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240 KARRIERE, KÖPFE & KONZEPTE

Alternative Energien

Ein neues Enzym zur direktenHydrogenierung von CO2KAI SCHUCHMANN, VOLKER MÜLLER

MOLEKULARE MIKROBIOLOGIE & BIOENERGETIK, UNIVERSITÄT FRANKFURT A. M.

10.1007/s12268-014-0434-1© Springer-Verlag 2014

ó Die Bindung von anorganischem Kohlen-dioxid (CO2) in organisches Material stellt seitMilliarden Jahren eines der Hauptproblemeautotropher Lebewesen dar. Von den sechsbekannten Wegen der CO2-Fixierung erlaubtnur einer die gleichzeitige Konservierung vonEnergie: der reduktive Acetyl-CoA-Weg [1].Diese Eigenschaft macht ihn zu einem Kan-didaten für den Stoffwechsel der ersten Lebe-wesen auf der Erde [2]. In acetogenen Bakte-rien ist dieser Weg die einzige enzymatischeRoute des autotrophen Stoffwechsels, der Pro-duktion von Acetat aus den anorganischenSubstraten Wasserstoff und Kohlendioxid.

Die grundlegende Biochemie der Reaktio-nen ist mittlerweile seit über 20 Jahren ver-standen. Wie sich nun zeigte, steckt dieserStoffwechsel jedoch immer noch voller Über-raschungen. Der erste Schritt ist die Reduk-tion von CO2 zu Ameisensäure (bzw. Formiat).Die meisten Enzyme, die diese Reaktion kata-

lysieren, die Formiat-Dehydrogenasen, ope-rieren unter physiologischen Bedingungennur in der Richtung der Formiat-Oxidationund verwenden lösliche Elektronenakzepto-ren wie NAD(P) oder Ferredoxin. Das Genomvon Acetobacterium woodii deutet aber aufeine neue Lösung für diese Reaktion hin: DasGen für die einzige Formiat-Dehydrogenaseliegt in direkter Nachbarschaft zu den Geneneiner Hydrogenase sowie von Elektronen-transferproteinen [3].

Ein entsprechender Komplex konnte nunaus dem Zytoplasma von A. woodii isoliertwerden [4]. Das tetramere Enzym (Abb. 1)katalysiert die direkte Reduktion von Koh-lendioxid mit molekularem Wasserstoff. Ent-sprechend dieser Aktivität wurde der Kom-plex Wasserstoff-abhängige CO2-Reduktasegenannt (hydrogen-dependent CO2 reductase,HDCR). Das Enzym katalysiert die Reaktionmit annähernd gleichen Aktivitäten in beideRichtungen und besitzt darüber hinaus einealternative Eintrittspforte für Elektronen, dieaus reduziertem Ferredoxin stammen. Dies

ermöglicht eine Reduktion von Kohlendioxidohne Wasserstoff, was unter bestimmtenWachstumsbedingungen von Vorteil seinkann.

HDCR-ähnliche Enzyme sind nicht auf ace-togene Bakterien beschränkt. EntsprechendeGene lassen sich z. B. auch in Sulfatreduzie-rern oder syntroph lebenden Organismen fin-den. Enzyme dieser Art könnten in Zukunftauch für die Biotechnologie interessant wer-den. Die direkte Hydrogenierung von CO2

stellt noch immer ein Problem der chemi-schen Katalyse dar. Das isolierte Enzym ausA. woodii katalysiert diese Reaktion bei Raum-temperatur mit einer 1.500-fach höheren Rateals die bisher besten be kannten chemischenKatalysatoren. Über den alternativen Reduk-tionsweg lassen sich auch Gasgemische ausH2, CO2 und CO nutzen. Es gelang darüberhinaus, ein Ganzzellsystem zu etablieren, dasdie beschriebene Katalyse mit intakten Bak-terienzellen ermöglicht, wodurch Zeit undKosten für die Isolierung des Enzyms gespartwerden. Ameisensäure könnte als Produkt

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˚ Abb. 2: Ameisensäure lässt sich im Unterschied zu gasförmigemWasserstoff leicht und sicher transportieren. Am Verbrauchsort kanndieser zur Umsetzung in einer Brennstoffzelle wieder freigesetzt wer-den. Das neu entdeckte Enzym ist ein erster biologischer Katalysator indiesem Kreislauf (aus [5]).

˚ Abb. 1: Das Enzym HDCR (hydrogen-dependent CO2 reductase) ausAcetobacterium woodii katalysiert die reversible Hydrogenierung vonCO2. Durch eine alternative Eintrittspforte ist auch die Nutzung vonKohlenmonoxid als Substrat zur Reduktion von CO2 möglich. CODH,Kohlenmonoxid-Dehydrogenase; Fd, Ferredoxin [4].

