DAS FORUM: INSIDE TREUHAND. DER FALL HMB, TEIL 2: BAUFIRMA BAUT NICHT MEHR
Lena Gürtler, Christoph Heinzle und Marc Hoffmann – Redaktion: Jens Brommann
NDR Info am 26.02.2020, 20.30 – 21.00 Uhr Seite 1
O-Ton Birgitt Breuel
Natürlich, die Treuhand steht im Mittelpunkt des Interesses und
der öffentlichen Diskussion. Aber ich sage gleich vorab, man
sollte die Treuhand auch nicht überbewerten. Ihr gesetzlicher
Auftrag ist eindeutig und klar.
Wir müssen die Staatsunternehmen in private
Verantwortung zurückführen. […] Die Treuhand kann kein idealer
Unternehmer sein.
Ansage: Inside Treuhand. Der Fall HMB
Ein Feature von Lena Gürtler, Christoph Heinzle und Marc
Hoffmann
Teil 2: Baufirma baut nicht mehr
O-Ton Jaqueline Gerhardt
Es war eine Frage der Zeit, wo man sagt, wann bist du dran?
[…] Viele hatten, dann auch ganz schön zu knabbern, die nach
Hause mussten. Und wo willst du denn hin, wenn alles zumacht?
O-Ton Wolf Klinz
In den Jahren vorher hat's ja schon manchen Aufschrei gegeben
in den Ländern, weil die Arbeitslosenzahlen waren über eine
Million gestiegen. Und das waren ja nur die offiziellen
Arbeitslosen.
O-Ton Cahit Oklap
We were trying to do bring Geschäft zu Halle to HMB. Yes!
Treuhand has made a good selection.
DAS FORUM: INSIDE TREUHAND. DER FALL HMB, TEIL 2: BAUFIRMA BAUT NICHT MEHR
Lena Gürtler, Christoph Heinzle und Marc Hoffmann – Redaktion: Jens Brommann
NDR Info am 26.02.2020, 20.30 – 21.00 Uhr Seite 2
Sprecherin Das Resultat einer Treuhand-Privatisierung betrachtet Jaqueline
Gerhardt in der Innenstadt von Halle: Die Zentrale der heutigen
Halleschen Mitteldeutschen Bau AG. Hier war ihr Arbeitsplatz ab
1976 für mehr als 20 Jahre.
O-Ton Jaqueline Gerhardt
Hier habe ich schon angefangen zu arbeiten. Das war mal richtig
richtig schön. Und ist jetzt eins der hässlichsten in Halle....Gehört
noch Tekfen. […] Ich habe hier ganz oben gesessen, in der
fünften Etage.
Sprecherin Der triste Plattenbau steht heute weitgehend leer. Graffiti auf
dem Schriftzug der HMB über dem Treppenaufgang. Die Fenster
schmutzig. Das alles zeugt heute von den bitteren Folgen nach
dem Verkauf durch die Treuhandanstalt.
O-Ton Jaqueline Gerhardt
Da ist nichts mehr. Ich denke nicht, dass hier noch irgendjemand
sitzt. [...] Ohhj, au weia! […] Hier saß der Pförtner, wo wir
reingekommen sind. Weihnachten stand hier ein
Bäumchen. Hier könnte man sich auch hinsetzen, wenn mal
Besucher kamen oder erwartet wird. […] Ich habe richtig
Magenschmerzen. Es ist unwahrscheinlich. […] So ein Druck,
dass du jetzt sagst, es sind jetzt 20 Jahre her, wo ich nicht mehr
in dem Haus hier war. Das ist schade. Es war eine tolle Zeit.
O-Ton Archiv (Erich Honecker auf der 7. Baukonferenz des ZK der
SED 1980)
Liebe Bauschaffende, Liebe Freunde und Genossen. Die 7.
Baukonferenz der DDR hat eine erfolgreiche Arbeit geleistet. Und
jetzt gilt es, ihre Ergebnisse in der Arbeit überall und täglich
anzuwenden.
DAS FORUM: INSIDE TREUHAND. DER FALL HMB, TEIL 2: BAUFIRMA BAUT NICHT MEHR
Lena Gürtler, Christoph Heinzle und Marc Hoffmann – Redaktion: Jens Brommann
NDR Info am 26.02.2020, 20.30 – 21.00 Uhr Seite 3
Sprecherin Staats- und Parteichef Erich Honecker 1980.
O-Ton Dann werden sie in Stein, Beton und Stahl Gestalt annehmen,
zum Nutzen der Bürger und zur Ehre der Bauleute. Das ist ganz
im Sinne unserer großen Losung unseres 10. Parteitages: Das
beste zum 10. Parteitag und alles zum Wohle unseres Volkes.
[Applaus und Jubel]
Sprecherin Die DDR-Bauwirtschaft feiert den Parteichef und sich. Darunter
auch Genossen, die beim Bau- und Montagekombinat Chemie
Halle arbeiten. So hieß die Hallesche Mitteldeutsche Bau AG
damals, Anfang der 80er Jahre. Ein Volkeigener Betrieb.
Mit zeitweise 16.000 Mitarbeitern ist das BMK Chemie Halle
eines der größten Baukombinate der DDR, spezialisiert auf
Bauten für die Chemieindustrie.
