Transcript
Page 1: Die Bestimmung des Endpunkts und des Umschlags-potentials bei potentiometrischen Titrierungen

Friedrich L. Hahn: Die Bestimmung des Endpunkts usw. 263

Die Bestimmung des Endpunkts und des Umschlags- potentials bei potentiometrischen Titrierungen.

V o n

Friedrich L. Hahn.

[Eingegangen am 12. Oktober t93~.]

In einer Reihe von sehr bemerkenswerten Arbeiten hat J. K n o p 1) die Verwendbarkeit geeigneter Farbstoffe als R e d o x - $ , n d i k a t o r e n ~) bei Oxydationstitrationen untersucht, ein Gebiet, dem wir schon wert- volle Bereicherungen unseres Könnens zu verdanken haben und das noch weitere verspricht. In der letzten dieser Arbeiten bedarf eine Angabe der l~ichtigstellung, die für die dort gezogenen Schlüsse ohne wesentliche Bedeutung, aber doch fehlerhaft ist. K n o p hat Eisen(II)- salz mit Permanganat titriert und dabei das Umsch]agspotential dieser Bestimmung ermitteln wollen, indem er das arithmetische Mittel aus den beiden dem Umschlag benachbarten Potentialwerten bildete. Dies Reehenverfahren beruht auf zwei Annahmen, die beide jahrelang in der Theorie der potentiometrischen Analyse galten, ohne dass für sie ein Beweis geführt oder auch nur versucht war. Sie ]auteten:

L Der Ausgleich (Äqnivalenzpunkt) einer potentiometrischen Ti- trierung liegt im Mal~teil des grössten Potentialschrittes. -- Diese Be- hauptung trifft allgemein nur für s y m m e t r i s c h e Titrationen zuS).

2. Die Lage des Ausgleichs im Umsch]agsmal~teil kann nicht an- gegeben werden; als wahrseheinlichster Wert ist daher das Mittel aus den Maßzahlen der benachbarten Maßpunkte anzunehmen. -- Diese Angabe trifft in ihrem ersten Teil für symmetrische Titrationen nicht zu, für unsymmetrische nur bedingt; der zweite Teil ist in jedem Fall falsch.

Zu I. Angenommen , es sei eine Reaktion der Unsymmetrie 2, also z. B. 2 Ag" ~- CrOa" ~--P-~ Ag2CrO 4 (oder die F~llung von Silberoxalat) potentiometriseh verfolgt worden und dabei folgender Potentialgang gemessen :

i) Diese Ztschrft. 77, ill (1929); 85, 253 und 401 (1931). 3) Bezeichnung nach L. i'V[ichae]is, Die Oxydations-Reduktions-

Potentiale [Di¢Wasserstoff-Ionen-Konzentratinn, II.Teil (1929)]. -- Theoreti- sches und Anwendungsbeispiele auch bei J. M. K o l t h o f f , Die lYlaßanalyse, I. und II. Teil (1927 u. 193i).

a) Symmetrische Titrationen sind solche, bei denen sich Stoff und Reagens im iYIolarverhältnis 1 ::I umsetzen.

Page 2: Die Bestimmung des Endpunkts und des Umschlags-potentials bei potentiometrischen Titrierungen

264 Friedrieh L. I-Iahn: Die Bestimmung des Endpunkts und des

Reagenszusatz : 5,1 5,2 5,3 5,4 5,5 5,6 c c m Cr04" (CeOa") PotentiMschrit te : 7,7 9,6 10,4 8,4 6,0 Mil]ivolt,

so liegt der Ausgleich, also der Punkt , an dem auf 1 Mol Chromat (oder OxaIat) 2 Mol Ag" in die Lösung gekommen sind, nicht zwischen 5,3 und 5,4 c c m (zl e ~ 10,4 Millivo]t), sondern zwischen 5,4 und 5,5 c c m

(A s = 8,4 Millivolt), und zwar genau bei 5,45 ccm. Grund : Bei bes t immten Chromatüberschüssen sind die Potentialschri t te kleiner als bei äqui- valenten Silberüberschüssen, in genügendem Abstand vom Ausgleich gerade halb so grossl).

Zu 2. Es sei bei einer s y m m e t r i s c h e n Ti t rat ion (z. B. Ag; - -Cl ' oder Säure- -Base oder F e " - - C e ' " ' ) folgender Potent ia lgang gemessen2):

T a b e l l e 1.

