie auch am [OSC~,]~- festgestellt [12], gering- fugig kationenabhangig. Die bathochrome Verschiebung bei Austausch von (TBA)+ gegen Cs+ betragt fur den Isothiocyanato- 280, fur den Thiocyanato- komplex dagegen nur 72 cm-l. Ein Losungsmitteleinflufl ist nicht feststellbar.

Die Lage von 1 T, --f 4 rl ist, da es sich um nicht aufspaltende Niveaus han- delt, sehr genau bestimmbar. I n Tab. 3 sind fur eine Reihe oktaedrisch koordinier- ter OsIV-Komp1exe die Anregungsenergien zusammengestellt.

I m stark oktaedrischen Ligandenfeld sind die Termenergien innerhalb der tig-Konfiguration durch die interelektronische AbstoSung, d. h. den Racah- Parameter B und in der 5d-Reihe auch durch die Spin-Bahn-Kopplungskonstante 5 bestimmt. Unter Verwendung der fur die Punktgruppe 0, bekannten Matrix- elemente [ IS] lassen sich die Energien der einzelnen Spin-Bahn-Kopplungskom-

W. PREETZ u. a., Bindungsisomere [OSCI,(NCS)]~- und [OsCl,(SCN)]Z- 1 7 1

Tabelle 3 Lage des Zntrakonfigurationsiberganges lrl -+ 4f in verschiedcnen hexakoordinierten Osmiuni(1V-) Komplexen

Xomplex v [cm-'I Lit.

mer-(TBA),[OsBrIJox', 14903 [I41 (TBA),[OsBr,tr.I,ox] 15198 ~ 4 1 cis-(TBA).[OsBr,I,ox] 15221 ~ 1 4 1

(TBA),[OsBr,ox] 16460 1131 mrr-(TBA),[OsCIBrao~~] 16556 [I51 fac-(TBA),[OsCIBrsox] 16584 ti51 cis-(TBA),[ OsCl,Br.ox] 16584 1151 (TBA).[OsCl,tr.Brsox] 16722 ti51 mer-(TBA),[OsClsBro:r] 1 6 750 ~ 5 1

(TBA),[OsBr.l 15915 t i61 (TBA),[OsCl,(NCS)] 16077

(TBA),[OsCI,(SCN)] 16878 fac-(TBA),[OsClsBrox] 16 920 [I51 (TBh),[OsCl.ox] 16940 [I31 TBA),[OsCI,] 17 150 ti21 KJOSF~I 21 500 [I71

ponenten berechnen. Dazu sind die Parameter B und 5 den experimentellen Werten anzupassen. Das ist fur das oktaedrische [OSC~,]~- mehrfach geschehen. Die Ergebnisse differieren allerdings erheblich, denn die fur 5' ermittelten Werte streuen zwischen 2400-3500 cm-l [I l , 16, 17 , 19, 201.

Fur die vier ifbergknge innerhalb der ti,-Konfiguration haben DICKINSON und JOHNSON [I91 mit den hohen c-Werten zwischen 3350 und 3500 cm-1 und B-Werten um 300 cm-l eine befriedigende Ubereinstimmung zwischen experi- mentellen und berechneten'Daten erreicht. Wie Abb. 3 und Tab. 2 zeigen, liegen die Niveaus der beiden Bindungsisomeren in vergleichbarer GroBenordnung wie bei [OSC~,]~- [ 121. Wegen der durch Symmetrieerniedrigung eintretenden Term- aufspaltungen wird vom Schwerpunkt der jeweiligen Bandensysteme ausgegan- gen. Unter Verwendung der von DICKINSON und JOHNSON angegebenen Glei- chungen, in denen das interelektronische AbstoBungsintegral K(4,5) = 7 B ge- setzt wird, erhalt man mit t = 3200 und B = 300 cm-l eine gute Anpassung zwischen den experimentell bestimmten und den berechneten Energieniveaus. Aus den IT, -+ 4T1-tfbergangen ergeben sich B(-SCN) = 316 und B(-NCS) = 288 cm-l. Auch bei starkerer Veranderung von 5' ist B fur den Thiocyanatokom- plex stets um etwa 10% groI3er als fur die Isothiocyanatoverbindung.