O-Ton Bernd Pohlers
War eine sehr schöne Zeit muss ich sagen…
Sprecherin Bernd Pohlers. Seit Anfang der 80er in der Führungsetage des
Baumkombinats. Im August 1989 wird er Generaldirektor…
O-Ton Bernd Pohlers
…wo es anfing zu wackeln und naja, und dann ging das los.
DAS FORUM: INSIDE TREUHAND. DER FALL HMB, TEIL 2: BAUFIRMA BAUT NICHT MEHR
Lena Gürtler, Christoph Heinzle und Marc Hoffmann – Redaktion: Jens Brommann
NDR Info am 26.02.2020, 20.30 – 21.00 Uhr Seite 4
Sprecherin Wie alle DDR-Betriebe gehört auch die HMB seit der Wende
nicht mehr dem Volk, sondern der Treuhandanstalt. Deren
Aufgabe: abwickeln oder privatisieren. Im Fall der HMB ein
langwieriger Prozess. Schließlich bleibt nur ein Bieter übrig, der
in der bundesdeutschen Baubranche ein unbeschriebenes Blatt
ist: Tekfen, ein türkischer Mischkonzern bekommt 1993 den
endgültigen Zuschlag der Treuhand. Und für den früheren Chef
des DDR-Kombinats, Bernd Pohlers, endet eine Ära:
O-Ton Bernd Pohlers
Dass die uns dann entlassen haben und gesagt haben: Schluss.
Das habe ich auch akzeptiert, weil ich gesagt habe, das ist schon
so: […] Wenn du das Unternehmen nicht effektiv führst, dann
hast du das Ziel verfehlt.
Sprecherin Die HMB ist verkauft. Doch für die Treuhand ist der Fall damit
noch lange nicht abgeschlossen. Es schlägt die Stunde der
Abteilung Vertragsmanagement: die kontrolliert auch nach dem
Verkauf, ob sich die neuen Investoren an ihre Zusagen halten:
Investitionen, Arbeitsplätze, Übernahme der Altschulden. Diese
Arbeit wird auch weit über das offizielle Ende der
Treuhandanstalt hinausreichen.
O-Ton Archiv Tagesschau
Das war’s. Nach viereinhalb Jahren hat die weltgrößte
Industrieholding ihren Auftrag erfüllt. 14.000 ehemalige DDR-
Betrieb hat die Treuhand verkauft oder abgewickelt, nur noch 60
sind übrig.
DAS FORUM: INSIDE TREUHAND. DER FALL HMB, TEIL 2: BAUFIRMA BAUT NICHT MEHR
Lena Gürtler, Christoph Heinzle und Marc Hoffmann – Redaktion: Jens Brommann
NDR Info am 26.02.2020, 20.30 – 21.00 Uhr Seite 5
Sprecherin Die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben,
kurz BvS, übernimmt das Erbe der Treuhand. Der Fall Tekfen-
HMB wird sie noch jahrelang beschäftigen.
Kurz nach der HMB-Übernahme durch Tekfen ist die Lage
nämlich kompliziert. Um die lukrativen Aufträge in der
Baubranche wird hart gekämpft, hohe Betriebskosten drücken
das Ergebnis und bei der HMB muss Personalchef Helmut Dietz
mit ansehen, wie die besten Leute abgeworben werden - von der
westdeutschen Konkurrenz.
O-Ton Helmut Dietz
...Die haben den einfach gesagt ihr kriegt bei uns zwei bis fünf
Mark mehr, und jetzt kommt zu uns zu Hochtief. Und dann haben
wir einen wahnsinnigen Aderlass gehabt, gerade die guten
Leute. Wir haben um die Aufträge kämpfen müssen. Wir mussten
strampeln.
Sprecherin Eigentlich war die Treuhand überzeugt, mit Tekfen einen
finanzstarken Investor gefunden zu haben. Doch nun wird sie
draufzahlen müssen, damit die angeblich geglückte
Privatisierung nicht in einer Pleite endet: Die nun erstmals im
Bundesarchiv einsehbaren HMB-Akten aus der Treuhandanstalt
zeigen, dass die türkischen Eigentümer bereits ein Jahr nach der
Übernahme, im Jahr 1994 die öffentliche Hand um Hilfe bitten.
Sie beantragen eine weitere Bundesbürgschaft, um neue Kredite
absichern zu können. Auch das Bundeswirtschaftsministerium
muss zustimmen. Dort gibt es intern Zweifel, ob man die von
Tekfen übernommene HMB finanziell tatsächlich unterstützen
soll. Aus dem für Industriepolitische Fragen zuständige Referat
heißt es:
DAS FORUM: INSIDE TREUHAND. DER FALL HMB, TEIL 2: BAUFIRMA BAUT NICHT MEHR
Lena Gürtler, Christoph Heinzle und Marc Hoffmann – Redaktion: Jens Brommann
NDR Info am 26.02.2020, 20.30 – 21.00 Uhr Seite 6
O-Ton Zitator
„Die Treuhandanstalt ist dem Erwerber bereits bei der Deckung
des Fehlbetrags von 1992 weit entgegengekommen. Es stellt
sich daher die Frage, ob der türkischen Muttergesellschaft nicht
ein stärkeres Engagement zuzumuten ist.“
Sprecherin Dagegen warnt eine andere Abteilung davor, die türkischen
Investoren zu verprellen:
O-Ton Zitator
„Die türkische Regierung verfolgt diese Aktivitäten mit
besonderem Interesse. Dies ist zuletzt anlässlich eines Treffens
des türkischen Botschafters […] erkennbar geworden, bei dem
der Botschafter auch die Frage der Bürgschaftsübernahme
angesprochen hat.“
Sprecherin Die eingesehenen Akten lassen nur ahnen, welchen Einfluss und
Druck die HMB und ihre Muttergesellschaft auf politische Kreise
ausübt. Das Ministerium stimmt der Bürgschaft für die HMB
schließlich zu. Doch sie wird nie in Anspruch genommen, denn
die Banken stellen sich quer. Sie fordern einen harten
Sanierungskurs. Die HMB beauftragt einen
Unternehmensberater. Personalchef Helmut Dietz erinnert sich:
O-Ton Helmut Dietz
…dieser Brutalsanierer, der kam ja nur rein und hat entlassen.
