RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 1
DIE RADIODOKTOR-INFOMAPPE
Ein Service von:
ORF
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Tel.: (01) 404 14-600
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Fax: (01) 71100-14304
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RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT
Die Sendung
Die Sendereihe „Der Radiodoktor“ ist seit 1990 das Flaggschiff der
Gesundheitsberichterstattung von Ö1. Jeden Montag von 14.05 bis 14.40 Uhr
werden interessante medizinische Themen in klarer informativer Form
aufgearbeitet und Ö1- Hörerinnen und -Hörer haben die Möglichkeit, telefonisch
Fragen an das hochrangige Expertenteam im Studio zu stellen.
Wir über uns
Seit September 2004 moderieren Univ.-Prof. Dr. Karin Gutiérrez-Lobos,
Univ.-Prof. Dr. Manfred Götz, Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger und
Dr. Christoph Leprich die Sendung.
Das Redaktionsteam besteht aus Mag. Nora Kirchschlager, Martin Rümmele, Dr.
Doris Simhofer, Dr. Michaela Steiner, Mag. Dominique Stiefsohn, Dr. Ronny Tekal
und Dr. Christoph Leprich.
Das Service
Seit dem 3. Oktober 1994 gibt es das, die Sendereihe flankierende, Hörerservice,
das auf größtes Interesse gestoßen ist.
Die zu jeder Sendung gestaltete Infomappe mit ausführlichen
Hintergrundinformationen, Buchtipps und Anlaufstellen wird kostenlos zur
Verfügung gestellt und ist bereits am Sendungstag auf der Ö1-Homepage zu
finden. Diese Unterlagen stellen in der Fülle der behandelten Themen ein Medizin-
Lexikon für den Laien dar.
Die Partner
Ermöglicht wird die Radiodoktor-Serviceleiste durch unsere Partner: die
Österreichische Apothekerkammer und das Österreichische Bundesministerium für
Gesundheit.
An dieser Stelle wollen wir uns ganz herzlich bei unseren Partnern für die gute
Zusammenarbeit bedanken!
Wir bitten um Verständnis, dass wir aus Gründen der besseren Lesbarkeit in dieser Infomappe
zumeist auf die weiblichen Endungen, wie z.B. PatientInnen, ÄrztInnen etc. verzichtet haben.
RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 3
DROGEN – ZWISCHEN PARTYLAUNE UND
SCHWERER KRANKHEIT
Mit Univ.-Prof.in Dr.in Karin Gutiérrez-Lobos
18. November 2013, 14.05 Uhr, Ö1
Sendungs- und Infomappengestaltung: Dr. Michaela Steiner
Redaktion: Dr. Christoph Leprich und Mag. Nora Kirchschlager
INHALTSVERZEICHNIS
RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 4
INHALTSVERZEICHNIS
DROGEN – ZWISCHEN PARTYLAUNE UND SCHWERER KRANKHEIT 6
Geschichtliche Anmerkungen 6
Drogenkonsum in der Bevölkerung 7
Was ist Sucht? 7
Entstehung von Sucht 8
Missbräuchlicher Konsum 9
Risikofaktoren für die Entwicklung einer Sucht 10
Was sind Drogen? 10
Gesetzliche Situation 10
„Weiche“ und „harte“ Drogen 11
Wirkweise 11
Herstellungsweise 12
Drogen im Detail 12
Kokain 12
Amphetamin, Metamphetamin 12
Ecstasy 13
Opiate 13
Cannabis & LSD 14
Neue psychoaktive Substanzen 14
Badesalze & Blumensamen 15
checkit! 16
Prävention & Therapie 17
Substitutionstherapie 17
Suchthilfe Wien 18
Hilfe für Angehörige und Freunde 19
INHALTSVERZEICHNIS
RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 5
Als Krankheit akzeptieren 19
ANLAUFSTELLEN UND INFOLINKS 21
BUCHTIPPS 24
SENDUNGSGÄSTE 25
DROGEN
RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 6
DROGEN – ZWISCHEN PARTYLAUNE UND SCHWERER KRANKHEIT
Umgangssprachlich wird das Wort „süchtig“ relativ locker gehandhabt. Da ist von
der „Sucht nach Schokolade“ oder etwa „Sucht nach Liebe“ die Rede. In der
Medizin sind Suchterkrankungen jedoch genau definiert und unterliegen
verschiedenen Einteilungskriterien. Süchte sind nicht ausschließlich an
Substanzen gebunden, wir kennen heute etwa auch Internet-, Spiel- oder
Kaufsucht.
Wir wollen uns in dieser Infomappe mit psychoaktiven Substanzen beschäftigen –
also mit solchen, die zu Veränderungen von Psyche und Bewusstsein führen –
konkreter mit „illegalen Drogen“. Genau genommen ist auch dieser Ausdruck
ungenau, denn wir werden auch die neuen psychoaktiven Substanzen – auch
Designerdrogen genannt –, die an sich nicht alle illegal sind, behandeln. Doch
dieser Sachverhalt ist etwas kompliziert und mehr darüber erfahren Sie später.
Die Kernbotschaft lautet: Bei Drogensucht – besser Drogenabhängigkeit – handelt
es sich um eine chronische Erkrankung. Wie bei anderen chronischen
Erkrankungen auch besteht das Ziel der Behandlung in den meisten Fällen in der
Kontrolle der Symptome und in der Verhinderung einer Verschlechterung.
GESCHICHTLICHE ANMERKUNGEN
Das Wort „Sucht“ leitet sich vom mittelhochdeutschen „siechen“ her, was so viel
wie krankheitsbedingtes Dahinleiden bzw. Kranksein bedeutet. Lange Zeit wurde
der Begriff Sucht ausschließlich auf physische, substanzgebundene Abhängigkeit
bezogen.
Der Begriff „Drogen“ wurde ursprünglich für haltbar gemachte pflanzliche oder
tierische Stoffe verwendet. Diese wurden in erster Linie als Heil- und Gewürzmittel
genutzt.
In weiterer Folge wurden alle Heilmittel pflanzlicher Natur unter dem Begriff
Drogen subsummiert.
Bereits in der Jungsteinzeit ist der Gebrauch von psychoaktiven Substanzen
nachweisbar. Natürlich vorkommende Drogen wie etwa Cannabis werden seit
jeher sowohl im Zusammenhang mit Kulten und Religionen verwendet, aber auch
von vielen Völkern als Genuss- und Rauschmittel eingesetzt.
