Diplomarbeit
Diuretika – Meriten und Gefahren
eingereicht von
Christina Daniela Reinelt
zur Erlangung des akademischen Grades
Doktorin der gesamten Heilkunde
(Dr. med. univ.)
an der
Medizinischen Universität Graz
ausgeführt am
Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie
unter der Anleitung von
Univ.-Prof. i.R. Mag.pharm. Dr. Eckhard Beubler
Graz, am 09.03.2016
i
Eidesstattliche Erklärung
Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde
Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet habe und die den
benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich
gemacht habe.
Graz, am 09.03.2016 Christina Reinelt eh
ii
Danksagungen
Bedanken möchte ich mich insbesondere bei Herrn Univ.-Prof. i.R. Mag. pharm. Dr.
Eckhard Beubler für die unkomplizierte Betreuung während der gesamten Arbeit und die
große Geduld, die er walten ließ.
Außerdem bedanke ich mich bei meinen Eltern, Nicole und Helmut, die mir das Studium
überhaupt ermöglicht und mich unentwegt gefördert haben.
Ein besonderer Dank gilt meinem Freund Stephan Ziegler, der mich während des gesamten
Studiums unterstützt hat. Mit seiner geduldigen und liebevollen Art hat er mir jederzeit zur
Seite gestanden und mir immerzu neue Kraft verliehen.
iii
Zusammenfassung
Diuretika werden schon seit sehr langer Zeit eingesetzt, die Entdeckungsgeschichte ihrer
Wirkung geht sogar bis ins 19. Jahrhundert zurück. Bei allen Krankheiten, welche durch
die vermehrte Ausscheidung von Flüssigkeit behandelt werden können, sind Diuretika bis
heute nützliche Pharmaka. Sie greifen alle direkt oder indirekt an der Niere an und führen
so zur gesteigerten Wasserausscheidung.
Es gibt unterschiedliche Diuretikagruppen, wie unter anderem Carboanhydrasehemmer, die
am proximalen Tubulus wirksam sind, Schleifendiuretika, die an der Henle-Schleife
angreifen, oder auch Thiazide, die am distalen Tubulus ihre Wirkung entfalten. Aufgrund
ihres Wirkmechanismus kommt es allerdings nicht nur zu einer erhöhten Ausscheidung
von Wasser, sondern auch von Elektrolyten. Dies ist beispielsweise zur Behandlung einer
Alkalose, wie auch einer Hyperkalzämie nützlich und gewollt. Ist der Stoffwechsel des
Patienten/der Patientin allerdings beeinträchtigt, oder werden die Diuretika unsachgemäß
angewendet, kann es zu starken Elektrolytverschiebungen mit zum Teil verheerenden
Folgen kommen. Die gefürchtete Hypokaliämie kann beispielsweise zu Herzrhythmus-
störungen bis hin zum Kammerflimmern führen. Kaliumsparende Diuretika, wie
Aldosteronantagonisten, Triamteren oder Amilorid, bewirken das genaue Gegenteil. Die
entstehende Hyperkaliämie hat allerdings ähnlich schwerwiegende Auswirkungen wie die
Hypokaliämie. Aber auch Verschiebungen des Natrium-, Magnesium- oder
Kalziumhaushaltes können gastrointestinale, muskuläre, kardiale sowie neurologische
Symptome nach sich ziehen.
Trotz ihrer möglichen unerwünschten Arzneimittelwirkungen sind Diuretika jedoch in der
Therapie der arteriellen Hypertonie, der Herzinsuffizienz und bei vielen weiteren
internistischen Erkrankungen heutzutage nicht mehr wegzudenken.
Da gerade ältere Patienten/Patientinnen von diesen Krankheiten betroffen sind, ihre
Körperkomposition im Vergleich zu jungen allerdings verändert ist, die Organfunktionen
eingeschränkt und die Adaptationsmechanismen vermindert sind, muss besonders bei
dieser Gruppe auf die genaue Indikationsstellung, Anwendung und auf die
Nebenwirkungen geachtet werden. Oft liegen auch mehrere Krankheiten vor, sodass
verschiedene Arzneimittel gleichzeitig eingenommen werden, was wiederum zu
Interaktionen, wie die Verstärkung oder Verminderung der Wirkungen und
Nebenwirkungen, führt.
iv
Zudem darf der genderspezifische Aspekt nicht vernachlässigt werden, da Männer und
Frauen in jeglicher Lebensphase unterschiedlich auf einzelne Pharmaka ansprechen.
Ein weiteres Phänomen ist die sogenannte Diuretikaresistenz, dessen Ursachen erkannt und
beseitigt werden müssen.
Letztendlich kann festgehalten werden, dass Diuretika trotz ihrer möglichen negativen
Auswirkungen sehr gute und effiziente Arzneimittel bei der Therapie vieler internistischer
Krankheiten sind. Diese unerwünschten Wirkungen können auch weitestgehend vermieden
bzw. vermindert werden, wenn zum einen die Indikation richtig gestellt und die Diuretika
richtig angewendet werden. Zum anderen sollte sowohl der Flüssigkeits- und
Elektrolythaushalt als auch das Serumkreatinin und die glomeruläre Filtrationsrate
regelmäßig kontrolliert werden, um eine erfolgreiche Diuretikatherapie zu garantieren.
v
Abstract
Diuretics are already in use for a very long time, the history of discovery with their effects
even dating back to the 19th
century. Of all illnesses which can be treated by the increased
excretion of fluids, diuretics have proven to be useful pharmaceuticals to date. They all
directly or indirectly attack the kidney and thus lead to an enhanced fluid excretion.
There are different diuretics groups, such as carbonic anhydrase inhibitor which are
effective at the proximal tubule, loop diuretics which attack at the Henle´s loop or thiazides
showing their effects at the distal tubule. Owing to their working mechanism there,
however, is not only an enhanced excretion of fluids, but also of electrolytes. This for
example is useful and desired with regard to the treatment of an alkalosis as well as a
hypercalcaemia. If, however, the patient´s metabolism is encroached upon or the diuretics
are applied improperly, this could result in strong electrolyte displacements with partly
devastating consequences. For instance, the feared hypokalaemia could lead to cardiac
arrhythmia up to ventricular fibrillation. Potassium-sparing diuretics such as aldosterone
antagonist, triamterene or amiloride cause exactly the opposite. It must be emphasized that
hyperkalaemia has similar serious effects as hypokalaemia. Also displacements of the
sodium-, magnesium- or calcium balances could result in gastrointestinal, muscular,
cardiac as well as neurological symptoms.
Despite their possible unexpected adverse drug reactions diuretics are nowadays
indispensable for the therapy of arterial hypertonia, heart failure and many other internal
medical illnesses.
Especially elderly people are affected by these illnesses, their body composition - in
comparison to younger people - however, is changed, their organ functions limited and
their adaptive mechanisms reduced. It is therefore particularly important that accurate
indication, application and the prevention of possible adverse effects must be given high
priority with this group of patients. Rather often several illnesses have to be dealt with, so
that different medicines have to be taken simultaneously which on the other hand could
lead to interactions such as the increase or decrease of impacts and side effects.
Besides, the gender specific aspect should not be neglected, since men and women in any
stage of life respond differently to various medicines.
Another phenomenon is the so-called diuretics resistance whose causes have to be
discovered and eliminated.
vi
Last but not least, it can be stated that diuretics are very good and efficient medicines in the
therapy of many internal illnesses despite their possible negative effects. These undesired
effects can to a large extent be avoided or reduced if on the one hand the indication is
correctly given and on the other hand the diuretics are correctly applied. Apart from that, in
order to ensure a successful diuretics therapy, liquid and electrolyte balances as well as the
serum creatinine and the glomerular filtration rate should be regularly controlled.
vii
Inhaltsverzeichnis
Eidesstattliche Erklärung ................................................................................................ i
Danksagungen .................................................................................................................. ii
Zusammenfassung .......................................................................................................... iii
Abstract ............................................................................................................................... v
Inhaltsverzeichnis .......................................................................................................... vii
Glossar und Abkürzungen ............................................................................................ ix
Abbildungsverzeichnis ................................................................................................... x
Tabellenverzeichnis ........................................................................................................ xi
1 Einleitung ........................................................................................................................ 1
2 Material und Methoden ................................................................................................ 2
3 Allgemeiner Teil ............................................................................................................. 3
3.1 Anatomie der Niere ................................................................................................ 3
3.1.1 Makroskopischer Aufbau ............................................................................. 3
3.1.2 Mikroskopischer Aufbau .............................................................................. 3
3.2 Aufgaben und funktioneller Aufbau der Niere ............................................... 5
3.2.1 Die Niere als Ausscheidungs- und Regulationsorgan ......................... 5
3.2.2 Funktioneller Aufbau und Harnbereitung ................................................ 6
3.3 Elektrolythaushalt und –verschiebungen ....................................................... 8
3.3.1 Hyponatriämie ............................................................................................... 10
3.3.2 Hypernatriämie .............................................................................................. 10
3.3.3 Hypokaliämie ................................................................................................. 11
3.3.4 Hyperkaliämie ................................................................................................ 11
3.3.5 Hypokalzämie ................................................................................................ 12
3.3.6 Hyperkalzämie ............................................................................................... 12
3.3.7 Hypomagnesiämie ........................................................................................ 13
3.3.8 Hypermagnesiämie ...................................................................................... 13
4 Spezieller Teil ............................................................................................................... 14
4.1 Diuretika als Medikamentengruppe ................................................................ 14
4.1.1 Allgemeines und Historie ........................................................................... 14
4.1.2 Einteilung ........................................................................................................ 16
4.1.2.1 Osmodiuretika ........................................................................................ 18
4.1.2.2 Carboanhydrasehemmer ..................................................................... 19
viii
4.1.2.3 Schleifendiuretika ................................................................................. 20
4.1.2.4 Thiaziddiuretika ..................................................................................... 22
4.1.2.5 Kaliumretinierende Diuretika ............................................................. 24
4.1.2.5.1 Aldosteronrezeptorantagonisten ............................................... 25
4.1.2.5.2 Amilorid und Triamteren .............................................................. 27
4.2 Meriten und Gefahren der Diuretika in der praktischen Anwendung .... 29
4.2.1 Diuretikaanwendung bei internistischen Krankheiten ....................... 29
4.2.1.1 Arterielle Hypertonie ............................................................................ 29
4.2.1.2 Herzinsuffizienz ..................................................................................... 31
4.2.1.3 Weitere Internistische Erkrankungen .............................................. 34
4.2.2 Diuretikaanwendung bei unterschiedlichen Personengruppen ...... 36
4.2.3 Arzneimittelinteraktionen ........................................................................... 40
4.2.4 Diuretikaresistenz ......................................................................................... 42
5 Fazit ............................................................................................................................ 44
6 Literaturverzeichnis ............................................................................................... 46
ix
Glossar und Abkürzungen
ACE-Hemmer Angiotensin-Converting-Enzym-Hemmer
ADH Antidiuretisches Hormon
AT Angiotensin
ATPase Adenosintriphosphatase
BMI Body Mass Index
Ca2+
Kalzium
Cl- Chlorid
GFR glomeruläre Filtrationsrate
H+ Wasserstoff
H2CO3 Kohlensäure
HCO3- Hydrogencarbonat
HDL High Density Lipoprotein
i.v. intravenös
ICH The International Council for Harmonisation of Technical
Requirements for Pharmaceuticals for Human Use
K+ Kalium
KHK Koronare Herzkrankheit
LDL Low Density Lipoprotein
Mg2+
Magnesium
Na+ Natrium
NaCl Natriumchlorid
NSAR Nichtsteroidales Antirheumatikum
NYHA New York Heart Association
PGE2 Prostaglandin E2
prox. proximal
RAAS Renin-Angiotensin-Aldosteron-System
SCUF Slow Continuous Ultrafiltration
SIADH Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion
USA United States of America
VLDL Very Low Density Lipoprotein
ZNS zentrales Nervensystem
x
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Schematische Darstellung eines Nephrons mit Nierenkörperchen und
Tubulussystem (9) ................................................................................................................. 4
Abbildung 2: Prox. Tubulus mit Na+- Rücktransport (11) ................................................... 6
Abbildung 3: Prox. Tubulus mit HCO3- -Rücktransport (11) .............................................. 6
Abbildung 4: Transportprozesse im distalen Tubulus, Verbindungstubulus und
Sammelrohr (11) .................................................................................................................... 7
Abbildung 5: Angriffsorte der Diuretika (16) .................................................................... 16
Abbildung 6: Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen Dosis und diuretischem Effekt (19) 17
Abbildung 7: Strukturformel von Acetazolamid (22) ........................................................ 19
Abbildung 8: Wirkmechanismus der Carboanhydrase im proximalen Tubulus (17) ........ 19
Abbildung 9: Strukturformel von Furosemid (22) ............................................................. 21
Abbildung 10: Wirkmechanismus der Schleifendiuretika im aufsteigenden Schenkel der
Henle-Schleife (17).............................................................................................................. 21
Abbildung 11: Strukturformel von Chlortalidon (22) ........................................................ 22
Abbildung 12: Wirkmechanismus der Thiazide im frühdistalen Tubulus (17) ................. 23
Abbildung 13: Wirkmechanismus von Spironolacton, Amilorid und Triamteren im
spätdistalen Tubulus und im Sammelrohr (17) ................................................................... 25
Abbildung 14: Strukturformeln von Aldosteron, Spironolacton und Eplerenon (22) ....... 26
Abbildung 15: Strukturformeln von Amilorid und Triamteren (19) .................................. 27
Abbildung 16: Empfohlene Antihypertensivakombinationen (25) .................................... 30
xi
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Ionenkonzentrationen in den Flüsssigkeitsräumen des Körpers (12) .................. 8
Tabelle 2: Elektolytentgleisungen (13) ................................................................................. 9
Tabelle 3: Pharmakokinetik der Diuretika und Salurese wichtiger Ionen (↑ Ausscheidung
erhöht, ↓ Ausscheidung erniedrigt) (6) ................................................................................ 28
1
1 Einleitung
Immer mehr Menschen werden immer älter. Und je älter eine Person ist, desto eher ist sie
multimorbide und desto komplexer ist diese Multimorbidität. (1) Mit eingeschlossen sind
auch die kardiovaskulären Erkrankungen. Laut Daten aus den USA entfallen circa 77% der
stationären Aufnahmen als Folge einer Herzinsuffizienz, 62% infolge eines Herzinfarktes
und 80% der kardiovaskulär bedingten Todesfälle auf die über 65-Jährigen. (2) Häufige
Ursache bzw. Vorbote ist die eigentlich gut therapierbare arterielle Hypertonie, die eine
weit verbreitete Krankheit darstellt. (3) Wird dieser Vorbote erkannt und diagnostiziert
kann er und auch einige andere internistische Erkrankungen, wie die akute und chronische
Herzinsuffizienz, Aszites bei Leberzirrhose oder auch das akute Hirnödem, sehr gut mit
Diuretika behandelt werden. (4)
Auf der anderen Seite können Diuretika auch häufig und vor allem bei älteren Personen zu
Krankenhauseinweisungen führen. Sowohl auf orthopädischen Stationen, nach Stürzen
wegen orthostatischer Hypotonie, als auch auf internistischen Stationen, nach einem
Herzinfarkt oder Schlaganfall infolge Dehydratation, und auch wegen Herzrhythmus-
störungen durch Hypo- oder Hyperkaliämie, liegen Patienten/Patientinnen aufgrund der
diuretika-induzierten Nebenwirkungen. (5)
Trotz ihres häufigen Einsatzes gibt es demnach nicht nur positive Aspekte der
Diuretikaanwendung. Ob nun eine Diuretikatherapie notwendig und sinnvoll ist, oder ob
sie aufgrund ihrer möglichen unerwünschten Arzneimittelwirkungen zu gefährlich ist wird
nun anhand der vor- und nachteiligen Auswirkungen ihrer Anwendung erörtert.
