Seminar: „Neurobiologische Grundlagen klinisch-psychologischer Störungsbilder“
WiSe 2012/13
Dozentin: Prof. Dr. Miriam Kunz
Referentinnen: Svenja Brodt & Julia Willibald
9. Januar 2013
Depression: Biologische Grundlagen
Gliederung
Einführung und Wiederholung
Neurobiologische Erklärungsansätze der Depression
• Neuromodulatoren
• Neuroendokrinologie
• Neuroplastizität
• Genetik und Genexpression
Studie
• „Childhood Stress, Serotonin Transporter Gene and Brain Structures in Major Depression“
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Einführung und Wiederholung
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Kategorien affektiver Störungen nach ICD-10 Manische Episode
Bipolare Störung
Depressive Episode
Rezidivierende depressive Störung
anhaltende affektive Störungen Zyklothymie Dysthymie
Anpassungsstörung
Postpartum Depression
Organische affektive Störung
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Symptome depressive Episode Depressive Stimmung Verlust von Interesse / Freude Verminderter Antrieb / gesteigerte Ermüdbarkeit Verlust Selbstvertrauen, Gefühl der Wertlosigkeit Selbstvorwürfe, Schuldgefühle Todes-/Suizidgedanken, suizidale Handlungen Verminderte Denk-/Konzentrations-
/Entscheidungsfähigkeit Psychomotorische Unruhe / Verlangsamung Schlafstörungen Gesteigerter/verminderter Appetit, Gewichtsverlust/-
zunahme
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Co-Referent:
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Robert Sapolsky
?
Krankheitsmodell
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bio
psycho
sozial
Neurobiologische Erklärungsansätze der Depression
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Erklärungsebenen
physiologisch psychologisch
Vulnerabilitätsfaktoren, Auslöser, Gründe für depressiven Zustand
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Erklärungsebenen
physiologisch psychologisch
Vulnerabilitätsfaktoren, Auslöser, Gründe für depressiven Zustand
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Hinweise auf physiologischen Ursprung
teilweise jahreszeitliche Bildung
teilweise abrupter Erkrankungsbeginn
Wirksamkeit von Antidepressiva
Rapid cycling oder ultra rapid cycling im 24 h Rhythmus
Auftreten nach körperlichen Erkrankungen
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Problematik
•Fehlen überzeugender Tiermodelle soziale Trennungsmodelle gelernte Hilflosigkeit genetische Verhaltensmodelle geringe ätiologische und Konstruktvalidität
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Neuromodulatoren
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Zentralnervöse neuromodulatorische Systeme
Noradrenerges System
Dopaminerges System
Serotonerges System
Cholinerges System
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Probleme
Große Komplexität und enge Wechselwirkung der Systeme
Autoregulatorische Mechanismen
Fehlen valider Indikatoren für Funktionszustand neurochemischer Systeme
Relevanz der Rezeptoren!
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Noradrenalin
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Keine konsistenten Befunde
Dopamin
Mesokortikolimbische und nigrostriatale Bahn
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Dopaminerge Dysfunktion und Anhedonie
Mesokortikolimbische Bahn als Reward-System
Vgl. Intrakranielle Selbststimulation
Behandlung mit Neuroleptika
Aber: Störung der Motivation oder des Lustempfindens?
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Dopaminerge Dysfunktion und psychomotorische Hemmung
Unterschiede zwischen Patienten mit psychomotorischer Hemmung vs. Agitiertheit
Antidepressive Effekte von Antiparkinson-Medikamenten
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Serotonin
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Serotonerge Hypofunktion bei Depression I
• Antidepressive Wirksamkeit von Serotoninwieder-aufnahmehemmern und Serotoninagonisten
• CAVE: direkter Zusammenhang?
SSRI
Agonisten
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Serotonerge Hypofunktion bei Depression II
• Wirkung von Antidepressiva und
• Indirekte Hinweise
• Tryptophandepletionstest
• 5-HIAA Konzentration im Liquor
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Neuroendokrinologie
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Neuroendokrinologische Dysfunktionen
HHA/HPA-Achse
HHT-Achse
Schilddrüse (Glandula thyreoidea)
HHS-Achse
Soma/Körper
HHG-Achse
Gonaden/Keimdrüsen
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HPA-Achse bei Depression
Erhöhter Kortisolspiegel Funktionelle
Hyperplasie
Erhöhte Sekretion
Erhöhte Sekretion
Steroidresistenz
Unzureichende Suppression
CRH-Rezeptorblocker
Neuroaktive Steroide
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Neuroplastizität
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Neuroplastizität …
…als fundamentaler Prozess, der nicht nur Reifung und Altern zugrunde liegt, sondern die auf flexible Reaktion auf jeweils neue Lebensumstände erfolgt.