DROGEN
RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 7
Drogen wurden und werden aber auch wegen ihrer leistungssteigernden Wirkung
verwendet. So wurden beispielsweise in Südamerika bereits zur Zeit der Inka
Cocablätter (aus denen Kokain gewonnen wird) gekaut, um in höheren Berglagen
besser überleben zu können.
Quelle: Vorgespräch Dr. Hans Haltmayer
DROGENKONSUM IN DER BEVÖLKERUNG
Der „Bericht zur Drogensituation in Österreich" wird jährlich im Auftrag der
Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD) und des
Bundesministeriums für Gesundheit erstellt und befasst sich mit den sogenannten
illegalen Drogen. Der Drogenbericht 2013 erfasst die epidemiologische Situation
im Jahr 2012.
Nach den aktuellen Ergebnissen des Wiener Suchtmittelmonitorings hat sich der
Drogenkonsum im letzten Jahr nicht wesentlich verändert. Cannabis ist nach wie
vor die einzige illegale Droge mit einer nennenswerten Konsumprävalenz in der
Allgemeinbevölkerung. In der Gruppe der Studierenden scheint laut einer
Befragung der problematische Alkoholgebrauch eine wesentlich größere
Bedeutung zu haben als der Konsum illegaler Drogen. Der Konsum neuer
psychoaktiver Substanzen (siehe S. 14ff.) spielt entgegen mancher Medienberichte
kaum eine Rolle.
Den Hauptteil des problematischen Drogenkonsums in Österreich macht der
Opiatkonsum aus. Diese Droge ist bei etwa 90 Prozent aller Personen, die sich in
drogenspezifischer Betreuung befinden, die Leitdroge. Aktuell gelten zwischen
30.000 und 34.000 Menschen Österreich als opiatabhängig. Ein Viertel der
Betroffenen ist weiblich, und etwa ein Fünftel ist unter 25 Jahre alt.
Während es zwischen 2002 und 2005 eine steigende Zahl von Menschen mit
problematischem Drogenkonsum gab, ist diese mittlerweile wieder rückläufig. Die
Zahl der Drogenabhängigen stagniert in Wien, während jene in den anderen
Bundesländern im Steigen begriffen sind.
Quelle:
Bundesministerium für Gesundheit: „Bericht zu Drogensituation 2013 “
http://bmg.gv.at/home/Schwerpunkte/Drogen_Sucht/Drogen/Berichte_zur_Drogensit
uation
http://drogenhilfe.at/downloads/Sucht_Monitoring-2013.pdf
WAS IST SUCHT?
DROGEN
RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 8
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Sucht wie folgt:
Es handelt sich bei Sucht um ein Stadium chronischer oder periodischer
Berauschung durch die wiederholte Einnahme einer natürlichen oder
synthetischen Droge. Kennzeichen sind:
Der überwältigende Wunsch oder das Bedürfnis, den Drogengebrauch
fortzusetzen
und sich diese Droge unter allen Umständen zu verschaffen.
eine Tendenz, die Dosis zu erhöhen.
eine psychische und/oder physische Abhängigkeit von den Wirkungen der
Droge.
eine zerstörerische Wirkung auf den Einzelnen und auf die Gesellschaft.
Heute spricht man von substanzgebundenen Süchten (z.B. Alkohol, Drogen) und
substanzungebundenen Süchten (z.B. Kaufsucht, Internetsucht).
Sucht ist eine chronische Erkrankung und keine Willensschwäche oder moralische
Verfehlung eines Menschen. Den suchtkranken Menschen trifft keine „Schuld“ an
seiner Erkrankung.
Denn die Betroffenen haben nicht mehr die freie Wahl oder Kontrolle darüber, ob
sie die betreffende Substanz einnehmen oder nicht.
Bei Drogen kann sich zusätzlich zur psychischen Abhängigkeit eine körperliche
Abhängigkeit ausbilden. Dies ist jedoch nur bei sehr wenigen Substanzen der Fall,
zum Beispiel bei den Opiaten (siehe Seite 12f.). Die körperliche Abhängigkeit
äußert sich dadurch, dass (körperliche) Entzugserscheinungen auftreten, wenn die
Substanz nicht mehr zugeführt wird. Bei Cannabis etwa kommt es zu einer reinen
psychischen Abhängigkeit.
Einen wichtigen Begriff im Zusammenhang mit Sucht stellt die Toleranz dar.
Darunter versteht man die Abnahme der Wirkung einer Droge nach wiederholter
Anwendung. Eine Erhöhung der Dosis wird erforderlich, um dieselbe Wirkung zu
erzielen.
Quellen:
Vorgespräch Dr. Hans Haltmayer
Wiener Sucht- und Drogenstrategie 2013
http://drogenhilfe.at/5950/wiener-sucht-und-drogenstrategie-2013/
ENTSTEHUNG VON SUCHT
DROGEN
RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 9
Jede Form der Sucht entsteht grundsätzlich nicht aus einem einzelnen spontanen
Erlebnis heraus, sondern stellt vielmehr einen Prozess dar, an dessen Anfang der
erstmalige Konsum einer Substanz steht. Wird dieser als genussvoller und/oder
befriedigender erlebt als das Leben ohne die Einnahme dieser Substanzen, steigt
die Wahrscheinlichkeit eines weiteren Konsums. Daraus kann sich eine Spirale
entwickeln, die letztendlich in Sucht enden kann.
Genuss bedeutet ein Gefühl des Wohlfühlens, in einer angenehmen Umgebung,
die konsumierte Dosis ist angemessen und der Konsum in ein Ritual
eingebunden. Diese Art des Konsums kann zu einem beliebigen Zeitpunkt in
ähnlicher Art und Weise wiederholt werden.
Missbräuchlicher Konsum Quasi eine nächste Stufe stellt der Wunsch dar, durch den Konsum einer Substanz
einen Ausgleich zu einer momentan unbefriedigenden Situation zu schaffen. Man
trinkt Kaffee, um die Müdigkeit zu vertreiben, oder ein Glas Wein, um besser
einschlafen zu können. In diesen Fällen liegt bereits ein so genannter
missbräuchlicher Konsum vor.