2
2 Material und Methoden
Diese Diplomarbeit ist eine Literaturrecherche, welche den aktuellsten Stand der
Wissenschaft zusammenfassen soll. Unter Einbezug von Fachbüchern, wissenschaftlicher
Artikel, Studien und Forschungsarbeiten sollen die Meriten und Gefahren der Diuretika
von allen Seiten her beleuchtet werden.
Die Recherche der Fachbücher wurde hauptsächlich in der Bibliothek der Medizinischen
Universität Graz durchgeführt. Weiters wurden Artikel aus den E-Journals der
elektronischen Zeitschriftenbibliothek der Medizinischen Universität Graz verwendet.
Als wissenschaftliche Datenbanken wurden Google Scholar und Pubmed herangezogen. Es
wurde unter anderem nach Begriffen wie ‚loop diuretics‘, ‚Diuretika in der Geriatrie‘,
‚heart failure‘, ‚Diuretikaresistenz‘ oder auch ‚diuretics arterial hypertension‘ gesucht.
Hierbei wurde darauf geachtet, dass die Publikationen als Volltext vorlagen und nicht vor
2010 veröffentlicht wurden.
3
3 Allgemeiner Teil
Diuretika sind Medikamente, die direkt oder indirekt an der Niere angreifen und zu einer
vermehrten Wasser- und Elektrolytausscheidung führen. (6) Um ihre Funktionsweise
besser verstehen zu können, werden anfangs die anatomischen und funktionellen
Grundlagen der Niere besprochen. Anschließend werden mögliche Elektrolyt-
verschiebungen mit ihren Auswirkungen beschrieben.
3.1 Anatomie der Niere
Um einen Überblick über die Niere zu gewinnen, soll zunächst auf den makro- und
mikroskopischen anatomischen Aufbau eingegangen werden.
3.1.1 Makroskopischer Aufbau
Die Nieren sind paarig angelegte, bohnenförmige Organe, die beidseits der Wirbelsäule
retroperitoneal im Bindegewebsraum hinter der Bauchhöhle liegen. Die Länge einer Niere
eines Erwachsenen beträgt 10-12 cm, sie ist 4-6 cm breit und ca. 4 cm dick. Außerdem
wiegt sie 120-300 g und wird mit Blut über die A. renalis direkt aus der Aorta versorgt.
Schneidet man sie im Längsdurchmesser auf, sieht man makroskopisch von außen nach
innen die Nierenkapsel (Capsula fibrosa renalis), die Nierenrinde (Cortex renalis), das
Nierenmark (Medulla renalis) und das Nierenbecken (Pelvis renalis) mit dem Harnleiter
(Ureter). Die sogenannten Pyramides renales bilden das Nierenmark, wobei die Basis in
Richtung Cortex und die abgerundeten Spitzen, die Papillae renales, in Richtung Hilum
zeigen, wo der Endharn gesammelt wird und über den Ureter abfließt. (7) (8)
3.1.2 Mikroskopischer Aufbau
Jede menschliche Niere enthält etwa eine Million ihrer kleinsten morphologischen und
funktionellen Baueinheit, dem Nephron. Es setzt sich aus einem Nierenkörperchen
4
(Corpusculum renale) mit Glomerulus und Bowman-Kapsel, sowie dem Tubulussystem
(Tubulus renalis) zusammen.
Die Nierenkörperchen befinden sich alle im Cortex, entweder als kortikale Glomeruli in
der äußeren Rinde, oder als juxtamedulläre Glomeruli an der Grenze zum äußeren Mark.
Der Glomerulus ist ein Kapillarknäuel, welches von einem zuführenden Gefäß, der Vas
afferens, gespeist wird und dessen Blut über das abführende Gefäß, die Vas efferens,
abfließt. Diese Region am Nierenkörperchen wird als Gefäßpol bezeichnet.
Die Bowman-Kapsel umgibt mit ihrem inneren Blatt die Glomeruluskapillaren,
wohingegen das äußere Blatt den Kapselraum nach außen hin begrenzt und am dem
Gefäßpol gegenüberliegenden Harnpol in den proximalen Tubulus übergeht.
Hier schließt sich der Tubulusapparat, ein langes Röhrensystem, an, indem folgende
Abschnitte unterschieden werden (siehe Abbildung 1) (9):
Abbildung 1: Schematische Darstellung eines Nephrons mit Nierenkörperchen und Tubulussystem (9)
Vom Harnpol des Corpusculum renale ausgehend befindet sich zunächst der proximale
Tubulus mit der gewundenen Pars convoluta und der gestreckten Pars recta, welche den
dicken, absteigenden Teil der Henle-Schleife bildet.
Hieran schließt das Überleitungsstück mit der Pars descendens und der Pars ascendens, die
den dünnen Teil der Henle-Schleife darstellen.
Der folgende Abschnitt wird vom distalen Tubulus gebildet, wobei dieser mit seiner
dicken, aufsteigenden Pars recta der Henle-Schleife angehört und zusätzlich eine Pars
convoluta aufweist.
5
Diese wird über den Verbindungstubulus in ein Sammelrohr geführt, welches um die zehn
Nephrone aufnimmt, in einen Ductus papillaris mündet und den Harn so bis zur
Papillenspitze und schließlich in die Nierenkelche leitet. (8) (9)
3.2 Aufgaben und funktioneller Aufbau der Niere
Die Niere hat viele verschiedene Aufgaben. Aufgrund ihres speziellen funktionellen Baus
ist sie für die Harnbereitung verantwortlich und stellt somit ein wichtiges Ausscheidungs-
und Regulationsorgan dar. (9) (10)
3.2.1 Die Niere als Ausscheidungs- und Regulationsorgan
Als Ausscheidungsorgan besitzt die Niere eine ganze Reihe von Aufgaben. Die wichtigste
ist die Ausscheidung von harnpflichtigen Substanzen, wie beispielsweise Harnstoff,
Harnsäure und Ammoniak. Zusätzlich werden Pharmaka und körperfremde Substanzen,
sogenannte Xenobiotika, eliminiert, wobei für den Körper wertvolle Substanzen
zurückgehalten oder über tubuläre Resorption zurückgewonnen werden.
Neben der Regulation des Säure-Basen-Haushaltes über die Ausscheidung von H+
- und
HCO3-
-Ionen wird die Mineralisierung des Knochens über die Plasmakonzentration von
Kalzium und Phosphat gesteuert.
Zusätzlich können die Nieren wichtige Hormone, wie beispielsweise Erythropoetin, bilden
und agieren zudem als Erfolgsorgan von extrarenal synthetisierten Hormonen, wie
Adiuretin, Parathormon und auch Aldosteron. Letzteres ist über das Renin-Angiotensin-
Aldosteron-System an der Blutdruckregulation maßgeblich beteiligt.
Des Weiteren wird der Wasser- und Elektrolythaushalt entscheidend beeinflusst. Über die
geregelte Ausscheidung kann die Niere das Ionengleichgewicht (Isoionie), die osmotische
Konzentration (Isotonie) sowie das extrazelluläre Flüssigkeitsvolumen (Isvolämie)
kontrollieren. (9) (10)
Dies wird durch die Gesamtdurchblutung beider Nieren gewährleistet. Pro Tag werden
etwa 150 Liter Plasmaflüssigkeit filtriert, wobei circa 90% der gelösten Substanzen und
99% des filtrierten Wassers im Tubulussystem resorbiert werden, sodass die Menge des
Endharns nur ungefähr 1,5 Liter beträgt. Die glomeruläre Filtrationsrate beschreibt das pro
6
Zeiteinheit filtrierte Flüssigkeitsvolumen und ist von dem effektiven Filtrationsdruck, der
Fläche und der hydraulischen Leitfähigkeit des Filters abhängig. (10)
3.2.2 Funktioneller Aufbau und Harnbereitung
Wie nun aus den 150 Litern Primärharn die 1,5 Liter Endharn entstehen, soll im Folgenden
erörtert werden.
Anfangs müssen große Flüssigkeitsmengen transportiert und resorbiert werden, wobei es
gegen Ende des Tubulussystems zur Feineinstellung der Urinkonzentrierung kommt. Eine
besondere Rolle spielt dabei die Resorption von NaCl, da circa 80% der filtrierten,
gelösten Substanzen Na+ und Cl
- -Ionen sind. (10)
Das Ultrafiltrat, auch als Primärharn bezeichnet, entsteht in den Glomeruli und wird bereits
im proximalen Tubulus um mehr als die Hälfte reduziert. (11)
Abbildung 2: Prox. Tubulus mit Na+-
Rücktransport (11)
Abbildung 3: Prox. Tubulus mit HCO3- -
Rücktransport (11)
In Abbildung 2 und 3 sind die Vorgänge am proximalen Tubulus bildlich dargestellt.
Zunächst gelangen Na+-Ionen über Transportproteine in die Tubulusepithelzelle, wo sie
aktiv mittels einer Na+/K
+-ATPase ins Interstitium gepumpt werden. Mit diesem Na
+-
Transport ist außerdem eine Wasser- und Chloridresorption gekoppelt, wobei der Körper
hier bereits circa 60% des filtierten Wassers zurückgewinnt.
Über die Carboanhydrase wird Hydrogencarbonat folgendermaßen resorbiert: ein Na+-Ion
gelangt im Austausch gegen ein H+-Ion ins Zellinnere, wobei das Proton im Primärharn
mit HCO3- zu Kohlensäure reagiert. Unter Einwirkung der Carboanhydrase entsteht CO2,
7
das direkt in die Zelle gelangt. Hier kommt es zur entgegengesetzten Reaktion und CO2
wird mittels des gleichen Enzyms wieder zu H2CO3 überführt. Diese intrazellulär
entstandene Kohlensäure dissoziiert in ein H+-Ion, das wiederum zum Austausch gegen ein
Na+-Ion verwendet werden kann, und in ein HCO3
- -Ion, das ins Interstitium abgegeben
wird und somit als alkalische Reserve dem Körper zur Verfügung steht.
Zudem kommt es im proximalen Tubulus zur Resorption von weiteren Kationen, wie K+,
Ca2+
und Mg2+
sowie von Glukose, Aminosäuren und Proteinen. (11)
Die Henle-Schleife hat mit ihren drei Teilabschnitten auch mehrere verschiedene
Aufgaben. Der dicke absteigende Teil gehört zum proximalen Tubulus und ist bereits oben
beschrieben. Im Segment der dünnen Schenkel gelangen einige Kationen und Cl--Ionen in
das Tubuluslumen, ein aktiver Transport findet praktisch nicht statt. (10)
Abbildung 4: Transportprozesse im distalen Tubulus, Verbindungstubulus und Sammelrohr (11)
Im dritten Abschnitt, dem dicken, aufsteigenden Teil, befindet sich ein Na+-K
+-2Cl
- -
Cotransport, wodurch diese Kationen aus dem distalen Tubulus in die Epithelzelle
befördert werden und weiter ins Interstitium gelangen (siehe Abbildung 4). Da der gesamte
aufsteigende Teil der Henle-Schleife wasserundurchlässig ist, steigt in diesem Bereich der
osmotische Druck im Interstitium an und fällt im Tubulussystem ab, was wiederum in den
Sammelrohren die treibende Kraft zur Rückresorption von Wasser darstellt. (11)
Im abschließenden, distalen Konvolut kommt es nun zur Feinjustierung der
Urinzusammensetzung, je nachdem welche Substanzen der Körper benötigt, wobei hier nur
noch geringe Transportleistungen existieren.
8
Wie in Abbildung 4 dargestellt, befindet sich im frühdistalen Konvolut zunächst ein Na+-
Cl--Cotransport, im Verbindungstubulus und im Sammelrohr kommt es in Abhängigkeit
von Aldosteron zu einem Austausch von Na+ aus dem Primärharn gegen K
+ oder H
+ über
sogenannte Kanalproteine. Je höher die Na+-Konzentration im Tubuluslumen dieses
Abschnittes ist, desto mehr Natriumionen werden resorbiert und desto mehr Kaliumionen
und Protonen werden abgegeben.
Ist das antidiuretische Hormon vorhanden, wird das Epithel des Sammelrohrs
wasserdurchlässig und es kommt, aufgrund des hohen osmotischen Gradienten, zur
passiven Wasserresorption und zur weiteren Konzentrierung des Endharns. (11)
3.3 Elektrolythaushalt und –verschiebungen
Die Elektrolytkonzentrationen der einzelnen Flüssigkeitsräume des Körpers sind
charakteristisch und für viele Lebensprozesse eine wesentliche Voraussetzung.