Die iiiterelektronische Abstohng ist also fur den Thiocyanatokomplex grol3er. Der Grund dafur durfte in der n-Donorbindung des S liegen, die eine Erhohung der Elektronendichte am Os(1V) bewirkt, wahrend bei Koordination uber N durch n-Ruckbindung ein Elektronenentzug verursacht wird, der zu einer Verringerung der interelektronischen Wechselwirkung fuhrt. Aufgrund dieses unterschiedlichen von der Bindungsart abhangigen Verhaltens ordnet sich das ambidente SCN- wie folgt in die nephelauxetische Reihe ein:

P- > GI- > SCN- > Br- > NCS- > I-.

172 Z. anorg. allg. Chem. 51G (1984)

Die durch die Thiocyanatogruppe verursachte, starkere interelektronische Ab- storjung zeigt sich auch an den Aufspaltungen der tiefer liegenden Terme 2 r512 rl bzw. 3rJ3T1, die um den Faktor 5 bzw. 7 groBer als bei den Isothiocyanato- isomeren sind.

Ele ktr onenu her t r agungsb anden

Die Absorptionsspektren der beiden Bindungsisomeren zeigen im sichtbaren und UV-Bereich einige intensive Charge-Transfer-Banden, Abb. 2 , linke Seite. Durch Vergleich mit den entsprechenden CT-Spektren von [0sC1,J2- werden die Maxima von 359 - 392 nm fur das Isomere mit N-gebundenem und entsprechend die von 315 - 442 nm fur das mit S-gebundenem Rhodanid den Elektronen- ubergangen aus den C1-Ligandorbitalen ntl,, (n + c) t,, und zttu (bzw. den aus diesen bei niedrigerer Symmetrie und Beriicksichtigung der Spin-Bahn-Kopplung resultierenden Zustanden) in das niedrigste unbesetzte t&-Niveau am 0s" zuge- ordnet.

Die Bande bei 359 nm des (TBA),[OsCl,(NCS)] weist eine Schwingungsfein- struktur auf, deren Progression sich zu 307 cm-l errechnet. Es handelt sich um die Kopplung mit der symmetrischen 0s-C1-Valenzschwingung vl , deren Fre- quenz im elektronisch angeregten, verglichen mit der im Grundzustand, um 10% erniedrigt ist. Die Schultern bei 252 bzw. 253 nm werden einem Ubergang inner- halb des Rhodanidliganden zugeordnet.

Im langerwelligen Teil der Spektren treten deutlich abgesetzt gegen die n(C1) -+ d(0s)-ubergange die Ladungsubertragungsbanden vom koordinierten Rhodanid zum Osr" auf. Wahrend beim roten Thiocyanatokomplex unabhiingig von der Art der Salze und der Losungsmittel das Maximum bei 538nm (etwa 18 600 cm-l) eine nahezu konstante Lage aufweist, spricht das Bindungsisomere mit N-gebundenem Rhodanid empfindlich auf Bnderungen der Umgebung des Komplexions an. Das auBert sich beim Wechsel des Kations oder des Losungs- mittels visuell in betrachtlichen Farbanderungen von blauviolett bis gelb ; in den Spektren beobachtet man die Verschiebung der CT-Bande zwischen 480 und 544 nm, Abb. 6. Wie die Zusammenstellung in Tab. 4 zeigt, ljegt das Maximum des N-tOs-CT-Ubergangs in Salzen rnit grol3en Kationen wie [(C,H,),N]+ bzw. in unpolaren Losungsniitteln deutlich kurzerwellig als die S-tOs-Bande. Durch polare Losungsmittel wie Wasser wird sie aber um bis zu 2 000 cm-1 bathochrom verschoben und kann sogar wie im Cs-Salz langerwelliger als der S-+Os-obergang auftreten. Damit ergeben sich die optischen Elektronegativitaten xupt [20] zu zopt(-SCN) = 2,6 und xOpt(-NCS) = 2,6-2,8. Im Gegensatz d a m ist aus den CT-Spektren einer grol3eren Anzahl Tetra- und Hexarhodanokomplexen verschie- dener Ubergangsmetalle abgeleitet worden, daB xopt fur S-gebundenes Rhodanid grol3er sein soll, als fur N-gebundenes [21]. Dieser Widerspruch beruht zumindest fur einige Komplexe auf der fruher unklaren Koordination des ambidenten SCN-.