An sich stellt letzterer kein Problem dar, solange er nicht zu einer ständigen
Lösung wird. Problematisch wird dieser Konsum dann, wenn er zur falschen Zeit,
am falschen Ort oder in einer falschen Dosierung passiert. Als Beispiel sei das
Trinken von Alkohol am Arbeitsplatz oder beim Autofahren genannt. Mittlerweile
verwenden Fachleute hier den Begriff „schädlicher Gebrauch“.
Wenn die Wirkung einer Substanz als sehr positiv erlebt wird, kann sich ein
Gewöhnungseffekt einstellen. Dies passiert besonders dann, wenn alternative
Entspannungsmöglichkeiten als weniger effizient erlebt werden. Als Beispiel sei
Entspannung durch Fernsehen kombiniert mit Biertrinken genannt. Dieser
Gewöhnungseffekt entwickelt sich im Allgemeinen über den Verlauf von Jahren.
Dabei glauben die Betroffenen häufig immer noch, die Kontrolle über ihren
Konsum behalten zu haben, obwohl dies bereits nicht mehr der Fall ist.
Verfestigt sich dieses Konsummuster und konzentrieren sich die Interessen
weitgehend nur noch auf eine bestimmte Substanz oder ein bestimmtes
Verhaltensmuster, dann spricht man von Sucht.
Die Wahrscheinlichkeit, von einer bestimmten Substanz abhängig zu werden, ist
unterschiedlich hoch – man spricht vom Suchtpotenzial einer Substanz. Eine
Droge mit hohem Suchtpotenzial ist beispielsweise Heroin.
Dennoch ist in der Regel nicht die jeweilige Substanz an sich „schuld“ an der
Entstehung einer Sucht.
DROGEN
RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 10
Risikofaktoren für die Entwicklung einer Sucht Man weiß heute, dass schwer suchtkranke Menschen in der großen Mehrheit aus
schwierigen oder gestörten Familienverhältnissen stammen, und häufig unter
psychischen Problemen oder Erkrankungen leiden. Wenn diese Menschen
schließlich durch das Probieren von Drogen zunächst ein positives Erlebnis
erfahren, dann ist die Chance größer, dass sie drogenabhängig werden.
Hier spielt auch das Alter eine Rolle. Je jünger (und vorbelasteter) ein Mensch
zum Zeitpunkt des ersten Probierens von Drogen ist und sich damit in einer noch
instabilen emotionalen Phase befindet, desto eher läuft er Gefahr, später davon
abhängig zu werden. Das kann besonders bei schwer drogenabhängigen Personen
beobachtet werden, die häufig bereits in ihrem frühen Jugendalter – mit
beispielsweise zehn Jahren – mit dem Rauchen und dem Trinken von Alkohol
begonnen haben.
Umgekehrt ist das Risiko bei Jugendlichen oder jungen Erwachsenen, die aus
einer sehr stabilen Familiensituation kommen, extrem niedrig, in ein schweres
Abhängigkeitsverhalten zu gelangen.
Andere bekannte Risikofaktoren für die Entwicklung einer Sucht sind
Arbeitslosigkeit oder geringer Zugang zum medizinischen System. Auch eine
genetische Prädisposition scheint eine Rolle zu spielen.
Quellen:
Dr. Hans Haltmayer. Seminarskriptum „Drogen und Sucht.“ 2012
Vorgespräch Dr. Hans Haltmayer
Vorgespräch Univ.-Prof. Dr. Rainer Schmid
WAS SIND DROGEN?
Im Allgemeinen versteht man unter Drogen Substanzen, die eine psychoaktive
Wirkung haben, aber nicht medizinisch eingenommen werden. Ein Großteil davon
ist nicht verkehrsfähig, das bedeutet, ihre Produktion, Handel und Weitergabe
sind in entsprechenden Gesetzen verboten – sowohl national wie auch
international.
Drogen können nach unterschiedlichen Kriterien eingeteilt werden:
Gesetzliche Situation
Als „illegal“ werden psychoaktive Substanzen bezeichnet, die einem
Suchtmittelgesetz unterliegen, beispielsweise Heroin, Kokain oder Haschisch. Für
diese Substanzen sind Handel, Produktion, Besitz und auch der Konsum in
Österreich verboten. Allerdings wird beispielsweise Cannabis zur
Schmerzbehandlung in der Medizin verwendet. Daher wird bei diesen Substanzen
nach Verwendungszweck und Anlass unterschieden.
DROGEN
RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 11
Einen Sonderfall nach dem Gesetz stellen die so genannten neuen psychoaktiven
Substanzen dar (siehe Seite 14 ff.). Für diese Substanzen wurde ein neues Gesetz
formuliert, das so genannte „Neue-Psychoaktive-Substanzen-Gesetz“ (NPSG).
Dieses trat in Österreich mit 1. Jänner 2012 in Kraft. Mit diesem Gesetz soll der
Verbreitung dieser Substanzen Einhalt geboten werden, während der Konsum
selbst nicht strafbar ist. „Damit ist man einen Schritt weiter gegangen, weg
davon, den Konsumenten zu bestrafen, sondern auf diese Weise den Markt zu
kontrollieren und einzuschränken“, sagt unser Sendungsgast Univ.-Prof. Dr. Rainer
Schmid, wissenschaftlicher Leiter des „Pill-testing Projekts“ checkit!. Denn
Konsum könne nur über Aufklärung und Prävention oder auch medizinische
Behandlung, nicht aber über Strafe effizient beeinflusst werden.
Zu den „legalen“ psychoaktiven Substanzen gehören etwa Alkohol oder Nikotin.
„Weiche“ und „harte“ Drogen
Die Unterteilung in „weiche“ und „harte“ Drogen ist eher verwirrend. Denn die
Gefährlichkeit einer Substanz hängt nicht von der Substanz alleine, sondern
besonders auch von der Konsumform ab. Daher kann ein und dieselbe Substanz
auch unterschiedlich gefährliche Folgewirkungen haben.
Im Allgemeinen meint man mit weichen Drogen jene, die zwar zu einer
psychischen, weniger aber zu einer physischen Abhängigkeit führen können. Dazu
zählen beispielsweise Cannabis oder LSD.
So genannte harte Drogen machen psychisch, aber zum Teil auch sehr rasch
physisch abhängig. Hierzu zählen etwa Heroin oder Kokain.
Wirkweise Im Allgemeinen wirken die Substanzen über komplexe Wirkmechanismen durch
eine starke kurzzeitige Aktivierung des Belohnungssystems - eines bestimmten
Teils des Gehirns.