Wie in Tabelle 1 ersichtlich, ist die Ionenzusammensetzung des Blutplasmas und der
interstitiellen Flüssigkeit sehr ähnlich, wobei Na+ das bedeutendste Kation und Cl
- das
wichtigste Anion darstellt. In der intrazellulären Flüssigkeit hingegen überwiegen die
Kaliumionen bei den Kationen und anorganisches Phosphat bei den Anionen. (12)
Tabelle 1: Ionenkonzentrationen in den Flüsssigkeitsräumen des Körpers (12)
9
Die Niere hat mit ihrer Resorptions- und Ausscheidungsfunktion einen beträchtlichen
Einfluss auf die Elektolytzusammensetzung des menschlichen Körpers. Eine Irritation ihrer
physiologischen Arbeitsweise durch Krankheit oder Medikamente zieht somit eine
Verschiebung des Elektrolythaushalts nach sich.
Tabelle 2 bietet einen groben Überblick über die wichtigsten Elektrolyte, welche bezüglich
der Auswirkung ihrer Entgleisungen betrachtet werden. (13)
Tabelle 2: Elektolytentgleisungen (13)
Elektrolytstörung Grenzwert Ursachen Symptome
Hyponatriämie Plasmakonzentration
< 130 mmol/l
Störung der Wasser-
ausscheidung, SIADH,
Herzinsuffizienz,
Diuretika
Übelkeit,
Muskelkrämpfe,
neurologische
Symptome
Hypernatriämie Plasmakonzentration
> 150 mmol/l
Wasserverlust, Natrium-
retention, gesteigerte
orale Natriumzufuhr
Übererregbarkeit,
Ataxie, zerebrale
Krampfanfälle
Hypokaliämie Plasmakonzentration
< 3,5 mmol/l
Verteilungsstörungen,
renale oder gastroinstes-
tinale Kaliumverluste
Schwächegefühl,
Muskelkrämpfe,
kardiale Symptome
Hyperkaliämie Plasmakonzentration
> 5,0 mmol/l
vermehrte K+-Zufuhr,
Verteilungsstörungen,
verminderte
K+-Ausscheidung,
Niereninsuffizienz
neurologische,
muskuläre und kardiale
Symptome
Hypokalzämie Plasmakonzentration
< 2,2 mmol/l
Hypoalbuminämie,
Malnutrition,
Hypoparathyreoidismus
Krampfanfälle,
Parästhesien
Hyperkalzämie Plasmakonzentration
> 2,65 mmol/l
Malignome, primärer
Hyperparathyreoidismus
Erbrechen, Rhythmus-
störungen, Koma
Hypomagnesiämie Plasmakonzentration
< 0,7 mmol/l
Hyperthyreose, Mal-
absorptionssyndrom,
Diuretika
Neurologische
Symptome,
Herzrhythmusstörungen
Hypermagnesiämie Plasmakonzentration
> 1,6 mmol/l
Chronische
Niereninsuffizienz,
Magnesiumsubstitution
Gastrointestinale
Symptome, Hypotonie,
schlaffe Lähmungen
10
3.3.1 Hyponatriämie
Eine Hyponatriämie ist sehr häufig und liegt vor, wenn die Plasmanatriumkonzentration
weniger als 130 mmol/l beträgt. Hyponatriämie bedeutet lediglich, dass die
Natriumkonzentration im Verhältnis zum Extrazellulärvolumen zu gering ist, es muss
jedoch nicht zwingend ein Natriummangel vorherrschen. Je nach Hydratationszustand des
Patienten/der Patientin können folgende Formen unterschieden werden:
Hypervolämische Hyponatriämie: Gesamtkörpernatriumüberschuss bei
Wasserüberschuss
Hypovolämische Hyponatriämie: Gesamtkörpernatriummangel bei
extrazellulärem Volumenmangel
Isovolämische Hyponatriämie: Gesamtkörpernatrium im Normbereich (13)
Die Ursache ist meist eine unausgeglichene Wasserbalance durch eine Störung der ADH –
vermittelten Wasserausscheidung, sprich freies Wasser kann renal nicht ausgeschieden
werden. Dies kann entweder medikamentös durch eine gesteigerte ADH-Freisetzung und –
Wirkung ausgelöst werden, im Zuge des Syndroms der inadäquaten ADH-Sekretion
entstehen oder auch die Folge einer Leberzirrhose, Herzinsuffizienz oder auch von
Volumenmangel sein. (13) (14)
Des Weiteren wird der Natriumhaushalt durch den extrarenalen Natrium- und
Flüssigkeitsverlust bei z.B. Diarrhoe, sowie den renalen Verlust, wie durch
Diuretikatherapie, beeinflusst. (13)
Symptome treten eher bei schwereren oder auch bei schnell eingetretenen Hyponatriämien
auf und reichen von Übelkeit und Muskelschwäche bis zu Bewusstseinstrübung, Grand-
Mal-Anfällen und Koma. (13) (14)
3.3.2 Hypernatriämie
Von einer Hypernatriämie spricht man, wenn die Na+-Konzentration im Plasma mehr als
150 mmol/l beträgt. Schwere Ausprägungen weisen im Gegensatz zu einer schweren
Hyponatriämie eine höhere Morbidität und Mortalität auf, sind allerdings seltener.
Als Ursache kommt zum einen die Natriumretention oder erhöhte -zufuhr in Frage. Zum
anderen kommt es infolge der Dehydratation durch beispielsweise übermäßiges Schwitzen,
11
Verbrennungen oder auch aufgrund eines Diabetes insipidus, zu Flüssigkeits-
verschiebungen vom Intra- in den Extrazellulärraum sowie zu einem Anstieg der
Plasmaosmolalität.
Je nach Ausprägungsgrad können Symptome wie Ruhelosigkeit, aber auch Lethargie,
Übererregbarkeit, Ataxie oder zerebrale Krampfanfälle auftreten. (13)
3.3.3 Hypokaliämie
Unter einer Plasmakaliumkonzentration von 3,5 mmol/l spricht man von einer
Hypokaliämie.
Ursachen hierfür könnten neben der verminderten Kaliumzufuhr auch
Verteilungsstörungen, wie etwa bei metabolischer Alkalose, sein. Des Weiteren spielen
gastrointestinale Kaliumverluste eine große Rolle. Bei Diarrhoe oder Laxantientherapie
kommt es zum direkten K+-Verlust, Erbrechen wiederum führt zu einer metabolischen
Alkalose und somit zum indirekten K+-Verlust.
Eine weitere Ursache ist der renale Kaliumverlust wie beim primären
Hyperaldosteronismus oder unter Diuretikatherapie, wobei hier die verminderte tubuläre
Natriumresorption zu vermehrter Urin-, sowie Kaliumausscheidung führt.
Milde Hypokaliämien verlaufen eher symptomlos, selten kommt es zu Müdigkeit,
Muskelkrämpfen und EKG-Veränderungen. (13)
3.3.4 Hyperkaliämie
Ab einer Plasmakaliumkonzentration > 5,0 mmol/l spricht man von einer Hyperkaliämie.
Als Ätiopathogenese kommen hier folgende Faktoren in Betracht:
vermehrte orale oder venöse K+-Zufuhr
verminderte K+-Ausscheidung, beispielsweise durch Medikamente, wie
kaliumsparende Diuretika, Ciclosporin, Heparin, ACE-Hemmer, oder
auch bei Niereninsuffizienz und Hypoaldosteronismus
Verteilungsstörungen, z.B. durch Medikamente wie ß-Blocker,
Digitalisintoxikation oder Succinylcholin, aber auch durch Azidosen
oder Insulinmangel. (15)
12
Die Klinik besteht, ähnlich wie bei der Hypokaliämie, aus muskulären, neurologischen und
kardialen Symptomen mit Muskelschwäche, Paralysen und Herzrhythmusstörungen. (13)
(15)
3.3.5 Hypokalzämie
Bei der Hypokalzämie beträgt die Plasmakalziumkonzentration weniger als 2,2 mmol/l,
wobei sowohl das proteingebundene als auch das ionisierte Kalzium betroffen sein kann.
Ersteres kann bei Hypoalbuminämie durch nephrotisches Syndrom oder auch bei
Malnutrition entstehen, zweiteres eher durch Nebenschilddrüsenunterfunktion und
Vitamin-D-Mangel.
Hauptsymptom ist die verstärkte Erregbarkeit des kompletten Nervensystems was
Krampfanfälle, Spasmen und Parästhesien nach sich ziehen kann. Dies tritt aber auch eher
bei ausgeprägten Hypokalzämien auf, chronische und milde Formen verlaufen meist
symptomlos. (13) (15)
3.3.6 Hyperkalzämie
Die Ursachen von über 80% der Hyperkalzämien, welche definitionsgemäß eine
Plasmakalziumkonzentration von mehr als 2,65 mmol/l aufweisen, sind auf Malignome mit
osteoklastischen Metastasen und Nebenschilddrüsenüberfunktion zurückzuführen. Seltener
kommen unter anderem Immobilisation bei Osteoporose, Sarkoidose und schwere
Frakturen in Frage.
Als Folge kann die Niere mit Polyurie und Polydipsie, wie auch das Nervensystem mit
Kopfschmerzen, Psychosen und Koma betroffen sein. Zudem kommt es zu gastro-
intestinalen Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen und Gewichtsabnahme sowie zu
Knochenschmerzen und Herzrhythmusstörungen. (13) (15)
13
3.3.7 Hypomagnesiämie
Von einer Hypomagnesiämie spricht man, wenn die Plasmamagnesiumkonzentration
weniger als 0,7 mmol/l beträgt. Sie kann einerseits durch eine verminderte Zufuhr bei
Malnutrition oder Alkoholismus, andererseits auch durch renale oder intestinale
Magnesiumverluste bedingt sein. Renale Verluste können eine Hyperthyreose,
Diuretikatherapie oder Diabetes mellitus als Ursache haben, intestinale entstehen unter
anderem durch das Malabsorptionssyndrom, Diarrhoe oder Enteritiden.
Meist kommt es ab Plasmamagnesiumwerten von unter 0,5 mmol/l zu Schwindel, Tetanie
und Depression, zusätzlich können kardiale Symptome mit Arrhythmien und
Herzinsuffizienz auftreten. (13)
3.3.8 Hypermagnesiämie
Eine Hypermagnesiämie liegt eigentlich ab einem Serum-Magnesiumspiegel über 1
mmol/l vor, sie wird allerdings erst ab einer Konzentration von über 1,6 mmol/l klinisch
relevant.
Bei akuter und chronischer Niereninsuffizienz, bei Magnesiumsubstitution wie auch bei
Hypothyreose und Morbus Addison findet man erhöhte Magnesiumwerte.
Bei Werten > 2 mmol/l wird das Reizleitungssystem des Herzens sowie die
Erregungsübertragung an der neuromuskulären Endplatte blockiert, was Hypotonie,
Hyporeflexie, Übelkeit, Erbrechen, Obstipation und schlaffe Lähmungen nach sich zieht.
Steigt der Spiegel auf über 3,5 mmol/l an kommt es zur respiratorischen Insuffizienz, noch
höhere Werte können sogar zur Atemlähmung und zum diastolischen Herzstillstand
führen. (13) (15)
14
4 Spezieller Teil
Nachdem die Grundlagen bezüglich der Niere und des Elektrolythaushaltes behandelt
wurden, soll nun im speziellen Teil die Arzneimittelgruppe der Diuretika mit ihren
positiven und negativen Wirkungen besprochen werden.
4.1 Diuretika als Medikamentengruppe
Zunächst wird auf die Medikamentengruppe der Diuretika allgemein eingegangen und ihre
einzelnen Substanzen dargestellt.
4.1.1 Allgemeines und Historie
Die gesteigerte Harnausscheidung ist das Wirkprinzip aller Diuretika. Wird nur die
Wasserausscheidung erhöht, spricht man von Aquaretika, wie beispielsweise ADH.
Kommt es neben der vermehrten Wasser- zusätzlich zu einer erhöhten
Natriumausscheidung, spricht man von Saluretika oder auch natriuretischen Diuretika. (16)
(17) Diese Hemmung der tubulären Na+-Rückresorption ist der Wirkmechanismus der
meisten Diuretika.
Mannitol und Sorbitol sind Osmodiuretika, welche intravasal Wasser binden. Da sie nach
der glomerulären Filtration nicht rückresorbiert werden, halten sie das Wasser im
Tubuluslumen und steigern so die Harnausscheidung. (16)
Viele glückliche Zufälle prägen die Entdeckungsgeschichte der Diuretika. Coffein stellt
den ersten Vertreter mit wissenschaftlich nachgewiesener diuretischer Wirkung dar. 1884
erhielten die Pflanzeninhaltsstoffe den Namen ‚Purine‘, wobei schon lange vorher die
Wirkung von coffeinhaltigen Zubereitungen von Pflanzen bekannt waren.
Bereits 1887 wurde der zufällig entdeckte ‚diuretische Effekt‘ von dem Pharmakologen
Woldemar von Schroeder in Tierversuchen belegt.
Abgelöst wurden die Purine als Diuretika wiederum durch eine zufällige Entdeckung. Im
Rahmen einer Syphilistherapie mit Quecksilberverbindungen konnte eine urintreibende
Wirkung beobachtet werden. Nach einigen Forschungen gelang 1920 der wissenschaftliche
15
Nachweis des diuretischen Effektes von chemisch komplexeren Quecksilberverbindungen.
In den folgenden 30 Jahren spielten diese Medikamente in der Diuretikatherapie eine große
Rolle, wobei sie bei Daueranwendung viele Nachteile aufwiesen.
So entstanden die ersten rein synthetisch gewonnenen Diuretika, die quecksilberfreien
Sulfonamide. Auch diese wurden per Zufall während der Behandlung einer anderen
Krankheit beobachtet. Der Grund für den bahnbrechenden Erfolg war neben der höheren
Potenz und der geringeren Toxizität der zusätzliche Einsatz bei Herzinsuffizienz,
Hypertonie und zur Ödemausschwemmung.
1950 kam Acetazolamid als erstes peroral applizierbares, sulfonamidhaltiges Diuretikum in
den Handel. Die vielen Nebenwirkungen und die zu geringe NaCl-Ausscheidung forderten
allerdings weitere Forschungen in der Gruppe der Carboanhydrasehemmer.