W. PREETZ u. a., Bindungsisomere [OSC~,(NCS)]~- und [OsCI,(SCN)]2- 173

3c9

579 r

I I I I I I I

Abb. 6 Absorptionsspektren der festen Cs-, (TMA)- und (TBA)-Solze von [OSCI,(NCS)]~-, gemessen an KC1-PreRlingen bei 10 K (links) und von (TMA),[OsCI,(NCS)], gelost in Acetonitril, Acetonitril/ Wasser (1: 1) und. Wasser bei Raumtemperatur (rechts)

600 L 00 600 --hfnml I

LOO

An den Absorptionsspektren der Bindungsisomeren des Typs [M(NCS),(SCN),_J- M = Ru, Os, Rh, Ir, lieS sich zeigen, daB mit zunehmendem N-Bindungsgrad eine hypsochrome Verschiebung der CT-Bande eintritt [I--51.

Die bereit. fur die Valenzschwingungen in der linearen Gruppierung 0s - NCS diskutierten 15lektronendelokalisierungen beeinflussen auch die Lage der N-+Os- CT-Bande. Die langwellige solvatochrome Verschiebung in polaren Lijsungs- mi tteln und in Gegenwart kleinerer Kationen wird durch eine starke Polarisierung am endstandigen S erklart. Der Elektronenzug setzt sich durch den Isothio- cyanatliganden bis zum Zentralion fort und bewirkt durch Verstarkung der Riickbindung eine Verkurzung des 0s-N-Abstandes, wodurch der N-tOs-La- dungsubergarig erleichtert wird.

Aus Tab. 4 ist ersichtlich, daS insbesondere Protonen bathochrome Ver- schiebungen der N+Os-CT-Bande verursachen. Das zeigt sich an den auffalligen Farbunterschieden der Salze mit tertiaren und quartaren Alkylammoniumionen,

174 Z. anorg. allg. Chem. 516 (1984)

Tabelle 4 N+Os-CT-nbergang A bzw. v und Farben geloster und fester Salze von [OSC~,(NCS)]~- in Abhiingigkeit von verschiedenen Kationen und Losungsmitteln

~ ~

Kationen Solvenz, A v Farbe Bemerkungen Einbettung [nm] [cm-'1

CH,CN CH,CN/H,O H20 HZO H,O CHzCI2 CH,Cl, CH,CN Toluol Toluol

KC1-PreBling KC1-PreBling Film auf Glas KC1-PreBling KC1-PreBling Film auf Glas Film auf Glas

480 493 519 516 51G 490 516 480 480 603

544 527 615 500 493 492 487

20 833 20284 19 268 19 380 19380 20408 19 380 20833 20833 19881

18382 18976 19 417 20 000 20284 20326 20534

gelb gelborange violett rotviolett rotviolett gelb rotviolett gelb gelb rotorange

violett hellviolett rotviolett orange gelb gelb gelb

Ionenpaare ,,solvent separated" Ionenpaare ,,solvent separated" Ionen, dissoziiert Ionen, dissoziiert Ionen, dissoziiert Ionenpaare ,,loosely bonded" Ionenpaare ,,intimate" Ionenpaare ,,solvent separated" Ionenpaare ,,loosely bonded" Ionenpaare ,,intimate"

abnehmende Polarisierung I

die in organischen Solventien als Ionenpaare vorliegen. Sie werden nach steigender Wechselwirkung zwischen Kationen und Anionen als "solvent separated", "loosely bonded'' und "intimate" bezeichnet [22-241. In wenig polaren Losungs- mitteln wie Dichlormethan und Toluol bilden sich insbesondere mit liingerkettigen Tetraalkylammoniumionen lockere, dagegen mit Trialkylammoniumhydrogen- ionen uber Wasserstoffbrucken Kontaktionenpaare. Im starker polaren, aber aprotischen Acetonitril werden die Kationen solvatiaiert und uben dann keinen polarisierenden EinfluB aus. Das gilt sogar fur tertiare Alkylammoniumionen. In waBriger Losung sind alle Komplexsalze dissoziiert , und die hydratisierten Kom- plexanionen zeigen die violette Farbe als Folge starker Polarisierung durch die Protonen des Wassers. Die festen Salze mit tertiaren und quartliren Alkylammo- niumionen weisen gleichgerichtete, aber geringere Verschiebungen der CT-Bande auf. In dem Kation [(C,,H&NH]+ wird durch die langen Alkylreste das Proton auf so groRe Distanz vom Komplexanion gehalten, daB seine polarisierende Wir- kung nur noch eine geringe bathochrome Verschiebung verursacht.