Vereinfacht gesagt lösen beim Belohnungssystem bestimmte Reize die Freisetzung
von Dopamin und in weiterer Folge von Endorphinen im Gehirn aus und erzeugen
ein Glücksgefühl. Diese Aktivierung geht mit einer Reihe anderer subjektiver
Erlebnisse einher.
Drogen wirken beispielsweise beruhigend (sog. „Downer“), angstlösend,
stimmungsverbessernd, schlaffördernd, anregend (sog. „Upper“), schmerzlindernd
oder erzeugen Halluzinationen. Verschiedene dieser Wirkungen können auch
gleichzeitig auftreten. Bei Nachlassen der positiven Wirkung treten bei vielen
DROGEN
RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 12
Drogen allerdings negative Effekte, wie beispielsweise Niedergeschlagenheit oder
Depression, auf.
Die Wirkung kann auch von der Dosis abhängen bzw. davon, ob jemand
gelegentlich oder regelmäßig eine Droge konsumiert. Jeder Mensch kann auch
individuell unterschiedlich auf eine bestimmte Substanz reagieren.
Herstellungsweise Nach der Herstellung und/oder der Gewinnung unterscheidet man pflanzliche
Drogen und Pilzdrogen, bearbeitete (teilsynthetische) pflanzliche Drogen und
chemisch hergestellte (synthetische) und bearbeitete (teilsynthetische) Drogen.
Quellen:
https://www.help.gv.at/Portal.Node/hlpd/public/content/152/Seite.1520230.html
Vorgespräch Univ.-Prof. Dr. Rainer Schmid
DROGEN IM DETAIL
Im Folgenden werden einige psychoaktive Substanzen näher vorgestellt.
Kokain
Kokain gehört zu den Aufputschmitteln. Es wird auch Koks, Schnee, Charlie usw.
genannt und ist ein weißes, kristallines, bitter schmeckendes Pulver, das auf dem
Schwarzmarkt oft mit Milchpulver oder anderen Substanzen gestreckt wird. Kokain
wird in der Regel geschnupft, wird aber auch intravenös gespritzt oder geraucht
(nach chemischer Umwandlung in Crack oder Freebase).
Kokain unterdrückt das Hungergefühl und wirkt (subjektiv) leistungssteigernd.
Während bei seltenem Konsum Lust- und Potenzsteigerungen möglich sind,
kommt es bei fortgesetztem Konsum eher zu sexuellem Desinteresse sowie
Impotenz.
Nach dem Kokainrausch folgen depressive Verstimmungen, Müdigkeit und
Apathie. Kokain hat ein hohes psychisches Abhängigkeitspotenzial.
Bei lange andauerndem Konsum kommt es zur Schädigung verschiedener Organe
wie Blutgefäße, Leber und Herz.
Amphetamin, Metamphetamin
Auch Amphetamine gehören zu den Aufputschmitteln. Amphetamin, auch Speed
genannt, ist ein künstlich hergestelltes kristallines Pulver, welches in Tabletten-
oder häufig in Kapselform angeboten wird. Amphetamine werden in der Regel auf
DROGEN
RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 13
dem Schwarzmarkt gestreckt verkauft. Die Substanzen werden geschnupft,
geschluckt, seltener geraucht oder injiziert.
Amphetamine führen zu gesteigerter Wachheit, Stärkung des Selbstbewusstseins
und zum Gefühl erhöhter Leistungsfähigkeit und Konzentration. Schmerzen,
Hunger und Müdigkeit sind reduziert.
Metamphetamin wirkt ähnlich wie Amphetamin, nur wesentlich länger und stärker.
Es wird ähnlich wie Amphetamin künstlich hergestellt und unter anderem als Meth
oder Crystal bezeichnet. Es wird als Pulver, teilweise auch in Tablettenform oder
Kapseln verkauft.
Die rauchbare Form von Metamphetamin (Crystal meth, Ice, Crystal) hat ein noch
höheres Suchtpotenzial als die Pulver- oder Tablettenform.
Ecstasy Ecstasy ist die Bezeichnung für eine Reihe von Amphetaminabkömmlingen, welche
ebenso synthetisch hergestellt werden. Es führt unter anderem zu einer
vermehrten Freisetzung von Serotonin, einem Botenstoff des Gehirns. Die Wirkung
besteht in einer Reduktion von Hunger- und Durstgefühl, in erhöhter Wachheit
und Aufmerksamkeit, sowie Glücks- und Euphoriezuständen. Es kommt jedoch
auch zu einer Steigerung von Körpertemperatur und Blutdruck. Als
Nebenwirkungen kann es allerdings auch zu Schlafstörungen, Kopfschmerzen,
erhöhter Reizbarkeit, Depressionen und Vergesslichkeit kommen.
Häufig werden andere der vielen amphetamin-ähnlichen Substanzen (siehe Seite
14ff.) als Ecstasy gehandelt.
Opiate Opiate kommen in natürlicher Weise im Opium-Harz der Schlafmohnpflanze vor.
Zu den Opiaten zählen Heroin, Morphin, Codein und Opium. Das Opiat Codein
kommt in der Medizin zur Stillung von Hustenreiz zur Anwendung. Zu den Opiaten
wird auch das synthetisch hergestellte Opioid Methadon gezählt, welches in der
Substitutionstherapie (siehe Seite 16ff.) zur Anwendung kommt.
Das halbsynthetisch hergestellte Heroin wird auch H, Braunes oder Gift genannt.
Für den Verkauf wird es sehr oft mit Substanzen wie Zucker oder Kalk gestreckt.
Heroin flutet im Gehirn rasch an und führt daher zu einem intensiven
Rauschzustand (in der Szene auch „Kick“ genannt). Dieses Wirkmuster ist einer
der Gründe für sein höheres Suchtpotenzial.
Heroin ist ein starkes Schmerzmittel, und kann quälende Angstzustände und
verzweifelte Sinnlosigkeitsgefühle reduzieren. Negative Wirkungen nach
wiederholtem Konsum können u.a. Verwirrung, Desorientiertheit,
Erinnerungslücken und Koordinationsstörungen sein.
DROGEN
RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 14
Bereits nach wenigen Wochen Konsum kommt es zur Entwicklung einer Toleranz.
Bei gesteigerter Dosierung besteht die Gefahr von Bewusstlosigkeit, Atemlähmung
oder Herzschwäche, die zum Tod führen kann.