1957 wurde von Novello und Sprague Chlorothiazid gefunden, welches nun eine Salurese
bewirkte. Ein Thiazid mit deutlich verbesserten pharmakokinetischen Eigenschaften wurde
mit dem Hydrochlorothiazid synthetisiert, das ab dem Jahr 1959 dem Markt zur Verfügung
stand.
Im gleichen Jahr kam es, während den Bestrebungen effektivere Thiazide zu
synthetisieren, erneut zur zufälligen Entdeckung einer Substanz, welche allerdings einen
völlig anderen Wirkmechanismus aufwies. Den Forschenden wurde klar, dass sie ein viel
potenteres Diuretikum hergestellt hatten, welches nicht wie die Thiazide am frühdistalen
Tubulus angreift, sondern an der Henle-Schleife.
Auch innerhalb der bis heute unentbehrlichen Saluretika, den Schleifendiuretika, gab es
weitere Fortschritte. Neben der ursprünglichen Substanz Furosemid weist das Piretanid
eine bessere und zuverlässigere Resorbierbarkeit und das Torasemid eine längere
Halbwertszeit und somit längere Wirkzeit auf.
Alle oben beschriebenen Substanzen hatten trotz der Erfolge das gemeinsame Problem der
hohen Kaliumverluste. Daraufhin wurden die kaliumretinierenden Diuretika, wie
Spironolacton, welches Aldosteron von dessen renalem Rezeptor verdrängt, sowie
Triamteren und Amilorid als Natriumkanalblocker, entwickelt. Letztere werden heute fast
ausschließlich in Kombination mit Sulfonamiddiuretika eingesetzt. (18)
16
4.1.2 Einteilung
Die Arzneimittelgruppe der Diuretika umfasst also viele Substanzen, welche nach
verschiedenen Kriterien eingeteilt werden können. Abbildung 5 zeigt die Einteilung nach
ihrem Angriffspunkt am Tubulussystem bzw. ihrem Wirkmechanismus:
Osmodiuretika
Carboanhydrasehemmer
Thiaziddiuretika
Schleifendiuretika
Kaliumretinierende Diuretika und Aldosteronantagonisten (6)
Abbildung 5: Angriffsorte der Diuretika (16)
Je weiter proximal Diuretika angreifen, desto wirksamer sollten sie sein, da über 2/3 des
Glomerulumfiltrats im proximalen Tubulus, weniger als 1/4 im Bereich der Henle-Schleife
und der Rest aufgeteilt im distalen Tubulus sowie im Sammelrohr resorbiert wird. Die
proximal verminderte Natriumaufnahme kann allerdings weiter distal durch verstärkte
17
Resorption kompensiert werden, sodass sich die Carboanhydrasehemmer klinisch nicht
durchsetzen konnten. Sie wirken aber gut in Kombination mit anderen weiter distal
wirkenden Diuretika, vor allem bei der diuretikabedingten Alkalose. (4)
Betrachtet man den maximalen diuretischen Effekt kann zusätzlich zwischen folgenden
Gruppen unterschieden werden:
„low-ceiling“- Diuretika (Thiaziddiuretika, Aldosteronantagonisten und
kaliumretinierende Diuretika): Sie sind potenter, wirken aber langsamer und
schwächer als Schleifendiuretika
„high-ceiling“- Diuretika (Schleifendiuretika): Die Wirkung steigt nahezu
proportional zur applizierten Dosis an. Sie wirken schneller und der maximal
diuretische Effekt ist 2-3fach stärker als beispielsweise bei Thiaziden (16) (19)
Abbildung 6 zeigt exemplarisch die Dosis-Wirkungs-Beziehung von „high“- und „low-
ceiling“- Diuretika. (19)
Abbildung 6: Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen Dosis und diuretischem Effekt (19)
18
4.1.2.1 Osmodiuretika
Vertreter der Osmodiuretika sind die mehrwertigen ‚Zuckeralkohole‘ Mannitol und
Sorbitol, welche zu einer stark erhöhten Wasserausscheidung führen. Einerseits können sie
Wasser intravasal binden. Da sie glomerulär filtriert, aber nicht wieder rückresorbiert
werden, steigt andererseits ihre Konzentration im Tubulus zusätzlich an, wodurch der
osmotische Druck weiter erhöht und noch mehr Wasser gebunden wird.
Des Weiteren kommt es durch die Steigerung der Nierendurchblutung zu einem
Auswascheffekt, wodurch der osmotische Gradient zwischen dem Tubuluslumen und dem
Interstitium abnimmt und in weiterer Folge die Wasserresorption vermindert wird.
Da somit mehr Wasser als Natrium ausgeschieden wird, entsteht eine Hypernatriämie.
Folglich können die Zuckeralkohole nicht zur Ausschwemmung peripherer Ödeme
eingesetzt werden. (20) (21)
Dahingegen finden sie wegen ihrer schnell einsetzenden starken Wirkung ihre Anwendung
in der Akuttherapie, z.B. von Hirnödemen oder auch zur Augeninnendrucksenkung bei
einem Glaukomanfall. Sie können weder die Bluthirnschranke noch die Kapillaren des
Auges passieren und führen so durch die intravasale Bindung von Wasser zur Senkung des
Hirn- bzw. Augendruckes. Nach 48 Stunden kann es allerdings zu Störungen der
Bluthirnschranke kommen, sodass Osmodiuretika nach dieser Zeit nicht mehr appliziert
werden dürfen. Mannitol und Sorbitol könnten so ins Gewebe diffundieren und zu einer
Flüssigkeitsanreicherung im Hirngewebe führen.
Darüber hinaus können sie auch bei Oligurie zur Erhöhung des Harnflusses oder
zusammen mit Furosemid, einem Schleifendiuretikum, zur verstärkten Diurese bei
Vergiftungen eingesetzt werden. (20) (21)
Aufgrund ihrer Volumenverschiebungen dürfen Osmodiuretika weder bei einem akuten
Lungenödem, noch bei Dehydratation oder bei Herzinsuffizienz eingesetzt werden. Auch
bei Anurie sind sie kontraindiziert, da sie durch die ausbleibende renale Elimination zur
vermehrten Flüssigkeitsansammlung führen. (20) (21)
19
4.1.2.2 Carboanhydrasehemmer
Die Carboanhydrasehemmer gelten als Vorreiter der heute verwendeten Diuretika. (18)
Neben dem Acetazolamid gehört Dorzolamid oder auch Diclofenamid zu dieser Gruppe.
Wie Abbildung 7 zeigt, ist Acetazolamid ein aromatisches Sulfonamid, welches durch
metabolische Azidose allerdings rasch an Wirkung verliert und somit kaum noch
Bedeutung als Diuretikum hat. (6)
Abbildung 7: Strukturformel von Acetazolamid (22)
Prinzipiell wirken diese Diuretika auf die Carboanhydrase im proximalen Tubulus. Wie
Abbildung 8 zeigt, kommt es durch die Hemmung der Carboanhydrase zu einer
verminderten Bildung von H2CO3 in der Tubuluszelle. Folglich stehen auch weniger H+-
Ionen zum Austausch gegen Na+-Ionen zur Verfügung, wodurch Natrium zusammen mit
Wasser weniger resorbiert und vermehrt ausgeschieden wird.
Die nun im Tubuluslumen fehlenden H+-Ionen führen zur verminderten Bildung von
Kohlensäure mit Bicarbonat. Zusätzlich kann das vorhandene H2CO3 aufgrund der
Hemmung der Carboanhydrase nicht in H2O und CO2 gespalten werden, weswegen auch
Bicarbonat vermehrt ausgeschieden wird. (6) (20)
Abbildung 8: Wirkmechanismus der Carboanhydrase im proximalen Tubulus (17)
20
Neben der Natrium- und Hydrogencarbonatausscheidung kommt es außerdem zum
vermehrten Kaliumverlust, da aufgrund von Gegenregulationen im distalen Tubulus Na+
gegen K+ ausgetauscht und die Na
+-Resorption somit in diesem Abschnitt gesteigert wird.
Zum Ladungsausgleich zu HCO3- führt die geringere Chloridausscheidung. Aufgrund
dieser Kompensationsmechanismen gelten Carboanhydrasehemmer als schwache
Diuretika, da nur circa 5-8% des Glomerulumfiltrats ausgeschieden werden (vgl. Tabelle
3). Außerdem nimmt die glomeruläre Filtrationsrate ab. (6) (20)
Acetazolamid wird sowohl bei der akuten Pankreatitis, bei Makulaödemen oder auch beim
Glaukom eingesetzt, da die Bildung von Pankreassaft und Kammerwasser vermindert wird.
Die Höhenkrankheit führt über eine Hyperventilation zur respiratorischen Alkalose. Ihr
kann mit einem Carboanhydrasehemmer entgegengewirkt werden.
Des Weiteren birgt die durch Carboanhydrasehemmer induzierte azidotische
Stoffwechsellage eine geringere Gefahr eines Krampfes bei Epilepsie. Auch bei
Vergiftungen mit Barbituraten oder Salicylaten kommt die Therapie mit Acetazolamid zum
Einsatz. (6) (20)
Die metabolische Azidose sowie die Hypokaliämie stellen die wichtigsten Neben-
wirkungen dar. Außerdem kann es unter anderem zu Leistungsabfall, Parästhesien,
Depressionen und Leberfunktionsstörungen kommen. (6) (20)
Bei schwerem Natrium- und Kaliummangel wie auch bei Hypovolämie sind Carbo-
anhydrasehemmer kontraindiziert. Weiters dürfen sie unter anderem bei Leberzirrhose,
respiratorischer Insuffizienz sowie schwerer Leber- und Niereninsuffizienz nicht eingesetzt
werden. (6)
4.1.2.3 Schleifendiuretika
Folgt man dem Tubulussystem weiter nach distal, gelangt man zu dem Angriffsort der
Schleifendiuretika, der Henle-Schleife. Der prominenteste Vertreter der Schleifendiuretika
ist Furosemid. Daneben gibt es noch Torasemid und Piretanid, welche beide vom
Furosemid-Typ sind, und Etacrynsäure. Letztere hat allerdings wegen der unerwünschten
Wirkungen, wie Hörschäden, an Bedeutung verloren.
21
Wie Abbildung 9 zeigt, gehört der Furosemid-Typ auch der Gruppe der Sulfonamide an.
(6)
Abbildung 9: Strukturformel von Furosemid (22)
Die Funktion der Schleifendiuretika ist die Hemmung des Na+-K
+-2Cl
- -Symporters (siehe
Abbildung 10). Dadurch verbleiben diese Elektrolyte im Tubuluslumen und werden
ausgeschieden. Weiters wird auch die Mg2+
- und Ca2+
- Ausscheidung gefördert. Mit der
verminderten Resorption von Natrium wird zudem weniger Wasser in die Tubuluszelle
rückresorbiert und somit die Diurese gesteigert. (20)
Abbildung 10: Wirkmechanismus der Schleifendiuretika im aufsteigenden Schenkel der Henle-Schleife (17)
Neben der Hemmung des Cotransporters wird außerdem die Niere verstärkt durchblutet.
Durch die Erweiterung der Vasa afferentia über PGE2 und die Verengung der Vasa
efferentia über Angiotensin II steigt der glomeruläre Filtrationsdruck, was letztendlich in
der vermehrten Bildung von Primärharn resultiert. (6) (21)
So können 30-40% des Glomerulumfiltrats ausgeschieden werden (vgl. Tabelle 3).
Schleifendiuretika sind die am stärksten wirksamen Diuretika und sind auch bei
eingeschränkter Nierenfunktion noch wirksam. Sie gehören zu den „high-ceiling“-
Diuretika, d.h. wenn ihre Dosis erhöht wird, kommt es zu einer Wirkungsverstärkung, da
die Dosis-Wirkungs-Beziehung über einen weiten Bereich nahezu linear verläuft. (6) (20)
22
Aufgrund der sehr schnellen und starken Wirkung werden die Schleifendiuretika vor allem
zur Akuttherapie wie beim Lungenödem, Hirnödem oder auch bei Vergiftungen eingesetzt.
Des Weiteren dienen sie der Behandlung von Hypertonie, Hyperkaliämie und
Hyperkalzämie. Kardiale Ödeme lassen sich mit Schleifendiuretika genauso gut behandeln
wie die drohende Anurie bei Niereninsuffizienz. Bei chronischen Ödemen kommen sie erst
zur Anwendung, wenn die Thiaziddiuretika versagen, da Schleifendiuretika stärker
ausgeprägte unerwünschte Wirkungen haben. (6) (20)
Zu diesen zählen Exsikkose und Hypovolämie mit der Gefahr einer Thrombose oder eines
Kreislaufkollaps sowie reversible Hörschäden bei Furosemid- und irreversible Hörschäden
bei Etancrynsäureanwendung. Zudem kann es zu Hypokaliämien kommen, sodass die
Gefahr für die Entstehung von Herzrhythmusstörungen erhöht wird. Weiters steigt die
Gefahr eines Gichtanfalls durch die Hemmung der Harnsäureausscheidung, die
Glukosetoleranz verschlechtert sich und es entsteht eine erhöhte Neigung zu
Hyperglykämien. Weiters können Magen-Darm-Beschwerden, wie Durchfall, Übelkeit und
Erbrechen auftreten. (6) (20)
Bei Anurie, schweren Elektrolytmangelzuständen und schwerer Leberinsuffizienz sind
Schleifendiuretika kontraindiziert. Auch bei Sulfonamidallergie, Gicht, im Präkoma und
im Coma hepaticum sollten sie nicht angewendet werden. (6) (20)
4.1.2.4 Thiaziddiuretika
Die folgende Diuretikagruppe die besprochen werden soll, ist die der Thiazide. Sie sind
genau wie die Schleifendiuretika, auch Sulfonamidderivate. Die typischen Vertreter sind
Hydrochlorothiazid und Bemetezid sowie die Thiazidanaloga Xipamid, Indapamid und
Chlortalidon, welches folgende Struktur hat (6) (20):
Abbildung 11: Strukturformel von Chlortalidon (22)
23
Durch die Hemmung des Na+/Cl
--Symporters (siehe Abbildung 12) am frühdistalen
Tubulus führen die Thiaziddiuretika zu einer verminderten Natrium- und somit auch zu
einer geringeren Wasserresorption an der luminalen Seite der Tubuluszelle, die Diurese
wird folglich gesteigert. Zusätzlich kommt es durch die Sympoterfunktion zu einer
geringeren Resorption und somit zur erhöhten Ausscheidung von Chlorid. Da nun die
Natriumkonzentration im distalen Tubulus hoch ist, wird hier Na+ im Austausch gegen K
+
verstärkt resorbiert. Dadurch kommt es im Endeffekt zu einer erhöhten
Kaliumausscheidung. Aufgrund der geringen Hemmung der Carboanhydrase am
proximalen Tubulus führen Thiazide auch zu einer gesteigerten HCO3--Ausscheidung.