Der hat, der ist durchgegangen wie der lächelnde Tod. Er ist
reingegangen, hat die Leute angelächelt. Sie sind entlassen,
zum nächsten, sind entlassen. Und mich wollte er ja auch
entlassen. Das war grausam, das muss ich sagen, das war, das
war das schrecklichste… Das waren die schrecklichsten Tage,
die ich in Halle miterlebt habe mit diesem Mann.
DAS FORUM: INSIDE TREUHAND. DER FALL HMB, TEIL 2: BAUFIRMA BAUT NICHT MEHR
Lena Gürtler, Christoph Heinzle und Marc Hoffmann – Redaktion: Jens Brommann
NDR Info am 26.02.2020, 20.30 – 21.00 Uhr Seite 7
Sprecherin Jaqueline Gerhardt erinnert sich lieber an die schönen Momente.
Die frühere HMB-Angestellte führt durch Halle.
O-Ton Jaqueline Gerhardt
So, und hier ist schon dieses, hier hier links, das ist das
Telekomgebäude.
Sprecherin Sie stoppt vor einem funktionalen Bürogebäudeblock an einer
viel befahrenen Hauptstraße. Ein kurzes stolzes Funkeln in ihren
Augen.
O-Ton Jaqueline Gerhardt
...und dieses Gebäude haben wir gebaut.
Sprecherin Mitte der neunziger Jahre war das. Auftragsvolumen, nach HMB-
Angaben, umgerechnet rund 10 Millionen Euro, schlüsselfertige
Übergabe, mit Vorplatz und großer Tiefgarage.
O-Ton Jaqueline Gerhardt
Wenn solche Sachen sind, natürlich, dann hatte man immer die
Hoffnung, aber jetzt geht es vorwärts. Vielleicht kriegen wir noch
mehr große Aber wenn's eben immer weniger werden, ohne
Menschen geht das nicht.
Sprecherin Doch ohne Stellenabbau kann es nicht weitergehen. Das hat
auch die Treuhandnachfolgerin BvS eingesehen und unterstützt
die Sanierungspläne bei der HMB. Von den einst geforderten
3.000 Arbeitsplätzen ist keine Rede mehr. In den Akten der BvS
ist die dramatische Lage des Unternehmens dokumentiert:
DAS FORUM: INSIDE TREUHAND. DER FALL HMB, TEIL 2: BAUFIRMA BAUT NICHT MEHR
Lena Gürtler, Christoph Heinzle und Marc Hoffmann – Redaktion: Jens Brommann
NDR Info am 26.02.2020, 20.30 – 21.00 Uhr Seite 8
O-Ton Zitator
„Trotz eingeleiteter Restrukturierungsmaßnahmen befindet sich
die HMB weiterhin in der Krise.“, „Gründe für die desolate
wirtschaftliche Situation (…) sind: - erhebliche
Managementprobleme, - Mängel in der Bauauftragskalkulation, -
weit unter Branchendurchschnitt liegender Anteil der produktiven
Mitarbeiter, - erhebliche organisatorische Probleme.“
Sprecherin Unter der Regie der BvS wird die HMB vor der Pleite bewahrt.
Nach schwierigen Verhandlungen mit Tekfen wird der
ursprüngliche Privatisierungsvertrag geändert und angepasst:
Die Treuhandnachfolgerin erlässt 20 Millionen D-Mark vom
Kaufpreis und zahlt einen Sanierungszuschuss von 30 Millionen
D-Mark. Außerdem segnet sie den weiteren Abbau von
Arbeitsplätzen ab. Millionenschwere Bundes- und
Landesbürgschaften werden geschnürt, auch Tekfen verpflichtet
sich, Geld ins Unternehmen zu stecken. Von nun an soll sich die
HMB auf Bau-Großprojekte konzentrieren, fordert die zuständige
Bundesanstalt.
Ohne Hilfe aus der Politik wäre die HMB wohl längst Geschichte
gewesen. Schon als es um die Privatisierung ging, waren die
Politiker ein enger Begleiter der HMB. Denn sie ist nicht
irgendeine Firma, sondern noch immer ein wichtiger Arbeitgeber
in Sachsen-Anhalt. Treuhandentscheidungen waren immer auch
politische Entscheidungen, bestätigt Ex-Treuhand-
vorstandsmitglied Wolf Klinz. Wenn er Entscheidungen getroffen
habe, dann nicht im politikfreien Raum:
DAS FORUM: INSIDE TREUHAND. DER FALL HMB, TEIL 2: BAUFIRMA BAUT NICHT MEHR
Lena Gürtler, Christoph Heinzle und Marc Hoffmann – Redaktion: Jens Brommann
NDR Info am 26.02.2020, 20.30 – 21.00 Uhr Seite 9
O-Ton Wolf Klinz
Dieser politische Einfluss, der variierte im Laufe der Jahre.