Das Opiat Morphin wird in der Medizin als Schmerzmittel verwendet. In der
Retardform (verzögerte Freisetzung im Körper) wird es auch zur
Substitutionsbehandlung bei Opiatabhängigen eingesetzt.
Morphin kommt nicht nur in der Medizin zur Anwendung, sondern kann auch zum
Suchtmittel werden und bei Missbrauch zu Abhängigkeit führen. Illegales Morphin
wird auch als M, Morph oder Miss Emma bezeichnet. Neben Schmerzstillung
erzeugt Morphin ein Gefühl von Zufriedenheit und entspannter Euphorie. Ähnlich
wie bei Heroin können aber auch negative Wirkungen wie
Konzentrationsschwierigkeiten, Apathie und Interesselosigkeit auftreten. Wie bei
Heroin führt der wiederholte Konsum von Morphin – speziell bei Injektion –
innerhalb einiger Wochen zu einer Toleranzentwicklung.
Cannabis & LSD
Cannabis und LSD (Lysersäurediethylamid) sind so genannte
bewusstseinserweiternde Drogen. Durch eine Reizüberflutung im Gehirn kommt es
zu optischen, akustischen oder emotionalen Halluzinationen, die in manchen
Fällen in „Horrortrips“ münden können. Diese äußern sich in Angstzuständen oder
Panikattacken.
Cannabis stellt den Übergriff für die Hanfprodukte Haschisch und Marihuana dar.
Tetrahydrocannabinol (THC) ist die wichtigste der psychoaktiv wirkenden
Substanzen der Hanfpflanze. THC verstärkt Gefühlszustände und Sinneseindrücke,
führt leicht zu euphorischen Zuständen, zudem zu leichten Halluzinationen. Seine
negativen Wirkungen – meist nach längerem Konsum – bestehen in einer
Einschränkung der Gedächtnis-, Aufmerksamkeits- und Konzentrationsleistung.
Der gelegentliche und nicht gewohnheitsmäßige Konsum von Cannabis bleibt
jedoch in vielen Fällen unproblematisch.
LSD wird oral konsumiert. Mit LSD können unbewusste oder vergessene Zustände
unvermutet wieder auftauchen und verändert neuerlich erlebt werden.
Sinneseindrücke können verfremdet wahrgenommen werden.
Quellen:
Vorgespräch Dr. Hans Haltmayer
Vorgespräch Univ.-Prof. Dr. Rainer Schmid
Artikel „Substanzgebundene Sucht – Neues und Wichtiges“. ärztemagazin 6/2013
NEUE PSYCHOAKTIVE SUBSTANZEN
DROGEN
RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 15
Obwohl die sogenannten neuen psychoaktiven Substanzen (NPS) ebenso in den
Bereich der Drogen fallen, wird ihnen hier ein eigenes Kapitel gewidmet, da sie
sich in einigen Punkten von den „klassischen“ Drogen unterscheiden.
Badesalze & Blumensamen
Seit einigen Jahren sind zunehmend chemisch hergestellte Drogen im Umlauf, die
unter den Namen Research Chemicals, Legal Highs oder Designerdrogen
zusammengefasst werden können. Viele NPS fallen in die Gruppe der
amphetaminartigen Substanzen, der Halluzinogene, oder der synthetischen
cannabisähnlichen Substanzen.
Bei vielen dieser Drogen handelt es sich aber auch um Folgeprodukte der
industriellen oder Arzneimittelforschung, die keine andere Verwendung gefunden
haben. Von den Herstellern wird versucht, durch häufige Veränderung der
chemischen Strukturen immer neue Substanzen zu erzeugen, um damit eine
gesetzliche Kontrolle zu umgehen.
Häufig werden diese Substanzen in großem Umfang im asiatischen Raum
hergestellt und im Internet unter Überbegriffen wie Badesalze,
Räuchermischungen oder Blumensamen angeboten. Sie sind in der Regel legal,
das heißt, sie sind nicht durch das Suchtmittelgesetz abgedeckt. Der Verkauf
erfolgt in einschlägigen Geschäften, im Internet oder im Straßenhandel.
Obwohl durch die harmlos klingenden Bezeichnungen bei den Konsumentinnen
und Konsumenten ein eben solcher Eindruck erweckt werden soll, liegt die Gefahr
dieser Substanzen darin, dass über gesundheitliche Risiken häufig sowohl bei
einer Einmal- als auch bei einer Langzeitanwendung nichts oder nur sehr wenig
bekannt ist. Doch gerade Jugendliche mit Experimentierfreude können sich durch
die vermeintliche Harmlosigkeit einem nicht einschätzbarem Risiko aussetzen.
Wie bereits erwähnt wurde für diese Substanzen das „Neue-Psychoaktive-
Substanzen-Gesetz“ geschaffen, um der Verbreitung dieser Substanzen gezielt
Einhalt gebieten zu können.
In der Regel werden die NPS als Freizeitdrogen nur kurzzeitig konsumiert und die
Jugendlichen (die die Hauptkonsumgruppe darstellen) laufen damit wenig Gefahr,
in eine Abhängigkeit zu geraten. Denn die betreffenden Substanzen werden
üblicherweise im Umfeld von Clubbings, Musikevents oder Technoveranstaltungen
konsumiert, um das positive Erleben der Situation zu verstärken. Das bedeutet,
dass für die meisten Konsumentinnen und Konsumenten mit dem Eintreten in
einen neuen Lebensabschnitt die Clubbingphase und damit auch der Konsum der
psychoaktiven Substanzen beendet sind.
DROGEN
RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 16
Quellen:
Vorgespräch Dr. Hans Haltmayer
Vorgespräch Univ.-Prof. Dr. Rainer Schmid
H. Haltmayer: „Jeff aus dem Chemiebaukasten“. ärztemagazin 12/2012
CHECKIT!
Vor etwa 15 Jahren hat die Stadt Wien unter Beteiligung des Chemikers und
Toxikologen Rainer Schmid ein Projekt ins Leben gerufen, das Prävention zum
Ziel hat: „checkit!“. checkit! ist eine Beratungsinstitution zum Thema
Freizeitdrogen sowie deren Wirkungsweisen und Gefahren. Damit soll die
Zielgruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen erreicht werden, die
fallweise NPS als Freizeitdrogen konsumieren – etwa bei Musikveranstaltungen –
aber eigentlich noch keine akuten Probleme mit Drogen haben und in der
überwiegenden Zahl auch keine bekommen.