Zusätzlich wird Magnesium vermehrt und Kalzium, im Gegensatz zu den
Schleifendiuretika, vermindert ausgeschieden, weswegen sie bei Hyperkalzämie zur
Anwendung gebracht werden. (20)
Abbildung 12: Wirkmechanismus der Thiazide im frühdistalen Tubulus (17)
Thiazide und ihre Analoga werden aus dem Darm sehr gut resorbiert, woraus eine hohe
Bioverfügbarkeit resultiert. Bei Chlortalidon beträgt sie 65%, bei Hydrochlorothiazid 70%
und bei Indapamid sogar 95%. Die Wirkung tritt im Vergleich zu den Schleifendiuretika
langsamer ein und hält aufgrund der längeren Halbwertszeit (sie liegt zwischen 7 und 24
Stunden bzw. bei Chlortalidon sogar bei 44 Stunden) länger an. (6)
Da sie mit der Ausscheidung von 10-15% des glomerulären Filtrats aber eine eher
moderate diuretische Wirkung haben eignen sie sich vor allem zur schonenden
Ausschwemmung von chronischen Ödemen, besonders bei Herzinsuffizienz mit normaler
Nierenfunktion (vgl. Tabelle 3).
Neben dem diuretischen Effekt spielt der direkte vasodilatatorische Einfluss eine große
Rolle, sodass Thiaziddiuretika in der Therapie der Hypertonie die Pharmaka der ersten
Wahl darstellen. (6) (20) (21)
24
Sie gehören außerdem der Gruppe der „low-ceiling“-Diuretika an, d.h. dass ihre Wirkung
ab einer gewissen Dosis durch eine Steigerung dessen nicht mehr zunimmt. Ihre Dosis-
Wirkungskurve flacht also rasch wieder ab. (6)
Ihr diuretischer Effekt ist zudem durch die negative Beeinflussung der glomerulären
Filtrationsrate limitiert, wodurch die saluretische Wirkung vermindert, die antihypertensive
Wirkung jedoch aufrechterhalten wird. (20)
Neben dem Einsatz zur Therapie der Hypertonie und von chronischen Ödemen, sowohl
kardialer, hepatischer oder renaler Natur, können die Thiazide bei Diabetes insipidus
eingesetzt werden. Hier kommt es paradoxerweise durch den Einsatz von Diuretika zur
Resorption von Na+ und H2O im proximalen Tubulus und somit zur Abnahme der
Harnmenge. (6)
Als Nebenwirkung steht hier, wie bei allen Diuretika, die Hypovolämie und –kaliämie mit
ihren oben beschriebenen Folgen an erster Stelle. (20) Im Prinzip haben Thiazid- und
Schleifendiuretika ähnliche unerwünschte Wirkungen und Kontraindikationen (siehe
4.1.2.3 Schleifendiuretika).
Als Unterschied kann jedoch festgehalten werden, dass Thiazide wahrscheinlich häufiger
zu Hypokaliämien neigen als Schleifendiuretika und dass sie deswegen oft in Kombination
mit kaliumretinierenden Diuretika angeboten werden. Zusätzlich stellen Schwangerschaft
und Stillzeit sowie die Hyperkalzämie eine Kontraindikation für Thiazide dar. Die
Wirkung auf den Lipidstoffwechsel ist vermutlich gravierender, sprich LDL wird
zusätzlich erhöht und HDL vermindert. Desweiteren kommt es zur Verstärkung der
Hyperglykämien und Antidiabetika-Resistenzen. Mit Hörschäden ist bei der Anwendung
von Thiaziden im Gegensatz zu Schleifendiuretika jedoch nicht zu rechnen. (21)
4.1.2.5 Kaliumretinierende Diuretika
Wie der Name bereits vermuten lässt, handelt es sich bei dieser Gruppe um Diuretika,
welche im Gegensatz zu allen anderen Substanzen die Kaliumausscheidung senken und
somit anstatt einer Hypo- eine Hyperkaliämie bewirken. Bezüglich des Wirkmechanismus
kann man zwischen zwei Gruppen unterscheiden. Wie Abbildung 13 zeigt, gibt es
Aldosteronrezeptorantagonisten (z.B. Spironolacton), welche die Wirkung von Aldosteron
25
im spätdistalen Tubulus und im Sammelrohr hemmen, sowie Triamteren und Amilorid,
welche unabhängig von Aldosteron an gleicher Stelle die Natriumkanäle hemmen. (20)
Abbildung 13: Wirkmechanismus von Spironolacton, Amilorid und Triamteren im spätdistalen Tubulus und
im Sammelrohr (17)
4.1.2.5.1 Aldosteronrezeptorantagonisten
Zunächst soll auf die Aldosteronrezeptorantagonisten eingegangen werden, zu dessen
Vertretern Spironolacton, Eplerenon und auch Kaliumcanrenoat zählen.
Um die Wirkungsweise besser verstehen zu können, wird eingangs die Funktion von
Aldosteron erörtert.
Aldosteron ist ein in der Nebennierenrinde gebildetes Steroidhormon, das im spätdistalen
Tubulus und im Sammelrohr an nukleäre Mineralkortikoidrezeptoren bindet. Um die
Synthese von aldosteroninduzierten Proteinen, wie unter anderem Natriumkanäle, Na+/K
+-
ATPasen oder auch Na+/H
+-Antiporter, zu steigern, dringt es mit seinem Rezeptor in den
Zellkern ein. So kommt es schließlich zu einer vermehrten Na+-Resorption und H
+- und
K+-Sekretion.
Erfolgt nun eine Blockierung dieses Rezeptors durch z.B. Spironolacton führt dies zu einer
verminderten Synthese der oben genannten aldosteroninduzierten Proteine. Dadurch wird
weniger Natrium (und auch Wasser) resorbiert und folglich mehr Kalium zum
Ladungsausgleich retiniert. (20)
26
Die Wirkstärke von Aldosteronrezeptorantagonisten ist mit 2-4% des Glomerulumfiltrats
allerdings sehr gering (vgl. Tabelle 3). Da ihre Wirkung außerdem verzögert einsetzt,
werden sie häufig mit anderen schneller wirksamen Diuretika, wie Furosemid oder
Hydrochlorothiazid, kombiniert. Des Weiteren wirken sie nur, wenn Aldosteron vorhanden
ist, sprich bei Hyperaldosteronismus erreichen sie ihre maximale Wirkung, während sie bei
Aldosteronmangel keine Wirkung zeigen. (6) (20)
Spironolacton und Eplerenon sind Derivate des Aldosterons. In Abbildung 14 wird die
Ähnlichkeit der Strukturformeln ersichtlich, wobei Eplerenon eine zusätzliche
Epoxidgruppe (roter Kreis) aufweist. Dadurch wirkt es spezifischer an den
Mineralkortikoidrezeptoren und weist somit im Vergleich zu Spironolacton weniger
unerwünschte Wirkungen auf. (20) (22)
Abbildung 14: Strukturformeln von Aldosteron, Spironolacton und Eplerenon (22)
Prinzipiell werden Aldosteronrezeptorantagonisten nach oraler Gabe gut resorbiert und
entfalten ihre Wirkung nach circa zwei bis drei Tagen. Spironolacton und Kaliumcanrenoat
werden zum aktiven Metaboliten Canrenon metabolisiert. Kaliumcanrenoat ist der einzige
Aldosteronrezeptorantagonist der i.v. angewendet werden kann, wobei hierfür
nachgewiesen werden konnte, dass bei der Metabolisierung kanzerogene Epoxide
entstehen und dieses Präparat somit selten verwendet wird. (6) (20)
27
Zur Anwendung kommen die Aldosteronrezeptorantagonisten beim primären
Hyperaldosteronismus, dem Conn-Syndrom. Auch beim sekundären Hyperaldosteronismus
mit Ödemen und/oder Aszites bei Leberinsuffizienz spielen sie eine große Rolle. (6) (20)
Eplerenon ist zusätzlich als Arzneimittel zur Therapie der chronischen systolischen
Herzinsuffizienz ab dem Stadium NYHA II zugelassen. Der Mechanismus für
Spironolacton ist noch nicht sicher bekannt, weswegen es für diese Indikation noch nicht
zugelassen wurde. Da es die Mortalität bei Herzinsuffizienz aber erheblich reduzierte,
wurde es in die kombinierte Pharmakotherapie aufgenommen. (6) (21)
Bei den unerwünschten Wirkungen steht die Hyperkaliämie im Vordergrund. Durch die
Interaktion mit anderen intrazellulären Steroidrezeptoren kann es vor allem bei
Spironolacton zur Impotenz und Gynäkomastie beim Mann sowie zum Hirsutismus und
zur Amenorrhoe bei der Frau führen. Bei Eplerenon sind diese hormonellen
Nebenwirkungen weniger stark ausgeprägt, dafür kann es neben der Hyperkaliämie zu
Hypotonie, Übelkeit und Durchfall kommen. (6) (20)
Kontraindiziert ist diese Gruppe der Diuretika für Mütter und Kinder, bei Hyperkaliämie
und schwerer Niereninsuffizienz. Außerdem sollte es nicht in Kombination mit weiteren
kaliumsparenden Diuretika gegeben werden. (20) (21)
4.1.2.5.2 Amilorid und Triamteren
Abbildung 15: Strukturformeln von Amilorid und Triamteren (19)
Abbildung 15 zeigt die beiden Wirkstoffe Amilorid und Triamteren. Sie sind synthetische
Verbindungen die den Natriumkanal auf der luminalen Seite der Tubuluszelle im distalen
Tubulus und im Sammelrohr hemmen (vgl. Abbildung 13). Das dadurch weniger
resorbierte Natrium fehlt schließlich auf der interstitiellen Seite der Tubuluszelle zum
28
Austausch gegen Kalium, wodurch eine geringere Menge an Kalium auf der luminalen
Seite abgegeben werden kann. (6) (21)
Amilorid und Triamteren haben die gleiche geringe Wirkstärke wie die
Aldosteronrezeptorantagonisten mit 2-4% des Glomerulumfiltrats (vgl. Tabelle 3). Als
Monotherapie haben sie demnach keine Bedeutung. Im Gegensatz dazu sind sie ein
wichtiger Bestandteil der Kombinationstherapie mit Thiazid- oder Schleifendiuretika zur
Prophylaxe einer Hypokaliämie. Ihre Wirkung tritt allerdings bereits nach ungefähr zwei
Stunden ein und erreicht ihr Maximum nach circa fünf Stunden. (6) (20)
Die Nebenwirkungen sind denen der Aldosteronrezeptorantagonisten wiederum sehr
ähnlich. Die Hyperkaliämie steht vor Durchfall, Übelkeit und Erbrechen an erster Stelle.
Weiters können Exantheme und Wadenkrämpfe auftreten. (6) (20)
Die Anwendung von Triamteren führt zur Hemmung der Folsäuresynthese, weswegen es
bei Folsäuremangel nicht angewendet werden darf. (6) (21)
Als weitere Kontraindikation gilt die Kombination mit Aldosteronrezeptorantagonisten und
ACE-Hemmern sowie die Anwendung bei Niereninsuffizienz, da infolgedessen die Gefahr
der Hyperkaliämie steigt. (20)
Nachdem die einzelnen Diuretikagruppen mit ihrer spezifischen Wirkung beschrieben
worden sind, soll Tabelle 3 nochmals einen Überblick über die Pharmakokinetik der
einzelnen Diuretika und über die Salurese der wichtigsten Ionen bieten. (6)
Tabelle 3: Pharmakokinetik der Diuretika und Salurese wichtiger Ionen (↑ Ausscheidung erhöht, ↓
Ausscheidung erniedrigt) (6)
29
4.2 Meriten und Gefahren der Diuretika in der praktischen
Anwendung
Diuretika werden bereits seit langer Zeit erfolgreich zur Behandlung der verschiedensten
Krankheiten eingesetzt. (4) (18)
Welchen Nutzen, aber auch welche Gefahren die Anwendung der einzelnen Diuretika
bringen können soll im Folgenden erörtert werden.
4.2.1 Diuretikaanwendung bei internistischen Krankheiten
Die arterielle Hypertonie, die Herzinsuffizienz, aber auch die Leberzirrhose mit Aszites
und das Nephrotische Syndrom stellen Beispiele für die Anwendung von Diuretika dar.
Die Vor- und Nachteile dieser Therapie werden nun anhand einzelner internistischen
Erkrankungen aufgezeigt. (4)
4.2.1.1 Arterielle Hypertonie
Die arterielle Hypertonie ist zum einen eine der häufigsten Erkrankungen weltweit, zum
anderen auch der wichtigste kardiovaskuläre Risikofaktor, der weltweit für viele
Todesfälle verantwortlich ist. (3)
Ab Blutdruckwerten von über 140/90 mmHg spricht man von einer arteriellen Hypertonie,
welche mit einem individuell angepassten Behandlungsschema therapiert werden sollte.
(23)
Zu den Allgemeinmaßnahmen, welche bei jeder Hypertonietherapie die Basis darstellen,
gehört neben der Behandlung bzw. Beseitigung der Risikofaktoren die Normalisierung des
Gewichts, mediterrane Kost und eine ausgewogene, salz- und cholesterinarme Ernährung.
Als regelmäßige sportliche Bewegung wird dynamisches Ausdauertraining, wie z.B.
Walken oder Schwimmen empfohlen. Bereits durch diese leicht umsetzbaren Lifestyle-
Modifikationen kann der Blutdruck und damit das kardiovaskuläre Risiko signifikant
vermindert werden.
