Education Day „Schmerz“
Julia Wager
Recklinghausen, 16.03.2017
Akuter und chronischer Schmerz:
Unterschiede und Gemeinsamkeiten
Schmerz ist…
„... ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das
mit einer aktuellen oder potentiellen Gewebeschädigung
einhergeht oder mit den Begriffen einer solchen
Schädigung beschrieben wird.“ (Merskey & Bogduk, 1994)
„... das, was der Betroffene über die Schmerzen mitteilt.“ (McCaffery & Ferrell, 1997)
McCaffery & Ferrell. J
Pain Symptom
Manage. 1997;
14(3):175-88.
Merskey & Bogduk,
Classification of chronic
pain. 1994
Akut, sehr kurze Dauer
- Medizinische Intervention (Impfung, Blutabnahme)
Akut, kurze Dauer
- Operation
Akut, längere Dauer
- Otitis media, Pharyngitis, postoperativer Schmerz
Akut, andauernd
- Anhaltender Verbrennungsschmerz oder postoperativer Schmerz,
Neonatologische/pädiatrische Intensivbehandlung
Klassifikation Akutschmerz bei Kindern
Abgrenzung:
Akuter und chronischer Schmerz
AKUTER SCHMERZ CHRONISCHER SCHMERZ
Gewebsschädigungen
Eigenständige, unabhängige
Erkrankung
Intensität hängt stark mit
dem Reiz zusammen
Lokalisation klar zuzuordnen
Unabhängig vom ursprünglichen
Auslöser/Reiz (falls es einen gibt)
Intensität korreliert nicht mit dem
möglichen Auslöser/Reiz
Warnfunktion –
physiologische Funktion
Keine Warnfunktion
wichtige Rolle
psychologischer und
sozialer Faktoren bei der
Schmerzwahrnehmung
wichtige Rolle psychologischer und
sozialer Faktoren bei der
Aufrechterhaltung und Verstärkung
des Schmerzes
Definition chronischer Schmerzen
Von chronischem Schmerz spricht man wenn der
„Schmerz über die normale Zeit der Wundheilung hinweg
anhält (in der Regel 3 Monate)“ (Merskey & Bogduk, 1994)
Merskey & Bogduk,
Classification of chronic
pain. 1994
Chronisch, funktional
- Spannungskopfschmerz, chronische Bauchschmerzen, muskuloskeletaler
Schmerz
- Somatoforme Schmerzstörung (ICD-10, F45.4)
- Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren
(ICD-10-GM, F45.41)
Chronisch, primär “organischer” Schmerz, keine lebensverkürzende
Erkrankung
- schwere rheumatische Erkrankungen, Osteogenesis Imperfecta,
Epidermolysis Bullosa (keine lebensverkürzende Form)
Chronisch, primär “organisch” und lebensverkürzende Erkrankung
- nicht schwer behindert (Krebs, EB (schwere Fälle), Muskeldystrophie
Duchenne)
- schwer behindert (schwere Cerebralparese)
Klassifikation chronischer Schmerz bei Kindern
Warum ist die Unterscheidung akut und
chronisch wichtig?
Worunter leidet der Patient am meisten?
Relevant für Festlegung der Therapieziele und
Behandlung
AKUTER SCHMERZ CHRONISCHER SCHMERZ
Schmerzwahrnehmung
(Schmerzstärke)
Beeinträchtigung im Alltag
(Funktionsfähigkeit)
Biologische Faktoren
Nozizeption durch Gewebeschädigung
Zentrale Schmerzverarbeitung
Neuronale Schmerzinhibition
(Periphere und/oder) zentrale neuronale Sensibilisierung
Wager & Zernikow
Monatsschr Kinderheilkd
2014; 162:12–18.
Emotionen
Ängstliche Kinder haben eine stärkere
Schmerzwahrnehmung bei Akutschmerz (Kuscu et al.,
2008)
Depressivität und Ängstlichkeit sind stark mit
chronischen Schmerzen und deren Aufrechterhaltung
assoziiert (Miro et al., 2007)
- Patienten in tertiären Einrichtungen haben erhöhte
Depressions- und Angstwerte (Zernikow et al., 2012)
- Erhöhte Depressions- und Angstwerte sind mit einem
ungünstigeren Verlauf assoziiert (Mulvaney et al., 2006;
Stanford et al., 2008) Kuscu et al. Int J Paediatr
Dent. 2008;18(2):139-45.
Miro et al. Eur J Pain.
2008; 12(1):30-47.
Mulvaney et al. J Am Acad
Child Adolesc Psychiatry.
2006; 45(6):737-44.
Stanford et al. Pain. 2008
15;138(1):11-21.
Zernikow et al. BMC
Pediatr. 2012 May
16;12:54.
Funktional vs. Dysfunktional
- Grundüberzeugungen
- Bewertungen
Kognitionen
Katastrophisieren
vs.
Selbstwirksamkeit
Ich hab den Schmerz im
Griff!!
Crombez et al. Pain.
2003; 104(3):639-46.
Schmerz ist unkontrollierbar!
Schmerzen gehören dazu!
Der Schmerz wird niemals
aufhören!
Verhalten
Passives Verhalten und Schonung
- Bei akuten Schmerzen angemessen
- Bei chronischen Schmerzen nicht angemessen
Häufig entspricht Verhalten bei chronischen Schmerzen dem
Verhalten bei akuten Schmerzen
Vermeidungsverhalten
- z.B. aus Angst, dass die Schmerzen wieder auftreten oder
stärker werden
Asmundson et al. Pain
Res Manag. 2012;
17(6):397-405.
Walker et al. J Pediatr
Psychol. 2007; 32(2):206-
16.
Eltern / Familie
Reaktion der Eltern beeinflusst das Stress- und
Schmerzlevel des Kindes
chronisch schmerzkranke Eltern Risikofaktor für
chronische Schmerzen eines Kindes; mögliche
Ursachen:
- Genetik
- Modelllernen
- Psychologische elterliche Aspekte: Verhalten, Kognitionen,
Emotionen
Liossi et al. Clin J Pain.
2007;23(5):392-9
Hoftun et al. JAMA
Pediatr. 2013; 167(1):61-
9.
1. Gilt für akute Schmerzen ebenso wie für chronische
Schmerzen
2. Die Dimensionen sind bei jedem Individuum
unterschiedlich ausgeprägt
3. Das Gewicht der einzelnen Dimensionen variiert (nach
Individuum / nach Art des Schmerzes)