Etwa einmal pro Monat begibt sich das Team von checkit! auf Partys, Festivals
oder ähnliche Veranstaltungen (nicht nur in Wien), um vor Ort Substanzen zu
testen, die ihnen von Konsumentinnen und Konsumenten gebracht werden. Dies
geschieht in einem Zelt am Rand der Veranstaltung, in dem sich auch eine
Laboreinheit befindet. Die Analyse erfolgt anonym, und die Ergebnisse werden in
der Beratungszone – mit entsprechenden Hinweisen oder Warnungen versehen –
ausgehängt.
Ein wichtiger Teil dabei ist die Mitwirkung von Sozialarbeiterinnen und
Sozialarbeitern, Drogenberaterinnen und Drogenberatern sowie Psychologinnen
und Psychologen. Sie informieren die Jugendlichen – auch über die Alternative,
keine Drogen zu nehmen – und beraten sie im Hinblick auf eine bestmögliche
Risikominimierung bei Drogenkonsum. „Die Akzeptanz ist gut, weil das Angebot
niederschwellig und akzeptierend ist, nicht moralisierend“, so Rainer Schmid.
checkit! ist bis dato die einzige solche Einrichtung in Österreich.
So werden bei Veranstaltungen bis zu 600 Informations- und Beratungsgespräche
vor Ort durchgeführt und gleichzeitig bis zu 100 psychoaktive Substanzen
analysiert. In der checkit!-Homebase im 6. Wiener Gemeindebezirk können sich
Interessierte darüber hinaus kostenlos und anonym umfassend zu diesem Thema
beraten lassen.
checkit! nimmt zudem laufend an EU-Projekten und Studien zum Thema
Drogenkonsum teil.
DROGEN
RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 17
Quellen:
http://www.checkyourdrugs.at/
Vorgespräch Univ.-Prof. Dr. Rainer Schmid
PRÄVENTION & THERAPIE
Prävention muss darauf abzielen, dass möglichst wenige Menschen überhaupt
jemals Drogen nehmen bzw. wenn sie Drogen konsumieren, davon keine
Abhängigkeit entwickeln und es daher möglichst wenige suchtkranke Menschen
gibt. In diesem Bereich müssen Familien, Kindergärten, Schulen,
Spezialeinrichtungen im präventiven Bereich, Ärzte und andere Gesundheitsberufe
tätig sein.
Wenn es doch so weit gekommen ist, dass sich eine riskanter Gebrauch von
Substanzen oder eine Suchterkrankung entwickelt hat, dann ist es wichtig,
möglichst früh Behandlungsmöglichkeiten für die unterschiedlichen Ausprägungen
dieser Suchterkrankung anzubieten.
So ist es beispielsweise wichtig, schwerst Opiatabhängigen, die sich die Drogen
injizieren, steriles Spritzenbesteck zur Verfügung zu stellen, um
Infektionserkrankungen wie HIV und Hepatitis möglichst zu vermeiden.
Obdachlosen werden Tageszentren und Notschlafstellen zur Verfügung gestellt.
Einen essenziellen Therapieansatz stellt die Substitutionsbehandlung dar, mit der
Drogenabhängigen eine gesellschaftliche Reintegration ermöglicht werden kann.
Daneben existieren auch abstinenzorientierte Angebote, die als Ziel die
vollständige Heilung – also die Überwindung der Suchterkrankung – haben.
Allerdings können Studien zufolge dieses Ziel nur ungefähr zehn bis 20 Prozent
der Drogenabhängigen im Laufe ihres Lebens erreichen. Das heißt also, dass 80
Prozent der Suchtkranken niemals dauerhaft gesund werden. Das Therapieziel bei
diesen Betroffenen ist wie bei anderen chronischen Erkrankungen auch, die
Symptome der Erkrankung möglichst im Hintergrund zu halten, weitere Schäden
zu vermeiden und den Betroffenen zu ermöglichen, an gesellschaftlichen
Prozessen, Arbeit, Familie und Freizeit teilzuhaben und so trotz ihrer Erkrankung
ein normales Leben führen zu können.
Substitutionstherapie
Substitutionstherapie ist im Falle einer Opiatabhängigkeit das Ersetzen von illegal
erworbenen und illegal eingenommenen Opiaten durch Medikamente. In
DROGEN
RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 18
Österreich werden Morphin in Retardform, Methadon und Buprenorphin als
Substitutionsmedikamente verwendet.
Die Betroffenen erhalten diese Opiate vom Arzt als Medikamente verschrieben,
nehmen diese täglich ein, und sind auch von diesen Medikamenten abhängig.
Allerdings stellt sich ein gleichmäßiger Blutspiegel des Medikaments ein, durch
den die Betroffenen – anders als bei der unregelmäßigen Injektion oftmals
unkontrollierter Dosen – nicht beeinträchtigt sind.
Die Substitutionstherapie ermöglicht vielen Betroffenen, einem geregelten Alltag
nachzugehen, einen Beruf auszuüben, ein Kfz zu lenken etc. Sie werden ärztlich
behandelt und sind nicht darauf angewiesen, sich Drogen illegal zu beschaffen.
Die Hälfte der 30.000 und 34.000 Menschen, die in Österreich als opiatabhängig
gelten, befindet sich in Substitutionsbehandlung. Deren Anteil steigt
kontinuierlich.
Etwa 90 Prozent der in Behandlung befindlichen Personen sind stabil substituiert.
„Diese sind völlig unauffällig in die Gesellschaft integriert und haben natürlich
auch kein Interesse daran, ihre Erkrankung an die Öffentlichkeit zu bringen“, sagt
unser Sendungsgast Dr. Hans Haltmayer, ärztlicher Leiter der Suchthilfe Wien.
Denn dann hätten sie möglicherweise mit negativen Konsequenzen zu rechnen,
beginnend vom Arbeitgeber, der sie eventuell kündigen würde, bis hin zu
Nachbarn oder auch Angehörigen, die den Betreffenden letztendlich eine
Willensschwäche zuschreiben würden. Haltmayer weiter: „Diese gut Behandelten,
die quer durch alle Berufe zu finden sind, haben Angst, durch eine
Veröffentlichung Nachteile zu erleiden, und diese Angst ist nicht unberechtigt.“
Dieser Umstand führt letztendlich dazu, dass von der Öffentlichkeit nur die
schwerkranken und sehr auffälligen Patienten, die verwahrlost sind und
psychische Begleiterkrankungen haben, und vielleicht ihre Medikamente auch
missbräuchlich verwenden, wahrgenommen werden. Damit entsteht ein völlig
verzerrtes Abbild der Realität.