30
Ist die alleinige Basistherapie nicht ausreichend, bzw. ist der Blutdruck ≥180/110 mmHg
so wird eine medikamentöse Therapie empfohlen. Zu den Medikamenten der ersten Wahl
zählen Thiazide, Angiotensin-Rezeptorblocker, die meisten Betablocker, ACE-Hemmer
und langwirksame Kalziumantagonisten. (3) (24) (25) Für diese Substanzklassen gilt die
Senkung der kardiovaskulären Mortalität und Morbidität als bewiesen. (23) (24) (25)
Nach den europäischen Richtlinien sollte die medikamentöse Monotherapie nur bei
Patienten/Patientinnen mit geringem kardiovaskulären Risiko bei milder Hypertonie
eingeleitet werden. (3) Da bei unzureichendem Erfolg ein weiteres Antihypertensivum
hinzugefügt werden kann, spricht man von der sogenannten Stufentherapie.
Als weitere Strategie steht die primäre Kombinationstherapie zur Verfügung, wobei hier
ein Diuretikum zusammen mit einem Betablocker oder ein Diuretikum mit einem ACE-
Hemmer bevorzugt wird (vgl. Abbildung 16). (24) (25) Laut den kürzlich erschienenen
amerikanischen Richtlinien kann, unabhängig des Schweregrades der Hypertonie, frei
zwischen der Mono- und der Kombinationstherapie entschieden werden. (3)
Eine andere Möglichkeit zur Behandlung des Bluthochdrucks stellt die sequentielle
Monotherapie dar. Bei dieser Methode werden die einzelnen Antihypertensiva als
Monotherapie solange gegeneinander ausgetauscht, bis der gewünschte Effekt erreicht
wird. (25)
Abbildung 16: Empfohlene Antihypertensivakombinationen (25)
Welches Antihypertensivum nun eingesetzt, bzw. mit welchem anderen es am
wirkungsvollsten kombiniert werden kann, hängt von den Begleiterkrankungen ab, wobei
hier hauptsächlich auf die positiven und negativen Auswirkungen der
Diuretikakombinationen eingegangen wird.
31
Bei begleitender Herzinsuffizienz stellen Diuretika aufgrund der Vorlastsenkung ein
günstiges Arzneimittel dar. Herrscht eine schlechte Lipidstoffwechsellage, so kann der
Einsatz von Thiaziden zu einer weiteren Erhöhung der Triglyzeride sowie des VLDL
führen. Bei metabolischem Syndrom und Diabetes mellitus entsteht durch Diuretikagabe
zusätzlich eine Verminderung der Glukosetoleranz und ein Anstieg der Insulinresistenz.
Auch bei Gicht sind Diuretika aufgrund des Harnsäureanstiegs zu vermeiden. Wegen der
Gefahr der Hyperkaliämie sollten bei Niereninsuffizienz weder Aldosteronantagonisten,
noch kaliumsparende Diuretika eingesetzt werden. Schleifendiuretika sind bei dieser
Indikation, und auch bei Herzinsuffizienz mit Ödemen, allerdings sehr wirksam, auch
wenn die Thiazidtherapie nicht mehr anspricht. (23) (24) (25)
Prinzipiell sind die Nebenwirkungen von Thiaziddiuretika stark dosisabhängig, außerdem
wird trotz Dosissteigerung keine weitere Senkung des Blutdrucks erzielt. Demzufolge
werden sie in niedriger Dosierung angewendet, zumal in einer Metaanalyse aus 2003
gezeigt werden konnte, dass durch eine Dosishalbierung die Nebenwirkungen der
Antihypertensiva wesentlich gesenkt werden, während der blutdrucksenkende Effekt nur
um circa 20% vermindert wird. (3) (24)
4.2.1.2 Herzinsuffizienz
Eine über Jahre bestehende arterielle Hypertonie kann die Entstehung einer
Herzinsuffizienz nach sich ziehen. (23)
Sie ist definiert als das Unvermögen des Herzens die Peripherie, trotz eines ausreichenden
Füllungsdruckes und Blutangebotes, adäquat zu versorgen.
Anhand des Zeitraumes, in welchem sie entsteht, kann prinzipiell zwischen der akuten und
der chronischen Herzinsuffizienz unterschieden werden. Erstgenannte kann die Folge eines
kardiogenen Schocks oder auch eines Lungenödems sein. Die chronische Herzinsuffizienz
kann aufgrund bestimmter Auslöser akut dekompensieren, entsteht aber eher auf dem
Boden einer bereits bestehenden Koronarerkrankung. (26) Je nachdem welcher Ventrikel
betroffen ist, spricht man von einer Links-, oder Rechtsherzinsuffizienz. Sind beide
Ventrikel betroffen besteht eine Globalinsuffizienz. (27)
Grundsätzlich ist die Herzinsuffizienz in Europa und den USA der Hauptgrund der
Krankenhauseinweisungen und stellt folglich ein großes Gesundheitsproblem dar, welches
angemessen behandelt werden muss. (28)
32
Wie bei der arteriellen Hypertonie gelten auch bei der Behandlung der Herzinsuffizienz
einige Therapiegrundsätze. Neben der Reduktion von kardiovaskulären Risikofaktoren, der
Begrenzung der Kochsalzzufuhr und der Flüssigkeitsmenge, sollte das Gewicht
normalisiert und bei stabiler Herzinsuffizienz regelmäßige körperliche Bewegung
angestrebt werden. Im Gegensatz dazu gilt bei der akuten bzw. dekompensierten
Herzinsuffizienz Bettruhe. (25) (27) Auf Reisen und in der Freizeit sollte bei chronischer
Herzinsuffizienz allerdings die Flüssigkeitsaufnahme überwacht und an die Gegebenheiten
angepasst werden. Des Weiteren sollte der Alkoholkonsum eingeschränkt und das Rauchen
gestoppt werden. (29)
Als Therapieziele sind die Steigerung der Herzmuskelkontraktilität wie auch die Senkung
der Vor- und der Nachlast, welche entscheidend durch Diuretika beeinflusst werden, zu
nennen. (27) Da der Diuretikaeinsatz bekannterweise zu einem vermehrten Ausscheiden
von Flüssigkeit führt, wird das im Körper vorhandene Blutvolumen verringert. Daraus
resultiert nun eine Verminderung des venösen Blutrückflusses, des Ventrikel-
füllungsdruckes und der diastolischen Wandspannung, was wiederum den sogenannten
‚preload‘ reduziert. Weil zusätzlich der arterielle Blutdruck und folglich auch die
systolische Wandspannung abnimmt, wird auch der sogenannte ‚afterload‘ gesenkt.
Weiters werden interstitielle Ödeme ausgeschwemmt. (26)
Grundsätzlich wird bei der Behandlung der akuten Herzinsuffizienz ein anderes Vorgehen
gewählt, als bei der chronischen. Bei den ersten Anzeichen einer akuten Herzinsuffizienz
sollten initial Diuretika eingesetzt werden. (30) Wegen ihres starken diuretischen Effekts
und ihrer vasodilatatorischen Wirkung stehen hier die Schleifendiuretika, i.v. als Bolus mit
anschließender kontinuierlicher i.v.-Gabe, an erster Stelle. Führt diese Maßnahme nicht zu
einer Besserung der Symptomatik, können Nitrate oder Dobutamin dazu gegeben werden,
was effektiver als eine Dosissteigerung der Diuretika ist. (5) (25) Zudem steht der Einsatz
von hoch dosierten intravenösen Schleifendiuretika, im Gegensatz zu niedrig dosierten, im
Zusammenhang mit der Entstehung eines Nierenversagens sowie dem erhöhten Risiko der
Mortalität im Krankenhaus. (31)
Prinzipiell werden Diuretika bei jeder Herzinsuffizienz mit Flüssigkeitsstauung eingesetzt.
Liegen nur geringe Ödeme oder eine leichte Dyspnoe z.B. bei chronischer Herzinsuffizienz
vor, reicht oftmals die Gabe von Thiaziden. (5) (25)
Um eine Hypokaliämie zu vermeiden, sollten sie mit den schwach wirkenden kalium-
sparenden Diuretika oder ACE-Hemmern kombiniert werden. Hier muss allerdings auf den
gegenteiligen Effekt, die Hyperkaliämie, besonders geachtet werden. (5) (27) (32) Letztere
33
Kombination wirkt auch der Stimulation des RAAS und des Sympathikus entgegen, wobei
durch eine einschleichende Dosierung einem initialen Blutdruckabfall vorgebeugt werden
soll. (25) Die Thiazide werden vor allem zur langsamen Ödemausschwemmung verwendet
und können unter anderem, wie auch bei der Therapie der arteriellen Hypertonie, eine
Hämokonzentration, Thromboembolien, Hyperkalzämie und auch eine verminderte
Glukosetoleranz sowie eine Hyperlipidämie nach sich ziehen. (27)
Ist die Wirkung der Thiazide, bei beispielsweise Nierenfunktionsstörungen oder auch bei
vermehrter Flüssigkeitsretention, zu schwach, kommen die Schleifendiuretika auch bei der
chronischen Herzinsuffizienz zum Einsatz. Die neueren Präparate Torasemid und
Bumetanid sind effektiver als Furosemid, da sie eine höhere Bioverfügbarkeit, Torasemid
zusätzlich noch eine längere Halbwertszeit aufweisen. (32)
Als Nebenwirkungen kommen bei den Schleifendiuretika allerdings neben der
Hypomagnesiämie und Hypokalzämie auch ein verstärkter Blutdruckabfall und
Hörstörungen wie auch eine verstärkte Nephrotoxizität von beispielsweise Amino-
glykosiden vor. (27) (32) Vor allem bei der kontinuierlichen i.v.-Anwendung wurde zwar
die Diurese gesteigert, die Nebenwirkungsrate war jedoch höher, die Nierenfunktion wurde
verschlechtert und die Hospitalisierung war länger. (32)
Außerdem kann die Anwendung von Schleifendiuretika, genau wie die Thiazidanwendung
auch, zu Hypokaliämien mit folgenden kardialen Rhythmusstörungen und erhöhter
Mortalität führen.
Weiters kommt es durch die Kombination von Spironolacton mit Furosemid eher zu
gastrointestinalen Nebenwirkungen und Gynäkomastie als bei der Gabe von Amilorid mit
Furosemid.
Die Gynäkomastie ist zudem ein Problem bei der Anwendung von Spironolacton, nicht so
bei dem neueren Aldosteron-Antagonisten Eplerenon. (32)
Aufgrund der Verbesserung der Stauungssymptomatik sind Diuretika in der Therapie der
Herzinsuffizienz demnach nicht wegzudenken. Es muss allerdings festgehalten werden,
dass sie rein symptomatisch wirken.(5) (26) Lediglich für Spironolacton und Eplerenon
konnte in den RALES-, EPHESUS- und EMPHASIS-HF-Studien eine Senkung der
Sterblichkeit bzw. eine geringere Hospitalisierungsrate nachgewiesen werden. Durch
diesen additiven Effekt zur Standardtherapie aus Betablockern, ACE-Hemmern und
Diuretika können Aldosteron-Antagonisten gut mit ihr kombiniert werden. Eine besondere
34
Beachtung und Kontrolle des Elektrolythaushaltes ist jedoch obligat, da es unter der
Therapie mit Aldosteron-Antagonisten zur Erhöhung der Morbidität und Mortalität durch
Hyperkaliämien gekommen ist. (25) (32)
4.2.1.3 Weitere Internistische Erkrankungen
Die häufigste Indikation der Diuretika ist zwar die Behandlung der arteriellen Hypertonie
und der Herzinsuffizienz, sie werden unter anderem aber auch bei Leberzirrhose mit
Aszites, bei akutem Hirnödem, bei Nephrotischem Syndrom und Nierenversagen,
Kalziumoxalatsteinen oder bei Hyperkalzämie angewendet. (4)
Bei Leberzirrhose mit Aszites gilt die Natriumrestriktion als first-line Therapie. Als
second-line Therapie werden die absolute Alkoholkarenz und orale Diuretika, wie
Spironolacton, empfohlen. Dieses Arzneimittel ist als Monotherapie genauso effektiv, wie
in Kombination mit Furosemid. Das Problem von Spironolacton ist die als Nebenwirkung
auftretende Gynäkomastie, weswegen als Alternative auf das etwas weniger effektive
Amilorid zurückgegriffen werden kann.
Bei inadäquatem Ansprechen auf die Therapie können Thiazide hinzugegeben werden,
welche bei anhaltendem Versagen durch Schleifendiuretika ersetzt werden sollten.
Bei zusätzlicher Nierenfunktionseinschränkung ist es günstiger öfter geringe Dosen, anstatt
eine einmalige hohe Dosis zu verabreichen.
Liegen hohe Renin- und Aldosteronspiegel vor, ist die Ansprechrate auf Spironolacton
meist höher als auf Furosemid. Eine weitere Reduktion des Plasmareninspiegels kann
durch die Kombination von humanem Serumalbumin und diuretischer Therapie erreicht
werden.
Bei schwerem Aszites löst die therapeutische Parazentese mit Plasmaexpander die
Diuretika ab, wobei diese anschließend zur Rezidivvermeidung gegeben werden sollten.
(32)
Für die Entstehung des Hirnödems sind zwar ausschließlich lokale Faktoren
verantwortlich, dennoch können Diuretika über eine forcierte Diurese zur Abschwellung
des Gehirns mit folgender Drucksenkung führen. Während die meisten Diuretika dem
Extravasalraum indirekt über eine vermehrte Wasserausscheidung Volumen entziehen,
35
greifen hyperosmolare Diuretika hier direkt ein. Die prognostische Wirkung dieser
Therapie ist allerdings nicht eindeutig bewiesen. (4)
Das Nephrotische Syndrom ist definiert durch das Vorhandensein einer Proteinurie,
Hyperlipidämie, Hypalbuminämie und von Ödemen. Der Schlüssel für eine effektive
Therapie ist die Negativierung der Natriumbilanz, was durch eine verminderte
Flüssigkeitszufuhr, Natriumrestriktion und die Einnahme von Diuretika erreicht werden
kann. Um eine zu starke Diurese mit nachfolgenden Elektrolytverschiebungen, akutem
Nierenversagen, Thromboembolisierungen und Hämokonzentration zu vermeiden, sollten
die Ödeme langsam ausgeschwemmt werden.