Immer dann, wenn plötzlich Wahlen anstanden, wurde er größer.
Ist gar keine Frage. Also als plötzlich 94 Bundestagswahl war -
Helmut Kohl wollte wiedergewählt werden. Und in den Jahren
vorher hat's ja schon manchen Aufschrei gegeben in den
Ländern, weil die Arbeitslosenzahlen waren über eine Million
gestiegen. Und das waren ja nur die offiziellen Arbeitslosen.
Sprecherin Investoren wie Tekfen haben damit ein Druckmittel, die
öffentliche Hand zu immer neuen Zugeständnissen zu bewegen.
Waren auch bestimmte Großaufträge für die HMB also letztlich
Teil solcher Zugeständnisse? Zum Beispiel beim Bau des
Bundeskanzleramtes? Die Treuhandakten schweigen dazu.
O-Ton Helmut Kohl Grundsteinlegung Kanzleramt
Meine Damen und Herren…
Sprecherin Als Bundeskanzler Kohl im September 97 den Grundstein legt
sitzen auch HMB-Manager im Publikum und lauschen, denn sie
haben den prestigeträchtigen Auftrag für den Rohbau an Land
gezogen.
O-Ton 24 Helmut Kohl
Ich freue mich besonders, dass nach europaweiter
Ausschreibung in der jetzt beauftragten 'Arbeitsgemeinschaft
Rohbau Bundeskanzleramt' auch eine mittelständische
Baugesellschaft aus den neuen Ländern tätig sein wird.
Sprecherin: Daran erinnert sich auch Personalmanager Helmut Dietz gut.
DAS FORUM: INSIDE TREUHAND. DER FALL HMB, TEIL 2: BAUFIRMA BAUT NICHT MEHR
Lena Gürtler, Christoph Heinzle und Marc Hoffmann – Redaktion: Jens Brommann
NDR Info am 26.02.2020, 20.30 – 21.00 Uhr Seite 10
O-Ton Helmut Dietz
Das Bundeskanzleramt, wenn das nicht gekommen wäre, dann
wäre die Schieflage noch massiver gewesen. Das war ein
Prestigeobjekt, das muss man sagen, beim Bundeskanzleramt
dabei zu sein. Mm, das war ‚ne, war eine echte Herausforderung.
[…] Beim Bundeskanzleramt, da haben sich die Vorstände ganz
persönlich reingehängt.
Sprecherin Die Prestigeaufträge sind wie Kosmetik. Sie lenken kurzzeitig
davon ab, dass die HMB ein doppeltes Problem hat. Die eigene
Schwäche und eine Baukrise, die die gesamte Branche ab Mitte
der 90er Jahre überzieht. Der Aufbau Ost war für die schon
kriselnde Westbau-Branche wie ein Strohfeuer. Die vielen
Konkurrenten aus dem In- und Ausland kannibalisieren sich
selbst. Am Ende stehen zahlreiche Konkurse und geringe
Gewinnmargen und mittendrin die kriselnde HMB.
Mitten in ihrem Abstiegskampf reißt die HMB auch völlig
Unbeteiligte mit, wie Manfred Frintert. Dabei lief es für Manfred
Frintert zunächst eigentlich gut. Und der HMB-Auftrag schien
erstmal lukrativ.
Sprecherin Manfred Frintert blättert in dicken Ordnern. Er hat viele davon.
Schon zu DDR-Zeiten war er selbstständiger Tischler, hatte sich
auf Holzfenster spezialisiert. Und dann kam der Mauerfall und
mit ihm ein großer Bedarf nach neuen Fenstern.
O-Ton Manfred Frintert
Na, wir haben alles rausgeschmissen, neue Maschinen gekauft,
und dann haben wir über Nacht im Selbststudium haben wir uns
das angeeignet, Kunststofffenster zu bauen.
DAS FORUM: INSIDE TREUHAND. DER FALL HMB, TEIL 2: BAUFIRMA BAUT NICHT MEHR
Lena Gürtler, Christoph Heinzle und Marc Hoffmann – Redaktion: Jens Brommann
NDR Info am 26.02.2020, 20.30 – 21.00 Uhr Seite 11
Sprecherin Das Geschäft läuft hervorragend. Die Zahl seiner Mitarbeiter
steigt Anfang der 90er Jahre von zwei auf zwölf, zeitweise
arbeiten 28 Leute bei ihm. Frintert produziert die Fenster selbst
und baut sie dann ein. Er hat genau den richtigen Riecher
gehabt. Dann kommt 1996 ein großer Auftrag rein:
O-Ton Manfred Frintert
Der Auftrag war 736.000 für, auf Deutsch gesagt, ein Stück
Kurklinik mit Fenster und Türen ausstatten. 1.225 waren’s so.
Sprecherin Türen und Fenster für die Kurklinik Blankenburg. Frinterts
Auftrageberin ist die Hallesche Mitteldeutsche Bau AG. Sie hat
den Kurklinikbau schon von einer anderen Firma übernommen.
