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541.12

EIN BEISPIEL VORAUSBERECHENBARER KATALYSE,

von

E. ABEL.

Das Beispiel vorausberechenbarer Katalyse, iiber das ich in aller Kurze berichten mochte, ergab sich ungesucht gelegentlich einer Arbeitsfolge, die anderen Zwecken galt. Im Laufe einer Untersuchung, die ich gemeinsam mit A. FURTH durchfiihrte, und die die Kinetik und Thermodynamik des Perjodations betraf, envies sich die Kennt- nis der Reduktionsgeschwindigkeit von Perjodat zu Jodat mittels Jodids von Wichtigkeit. Diese Reduktion findet bekanntlich in einem begrenzten H’-Ionen-Interval1 praktisch quantitativ und ohne Weiter- reduktion des entstehenden Jodats statt und dient nach E. MULLER zu einer bequemen und genauen titrimetrischen Bestimmung von Perjodat. Sie geht schnell vor sich, lauft im allgemeinen innerhalb Sekunden oder hochstens weniger Minuten ab, l a s t sich aber trotzdem zeitlich verfolgen, sofern man den schon mehrfach geiibten Kunstgriff iibt, nicht wechselnden Zeiten die beziiglichen Reaktionsaus- masse, sondern wechselnden Reaktionsausmassen die beziiglichen Zeite zuzuordnen. Es lag nahe, die solcher Art der Reduktion jeweils anheim- gefallenen Reaktionsanteile durch wechselnde Zusatze eines Reduk- tionsmittels zu verfolgen, das einerseits wohl nicht Perjodat, ander- seits aber das nach der zu messenden Reaktion

10,’ + z I’ + z H’ w 10,’ + I, + H,O jeweils entbundene Jod, und zwar praktisch momentan, zu reduziereri vermag, so dass die Zeitdauer der beziiglichen Umsetzung durch das Auftreten der Jodfarbung gegeben ist. Thiosulfat ist aus naheliegenden Griinden hier nicht brauchbar ; hingegen envies sich arsenige Saure als durchaus geeignet, da die beiden genannten Voraussetzungen fur ihre Anwendbarkeit, wie wir gesondert festgestellt haben, im allge- meinen zutreffen.

Auf diesem Wege liess sich feststellen, dass die genannte Reaktion, in Azetat-Essigsaure-Losungen, streng bimolekular nach der Geschwin- digkeit sgleichung

-~ [104‘1 = k,[IO,‘] [I’] dt

vor sich geht. Die Abhangigkeit des Zahlenwertes von k, von der Aze- tat- und Ha-Ionen-Konzentration ist eine sehr eigenartige : Bei niedri-

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gem Azetatgehalt, bis zu etwa 0.1 n, ist die Geschwindigkeit zwar vom hzetatgehalt abhangig, indem sit: mit zunehmendem Azetatgehalt wachst, von der H’-Konzentration aber unabhangig ; der Zahlenwert von k, fur -- nicht realisierbare - a.zetatfreie Losungen ist etwa 380 (Zcit in Minuten ; Konzentrationen Mole pro L ; 25” C.). Bei hoheren Azetatgehalten tritt eine (schwache) H‘-Abhangigkeit auf und zwar umso merklicher, je hoher der Azetatgehalt ist ; diese Abhan- gigkeit ist eine derartige, dass bei konstantem Azetatniveau die Geschwindigkeit mit wachsender H’-Konzentration zunachst zu-, dann abnimnit. Sie geht also jeweils durch ein Maximum, das bei etwa [H’] = 10--’, also in der Gegend des Neutralisationspunktes gelegen ist. Auf diese Weise wurden fur k, im Azetatintervall von etwa 0.1 bis 2.4 n und einem Essigsaureintervall von 0.001 bis 3.0 n Zahlenwerte von etwa zoo bis 1000 gefunden. Einzelheiten sollen an anderer Stelle berichtet werden.

In ihrein Gesamtbild stellr sich, wie man sofort erkennt, die Reak- tion bei der gewahlten Versuchsmethodik als Katalyse der Reaktion zwischen Perj odat und arseniger Saul-e durch Jodion

10,’ + AsO,’ B-+ 10,’ + AsO,’ l)

dar, und diese Auffassung gewann an Interesse, als Verhaltnisse realisiert werden konnten, unter denen die eine der vorerwahnten Voraussetzungen, Nichtreduzierbarkeit von Perjodat durch arsenige Saure, sich nicht mehr als vorliegend erwies. Von diesem Gesichts- punkte aus wurde die direkte Reaktion zwischen Perj odat und arse- niger Saure naher untersucht ; sie ergab sich gleichfalls bimolekular

rnit der Geschwindiglieitskonstante k, == 5.6, so gut wie unabhiingig von der H’-Konzentration.