Prinzipiell wird die gemeinsame Anwendung von Diuretika und Albumin empfohlen. Die
Kombination von Furosemid mit Albumin führt zu einer vermehrten Harn- und
Natriumausscheidung, weswegen diese Verbindung der Behandlung des Nephrotischen
Syndroms bei Diuretikaresistenz und schwerer Hypalbuminämie vorbehalten werden
sollte.
Es gibt Hinweise, dass Thiazide zusammen mit Schleifendiuretika die höchste
Wirksamkeit aufweisen. Die Kombination von Metolazon, einem thiazidähnlichen
Diuretikum, mit Furosemid ist ähnlich wirksam wie die Thiazid-Furosemid-Kombination,
wobei sich Metolazon nur in der längeren Halbwertszeit von den Thiaziden unterscheidet.
(32)
Eine weitere Indikation der Diuretika ist das Nierenversagen, welches über eine Abnahme
der glomerulären Filtrationsrate mit der möglichen Entstehung einer Azidose, Hyper-
kaliämie und einer verminderten Harnausscheidung definiert ist. (5) Das akute Nieren-
versagen sollte nur im Frühstadium bei beeinträchtigender Überwässerung mit
Schleifendiuretika behandelt werden. Hat es einen tubulotoxischen Ursprung, sollte diese
Diuretikagruppe wegen ihres verstärkenden tubulotoxischen Effektes gemieden werden.
(4) (33) Bei intrarenalem akuten Nierenversagen können zusätzlich osmotisch wirksame
Substanzen, wie Mannitol, zur Aufrechterhaltung des tubulären Filtratflusses eingesetzt
werden. Der Nutzen dieser Therapien konnte dagegen noch nicht bewiesen werden. (5)
Für die chronische Niereninsuffizienz sind als Basismaßnahmen unter anderem eine
diätische Eiweiß- und Salzrestriktion, eine geregelte Flüssigkeitszufuhr und das Vermeiden
von Rauchen anzuführen. In der Pharmakotherapie kommen, neben vielen anderen
Medikamenten, auch die Diuretika wieder zum Einsatz. Bei einer GFR < 30ml/min sind
36
Schleifendiuretika indiziert. Muss die Diurese weiter gesteigert werden, können diese mit
Thiaziden kombiniert werden, während kaliumsparende Diuretika kontraindiziert sind. Zur
Senkung der Proteinurie können ferner die Natriumrestriktion und Diuretikatherapie die
antihypertensive und antiproteinurische Wirkung der ACE-Hemmer unterstützen. (5)
Bei absorptiver Hyperkalziurie oder auch bei Normokalziurie kann die Neogenese und das
Wachstum von Kalziumoxalatsteinen wegen der durch Thiazide verminderten
Kalziumausscheidung gehemmt werden. Eine salzarme Ernährung ist dennoch einzuhalten,
da dieser Effekt infolge einer vermehrten Natriumzufuhr reduziert werden kann. Liegt
allerdings eine Neigung zur Hyperkalzämie bzw. eine ‚resorptive Hyperkalziurie‘ vor,
gelten Thiazide als kontraindiziert.
Kommt es nun beispielsweise aufgrund einer Überdosierung mit Thiaziddiuretika, einer
Sarkoidose oder auch eines multiplen Myeloms zu einer Hyperkalziämie erhöhen
Schleifendiuretika, vor allem bei vermehrter Natriumzufuhr, die Kalziumausscheidung. (4)
4.2.2 Diuretikaanwendung bei unterschiedlichen
Personengruppen
Nach der Beschreibung des Anwendungsgebietes der Diuretika bei einigen internistischen
Erkrankungen soll im Folgenden auf die Anwendung bei verschiedenen Personengruppen,
wie ältere und junge Menschen sowie Frauen und Männer, eingegangen werden.
Im Laufe des Lebens verändert sich der menschliche Körper. In Bezug auf die
Pharmakotherapie kommt es im Alter beispielsweise zu Veränderungen in der
Pharmakodynamik, wobei die Pharmakonwirkung zu- oder abnehmen, aber auch paradoxe
Wirkungen hervorrufen kann. Außerdem kann die Pharmakokinetik verändert sein.
Während es bei der Resorption eher zu keinem gravierenden Wandel kommt, kann die
Verteilung eines Arzneimittels aufgrund der anderen Körperfettzusammensetzung von der
ursprünglichen Verteilung in jungen Jahren abweichen. Bezüglich der Elimination muss
besonders auf die verminderte glomeruläre Filtrationsrate und mit ihr die verminderte
renale Clearance eines Pharmakons geachtet werden. (5) (34)
Hinzu kommt, dass viele ältere Personen multimorbide sind. Die Nieren- und
Leberfunktionen nehmen ab, wohingegen Krankheiten wie vor allem die isolierte
37
systolische Hypertonie und Herzversagen mit dem Alter zunehmen. (5) Folglich werden in
dieser Altersklasse auch viele verschreibungspflichtige, aber auch freiverkäufliche
Arzneimittel gleichzeitig eingenommen, wodurch das Problem der Polypharmazie entsteht.
Da die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von unerwünschten Arzneimittelwirkungen mit
der Anzahl der verordneten Medikamente steigt, sind ältere Personen besonders gefährdet.
(2) (5) Zum Teil haben diese Nebenwirkungen gravierende Folgen, wenn es zum Beispiel
durch Psychopharmaka zu einem Autounfall kommt, ein Schlaganfall die Konsequenz
eines zu hoch dosierten Diuretikums ist, oder eine Hyperkaliämie infolge der Gabe eines
ACE-Hemmers zusammen mit einem kaliumsparenden Diuretikum entsteht. Neben den
Analgetika-Antirheumatika gehören die Antihypertensiva, die ZNS-wirksamen Pharmaka,
die Digitalis-Präparate und auch die Diuretika zu den häufigsten Arzneimittelgruppen,
welche aufgrund ihrer Nebenwirkungen zu Krankenhauseinweisungen führen. (5)
Vor allem beim älteren Menschen ist die Anwendung von Diuretika wegen ihrer
Wirkweise, nämlich die Wasserausscheidung zu erhöhen, besonders mit Vorsicht zu
genießen. Als erster Punkt ist das erhöhte Risiko der Dehydratation zu nennen. Im Alter
nimmt zum einen das Durstgefühl ab, was durch beispielsweise Psychopharmaka verstärkt
werden kann. (35) Zum anderen ist das Extrazellulärvolumen geringer, der Körper verfügt
also nur noch über geringe Flüssigkeitsreserven, weswegen die Kompensations-
möglichkeiten bei Volumenverlust begrenzt sind. (5) (35) Zudem verliert die Niere,
aufgrund der Abnahme der voll funktionsfähigen Glomerula, allmählich die
Konzentrationsfähigkeit des Harns. (35) Als Folge dieser Dehydratation kann es nun zur
Exsikkose mit Hypotonie, Bewusstseinstrübung, aber auch zu ischämischen
Komplikationen wie Hirn- und Herzinfarkt oder auch zum Nieren- bis hin zum
Multiorganversagen kommen. (2) (5) Diese Auswirkungen von unkontrolliertem
Diuretikaeinsatz führen bei alten Menschen zu einer erhöhten Mortalität. (35)
Neben dem vermehrten Wasserverlust kann es bekanntlich auch zu
Elektrolytentgleisungen kommen. (2) (5) Bei geriatrischen Patienten/Patientinnen können
diese sehr gefährlich sein, da zunächst nur unspezifische Symptome auftreten. Neben
Verwirrtheit und Somnolenz bei Hyponatriämie, treten bei Hypo- und auch bei
Hyperkaliämie vor allem Muskelschwäche und Obstipation auf. Ist der
Serumkaliumspiegel nicht im Normbereich kann es rasch zum Auftreten von
Herzrhythmusstörungen bis hin zum Kammerflimmern kommen, was die Mortalitätsrate
bei geriatrischen Patienten/Patientinnen bereits bei milden Störungen ansteigen lässt.
38
Eine seltene Komplikation ist die Gynäkomastie bei Männern unter Spironolactontherapie
und die interstitielle Nephritits mit akutem Nierenversagen, Flankenschmerz und Fieber
unter der Anwendung von Thiaziden, Indapamid und Schleifendiuretika, welche nach
Absetzen aber reversibel ist.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass bei geriatrischen Personen aufgrund der
veränderten Körperkomposition, des verminderten Adaptationsmechanismus und der
eingeschränkten Organfunktionen mit einer höheren Nebenwirkungsrate zu rechnen ist,
was zu vermehrten Krankenhauseinweisungen und sogar zu Todesfällen führen kann. (35)
Wie bei den geriatrischen Patienten/Patientinnen liegen auch bei Kindern in Bezug auf die
Pharmakodynamik und –kinetik Unterschiede zu den Erwachsenen vor. Insbesondere im
Säuglings- und Kleinkindalter ist die Absorption, wegen der verzögerten Motilität und
Magenentleerung, verlangsamt. Aufgrund des höheren Wasser- und geringeren Fettanteils
ist auch die Verteilung eines Medikaments anders. Da die Nieren- und auch die
Leberfunktion anfangs noch sehr eingeschränkt ist, muss die Dosis an die verminderte
renale und hepatische Elimination angepasst werden. (5)
In der Pädiatrie spielt die Diuretikatherapie ebenfalls bei der Behandlung der arteriellen
Hypertonie eine Rolle. Im Gegensatz zur Behandlungsstrategie bei Erwachsenen gibt es für
Hydrochlorothiazid und Chlortalidon wegen mangelnder Erfahrung keine Anwendungs-
empfehlung für unter 18-Jährige. Auch Eplerenon wird aufgrund negativer
Studienergebnisse nicht für Kinder empfohlen. Spironolacton stellt zwar keine Indikation
bei arterieller Hypertonie dar, wird in der Pädiatrie aber zur Ödemtherapie verwendet. Im
Gegensatz dazu werden die Schleifendiuretika Furosemid (unabhängig von Alter und
Gewicht) und Torasemid (ab 12 Jahren) zur Hypertonietherapie bei Kindern eingesetzt.
Beim Einsatz zur Frühgeborenenbehandlung muss jedoch regelmäßig die Nierenfunktion
mittels Nierensonographie kontrolliert werden, da sich eine Nephrokalzinose bzw. eine
Nephrolithiasis entwickeln könnte. Intravenös sollte Furosemid allerdings nur in
lebensbedrohlichen Situationen, nur zusammen mit anderen Maßnahmen und nur, wenn
die orale Gabe nicht möglich ist, eingesetzt werden. Die Studien zur Blutdrucksenkung bei
Kindern mittels Diuretika sind insgesamt aber eher enttäuschend. Gibt es keinen Anlass zu
einer zusätzlichen diuretischen Therapie, agieren sie nicht als Mittel der ersten Wahl.
Liegen nun weitere Krankheiten, wie eine Herzinsuffizienz vor, werden Diuretika und
Betablocker zusammen mit ACE-Hemmern zur Symptomverbesserung gegeben. Bei
gleichzeitig vorliegender chronischer Niereninsuffizienz stellen wiederum ACE-Hemmer
39
und auch AT1-Rezeptorantagonisten die Mittel der ersten Wahl zur Blutdruckeinstellung
dar. Ist diese Therapie nicht erfolgreich, können zudem Kalziumantagonisten sowie
Diuretika eingesetzt werden. Bei Adipositas, Diabetes mellitus und Metabolischem
Syndrom sollte, genau wie bei Erwachsenen, zunächst eine Lebensstiländerung angestrebt
werden. Falls es so zu keiner Blutdrucksenkung kommt, können Medikamente eingesetzt
werden. Bei diesen Erkrankungen sollten Diuretika, wegen ihres ungünstigen Einflusses
auf den Stoffwechsel, eher vermieden werden bzw. nur in Ausnahmefällen in einer
Dreierkombination eingesetzt werden. (36)
Nachdem die verschiedenen Altersklassen genauer analysiert wurden, wird im Folgenden
die Diskrepanz zwischen Männern und Frauen betrachtet.
Auch bei diesen Personengruppen gibt es wieder Unterschiede hinsichtlich der
Pharmakokinetik und –dynamik. Einerseits werden sie durch hormonelle Faktoren,
andererseits durch die differente genetische Ausstattung und verschiedene epigenetische
Modifikationen beeinflusst. Hinzu kommt, dass Arzneimittelstudien früher nicht an beiden
Geschlechtern durchgeführt wurden. Erst seit dem Jahr 2011 müssen Frauen gemäß den
ICH-Leitlinien in klinische Studien eingeschlossen werden, um auch für sie zum Erstellen
von Dosis-Wirkungs-Kurven pharmakokinetische Informationen zu gewinnen.
Auch in der Verschreibungspraxis sowie im Einnahmeverhalten besteht ein gewisser
Unterschied zwischen Männern und Frauen. Dass die Behandlung der Herzinsuffizienz
signifikant vom Geschlecht des Mediziners/der Medizinerin und auch vom Geschlecht des
Patienten/der Patientin abhängt, zeigten Recherchen in Deutschland. Darüber hinaus
weisen Frauen und Männer eine unterschiedliche Compliance auf. Weiters neigen Frauen
eher dazu zusätzliche, eventuell interagierende freiverkäufliche Präparate einzunehmen,
was ein Ansatzpunkt zur Erklärung wäre, warum Frauen an mehr unerwünschten
Arzneimittelreaktionen leiden als Männer. Ein weiterer Grund der vermehrt auftretenden
Nebenwirkungen ist die nicht an Frauen angepasste Dosierung. Neben der möglicherweise
verstärkt eingeschränkten Nierenfunktion spielt die Interaktion vieler Arzneimittel mit den
Sexualhormonen eine Rolle. (37)
In Bezug auf die arterielle Hypertonie ist festzuhalten, dass die Prävalenz zwar bei beiden
Geschlechtern mit dem Alter zunimmt, dass sie bei Frauen allerdings häufiger zur
Entstehung einer KHK führt und auch häufiger zusammen mit ihr auftritt. Bei Vorsorge-
untersuchungen wiederum liegt der prozentuale Anteil der Männer mit Bluthochdruck
40
wesentlich höher, was wahrscheinlich auf einen anderen Lebensstil sowie eine andere
Stressbelastung zurückzuführen ist.