Reagenszusatz 17,t 17,2 I7 ,3 17,4 c c m

Potentiale . . . . . + 183,5 -~- 160,5 + 27,0 - - 8,0 Mil!ivolt Potentialsehrit te 23,0 133,5 35,0 Millivolt

/ A~ A~ A~ Symbole va Vb V u Va Ve

I [ V4 V 2 V 0 V 1 V 3

Um allgemeine l~eehenregeln formulieren zu können, bezeichnen wir (wie ans der Tabelle ersichtlich) den grössten Potent ialsehri t t mit zig, den zweitgr5ssten mit A » den andern Nachbar von A u mit A 2. ])er Maßpunk t zwischen AI~ und A 1 heisse v a ( c c m Reagens vom Beginn der Ti t ra t ion an, hier also 17,3 c c m ) , sein unbekannter und zu ermit telnder Abs tand vom wahren Ti t ra t ionsendpunkt a) sei v 1. Die Bezeichnung der weiteren Maßpunkte folgt aus der Tabelle; für die Potentiale dient s mit den gleichen Indizes wie das zugehörige v. -- Wir definieren nun :

V u - - V a

V b - V a

und haben also die Aufgabe, o zu ermitte]n.

Zunächst ist sicher: ~ <--0,5. - - ~ ist 0,5, wenn die beiden Nachbarn des grössten Potentialsehri t tes gleich gross s ind; ist einer (A1) grösser als der andere (A 2), so liegt der Ausgleich v 0 n£her an dem Maßpunkt zwischen A u und d 1 als an dem Ma~punkt zwischen A,~ und A e.

1) Vergl. hierzu: I. Fr . L. H a h n und 3/I. F r o m m e r , Ztsehrft. f. physik. Chem. 127, 1 (1927); I I . dieselben und R. S c h u l z e , Ztsehrft. f. physik. Chem. 133, 390 (1928).

~) Er entspricht etwa einer Titration von Ag" mit 0,t n-Cl' bei einem Endvolumen von 30--35 ccm, gemessen gegen Hg(ttg2SO4)K2SO 4 (0,5 mol). Zur Berechnung werden nur die drei grössten Potentialsehritte benötigt.

8) Wir bezeichnen ihn mit Vo und den potentiometriseh ermittelten Umschlag mit v u. V u - vo ist also der Fehler der Bestimmung.

Page 3: Die Bestimmung des Endpunkts und des Umschlags-potentials bei potentiometrischen Titrierungen

UmschlagspotentiMs bei potent iometr ischen Titrierungen. 265

Liegt v a so weit vom Ausgleich en t fe rn t (wie dies zu prüfen ist, folgt unten) , dass die K o n z e n t r a t i o n an dem mange lnden Reak t ions - pa r t ne r ~) gleich Nul l gesetz t werden kann, so is t 2)

lg t+B~

q l = A 2 - - " 2 - - 6 ~gv~-e

Man k a n n ql als F u n k t i o n von ~) berechnen, die K u r v e zeichnen und aus ihr zu j edem gemessenen ql das gesuchte ~ en tnehmen. Vergl. Abb. i5 .

Das gesuchte Umschlagsvo]umen ist dann :

v~--v~ + ~ (vb-- v~). Bezeichnet m a n (entsprechend

den Symbolen für die Volumina) die Po ten t i a le der M a ß p u n k t e mi t ea und e c auf der einen, 6b und ca auf der ande rn Seite (gemessene Wer te , Di l ferenzen gegen eine kons t an t e Hi]fselektrode) und die A b s t ä n d e von dem gesuchten Ausgle ichspotent i~ l

mi t s 1 und e3~ es und Q, so is t e 1

Berechenbar is t 3)

~ 2 - - . e 1 : ~ 1 - - .

e ~ il j ] ±

[ I' I I / l l ~ B « i , i I ' 71

I~ I i lißkt l

/.Æl~.~~"2 - I I I I I • o,o qz ~z 0,3 q« @

bz~/r

Abb. 15.

zu e rmi t te ln .

_ i g I - o

l g i + ~

Gemessen ist aber e 2 @ e 1 = An; man k a n n daraus Q und e 2 erreehnen. Zweckmäßig berechnet m a n

lg t-----6

T : e 2 - - 8 1 - - 0

2A~ 2 . l g i d-~

und t r ä g t dieses gegen ~o u n m i t t e l b a r in die Tafel o ~ ql ein; vergl.

1) I ~ e a k t i o n s p a r t n e r : Die Stoffe, die in die Reakt ion eingehen, also Ag" und CV, Säure (H'-Ion) und t~ase (OH'-Ion). R e a k t i o n s p r o d u k t e : AgC1, Salz -btt,20. Ü b e r s e h ü s s i g e r und m a n g e l n d e r Reakt ionspar tner ist danach selbstverständlich.

2) Ablei tung: Ztsehrf~. f. physik. Chem. 127, 1l fr. (1927) Die dort gebrauchLen Symbole sind dtwas andere!

a) Die bisher noch nicht gegebene Ablei tung folgt aus den Potential- werten der einzelnen Maßpunkte ebenso wie die von ql als Funkt ion von ~.