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verwendet werden oder eine Rolle in der Was-serstoffspeicherung spielen. Ein entspre-chender Kreislauf ist in Abbildung 2 darge-stellt. Möglicherweise liefert die Biologie soeinen kleinen Schritt auf dem Weg zu einerwasserstoffbasierten Energieversorgung. ó

Literatur[1] Fuchs G (2011) Alternative pathways of carbon dioxidefixation: insights into the early evolution of life?Ann Rev Microbiol 65:631–658[2] Sousa FL, Thiergart T, Landan G et al. (2013) Early bio-energetic evolution. Philos Trans R Soc Lond B Biol Sci 368:1622[3] Poehlein A, Schmidt S, Kaster AK et al. (2012) An ancientpathway combining carbon dioxide fixation with the genera-tion and utilization of a sodium ion gradient for ATP synthe-sis. PLoS One 7:e33439[4] Schuchmann K, Müller V (2013) Direct and reversiblehydrogenation of CO2 to formate by a bacterial carbon dioxidereductase. Science 342:1382–1385[5] Pereira I (2013) An enzymatic route to H2 storage.Science 342:1329–1330

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Das neue Buch vom PfeilstorchRagnar K. Kinzelbach104 S, 51 Abb., Basilisken-Presse,Rangsdorf, 2013. Klappenbroschur,16,90 O.ISBN: 978-3-941365-06-3

ó Der „Pfeilstorch“ ist ein Para-digma, das zu einem Paradigmen-wechsel in der Verhaltenskenntnisder Zugvögel führte. Er wurde1822 in Mecklenburg vor seinemNest erlegt. Kein Meisterschuss,denn der Storch war „gehalsicapt“durch einen Pfeil, der längelangdurch seinen Hals ging. Der Pfeilstammte, wie der jagd- und reise-kundige Großherzog FriedrichFranz I von Mecklenburg-Schwe-rin erkannte, aus Ostafrika. Er stif-tete den präparierten Vogel derzoologischen Sammlung der Rostocker Universität, die ihn alsSensationsstück im Treppenhausdemonstrierte.

Einmal aufmerksam geworden,kamen beim Präparieren zahlrei-cher in subäquatorialen GegendenAfrikas geschossener europäi-scher Großvögel abgebrochenePfeilspitzen zutage, die eindeutigdarauf hinwiesen, dass diese Tie-re lange Wanderwege hinter sichhatten. Zuvor hatte man aben -teuerliche Vorstellungen über dasregelmäßige Verschwinden vielerGänse- und Singvögel im Herbstund ihr Wiedererscheinen im Früh-jahr.

Aus diesem Einzelereignis kamder Anstoß zur Beringung (heuteoft durch sondierbare Elektronikersetzt) von Zugvögeln, um ihreReisewege zu erkennen. Der Vogelzug birgt trotzdem immernoch faszinierende physiologischeMerkwürdigkeiten, die nun in

Deutschland die Experten desMax-Planck-Instituts für Ornitho-logie an der Bodensee-Vogel warteRadolfzell bearbeiten.

Der Autor, Leiter der Zoologi-schen Sammlung in Rostock undBiodiversitätsforscher von Rang,hatte zum Thema einen kleinenFührer verfasst, der vergriffen warund nun in einer sehr schönenNeuauflage, die ihren Preis hat,wieder angeboten wird. Er behan-delt ausführlich mit Panorama -blick in einem behäbigen Stil diespezielle und allgemeine Proble-matik um den „Pfeilstorch“ undihmgleich pfeilmarkierten Hüh-nervögeln, zeichnet mit Liebe undNostalgie die Geschichte seinerHeimstatt auf, führt die Orte derAufbewahrung von anderen Jagd-markierten Hühnervögeln an, gibteinen Einblick in die Verbreitungdes Wissens um diese Unglücks-kreaturen und Kurzbiographiender deutschen Pfeilstorch-Exper-ten.

Die Neuauflage der Broschüreist ein unerwartet anregendeskleines Buch geworden. ó

Lothar Jaenicke, Köln

Das Konnektom – Erklärt derSchaltplan des Gehirns unserIch?Sebastian Seung

XXIII, 321 S., Springer Spektrum, Heidelberg, 2013. Geb., 24,99 O.ISBN: 978-3-642-34294-3

ó Sie glauben Ihr Gehirn zu ken-nen? „Nichts als eine Graue Mas-se“, wird der eine sagen. „Nein,viel mehr, mein Gehirn ist meinBewusstsein“, wird der andere sagen. Der amerikanische Physi-ker und Neurowissenschaftler

Kai Schuchmann (li) und Volker Müller (Bild: Uwe Dettmar, Universität Frankfurt a. M.)

Korrespondenzadresse:Prof. Dr. Volker MüllerMolekulare Mikrobiologie & BioenergetikInstitut für Molekulare BiowissenschaftenGoethe-Universität Frankfurt a. M.Max-von-Laue-Straße 9D-60438 Frankfurt a. M.Tel.: 069-798-29507Fax: [email protected]

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