In Österreich herrscht im Expertenbereich Einigkeit darüber, dass die
Substitutionsbehandlung ein unverzichtbares Therapieangebot darstellt und die
Therapie der ersten Wahl ist, dass sie zu einer deutlichen Verlängerung der
Lebenszeit der Drogenabhängigen und letztendlich auch zu einer
gesellschaftlichen Stabilisierung führt.
Suchthilfe Wien Etwa die Hälfte der Drogenabhängigen in Österreich befindet sich im Raum Wien.
Hier betreibt die Suchthilfe gGmbH Wien ein breites Angebot für die Beratung und
Betreuung von Drogenabhängigen. Zentrale Einrichtungen sind der „Jedmayer“
DROGEN
RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 19
und das „Ambulatorium Suchthilfe Wien“, das von Dr. Hans Haltmayer geleitet
wird. Dabei handelt es sich um eine sozialmedizinische Einrichtung im 6. Wiener
Gemeindebezirk, das mehrere Angebote unter einem Dach vereint.
Zum einen gibt es dort ein Tageszentrum mit sozialarbeiterischer Beratung und
Betreuung. Die Betroffenen können sich dort aufhalten, soziale Kontakte knüpfen
sowie eine kleine Mahlzeit einnehmen. Des Weiteren steht eine Notschlafstelle mit
26 Betten für akut von Obdachlosigkeit Betroffene zur Verfügung.
Im ebenfalls dort befindlichen Ambulatorium wird sowohl allgemein medizinische,
als auch eine speziell suchtmedizinische Versorgung, wie Substitutionstherapie,
Behandlung von Virushepatitis oder von HIV/Aids angeboten. Zudem verfügt die
Einrichtung über eine Gynäkologin, eine Psychiaterin sowie Internisten. Eine
Spritzentauschstelle, bei der gebrauchte Injektionsspritzen gegen Einmalspritzen
getauscht werden können, hat 24 Stunden geöffnet. Damit sollen Infektionen
vermieden werden bzw. verhindert werden, dass gebrauchte Spritzen im
öffentlichen Raum verbleiben.
Zahlreiche Drogenberatungs- und Therapieeinrichtungen gibt es auch in allen
anderen österreichischen Bundesländern. Sie sind im Österreichischen
Suchthilfekompass - http://suchthilfekompass.oebig.at/ - aufgelistet.
Hilfe für Angehörige und Freunde
Eltern oder andere Angehörige von Drogenabhängigen fühlen sich oft sehr
schuldig und haben das Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben. Für sie geht es
darum, einen guten Umgang mit der häufig schwierigen Situation sowie auch eine
Strategie für die Zukunft zu finden.
Grundsätzlich haben Angehörige von Betroffenen die Möglichkeit, sich an eine
niedergelassene Ärztin oder einen niedergelassenen Arzt zu wenden und sich dort
Beratung zu holen. Zudem gibt es Elternvereine, die sich zusammengeschlossen
haben, sowie Selbsthilfeeinrichtungen. Betroffene Angehörige können sich aber
auch in Drogen- und Beratungseinrichtungen in ganz Österreich anonym und auch
kostenlos informieren und beraten lassen.
Quelle:
Vorgespräch Dr. Hans Haltmayer
ALS KRANKHEIT AKZEPTIEREN
Trotz des medizinisch klaren Sachverhalts wird Drogenabhängigkeit in der
Öffentlichkeit oftmals noch immer nicht als Krankheit angesehen und anerkannt.
Der Toxikologe Rainer Schmid meint dazu, dass dies noch aus einer
DROGEN
RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 20
überkommenen gesellschaftlichen Sichtweise der 1950er-Jahre herrühre. Damals
gab es wenig naturwissenschaftlich und medizinisch gesichertes Wissen über die
Wirkung von Drogen, epidemiologische Daten hätten gefehlt und so sei der
Glaube entstanden, dass es sich bei Drogenabhängigkeit um eine
Persönlichkeitsschwäche, also eine reine Charakterangelegenheit handle.
Vor allem die Suchtkranken selbst würden unter diese Sichtweise sehr leiden,
betont der Wiener Sucht- und Drogenbeauftragte Hans Haltmayer. Die Gründe
dafür, dass Drogenabhängigkeit häufig als Willensschwäche oder asoziale
Lebensweise gesehen wird, liegt seiner Meinung nach zum einen an der
rechtlichen Situation, da eine Reihe der verwendeten Substanzen illegal ist und
damit dem Strafgesetz unterliegt. Es könne seiner Meinung nach aber auch damit
zu tun haben, dass die Gesellschaft die Fähigkeiten eines Menschen zur Kontrolle
der eigenen Möglichkeiten als sehr hoch bewerte, und daher ein fehlendes Maß
an Kontrolle als Fehlverhalten verurteile.
Für die Zukunft wünscht sich Dr. Haltmayer, dass Drogenabhängigkeit nicht als
Fehlverhalten gesehen wird, bei dem jemand sozial unerwünschtes Verhalten an
den Tag legt, sondern die Betroffenen als Menschen mit einer gut behandelbar
Erkrankung akzeptiert werden.
Quellen:
Vorgespräch Dr. Hans Haltmayer
Vorgespräch Univ.-Prof. Dr. Rainer Schmid
Wir danken Herrn Dr. Hans Haltmayer und Herrn Univ.-Prof. Dr. Rainer Schmid für
ihre Unterstützung bei der Erstellung der Informationsmappe!