Page 4: Die Bestimmung des Endpunkts und des Umschlags-potentials bei potentiometrischen Titrierungen

266 Friedrich L. I-Iahn. Die Best immung des Endpunk t s und des

Abb. 15. Man f indet so zu j edem gemessenen ql auch das zugehörige v und da raus

Q ~ 0 , 5 A n - - T/1 t . B e i s p i e l : Auswer tung des Po ten t ia lganges aus Tabel le i .

q l = A1 :/12 = 35 : 23 = i ,52; danach aus Abb. i5 : = 0,33 v u = i7,3 - - 0,033 ccm = 17,967 c cml ) .

= 0,25 s 1 = 66,75 - - 8,75 = 58,0 Mil l ivol t s u = 27,0 q- 58,0 = 85~0 Millivolt.

v u und s t , e inwandfre i berechnet , weichen also vom a r i thme t i schen Mit te l der angrenzenden Maßpunk te , 17,25 ccm und 93,75 ~¢Iillivolt, r ech t merkl ich ab.

Bedingung für die A n w e n d b a r k e i t dieses Verfahrens ist , dass v 1 genügend weit vom Ausgleich en t fe rn t is t ; sie is t erfül l t für s 1 > 30 Milli- volt . I s t dies n ich t der Fa l l , so k a n n m a n en tweder die k le inen Maßtei le passend zu gr5sseren vereinigen oder nach dem für kleine Reagens- zusgtze gül t igen Verfahren auswerten2).

Bei u n s y m m e t r i s c h e n T i t r a t i o n e n muss m a n die Po ten t i a l - schr i t t e zungchs t auf der e inen Seite mi t dem F a k t o r der Unsymmet r i e mul t ip l iz ieren . T i t r i e r t m a n Silber gegen Chromat , so s ind in genügender En t f e rnung vom Ausgleich bei Chromatüberschüssen die Potent iM- schr i t te nur ha lb so gross wie bei gqn iva len ten Si lberüberschüssen. Mul t ip l iz ie r t m a n die Po ten t i a l seh r i t t e auf der Seite der Si lberüberschüsse mi t zwei, so k a n n m a n genau wie bisher ql b i lden und wei ter auswer ten . (Sdbs tve r s tgnd ] i eh is t A 1 als der Nachba r von A u anzusehen, der nach der Mul t ip l ika t ion der grössere ist.)

Drei U m k e h r t i t r a t i o n e n a) von Silber gegen Chromat e r g a b e n folgende W e r t e (A ~ in Mill ivolt) . (Siehe Tabe l le 2 S. 267.)

Bei I b und I I I b i s t der m i t 2 mul t ip l iz ie r te Po t en t i a l s ch r i t t auf der Seite des Chromatüberschusses grösser geworden als der grösste u r sp rüng l i ch gemessene; das l iegt daran , dass dieser, soweit er im Gebie t überschüss igen Chromates l iegt, auch vergrösser t werden müsste , u m verg le ichbar zu bleiben. (Nicht im Verhgl tnis 2:1, sondern in e inem e twas geringeren, da der Po t en t i a lgang in unmi t t e l ba r e r Nghe des Aus- gleichs andern Gesetzen gehorcht . ) Durch Auswer ten über ql und erhgl t m a n im Mit te l :

~) Eine Einzelmessung ist selbs%verstgndlich auf ~t7,27 ccm aufzur~mden; zur Mittelbildung aus l%eihenmessungen ist der genaue Wer t berechtigt.

2) Vergl. Ztschrft. f. physik. Chem. lg~, 393 (1928). a) Umkehr t i t ra t ion ~~- Ti t ra t ion von Stoff mi% l~eagens und unmit te lbar

ansehliessende ]~ückti trat ion des Reagensüberschusses mi t Stoff; das Mittel beider Bestimmungen ist frei von den ,gerichteVen '° Fehlern der Einzel- werte. Vergl. diese Ztschrft. 76, 146 (t929).

Page 5: Die Bestimmung des Endpunkts und des Umschlags-potentials bei potentiometrischen Titrierungen

TJmseh]agspotentials bei potentiometrischen Titrierungen. 267

I c c m Cr04" ~ 1,503 c c m Ag" gegen 1 c c m CrO«" ---- J,500 c c m Ag"

nach der Einwage an K2CrO 4. I . c cm ]I.

Einzelwerte : c c m I I I . ccm

Ag" aul Cr04" Ag" auf Cr04" Ag" auf Cr04" a) 20 13,33 a) 20 13,24 a) 34 22,63 b) 27,t0 18 b) 28,39 19 b) 42, i4 28

47,t0 3i,33 48,39 32,24 76,14 50,63 ber. M. 31,34 ber. M. 32,20 ber. M. 50,66

E. 3i,40 E. 32,26 E. 50,78

T a b e l l e 2.