Experimentelles a) Darstellung von [OsC15(SCN)]2- und [OsCl,(NCS)] 2-. 500 mg (TBA),[OsCI,I] (0,5mmol),

hergestellt nach [7], werden in 100 ml CHzCl2 mit 30 mg (SCN), (0,26 mmol), gelost in 80 ml CCI,, versetzt. Die Reaktion erfolgt bei 2OoC innerlialb weniger Sekunden, erkennbar an der Farbiinderung der Liisung von grun nach rot. Durch zwei- bis dreimaliges Schutteln mit je 20 ml eiskalter 2n Tri- chloressigsiiore werden die Komplexe in die waBrige Phase iiberfuhrt. Die Trennung des Gemisches erfolgt an auf 0°C gekuhlten Celluloseionenaustauschersaulen [8] (Diethylaminoethylcellulose, DEAE, KorngroSe 50- 200 p, Austausclierhohe 40-GO cm, Innendurchmesser der Saule : 3,5 cm, Elutions-

W. PREETZ 11. a., Bindungsisomere [OsCl,(NCS)]Z- und [OsCI,(SCN)]Z- 175

mittel 2n HC1, DiirchfluBmenge bei 1 , O bar: 250-330 ml/h, Trenndauer 24 h). Zur vollstiindigen Elution der Komplexe aus den Zonen des Ionenaustauschers gentigen 50 ml eines Gemisches, beste- hend aus 900 ml .Aceton, 50 ml 2n H,SO, und 5 g (TBA)HSO,. Beim Einengen fallen die (TBA)- Salze nus, die mit Wasser saurefrei gewaschen und dann getrocknet werden. Durch Umkristallisieren aus Dichlormethsn oder Aceton unter Zugabe von Ether erhalt man mit jeweils 40% ausbeute in kristalliner Form rotes (TBA),[OsCl,(SCN)] und gelbes (TBA),[OsCI,(NCS)]. Die entsprechenden (T3lA)- bzv. Cs-Salze fallen aus, wenn zn der Losung der (TBA)-Verbindungen in Dichlormethan eine Losaug von (TMA)CI in Methanol bzw. von Cs-Acetat in Eisessig gcgeben wird.

Audyse : % 0 s % c1 % S ber. 33,14 30,89 5,59

(TXS),[OsCl,( SCN)] Y%,4 30,5 5,G (TbLi),[OsCl,(NCS)] 32,G 30,2 $4

b) Darstellung von (SCN), [J5] . 0,C g Pb(SCN), (1,8(i mmol) werden bei 20°C in 100 ml CCI, saspendiert und unter Ruhren mit 0,026 ml Br, (0,5 mmol) in 60 ml CCI, versetzt. Feuchtigkeits- spuren kat,alysieren die Reaktion. Die entstehende farblose Losung von (SCN), in CCI,, wird sofort umgesetzt, weil schon nach einigen Minuten polymeres (SCN), gelborange ausfallt.

c) Spektren. Die IR-Spektren werden mit einem FT-IR Spektrometer NIC 7199 der Fa. Nicolet, Offenbach/i\I., im Bereich von 100- 500 cm-l an PolyethylenpreBlingen (2 mg Komplexsalz/100 mg Polyethylen), ewischen 400 und 2 800 cm-I an HBr-PreBlingen (2 mg Komplexsalz/300 mg KBr) gemessen. Die Registrierang der Ramanspektren erfolgt mit dem Spektrometer Cary 82 der Fa. Vxinn, Dermstadt, an rotierenden Proben bei 80 K. Dazu werden 10 mg der reinen Bindungsiso- meren in der 4 min breiten ringformigen Vertiefung einer Stahlscheibe verpreSt [%I. Zur Anregung dieneii die Linien 488,0, 514,s bzw. 647,l nm eines Argon- bzw. Kryptonlasers. Die Elektronen- spektren werden imit einem Acta M 7 der Fa. Beckman, Miinchen, bei 10 K an KCI-PreBlingen bzw. als Film nnf Glas oder in Losung bei 20°C in 10 mm Quarzkuvetten gemessen.

Den1 Fonds der Chemie dilnken wir fur die Unkrstiitzung unserer Arbeit.

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Bei der Redaktion eingegangeii am 1. Oktober 1983.

-4nschr. d. Verf.: Prof. Dr. W. PREETZ iind Dip].-Chem. U. HORNS, Inst. f . Anorg. Chcmie d. Univ., D-3200 Kiel, Olshausenstr. 40


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