Hierniit war die Bahn frei, irn Zusammenbestehen von Perjodat, arseniger Saure und Jodid einen Fall von Katalyse zu schaffen, bei dem die unkatalysierte (diiekt e), die katalysierende urid die katalysierte Reak- tion einer gesonderten 2 ) Geschwindigkeitsbestimmung zuganglich ist. Solche Faille sind bekanntlich nicht zahlreich ; ja vielleicht ist hicr sogar nur die von mir seinerzeit untersuchte Jodionenkatalyse der Wasserstoffsuperoxyd-Thiosulfat-Reaktion als Vorgangerin anzufuhren. Diese weist ubrigens, wie man aus der Superposition der beiderseitigen Teilvorgange leicht erkennt, mit der hier in Rede stehenden Kata- lyse dieselbe Form auf ; es berechnet sich die Zeitdauer bis zum Auf- treten der Jodf arbung

k, ac log - - __ 2.30 t =

k, c-k, (a-b) (a-b) (k, c + k, b)’

1) Zur Vereinfachung dcr Gleichungen ernpfiehlt sich die obige Schreibweise. 2, Von eiiier solchen kann hier iii der Tat gesprochen werden, da die Gesc;hwiri-

diglieit, wie sie an der katalysierenden Reaktion mit Hilfe der genannten Metho- dik bcstimmt wurde, von der (iegenwart der arsenigen Sailre nachweislich (prak- tisrh) iinberuhrt ist. XLI 39*

wenn a und b die Anfangskonzentrationen von Perjodat und arseniger Saure, c jene des Katalysators (Jodid) und k, die Geschwindigkeits- konstante der direkten (unkatalysierten), k, die der katalysierenden Reaktion bedeutet. Freilich schrankt das Missverhaltnis zwischen den Geschwindigkeitskoeffizienten der unkatalysierten und dei- katalysie- renden Reaktion den Messbereich nur auf sehr enge Grenzen ein, betragt doch der erstere, je nach den Pufferlosungen, nur etwa 0.5 bis 2% des letzteren; dam kommt, dass sich aus Grunden der Ver- suchsmethodik und der Messgenauigkeit weder die Konzentration des Substrats (.4s,03) stark steigern, noch die des Katalysators (Jodions) stark herabmindern lasst. Nachfolgende Tabelle gibt in ihren Umris- sen den Konzentrationenumfang an, innerhalb dessen sich obige t-Formel bei einem bestimmten Essigsaure-Azetatgemisch (CH,COONa - - 0.4 ; gefundenen und den berechneten (t.) Zeiten zeigt durchaus befriedigende Uebereinstimmung ; die Differenzen ubersteigen nirgends die Gcnauig- keitsgrenzen dcr angewendeten Methode.

CH3COONs : 0.4 CH,COOH : 0.1

CH3COOH = 0.1 n) prufen liess ; der Vergleich zwischen den

k, = 6.6 ; I<, = 707

0.00587, 1 0 .r’0570

\ 0.01380 0.01382, @.01382, 0,01375

NO __ __

1 % 3 4 5 6 7 s 9

b ( NaAsO *)

0.00500 0.00250

0.01250

0.01000 0.01250 0.01250

( \ .01000

0.00020 0.00020

0.00025 0.00025

1 0.00050 ‘ n.00050

~ 0.00050

t t l

gefunden I bcrechnet

12‘ 28” I 12‘40” i:;‘ 30“ 3’ 57” 3‘ 55”

In der letzten Kolumne sind die Zeiten (t , , ) eingetragen, die sich bei Vernachlassigung der Geschwindigkeit der direkten Reaktion ergeben wurden. Man erkennt, dass dem Versuchsbereich auch dadurch enge Grenzen gezogen sind, dass die Ablaufzeiten alsbald so kurz werden, dass die Unterschiede zwischen den nach dieser Naherungs- und der exakten Formel berechneten Zeiten, absolut genommen, allzu klein werden. Immerhiii crscheint durch diese hier mitgeteilten Messungen eine typische Katalyse, bei der der Katalysator eine messbar vorhan- dene Reaktionsgeschwindigkeit vergrossert, quantitativ vorausberechen- bar, und da im Grunde genommen erst eine solche strenge Vorausbe- rechenbarkeit einer Katalyse ihren Zwischenreaktionscharakter sichert, so mag auch von diesem Gesichtspunkte aus die Jodionenkatalyse der Perjodat-Arsenigsaure-Reaktion von einem gewissen Intercsse sein.

W i e n , Juni 1922. ( R e p le 23 @in 1922).


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