ANLAUFSTELLEN UND INFOLINKS
RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 21
ANLAUFSTELLEN UND INFOLINKS
Ambulatorium Suchthilfe Wien
Suchthilfe Wien GmbH
Gumpendorfer Gürtel 8
A-1060 Wien
Tel.: +43/1/4000/53 760
E-Mail: [email protected]
Homepage: http://www.suchthilfe.at/beratung-betreuung-wohnen/ambulatorium-
shw/
Jedmayer
Suchthilfe Wien GmbH
Gumpendorfer Gürtel 8
A-1060 Wien
Tel.: +43/1/4000/53 800
24h-Hotline: +43/1/4000/ 53799
E-Mail: [email protected]
Homepage: http://www.jedmayer.at
checkit! – Kompetenzzentrum für Freizeitdrogen
Gumpendorferstraße 8
A-1060 Wien
Tel.: +43/1/4000/ 53650
E-Mail: [email protected]
Homepage: http://www.checkyourdrugs.at/
Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie – Drogenambulanz
MedUni/AKH Wien
Währinger Gürtel 18–20
A-1090 Wien
Tel.: +43/1/40400/2117
E-Mail: [email protected]
Homepage: http://drogenhilfe.at/einrichtungen/illegale-suchtmittel-und-
alkohol/drogenambulanz-im-akh/
ANLAUFSTELLEN UND INFOLINKS
RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 22
Anton-Proksch-Institut - Treffpunkt Drogenberatung und Vorbetreuung,
Spezialambulanz für Substitution
Radetzkystraße 31/6
A-1030 Wien
Tel.: +43/1/880 10/3200
E-Mail: [email protected]
Homepage: http://www.api.or.at/typo3/index.php?id=388
Dialog - IS3
Ambulanz mit umfangreichen Angeboten im Bereich der Behandlung und
Betreuung von suchtmittelabhängigen Menschen und deren Angehörigen
Döblerhofstr. 10A
A-1030 Wien
Tel.: +43/1/796 25 93
E-Mail: [email protected]
Homepage: http://drogenhilfe.at/einrichtungen/illegale-suchtmittel-und-
alkohol/dialog-is3/
Österreichischer Suchthilfekompass (Adressen in ganz Österreich)
http://suchthilfekompass.oebig.at/Einrichtungen/Suchen?Einrichtungsart=Ambulant
Suchtberatungsstellen Oberösterreich
http://www.land-
oberoesterreich.gv.at/cps/rde/xchg/ooe/hs.xsl/32184_DEU_HTML.htm
Suchtberatungsstellen Niederösterreich
http://www.suchtpraevention-noe.at/index.php?nav=1612
Suchtberatungsstellen Salzburg
http://www.salzburg.gv.at/themen/gs/soziales/psychosoziale_beratung_und_betreu
ung/abhaengigkeit_drogen_einrichtungen.htm
Vorarlberger Drogenhilfe
http://www.vorarlberg.at/vorarlberg/gesellschaft_soziales/gesellschaft/suchtkoordin
ation/weitereinformationen/graphiknetzderdrogenpolit/dasnetzdervorarlbergerdro.h
tm
Suchtberatungsstellen Burgenland
ANLAUFSTELLEN UND INFOLINKS
RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 23
http://www.beratungsstellen.at/regionalsuche/beratungsstellen-in-burgenland-mit-
zusatzbezeichnung-drogenberatungsstellenbsp/ges2/1529/1151/B/0
Suchtberatungsstellen Kärnten
http://www.suchthilfe.ktn.gv.at/Default.aspx?SIid=86
Tiroler Drogeneinrichtungen
http://www.z6online.com/drogenfachstellen.php
Suchtberatungsstellen Steiermark
http://www.drogenberatung.steiermark.at/cms/beitrag/10912308/29028443#tb7
Epidemiologiebericht Drogen 2012/2013
http://bmg.gv.at/home/Schwerpunkte/Drogen_Sucht/Drogen/Epidemiologiebericht_
Drogen_2012_2013
Wiener Sucht- und Drogenstrategie 2013
http://drogenhilfe.at/5950/wiener-sucht-und-drogenstrategie-2013/
HELP.gv.at: Sucht - Abhängigkeitserkrankung
https://www.help.gv.at/Portal.Node/hlpd/public/content/152/Seite.1520000.html
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (Deutschland)
http://www.drugcom.de/aktuelles-aus-drogenforschung-und-drogenpolitik/
Informationen zu neuen psychoaktiven Substanzen und Drogen (BMG)
http://bmg.gv.at/home/Schwerpunkte/Drogen_Sucht/Drogen/Informationen_zu_neue
n_psychoaktiven_Substanzen_und_Drogen
Berichte zur Drogensituation (BMG)
http://bmg.gv.at/home/Schwerpunkte/Drogen_Sucht/Drogen/Berichte_zur_Drogensit
uation
Infos über Drogen und Drogenkonsum
http://www.drogen.net/
BUCHTIPPS
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BUCHTIPPS
Helmut Kuntz
Drogen & Sucht: Ein Handbuch über alles, was Sie wissen müssen
Beltz Verlag 2013
ISBN-13: 978- 3407859259
Ralf Schneider
Die Suchtfibel: Wie Abhängigkeit entsteht und wie man sich daraus befreit.
Informationen für Betroffene, Angehörige und Interessierte
Schneider Verlag Gmbh 2013
ISBN-13: 978- 3834012500
Mike Jay, Michael Haupt
High Society: Eine Kulturgeschichte der Drogen
Primus Verlag 2011
ISBN-13: 978- 3896788580
Trevor Grice, Tom Scott und Fritz Helmschrott
Die schönen Blödmacher - Was man über Drogen wissen muss: Ein Lese- und
Arbeitsbuch für Jugendliche und Erwachsene
Verlag An der Ruhr 2007
ISBN-13: 978- 3834602305
SENDUNGSGÄSTE
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SENDUNGSGÄSTE
In der Sendung Radiodoktor – Medizin und Gesundheit vom 18. November 2013
waren zu Gast:
Dr. Hans Haltmayer
Allgemeinmediziner und Psychotherapeut
Ärztlicher Leiter der Suchthilfe Wien
Beauftragter für Sucht- und Drogenfragen der Stadt Wien
Gumpendorfer Gürtel 8
A-1060 Wien
Tel.: +43/1/4000/53800
E-Mail: [email protected]
Homepage: http://www.suchthilfe.at/
Univ.-Prof. Dr. Rainer Schmid
Chemiker und Toxikologe
Klinische Abteilung für Medizinische und Chemische Labordiagnostik, Klinisches
Institut für Labormedizin
Wissenschaftlicher Leiter des Drogenprojekts checkit! der Stadt
Medizinische Universität/AKH Wien
Währinger Gürtel 18-20
A-1090 Wien
Tel.: +43/1/40400/5356
E-Mail: [email protected]
Homepage: http://www.akhwien.at/default.aspx?pid=113