I. [ II.

e c ~ A s [ ccm i A e

Ag Cr04 gern. korr. Ag Cr04 gern. korr. Ag

a,) 20 12 - - -- a) 20 12 - - - - ~) 34 21 -- 37,2 - - 37,5 ] - - 13 t3 22

65,2 67,0 t4 14 23

12,2 ~,L_ 9,5 19,0 t5 15 24

b) 26 18 b) 27 19 b) 41 28 27,7 5,~ t6,9 33,8

27 28 42 41,9 44,0

28 29 43 17,4 ] 25,6

29 ~ 30 44 I

Unter ber. M. sind die Werte iegeben, die sich beim Umrechnen nach dem Mittel der drei Bestimmungen ergeben, unter E. die beim Umrechnen nach der Einwage. M~a sieht: Obwohl mit Zwischenräumen von je t c c m gemessen wurde, beträgt die grösste Abweichung gegen das Mittel nur 0,04 ccm. (Ob die Abweichung von 0,2~o zwischen Einwage und Mittelwort auf einer Verunreinigung des K2CrO 4 oder einem kon- stanten Fehler der Bestimmung beruht, wurde nicht geprüft.)

Dies Verfahren zum Auswerten nnsymmetrischer Titrationen ist nun ~uf die iKessung von Eisen(II)sa]z mit Permanganat l~icht an- wendbar, denn der Potentialgang entspricht bei dieser durchaus nicht der :Berechnung für 1)

5 Fe'" -}- MnO~' + 8 H" = 5 Fe"" -~ Mn'" -}-4 H~O

1) Vergl. Ztschrft. f. physik. Chem. 127, 32 (1927).

III.

c c ~ A

Cr04 gern.

25,3

57,5

t7,4

23,8

32,0

16,9

Page 6: Die Bestimmung des Endpunkts und des Umschlags-potentials bei potentiometrischen Titrierungen

268 Horst Eckstein: Über die Bestimmung des Berylliums

Dass es unmöglich ist, bei dieser t~eaktion durch Eingrenzen und Mittelbildung zu brauchbaren Werten für das Umsehlagspotential zu gelangen, hat schon S c h i n d l e r nachgewiesen1). Eigne Versuche, die mehrfach nachgeprüft wurden, haben überdies ergeben : Es ist unmöglich, konstante Potentialeinstellungen zu erhalten. Das stört die analytische Verwendung nicht, weil ja die Potentia]änderungen so gross sind (bei K n o p z. B. 1,0--1,8 Volt für 0,i ccm Reagens am Umschlag), dass auch bei mäßiger Messgenauigkeit die Lage ~tes grössten Potentialschrittes gut erkannt wird, aber es verrät sich sofort, wenn man die Potentiale auf 0,i Mfllivolt genau zu messen sucht. Dann wandert die Galvanometer- nadel, und wenn man naehreguliert, merkt man, dass die Potentiale der einzelnen Maßpunkte nicht einmal auf 10--20 Millivolt genau festzu- legen sind. Die von K n o p ermittelten Umschlagspotentiale dürfen deshalb auf keinen Fall als wirkliche Konstanten der Eisen-Permanganat- Titration angesprochen werden; dagegen bleibt es vollkommen richtig zu behaupten: Das Umsehlagsgebiet der verwendeten Redox-Indikatoren s t immt mit dem Ausgleich einer Eisen-Permanganat-Titrat ion so gut überein, dass der Ausgleich bei Verwendung dieser Indikatoren mit guter Genauigkeit erfasst werden kann.

Frankfurt a .M. , Chem. Institut der Universität.

Über die Bestimmung des Beryllinms in hoehlegierten Stählen und Ferroberyllium.

Von

Horst Eckstein. Aus dem Laboratorium der Edelstahlwerk Röchling A.-G., Vötk[ingen (Saar).

[Eingegangen am 3. September 193t.]

1. Allgemeines. Über die Bestimmung des Bery]liums in legierten Stählen finden

sich in neuerer Zeit mehrere aufschlussreiehe Veröffentlichungen. H. F i s c h e r (t)*) hat eine recht genaue, aber umständliche Methode ausgearbeitet. Er fällt Fe + B e mit Ammoniak als Hydroxyde, glüht diese, reduziert das Oxydgemiseh bei R o t g h t im Wasserstoffstrom, wobei F%0 a zum grössten Teil reduziert wird; das Eisen wird mit verdünnter Salzsäure herausgelöst, das unveränderte Bery]liumoxyd mit Flußsäure in Lösung gebracht und mit Chinalizarin eolorimetrisch titriert. Diese Methode erfordert ausser grosser Geschicklichkeit des Analytikers viel Zeit, liefert aber genaue Ergebnisse. Ganz kürzlich hat H. F i s c h e r

1) Dissertation, Dresden t920. *) Die Anmerkungen finden sieh am Sehluss der Abhandlung S. 273.


Recommended