Manfred Frintert baut unterdessen auftragsgemäß alle Fenster
ein:
O-Ton Manfred Frintert
Zum 18.12. waren wir, von ersten November an, fertig. Ich hab
das fertig gemacht und möchte im Grund nur meinen Werklohn
haben, nicht mehr, nicht weniger.
Sprecherin Zwei Mal, so erzählt Frintert, habe er um Abnahme seiner
Bauleistung gebeten. Schließlich kam ein HMB-Vertreter, doch
die Abnahme verlief für Frintert ungewöhnlich:
O-Ton Manfred Frintert
Ich habe gefragt: Wo wollen sie hin, von diesen 240
Patientenzimmern und Behandlungszimmern? Na, lassen sie
uns gleich hier unten bleiben. Drei Zimmer angeguckt und ja…
DAS FORUM: INSIDE TREUHAND. DER FALL HMB, TEIL 2: BAUFIRMA BAUT NICHT MEHR
Lena Gürtler, Christoph Heinzle und Marc Hoffmann – Redaktion: Jens Brommann
NDR Info am 26.02.2020, 20.30 – 21.00 Uhr Seite 12
Sprecherin Das war’s. Danach erklärt der HMB-Mann den Bau für
abgenommen, erwähnt allerdings, dass es Mängel gäbe. Frintert
unterschreibt das Protokoll – ein schlimmer Fehler.
O-Ton Manfred Frintert
Für mich und, wie das Protokoll ausweist, weil die Mängel nicht
konkretisiert werden konnten, weil die nur vorgeschoben waren,
so mal ganz einfach gesprochen, hätte die Rechnung bezahlt
werden müssen. […] Die Fenster sind ja heute noch alle drinne.
Wir können da rüberfahren, können uns das angucken. Die sind
weder ausgebaut worden noch irgendetwas. Diese ganze
Situation war nur vorgeschoben.
O-Ton Zitator HMB Statement zum Fall Frintert
Die HMB schreibt dazu, Zitat: „Die damalige Situation war […] für
unsere Bauleiter schwierig, da der damalige Auftraggeber
unseren Auftrag gekündigt hatte. […] Nach Kündigung des
Pauschalfestpreisvertrages der Fensterbaufirma Frintert durch
uns, hatte diese […] ein Aufmaß für die vertraglich erbrachten
Leistungen zu erstellen, da ja nur ein Teil der Leistungen
ausgeführt worden war. […] Die Fensterbaufirma Frintert hat es
nie geschafft, zu irgendeinem Zeitpunkt eine prüffähige
Schlussrechnung für das Bauvorhaben Blankenburg vorzulegen.“
Sprecherin Es geht um fast eine halbe Million D-Mark. Eine Summe, die den
Handwerker, so erzählt er, in den Konkurs treiben wird. Für ihn
beginnt Ende 1996 ein langer Kampf gegen eine scheinbar
übermächtige HMB. Für Manfred Frintert geht es um seine
wirtschaftliche Existenz, doch der HMB steht das Wasser selbst
bis zum Hals.
DAS FORUM: INSIDE TREUHAND. DER FALL HMB, TEIL 2: BAUFIRMA BAUT NICHT MEHR
Lena Gürtler, Christoph Heinzle und Marc Hoffmann – Redaktion: Jens Brommann
NDR Info am 26.02.2020, 20.30 – 21.00 Uhr Seite 13
Sprecherin Das spürt auch Jaqueline Gerhardt, die seit 1976 für die
Betriebszeitschrift schreibt. Sie sieht, wie die einzelnen
Tochterunternehmen der HMB immer kleiner werden oder
verschwinden. Und wie ein Kollege nach dem anderen die
Hauptverwaltung der HMB in Halle verlässt. Nun ist sie selbst
dran. Sie blättert in der letzten Ausgabe der Zeitschrift.
O-Ton Jaqueline Gerhardt
...in eigener Sache: die Situation in der Bauwirtschaft macht auch
in der HMB einen weiteren Personalabbau nötig. Aufgrund von
Strukturveränderungen und sinkenden Mitarbeiterzahlen
erscheint die Mitarbeiterzeitschrift Kurier mit dieser Ausgabe zum
letzten Mal.
Sprecherin Das ist im Herbst 1998.
O-Ton Jaqueline Gerhardt
Ich verabschiede mich von allen Lesern und bedanke mich bei
den Mitstreitern und ehrenamtlichen Korrespondenten. Mit
freundlichen Grüßen, Ihre Jacqueline Gerhard. Tja, das geht
einem durch... Da kommen einem schon die Tränen.
Sprecherin Versprochen hatte Tekfen einst Arbeit für 3.000 Mitarbeiter. Im
Frühling 1998 sind es: 500.
O-Ton Cahit Oklap
Mein Name ist Cahit Oklap, Ich bin Vorstand von HMB… seit
1995.