…als möglicher pathogenetischer Faktor bei affektiven Störungen.
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Der Hippocampus Enge Feedbackregulation mit
HHA-Achse
serotonerger Neurotransmission
limbischen Strukturen
Bedeutsamkeit bei der Affektregulation
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Hippocampale Strukturen bei Depression
Verminderung des Gesamtvolumens
Verminderung der grauen Substanz
umso ausgeprägter, je länger die kumulative Gesamtdauer der depressiven Episoden
entsprechende Hippocampusveränderungen auch bei Ersterkrankten und nur bei bestimmten Subgruppen (Altersdepression, chronisch verlaufende Depression)
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Tierexperimentelle Befunde
Atrophie hippocampaler Neurone durch wiederholten physikalischen oder psychosozialen Stress
Rückgang der Neubildung von Neuronen durch akuten Stress und Gabe von Glukokortikoide
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Neurotrophe Faktoren
Steuerungsfunktion bei der Hirnentwicklung
Körpereigene Signalstoffe, die zielgerichtete Verbindungen zwischen Nervenzellen bewirken
Sicherung des Fortbestandes neuronaler Verbindungen
Arten:
nerve growth factor
brain-derived neurotrophic factor
NT-3, NT-4, NT-5
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Exkurs: Verliebtheit
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BDNF-Expression im Hippocampus
Antidepressiva
Stress
In Verbindung mit Stress auftretende Veränderungen im Hippocampus sind potentielles Korrelat kognitiver Auffälligkeiten bei depressiven Störungen
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Genetik
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Genetische Faktoren als Vulnerabilitätsfaktoren
Familienuntersuchungen, Zwillings- und adoptionsstudien
größere Rolle bei rezidivierenden Depressionen, bipolaren Störungen und Dysthymien mit frühem Beginn
Keine Identifizierung eines verantwortlichen Genortes, sondern untereinander und mit Umweltfaktoren interagierende Gene
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Genetische Faktoren als Vulnerabilitätsfaktoren
Geschlechtsunterschiede
Präadoleszenz: Gleichverteilung
Adoleszenz: deutliches Überwiegen der Frauen
stärkere genetische Belastung
größere Empfindlichkeit hinsichtlich belastender Lebensereignisse
häufigere Entwicklung depressiver (persistierender) Störungen
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Genexpression
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Definition „Genexpression“
„Vorgang der Proteinsynthese auf der Basis der genetischen Information“
„Produktion des Proteins, das von einem bestimmten Gen kodiert wird.“
Wichtig: •einzelne Gene könne durch chemische Prozesse ein-
oder ausgeschaltet werden •Anpassung der Proteinsynthese an jeweilige Anforderungen oder Umweltgegebenheiten
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Genexpression als intrazellulärer Prozess
Beeinflussung der Genexpression durch Stress und Antidepressiva
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Genetischer Vulnerabilitätsfaktor – 5-HTTLPR
Serotonin (5-HT) Transporter (T) Length (L) Polimorphic (P) Region (R)
Genetischer Vulnerabilitätsfaktor für das Auftreten von Depressionen
Variation in der Promoterregion des Serotonin-Transportergens
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5-HTTLPR Beziehung zwischen
Anzahl an S-Allelen und Depressionsrisiko nach Stress
s/s > s /l > l/l
Träger des risikoreichen S-Allels haben erhöhtes Risiko einer Erkrankung
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Childhood Stress, Serotonin Transporter Gene and Brain Structures in Major Depression
Neuropsychopharmacology, 2010
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Theoretischer Hintergrund life events als potentielle
Stressoren und Risikofaktoren für die Entwicklung einer Depression
Frühe Vernachlässigung und Missbrauch verursachen langanhaltende emotionale Probleme
Interaktion zwischen 5-HTTLPR und early-life Stress
Neurobiologie der Depression als Interaktion zwischen genetischer Prädisposition und Umweltfaktoren
Neuroimaging: um 4-5% reduzierte Größe und konsistent reduziertes Volumen des Hippocampus bei Depression
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Ziel
Untersuchung der Zusammenhänge zwischen reduziertem Hippocampus- sowie Präfrontalvolumen und 5-HTTLPR und Stress in der Kindheit
Betrachtung der Risikofaktoren S-Allel und kindlicher Stress
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Methode
• 24 Patienten (18-65 Jahre)
• 27 gesunde Probanden (matched) Stichprobe
• MRI-Untersuchung
• Childhood Stress
• Genetische Untersuchung Methoden
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Methode
MRI
• Volumina des PFC und des Hippocampus
• Betrachtung der grauen und weißen Substanz
Genetik
• Untersuchung der DNA
• 5-HTTLPR (S-Allel vs L-Allel)
Stress
• CTQ
• 5 Arten kindlicher negativer Behandlung
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Exkurs: CTQ-Items Emotionaler Missbrauch
Als ich aufwuchs…
…bezeichneten mich Personen aus meiner Familie als „dumm“, „faul“ oder „hässlich“.
