Transcript
Page 1: Der Fachbereich als Unternehmen?

Meinung

3

Prof. Dr. BernhardKramer war von1995 bis 1999 Dekander Fakultät für Phy-sik der UniversitätHamburg

Während der vergangenenJahre sind an den Univer-sitäten – größtenteils be-

dingt durch die von der Politik aus-gehenden Sparzwänge – zahlreicheVeränderungen in der akademi-schen Selbstverwaltung auf denWeg gebracht worden. Von regiona-len und länderspezifischen Einzel-heiten einmal abgesehen, geht dieTendenz unübersehbar zur Dezen-tralisierung und zur Stärkung derFachbereiche und des Dekans.

Am augenfälligsten wird das imBereich der Hochschulfinanzen:Wo früher das „KameralistischeSystem“ den finanziellen Alltag derHochschulen bestimmte – mankönnte auch überspitzt formulieren– „lahmlegte“, ist heute „Global-haushalt“ angesagt. Die Fachberei-che bekommen zunehmende Auto-nomie in der Verwaltung ihrerFinanzmittel, mit allen Vorteilen –wie Flexibilität der Mittelverteilung–, aber auch unübersehbaren Nach-teilen: Das „Besparen“ der Univer-sitäten durch die Landesregierun-gen – und in der Folge der Fach-bereiche durch die Universitäten –gestaltet sich äußerst einfach. Eswerden schlicht weniger Haushalt-mittel zugewiesen als benötigt!

Nur ein Ausweg scheint möglich– vor allem in den Naturwissen-schaften mit ihrem extrem großenFinanzbedarf: Es müssen verstärktDrittmittel von Forschungsförde-rern und auch aus der Industrieeingeworben werden, um den lau-fenden Forschungs- und damit denLehrbetrieb aufrecht zu erhalten.

Das geht nach meiner Einschät-zung, die auf mehrjähriger Erfah-rung als Dekan in einem globali-sierten Fachbereich beruht, letztlichnur dann mit Aussicht auf Erfolg,wenn Fachbereiche auch nachunternehmerischen Prinzipien han-deln. Neben erfolgreicher For-schung müssen „unakademische“Methoden bei der Verwertung vonForschungsergebnissen angewandtwerden. Das Produkt „wissen-schaftliche Erkenntnis“ muß nichtnur „hergestellt“, sondern auch„vermarktet“ werden. Dies bedeu-tet, daß an unseren Universitäten

markwirtschaftlich und damit lei-stungsbezogen gearbeitet werdenmuß. Geber von Drittmitteln müs-sen darauf vertrauen können, daßsich ihre Investition in Grundlagen-wissenschaft und Ausbildung aus-zahlt, wenn nicht kurzfristig, sodoch auf lange Sicht. Dieses„Grundvertrauen“ ist meiner Mei-nung nach am ehesten zu erreichen,wenn innere Strukturen im univer-sitären Bereich nach ähnlichenPrinzipien funktionieren wie in derfreien Wirtschaft.

Es ist klar, daß wir auf dieseneuen Anforderungen nur unvoll-kommen vorbereitet sind. Was istzu tun? Angesichts des Zwangs zusofortiger Tat bleibt neben der An-wendung unternehmerischer Me-thoden – die aber erst gelernt wer-den müssen –, bei hinreichendgenauer Betrachtung nur die Mög-lichkeit, das Leistungsprinzip aufder Grundlage eines breiten Kon-senses anzuwenden – sowohl in derForschung als auch in der Lehre.Damit lassen sich am effektivstendie knapp gewordenen Haushalts-mittel dorthin lenken, wo sie dengrößten Nutzen, etwa die meistenDrittmittel, bringen. Die folgendenBeispiele mögen dies verdeutlichen:

Globalhaushalte müssen trans-parent leistungsbezogen organisiertwerden. Damit können äußerstwirksam Forschungschwerpunktegesetzt werden. Einwerbung vonDrittmitteln läßt sich gezielt „beloh-nen“. Man wird staunen, welcheUmverteilungseffekte sich ergeben,wenn auch nur ein kleiner Teil, etwa10 %, des Sachmittelhaushalts nachder Zahl der eingeworbenen Perso-nalstellen direkt an die einwerben-den Kollegen verteilt werden!

Vorlesungen müssen attraktiv ge-macht, Lehrinhalte entrümpelt undzukünftigen Anforderungen ange-paßt werden. Das ist umso dringen-der, als damit Studienzeiten ver-kürzt werden können. Dies machtFachbereiche – und Unversitäten –attraktiv für junge Menschen. Auchhier kann man mit Leistungsbeloh-nung sehr viel erreichen. BelohnenSie mal, ausgehend von einer durchdie Studenten durchgeführten Eva-

luation, die besten Vorlesungen mitPreisen! Selbst Kollegen, die jahre-lang Lehre als mehr oder wenigernotwendiges Übel betrachtet haben,fangen an, darüber nachzudenken,wie sie mal die Goldmedaille errin-gen könnten!

Leistungen der Wissenschaftmüssen öffentlich gemacht werden.Langfristig ist das die wichtigsteAufgabe. Fangen Sie im Kleinen da-mit an und lassen Sie sich von denpositiven Auswirkungen der Aus-zeichnung der besten Dissertatio-nen und/oder Diplomarbeiten einesJahres überraschen!

Genauso wichtig ist jedoch, diebreite Öffentlichkeit hinsichtlichder Naturwissenschaften wieder po-sitiv „vorzuspannen“. Das betrifftnicht allein das Wohlergehen derFachbereiche auf langer Zeitskala,sondern viel stärker noch das dergesamten Gesellschaft, auch im in-ternationalen Umfeld. Schließlichberuht unsere Wirtschaft auf derAnwendung von Naturwissenschaft!

Dazu müssen vor allem die Kon-takte zu den Schulen aufgebaut undintensiviert werden. Hier steckenungeahnte Möglichkeiten: Veran-stalten Sie mal eine „Sommerschu-le“. Aber nicht eine für Ihre Kolle-gen oder bestenfalls deren Dokto-randen, sondern für die SchülerIhrer umliegenden Schulen! LassenSie Schüler ruhig in Ihrem For-schungslabor einen oder zwei Tage„mitmachen“, statt sie zu belehren.Sie werden über die Resonanz –nicht nur bei den Schülern – ver-blüfft sein!

Das sind nur wenige Beispiele,die sich mancherorts bereits zu be-währen scheinen. Fachbereiche undUniversitäten scheinen die neueHerausforderung annehmen zuwollen und ihre Wertvorstellungenzu korrigieren. Jedoch, eines gewis-sen Unbehagens kann man sichnicht erwehren, trotz aller Erfolgeim Detail: Kann das alles wirklicheine solide, langfristige, grund-lagenorientierte Forschungs- undBildungspolitik ersetzen?

Der Fachbereich als Unternehmen?Bernhard Kramer

Physikalische Blätter55 (1999) Nr. 60031-9279/99/0606-1$17.50+50/0© WILEY-VCH Verlag GmbH,D-69451 Weinheim, 1999

Recommended