DAS FORUM: INSIDE TREUHAND. DER FALL HMB, TEIL 2: BAUFIRMA BAUT NICHT MEHR
Lena Gürtler, Christoph Heinzle und Marc Hoffmann – Redaktion: Jens Brommann
NDR Info am 26.02.2020, 20.30 – 21.00 Uhr Seite 14
Sprecherin Und damit mitverantwortlich für den Kurs der HMB. Oklap ist ein
mächtiger Mann. Als Geschäftsführer steht er an der Spitze der
türkischen Muttergesellschaft Tekfen Group Companies, ein
Unternehmen nach eigenen Angaben mit mehr als 19.000
Mitarbeitern weltweit. Offizielle Mitarbeiter-Zahl der Tekfen HMB-
Tochter in Halle: 20. Mit Blick auf die Entwicklung der HMB sieht
Cahit Oklap die Tekfen Gruppe allerdings als Opfer:
O-Ton Cahit Oklap
It was our fault we underestimate the burden that we can be
subject securing Arbeitsplätze to so high figure of people not
getting support from the local authorities or government in this
subject. The local support that we were expecting was not to give
us gifts but to open us doors to give us the equal opportunity of
being there.
[Es war unser Fehler. Wir haben die Last unterschätzt, so viele
Arbeitsplätze sichern zu müssen, während wir so gut wie keine
Unterstützung von den örtlichen Behörden und der Regierung
erhielten. Wir haben keine Geschenke erwartet, aber zumindest,
dass man uns Türen öffnet und uns die gleichen Chancen
einräumt wie unseren deutschen Mitbewerbern.]
Sprecherin Hat Tekfen als Investor wirklich zu wenig Unterstützung durch die
öffentliche Hand erhalten?
Auf ihrer Website zählt die HMB zahlreiche öffentliche
Bauprojekte auf, die sie vor allem in den Neunziger Jahren
umgesetzt hat. Und auch die Zahlen der Treuhandunterlagen
sprechen eine andere Sprache: in den Bundesarchiv-Akten ist
später die Rede von mehr als 200 Millionen D-Mark, die die
Treuhand und ihre Nachfolgerin in das Unternehmen gesteckt
haben.
DAS FORUM: INSIDE TREUHAND. DER FALL HMB, TEIL 2: BAUFIRMA BAUT NICHT MEHR
Lena Gürtler, Christoph Heinzle und Marc Hoffmann – Redaktion: Jens Brommann
NDR Info am 26.02.2020, 20.30 – 21.00 Uhr Seite 15
Trotz der Rettungsbemühungen reißt der BvS 1996 endgültig der
Geduldsfaden. Tekfen bittet um Nachverhandlungen, will aber
offenbar selbst das Unternehmen finanziell nicht mehr absichern.
Die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben
stellt in einem vertraulichen Dokument fest: Tekfen habe sich,
O-Ton Zitator
…bisher geweigert, prüffähige Nachweise über die getätigten
Investitionen und die tatsächlich erhaltenen Arbeitsplätze zu
liefern.
Sprecherin Die BvS fordert vom türkischen Investor Geld zurück. Doch die
Behörde hat keinen Erfolg, denn Tekfen wehrt sich – vor Gericht.
Und bekommt in erster Instanz Recht. Die Behörde bekommt
nichts zurück und legt Berufung ein. Aber die Lage ist verfahren.
Wie weit soll die BvS den juristischen Streit treiben. Die Behörde
wägt ab. Aktenzitat:
O-Ton Zitator
Die Rückforderung des Sanierungszuschusses […] würde
wahrscheinlich die Insolvenz der HMB verursachen
(Überschuldung); die Privatisierung wäre damit gescheitert.
[…] Abgesehen davon sind politische Verstimmungen zwischen
der Türkei und der Bundesrepublik Deutschland nicht
auszuschließen, da es sich um einen der größten
Industriekonzerne der Türkei handelt.
O-Ton Zitator
Es ist daher aus Sicht der BvS empfehlenswert, die für die
Investoren ‚gesichtswahrende‘ Erstattung der Prozesskosten
vorzunehmen und weitere, jahrelange gerichtliche
Auseinandersetzungen, […] zu vermeiden.
DAS FORUM: INSIDE TREUHAND. DER FALL HMB, TEIL 2: BAUFIRMA BAUT NICHT MEHR
Lena Gürtler, Christoph Heinzle und Marc Hoffmann – Redaktion: Jens Brommann
NDR Info am 26.02.2020, 20.30 – 21.00 Uhr Seite 16
Sprecherin Der BvS-Vorstand legt den Rechtsstreit bei und einigt sich
außergerichtlich mit der HMB-Mutter Tekfen. Der Fall ist damit
abgeschlossen. Was in der Treuhand-Statistik als erfolgreiche
Privatisierung verbucht ist, entwickelt sich für die Treuhand-
Nachfolgerin zu einem Desaster. Tausende Mitarbeiter sind
entlassen. Mit einer solchen Dimension hatte Westmanager
Helmut Dietz nicht gerechnet, als er bei der HMB anfing - als er
Weiterbildungen für die Mitarbeiter organisierte, als er mit den
Betriebsräten verhandelte und Sozialpläne ausarbeitete. Er wirft
den türkischen Chefs vor, nicht genug getan zu haben.
O-Ton Helmut Dietz
Sie haben uns leben lassen, ich hatte nicht das Gefühl, dass
man Gelder rausgezogen hat, aber sie haben uns leben lassen
im eigenen Saft. Und manchmal hätte es da vielleicht Not getan,
dass auch seitens der Türkei Gelder noch zu uns fließen. […]
Also, die unbedingte Investitionsbereitschaft in Millionenhöhe
seitens unserer türkischen Mutter, die mag ich ein wenig zu
bezweifeln.
Sprecherin Doch die Tekfen hält weiter an ihrer deutschen Tochter HMB fest.