Die Prävalenz der Herzinsuffizienz ist bei beiden Geschlechtern ebenfalls gleich, nur, dass
sie bei Frauen erst in höherem Alter auftritt. Ätiologisch spielen bei Frauen die arterielle
Hypertonie, Diabetes mellitus und Herzklappenerkrankungen eine größere Rolle, bei
Männern hingegen ein früherer Myokardinfarkt, eine KHK, Rauchen und die dilatative
Kardiomyopathie. (38)
Therapeutisch werden Diuretika häufiger bei Frauen eingesetzt, wobei sie bei ihnen mehr
Nebenwirkungen, wie Hypokaliämie und Hyponatriämie verursachen. (37) Da die
Hyponatriämie als häufige Komplikation der Thiaziddiuretikatherapie die Morbidität und
Mortalität erhöhen kann, sollte auf die Risikofaktoren, welche eine ernste Hyponatriämie
hervorrufen können, besonders geachtet werden. Zu ihnen zählen unter anderem das Alter,
das weibliche Geschlecht und ein niedriger BMI. (39)
Eine weitere Besonderheit stellt die Schwangerschaft und die Stillperiode dar. Prinzipiell
sollten in beiden Perioden Pharmaka vermieden werden, da viele durch die
Plazentaschranke bzw. in die Muttermilch diffundieren können und die Auswirkungen
weitgehend unerforscht sind. (34) Da Diuretika das zirkulierende Blutvolumen vermindern
und deswegen zur utero-plazentaren Minderperfusion führen, sind diese in der
Schwangerschaft kontraindiziert. (9) Leidet die Mutter jedoch an einer Mitralstenose,
Aorten- oder Mitralinsuffizienz oder an einer dilatativen Kardiomyopathie, so ist die
diuretische Therapie wegen der Ödemneigung oft nicht zu vermeiden und kann mit
Vorsicht zur Symptomlinderung eingesetzt werden. (5) (40)
4.2.3 Arzneimittelinteraktionen
Wie in Kapitel 4.2.1 und 4.2.2 bereits dargestellt, sind in der Therapie von internistischen
Erkrankungen, aber auch bei der Behandlung von älteren multimorbiden Patienten/
Patientinnen, mehrere Arzneimittel notwendig. Bei welchen Arzneimittelkombinationen es
nun zu Interaktionen kommen kann wird im Folgenden beschrieben.
Grundsätzlich gibt es pharmakokinetische sowie pharmakodynamische Interaktionen. Bei
der pharmakokinetischen Interaktion kommt es durch das Arzneimittel A zu einer
Konzentrationsänderung von Arzneimittel B am Wirkort. Hier kann sowohl die
41
Resorption, als auch die Verteilung, der Metabolismus oder auch die Ausscheidung
betroffen sein. Thiaziddiuretika und das Schleifendiuretikum Furosemid können
beispielsweise durch die gesteigerte Lithiumreabsorption zu einem Anstieg des Lithium-
Plasmaspiegels führen. (41)
Greifen nun mehrere Wirkstoffe an einem Erfolgsorgan oder Rezeptor an, kommt es zu
pharmakodynamischen Wechselwirkungen. Im Zuge dieser Interaktionen kommt es zwar
nicht zu einer Konzentrationsänderung von Arzneimittel B, allerdings wird dessen
pharmakologischer Effekt durch Arzneimittel A beeinflusst. (41)
Ein Beispiel hierfür ist die Anwendung von Digitaliswirkstoffen, also Herzglykosiden,
zusammen mit Diuretika. Diese können über die vermehrte Elektrolytausscheidung zu
Kaliumverlusten führen, was eine erhöhte Empfindlichkeit des Herzmuskelgewebes
bezüglich Rhythmusstörungen zur Folge hat. Da Herzglykoside dosisabhängig
Herzrhythmusstörungen auslösen, wird ihre Toxizität durch die thiazid- und
schleifendiuretikainduzierte Hypokaliämie zusätzlich verstärkt. (41) (42) (43)
Insulin, Amphotericin B, ß-Sympathomimetika sowie Laxantien und Corticoide führen
zusätzlich zu einer Verstärkung der Hypokaliämie mit all ihren negativen Auswirkungen.
(43)
Eine weitere wichtige Interaktion ist der verstärkende blutdrucksenkende Effekt, wenn
Diuretika zusammen mit anderen Antihypertensiva eingesetzt werden. Dies kann vor allem
mit ACE-Hemmern, wie beispielsweise Captopril, zu Nierenfunktionseinschränkung sowie
zum Kreislaufversagen und auch zu Hyponatriämie führen. (43) (44)
Auch NSAR können zur Einschränkung der Nierentätigkeit führen, wodurch die Wirkung
von Thiazid- und Schleifendiuretika gehemmt wird. (41) (43)
Diese Diuretika schwächen wiederum die Wirkung von Urikosurika und Antidiabetika ab.
Die durch Thiazide hervorgerufene Hypercalcämie wird durch die Gabe von Vitamin D
und auch von Calciumsalzen gesteigert. (43)
Die schleifendiuretikainduzierte Ototoxizität kann durch Cisplatin und Aminoglykoside
verstärkt werden.
Kaliumsparende Diuretika können, wie oben beschrieben, zu Hyperkaliämie führen. Diese
wird bei zusätzlicher Verabreichung von ACE-Hemmern und auch bei Kaliumsubstitution
noch weiter gefördert. (43) (44)
Die Kombination von ACE-Hemmern und Aldosteronrezeptorantagonisten wird aber zur
Therapie der Herzinsuffizienz angewandt, da sie sowohl die Vor- als auch die Nachlast
42
senkt und durch die hohen Angiotensin-II- und Aldosteronspiegel das kardiale
Remodelling vermindert. (22)
Es können auch die verschiedenen Diuretikaklassen miteinander kombiniert werden.
Hierbei ist zu beachten, dass Schleifen- zusammen mit Thiaziddiuretika einerseits sehr
effektiv eine sequentielle Nephronblockade bei Diuretikaresistenz bewirken, andererseits
aber zu massiver Exsikkose, Hypotonie und Hypokaliämie führen können, weswegen die
Elektrolyte regelmäßig kontrolliert werden müssen. (5) (22) (32)
4.2.4 Diuretikaresistenz
Kommt es vor Erreichen des therapeutischen Ziels zu einem Rückgang der Na+-
Ausscheidung und der Diurese, spricht man von einer Diuretikaresistenz. (45)
Mehrere Ursachen können hierfür verantwortlich sein. Neben der mangelnden Compliance
des Patienten/der Patientin spielt die Hypalbuminämie, Hypoxämie und Hypotonie bei
chronischer Herzinsuffizienz eine Rolle. Die Hemmung der tubulären Sekretion von
Diuretika durch organische Säuren, wie NSAR, Probenecid, oder auch bei Urämie, kann
als weiterer Grund genannt werden. (26)
Der Einsatz von NSAR führt, genauso wie hypertrophierte distale Tubuluszellen und das
sogenannte Rebound-Phänomen, zusätzlich zu einer erhöhten Rückresorption von Natrium.
(26) Durch den Rebound-Effekt kommt es nach Absetzen von Furosemid zu einer
vorübergehend gesteigerten Resorption von Primärharn aus dem Tubulussystem. (22)
Auch das sogenannte Escape-Phänomen trägt zur Diuretikaresistenz bei. Hierbei verliert
das Diuretikum durch die Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems an
Wirkung, da Angiotensin II und Aldosteron zu einer Salzrestriktion, zur renalen und
systemischen Gefäßverengung und somit zur Hypervolämie führen. (26) (45) Der gleiche
Effekt wird bei der progredienten Herzinsuffizienz aufgrund des Abfalls der Nieren-
perfusion beobachtet. (45)
Die intraabdominale Druckerhöhung bei einer akut dekompensierten Herzinsuffizienz kann
wegen der entstehenden intraabdominalen Hypertension auch eine Ursache der
Diuretikaresistenz sein. In der Fallbeschreibung der Tulane School of Medicine wird
geschildert, dass hier weder die Bolus- noch die Infusionstherapie mit Schleifen- oder
Thiaziddiuretika angesprochen haben, erst die Senkung des intraabdominalen Drucks hat
zu einer gesteigerten Diurese geführt. (46)
43
Im Zuge des kardiorenalen Syndroms kommt es, wie oben beschrieben, durch die
Aktivierung des RAAS zu einer Volumenüberlastung, welche im Normalfall mit einer
diuretischen Therapie behandelt wird. In ungefähr einem Viertel der Fälle führt diese
Behandlung allerdings nicht zum Ziel, weswegen bei diesen Patienten/Patientinnen auf die
sogenannte SCUF, die ‚slow continuous ultrafiltration‘, zurückgegriffen wird. Die Ultra-
filtration ist bei Linksherzinsuffizienz, aber auch bei isolierter Rechtsherzinsuffizienz mit
ausgeprägter Volumenüberladung wirksam. Als Vorteil gilt auch, dass sowohl der
Natrium-, als auch der Renin-, Noradrenalin- und der Aldosteronspiegel gesenkt wird. (45)
Bevor die Ultrafiltration therapeutisch zum Einsatz kommt, wird zunächst versucht die
Diuretikaresistenz durch die gleichzeitige Gabe von verschiedenen Diuretikagruppen zu
durchbrechen. Die Kombination von Schleifen- und Thiaziddiuretika wird als ‚sequentielle
Nephronblockade‘ bezeichnet, da das Thiazid die Natriumresorption im distalen Tubulus
blockiert und folglich dem Escape-Effekt, welcher durch das weiter proximal wirkende
Schleifendiuretikum ausgelöst wird, entgegenwirkt. Klinisch führt diese Therapie, die auch
bei einer GFR < 30ml/min wirksam ist, zur Abnahme der systemischen Stauung mit
Gewichtsverlust und Symptomlinderung, zu früheren Krankenhausentlassungen sowie zur
Prävention der Rehospitalisierungen. (32) (47) Diese Effekte werden ferner durch die
intravenöse Applikation von Furosemid zusammen mit einer Salzlösung erreicht, wobei so
zusätzlich die Mortalität reduziert werden kann. (32)
Trotz der guten Wirkung sollten diese Therapien, wegen des hohen Kaliumverlustes,
allerdings nur unter engmaschigen Elektolytkontrollen angewandt werden.
Des Weiteren konnten die RALES- und die EPHESUS-Studie den Nutzen von Aldosteron-
Antagonisten zusammen mit Schleifendiuretika zeigen. In niedrigen Dosierungen (bis
50mg pro Tag) senken Aldosteron-Antagonisten, wie beispielsweise Eplerenon oder
Spironolacton, die Sterblichkeit bei Postinfarktpatienten/Postinfarktpatientinnen mit
systolischer Dysfunktion, aber auch bei Patienten/Patientinnen mit schwerster systolischer
Herzinsuffizienz. (32) (47)
44
5 Fazit
Trotz der vielen und zum Teil auch schwerwiegenden unerwünschten
Arzneimittelwirkungen werden Diuretika häufig zur Behandlung von verschiedenen
Krankheiten eingesetzt. (4) Insbesondere bei der Therapie der arteriellen Hypertonie
senken sie als Medikamente der ersten Wahl die Morbidität und Mortalität. (24)
Auch bei der akuten Herzinsuffizienz sind sie schon seit Jahren unverzichtbar und stehen
vor allem zur Symptomlinderung an erster Stelle. Bei der Behandlung der fortgeschrittenen
Herzinsuffizienz mit gleichzeitig vorliegender Nierenfunktionsstörung ist beim Einsatz von
Schleifendiuretika allerdings Vorsicht geboten, da sich, neben den zahlreichen
Nebenwirkungen, eine Diuretikaresistenz entwickeln könnte. (33)
Um nun einen optimalen Therapieerfolg möglichst ohne unerwünschte Wirkungen zu
erzielen, empfiehlt es sich einige Prinzipien zu befolgen.
Zunächst sollte eine genaue Medikamentenanamnese durchgeführt werden, um die,
insbesondere bei älteren Patienten/Patientinnen oft vorliegenden, nicht unbedingt
notwendigen Verordnungen zu streichen und somit eventuelle Interaktionen im Vorhinein
zu unterbinden. (5) Zudem ist hier meist auch eine Dosisanpassung notwendig, da die
Studien nicht direkt vom jungen Patientenkollektiv auf ältere Personen übertragen werden
können. Prinzipiell sollte die Dosis anfänglich eher gering gehalten und langsam gesteigert
werden, sodass möglichst wenig Nebenwirkungen auftreten. (2) (5) Außerdem hat eine
genaue Aufklärung über die Therapieziele eine Erhöhung der Compliance zur Folge,
welche jedoch mit der Anzahl der Verordnungen abnimmt. (5)
Innerhalb der Diuretikatherapie kann beispielsweise durch die Kombination von Thiaziden
mit kaliumsparenden Diuretika der gefürchteten Hypokaliämie vorgebeugt werden. (22)
Trotzdem sollte beim Einsatz von Diuretika einerseits das Albumin im Urin, das
Serumkreatinin und bei chronischer Niereninsuffizienz auch die glomeruläre Filtrationsrate
kontrolliert werden. (36) Des Weiteren muss der Elektrolyt- und Flüssigkeitsstatus sowie
der Blutdruck regelmäßig überprüft werden. Wird die Elektrolytregulation beeinflusst,
bzw. der Flüssigkeitshaushalt belastet, sollte die Diuretikadosis an die jeweilige Situation
angepasst werden. Treten nun unspezifische Symptome auf, ist der behandelnde Arzt/die
behandelnde Ärztin verpflichtet an die unerwünschten Wirkungen und Arzneimittel-
interaktionen, welche während einer Diuretikatherapie auftreten können, zu denken und die
Folgen zu behandeln. (35)
45
Abschließend kann festgehalten werden, dass die Diuretika bei richtiger
Indikationsstellung und Anwendung zur Behandlung von vielen internistischen
Erkrankungen heute nicht mehr wegzudenken sind. Werden einige Therapieprinzipien
beachtet, können die möglicherweise auftretenden Nebenwirkungen und Arzneimittel-
interaktionen reduziert und der Therapieerfolg weitestgehend gesichert werden.
46
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