…glaubte ich, dass meine Eltern wünschten, ich wäre niemals geboren.
…hatte ich das Gefühl, es hasste mich jemand aus meiner Familie.
…sagten Personen aus meiner Familie verletzende oder beleidigende Dinge zu mir.
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Exkurs: CTQ-Items Emotionale Vernachlässigung
Als ich aufwuchs…
…hatte ich das Gefühl geliebt zu werden. (R)
…gaben meine Familienangehörigen aufeinander Acht. (R)
…gab es jemanden in der Familie, der mir das Gefühl gab, wichtig und etwas besonderes zu sein. (R)
…war meine Familie mir eine Quelle der Unterstützung. (R)
…gab es jemanden, der mich zum Arzt brachte, wenn es sein musste. (R)
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Exkurs: CTQ-Items Körperliche Vernachlässigung
Als ich aufwuchs…
…hatte ich nicht genug zu essen.
…musste ich dreckige Kleidung tragen.
…wusste ich, dass sich jemand um mich sorgte und mich beschützte. (R)
…waren meine Eltern zu betrunken oder von anderen Drogen zu „high“, um für die Familie zu sorgen.
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Ergebnisse
S-Allel auf 5-HTTLPR beeinflusst die Prädisposition zu Veränderungen im Hippocampus, im Falle von kritischen life events in der Kindheit
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Ergebnisse
• Präventiver Effekt des L-Allels bei kindlichen Stressoren, dadurch erhöhtes PF-Volumen
• Störung der grauen Substanz im Hippocampus bei Vorhandensein beider Risikofaktoren
• Patienten mit S-Allel und emotionaler Vernachlässigung in der Kindheit haben geringeres hippocampales Volumen als Patienten mit nur einem Risikofaktor
• life stress als Funktion des Serotonin-Transporter Genotyps, Veränderung funktioneller Konnektivität der Amygdala und des Hippocampus
Gen-Umwelt Interaktion
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Fazit: Gen-Umwelt Interaktion
Psychologische Faktoren
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Fazit
Bisher kein stimmiges und umfassendes Erklärungsmodell für die Vulnerabilität hinsichtlich
depressiver Störungen, Auslösung depressiver Episoden oder physiologische Grundlagen depressiver
Symptome!
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Take Home
Integration unterschiedlicher Blickwinkel auf die Entstehung der Störung liefert derzeit beste ätiologische Erklärungen!
Biopsychosoziales Modell
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bio
psycho
sozial
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit!
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Literatur Frodl, T., Reinhold, E., Koutsouleris, N., Donohoe, G., Bondy, B., Reiser,
M., Möller, H.-J. & Meisenzahl, E. M. (2010). Childhood stress, serotonin transporter gene and brain structures in major depression. Neuropsychopharmacology, 35, 1383-1390.
Hegerl, U. & Rupprecht, R. (2006). Affektive Störungen – Neurobiologie. In H. Förstl, M. Hautzinger & G. Roth (Hrsg.), Neurobiologie psychischer Störungen (S.423-446). Berlin: Springer.
Holsboer, F. & Barden, N. (1996). Antidepressants and hypothalamic-pitiuary-adrenocortical regulation. Endocrine Reviews, 17, 187-205.
Malhi, G. S. & Berk, M. (2007). Does dopamine dysfunction drive depression?. Acta Psychiatrica Scandinavia, 115, 116-124.
Ruhé, H. G., Mason, N. S. & Schene, A. H. (2007). Mood is indirectly related to serotonin, norepinephrine and dopamine levels in humans: a meta-analysis of monoamine depletion studies. Molecular Psychiatry, 12, 331-359.
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