In Deutschland hat die HMB kaum noch Aufträge. HMB-Vorstand
Cahit Oklap ordnet rund um die Jahrtausendwende den
Strategiewechsel an.
DAS FORUM: INSIDE TREUHAND. DER FALL HMB, TEIL 2: BAUFIRMA BAUT NICHT MEHR
Lena Gürtler, Christoph Heinzle und Marc Hoffmann – Redaktion: Jens Brommann
NDR Info am 26.02.2020, 20.30 – 21.00 Uhr Seite 17
O-Ton Cahit Oklap
So, we decided to have, to maintain HMB but to try to change its
area of interest, to make it much more Ausland-oriented.
Because we were getting and still can get projects abroad where
HMB could act as our partners as far as the procurment is
concerned. [Darum haben wir entschieden, HMB zu halten, aber
die Ausrichtung zu ändern, sie mehr Richtung Ausland zu
orientieren. Wir haben Auslandsgeschäfte, bei denen HMB als
unsere Partnerin auftreten kann, wenn es zum Beispiel um
Beschaffung geht.]
Sprecherin Kraftwerke in der Türkei, eine Erdölleitung in Vorderasien und
eine Spinnerei in Usbekistan. Aus dem riesigen Baukombinat ist
ein Zulieferungsbüro geworden, mit heute 20 Mitarbeitern, auf
dem Papier. Die HMB existiert zwar noch, doch vom einstigen
Baukombinat ist fast nichts übriggeblieben. Die HMB dient dem
türkischen Mutterunternehmen offenbar vor allem zur
Beschaffung deutscher Kreditgarantien. Eine attraktive
Absicherung für ihre Geschäfte im Ausland.
DAS FORUM: INSIDE TREUHAND. DER FALL HMB, TEIL 2: BAUFIRMA BAUT NICHT MEHR
Lena Gürtler, Christoph Heinzle und Marc Hoffmann – Redaktion: Jens Brommann
NDR Info am 26.02.2020, 20.30 – 21.00 Uhr Seite 18
O-Ton Cahit Oklap
We were trying to do bring Geschäft zu Halle to HMB. And the
only way we have found reasable was to transform HMB to a
purchasing agent of Tekfen and as an... if necessary and if
possible to make this purchasing with the contribution of Hermes
aranging export credit facilities to the projects and I can say
again, this HMB has made more then 13 transactions for different
projects in Usbekistan, in Azerbaidshan, in Turkey. [Wir haben
versucht, Geschäfte nach Halle zu bringen. Und der einzig
mögliche Weg für uns war, die HMB in einen Kaufagenten von
Tekfen umzuwandeln, wenn nötig und möglich Käufe mit
Hermes-Kredit-Absicherungen. Und ich kann nur sagen, HMB
hat schon mehr als 13 Transaktionen für verschiedene Projekte
in Usbekistan, Aserbaidschan, in der Türkei realisiert.]
Sprecherin Für die Treuhand und ihre Nachfolgerin ist das Kapitel HMB
abgeschlossen. Für Manfred Frintert nicht. Anwaltsschreiben,
Gerichtsunterlagen, Protokolle, Notizen, die sich Frintert gemacht
hat. Er hatte viele verschiedene Anwälte. Wenn er über den
Kampf um seinen Lohn für die Fenster spricht, ist viel von
Schwarzgeldern, Bestechungen, kriminellen Anwälten, Politikern
und Banken die Rede. Für ihn ein riesiges Netz aus Lügen und
Intrigen, in dessen Zentrum Politiker stehen, die sich mit Hilfe der
durch die Treuhand privatisierten Unternehmen bereichern, so
wie die HMB, gegen die Frintert verliert:
O-Ton Manfred Frintert
Na, ich musste Konkurs anmelden, hab Hartz IV angemeldet und
[…] alle Leute mussten wir entlassen, alle Leute, ja.
DAS FORUM: INSIDE TREUHAND. DER FALL HMB, TEIL 2: BAUFIRMA BAUT NICHT MEHR
Lena Gürtler, Christoph Heinzle und Marc Hoffmann – Redaktion: Jens Brommann
NDR Info am 26.02.2020, 20.30 – 21.00 Uhr Seite 19
Sprecherin Der Streit um die Rechnung des Wernigeroder Tischlers Manfred
Frintert ist bei der HMB längst vergessen. Für Manfred Frintert
wird er das wohl nie sein, auch wenn er mit seinem Sohn eine
neue Tischlerfirma gegründet hat, die wieder Fenster einbaut.
Auch wenn er längst Rentner ist und sich eigentlich zur Ruhe
setzen kann, denkt er nicht ans Aufhören. Immer wieder wendet
er sich mit seiner Geschichte an Politiker und Parteien.
O-Ton Manfred Frintert
Denn wo gearbeitet wird, wo Verträge abgeschlossen werden,
gelten Fristen. Und wenn Arbeiten positiv abgegeben werden,
dann muss auch innerhalb der vertraglichen Zeit […] bezahlt
werden.
O-Ton Zitatator - Statement der HMB
Die HMB dazu, Zitat: Die […] wegen unserer verweigerten
Zahlung […] angestrengte Klage vor dem Landgericht
Magdeburg wurde nach Verweisung an das zuständige
Landgericht Halle mit Urteil vom 20.12.2005 abgewiesen. […] Da
im Ergebnis kein Anspruch seitens der Fensterbaufirma Frintert
gegen uns besteht, werden wir auch keine Zahlungen an Herrn
Frintert leisten.
Sprecherin Für Manfred Frintert ist und bleibt seine Auseinandersetzung mit
der HMB auch eine Geschichte über das große Ganze – über die
Privatisierungspraxis nach der Wende, in der allerdings die
Treuhand nicht zum Sündenbock taugt, meint Frintert.
DAS FORUM: INSIDE TREUHAND. DER FALL HMB, TEIL 2: BAUFIRMA BAUT NICHT MEHR
Lena Gürtler, Christoph Heinzle und Marc Hoffmann – Redaktion: Jens Brommann
NDR Info am 26.02.2020, 20.30 – 21.00 Uhr Seite 20
O-Ton Manfred Frintert
Ich denke mal, die Treuhand ist nicht, in keinster Weise dran
Schuld. Die Auswirkungen, dass bei der Treuhand nach dem
Gießkannen-System gegangen worden ist, vielleicht. Aber dass
auch im Grunde genommen Politiker sich bestimmte Investoren
ausgesucht haben, von dem sie genau wussten, von dem
bekommen sie widerrechtlicher rechtswidrige Parteienspende.
Sprecherin Beweise für seine Vorwürfe lassen sich nicht finden, auch die
Treuhandakten enthalten dafür keine Belege. Doch es ist dieses
Gefühl: da stimmt was nicht, was Frintert mit vielen
Ostdeutschen teilt.
Kann der Blick in die Treuhandakten dieses Unwohlsein heilen?
Die Geschichte der HMB-Privatisierung ist die Geschichte eines
DDR-Bau-Giganten, der heute nur noch als Zwerg existiert. Auf
dem Weg dorthin trifft man auf engagierte West-Manager,
arbeitswillige Ostdeutsche, DDR-Kader, die viel versuchten, um
ihr Kombinat in die Marktwirtschaft zu überführen. Millionen
wurden ausgegeben für Berater, Manager und
Treuhandmitarbeiter, auch für Abfindungen, Sozialprogramme
und Bürgschaften. Die geöffneten Treuhandakten verraten viel
und doch bleibt der Eindruck: Wir wissen nicht alles. Darum
taugen die Akten für den Historiker Marcus Böick auch längst
nicht als Kronzeugen für die Arbeit der Treuhand. Zu viel wurde
nicht aufgeschrieben.
DAS FORUM: INSIDE TREUHAND. DER FALL HMB, TEIL 2: BAUFIRMA BAUT NICHT MEHR
Lena Gürtler, Christoph Heinzle und Marc Hoffmann – Redaktion: Jens Brommann
NDR Info am 26.02.2020, 20.30 – 21.00 Uhr Seite 21
O-Ton Marcus Böick
Deshalb bin ich auch immer etwas skeptisch oder zurückhaltend,
wenn die Wahrheit aus den Akten versprochen wird, weil viele
Dinge natürlich eben sich nicht unbedingt in Aktennotizen wieder
niederschlagen. Also Telefonate, mündliche Absprachen. Damals
gab es zwar noch keine SMS, aber es gab schon riesengroße
Handys und so weiter. Also ich denke mal, da ist es natürlich
komplex, diese ganzen Geflechte nur auf Grundlage seiner
solcher Akten zu durchleuchten, weil am Ende können Sie das
auch noch in die Richtung bringen.
Sprecherin Wer hat die Richtung entschieden – war das in jedem Einzelfall
ein Treuhandmanager, waren es die Investoren, mit ihren
ehrlichen oder windigen Absichten, war es Birgitt Breuel, die
Treuhandchefin, die unbedingt schnell privatisieren wollte oder
waren es Politiker wie Helmut Kohl, die viel versprochen und viel
zu verlieren hatten. Der Blick in die Treuhand-Akten und einen
Fall wie die HMB zeigt, es wird auf diese Fragen keine
einheitlichen Antworten geben, auch wenn die Treuhand oft in
eine einzige Formel gepackt wird, sagt Treuhandexperte Böick:
O-Ton Marcus Böick
Wir haben ja von einer Bad Bank in der ostdeutschen
Erinnerungskultur gesprochen. Also wirklich so ein Ort, an dem
man viele, viele negative Erfahrungen einfach so wie so ein
Container, wo man die reinwirft und viele Menschen, wenn man
mit ihnen spricht, die sind sehr, sehr negativ, reagieren sehr
negativ auf die Treuhand.
Sprecherin Die Treuhandakten können vielleicht manchen Mythos
ausräumen, aber längst nicht alle Fragen beantworten.
DAS FORUM: INSIDE TREUHAND. DER FALL HMB, TEIL 2: BAUFIRMA BAUT NICHT MEHR
Lena Gürtler, Christoph Heinzle und Marc Hoffmann – Redaktion: Jens Brommann
NDR Info am 26.02.2020, 20.30 – 21.00 Uhr Seite 22
*********************
Zur Verfügung gestellt vom NDR Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für private Zwecke des
Empfängers benutzt werden. Jede andere Verwendung (z. B. Mitteilung, Vortrag oder
Aufführung in der Öffentlichkeit, Bearbeitung, Übersetzung) ist nur mit Zustimmung der
Autoren zulässig. Die Verwendung für Rundfunkzwecke bedarf der Genehmigung des NDR.