Transcript
Page 1: Elektrometrische Bestimmung des Formaldehyds

Elektrometrische Bestimmung des Formaldehyds. Von

~rich Miiller und Wilhelm LSw.

Institut ffir E|ektrochemie und physikalische Chemie der Technischen Hochschu]e Dresden.

Bekanntlich reduziert Formaldehyd SilberlSsungen bei Gegenwart yon Alkali zu metallischem Silber, und diese Eigenschaft wurde schon yon

verschiedenen Seiten zu seiner Bestimmung herangezogen. R. 0 rch ard 1) kocht die mit einer bekannten Menge ammoniakaliseher Si]berl6sung versetzte L6sung des Formaldehyds 4 Stunden laug und w~gt das aus- geschiedene Silber. Zur Kontrolle bestimmt er noeh das nicht reduzierte Silber dutch Fi~llung als AgC1. Er sowohl wie B. Tol lens '2) , welcher diese Methode nachprtifte~ fauden keine zufriedenstellenden Resultate. L. V a n in o3) reduziert mit AgNO:~; und Natronlauge, extrahiert den Niederschlag yon Silber und Silberoxyd mit Essigs~ure und w~igt das verbleibende Silber. Aber auch auf diesem Wege ergaben sich erhebliche Abweichungen. Von O. L Sw ~) wird darauf hingewiesen, dass in ammoniakalischer LSsung ein Tell des Formaldehyds seine Reduktions- kraft nicht voll zur Geltung bringen kann, well er sich in Hexamethylen- tetramin verwandelt hat.

Die Grtinde fiir die Misserfolge liegen nicht k la r zutage. Ob und unter welchen Bedingungen die Oxydation des Formaldehyds zu Ameisens~ture durch Ag-Ion vollstitndig verl~iuft~ konnten wir null in einfacher und schnell ausftihrbarer Weise elektrometrisch feststellen, indem der Formaldehyd in sodaalkalischer L(isung mit einem Uber- schuss bekannter Silbernitratl6sung zusammengebracht wurde. Danach wurde mit Schwefels~ture neutralisiert und dann direkt der Uberschuss des Ag~O~ mit KC1-L0sung elektrometrisch titriert. Da die Indikation

1) Analyst 22, 4 (1897); vergl, diese Ztschrft. 36, 719 (1897). '~) Ber. Deutsch. Chem. Ges 15, 1830 (1882); vergl, diese Ztschrft. 40,

720 (1901). 3) Diese Ztschrft. 40, 7"20 (1901). 4) Journ. f. prakt. Chem. [N. F.] 33, 325 (1886); vergl, diese Ztschrft. 4~0,

720 (1901). F r e ~ e n i u s , Zeifschriff f. anal . Chemia. LXIV. 8. u, 9, Heft. 20

Page 2: Elektrometrische Bestimmung des Formaldehyds

298 Erich M(iller und Wilhehn LSw:

tier verwendeten Silberelektrode durch das rein verteilte Silber nicht gesti)rt wird, so brauehte nicht filtriert zu werden.

Folgende L0sungen kamen zur Verwendung:

1: Formaldehyd, dessert Gehalt nach der Methode von G. R o m ij n 1) zu 8.5366 g/Liter gefunden wurde.

2, ~/lo-SilbernitrallSsung, elektrolytiseh bestimmt : 0,0103 g A g / c c m .

3. ~t/lo-KC L elektrometriseh mit Li~sung 2 bestimmt. Da der Formaldehyd in alkalischer LSsung der C an n i z z a r oschen

Reaktion~ dem Zerfall ill Methylalkohol und Ameisens/iure unterliegt, zum Teil aueh dutch Ag~ 0 unter Wasserstoffentwicklung zu hmeisen- s~ture oxydiert wird, wurde Soda statt _Atzkali genommen und stets

Ag~'O 3 und Aldehyd zusammengebraeht, ehe das Alkali zugegeben wurde. Auch wurde eine Erw~trmung vermieden. Der Reaktion wurde 5 Minutea

Zeit gelassen, Die Soda war chlorfrei. Bei s~mtlichen Versuchen wurden

l ccm Formaldehydl0sung und lOccn~ A g N Q angewendet. Wenn die geaktion gemiifi der Gleichung

(1) K~ CO + 2 Ag" + H~O-~HCOOH + 2 H" ÷ 2 Ag vollstandig verliefe, hfitten 4,02ccm ~aCl-LSsung zur Rficktitration des Silbers gebraucht werden reassert. Bei Zusatz yon etwas mehr als 1 ecru .

n-S0dal0sung, die gel~agte, um die drei .~quivalente Stture zu neutralisieren, wurden bei vier gleichartigen Versuehen, bei denen nur die Reaktions- zeit versehieden war, naeh Neutralisation mit H2SO 4 die folgenden

Werte gefunden :

Vers,-Nr, Verbrauch an KC1-LSsung CC~}I

Reaktionsdauer Min.

F 1 10 9, 10 3 . 45 4 i] 210

7,06 6,97 8,25 7,50

Mifflin /~nderte aueh eine stundenlange Einwirkung niehts daran, dass zu wenig Formaldehyd gefunden wurde, ein Zeichen, dass es sich um keine ausgesprochene Zeitreaktion handelt. Vielmehr bedarf es eines bestimmten A l k a l i i l b e r s e h u s s e s ~ um die Reaktion zu Ende zu ft~hren, wie folgende Versuchsdaten zeigen:

1) Diese Zeitschrft. ~6, 18 (1897).

Page 3: Elektrometrische Bestimmung des Formaldehyds

Elektrometrische Bestimmung des Formaldehyds. 299

Vers.-Nr. I

Reaktionsdauer 5 Minuten

Zugesetztes Alkali I Verbrauch an KC1 CC~?~ cc~n

5 Ii~ 1,0 n-Na~CO~ I 6 I 1,7

7 2,4s 8 ] 3,0 9 i 10,0

10 5 geslittigt. Na~CO:3 l l . 25 .

6,95 6,00 4,10 4,02 4,03 4,03 4,02

Theorie .

c c m

4.02

Die: dreifache der nach (1) zur ~Neutralisation geforderten Menge Carbonat wird also mindestens ben6tigt; ein gr0sserer Uberschuss schadet nicht. 25ccm ges~tttigter SodalSsung auf 1 c c m Formaldehyd werden in in allen F~tllen gentigen, weil kaum starkere als 30% ige Aldehyd- 10sungen zur Untersuchung gelangen und jene Sodamenge reichlich dreimal grSsscr ist, als die Neutralisation der nach (1) entstandenen Saure in i c c m einer so hoch konzentrierten FormaldehydlSsang erfordert.

Besondere Versuche zeigten, dass Ameisens~ure unter diesen Be- dingungen kein Silber reduziert, ein Ergebnis, welches na(.h den obigen Feststellangen selbstverstiindlich ist.

Es empfiehlt sich~ vor Ausfiihrung der Titration mit K C1 die LSsung mit Schwefelsiiure nicht anzus~tuern, da sonst Gefahr besteht, dass bei Gegenwart von Luft etwas des feinverteilten reduzierten Silbers wieder in LOsung geh% sondern unter Indikation durch Methylorange nut zu neutralisieren.

Man kann die Neutralisation ganz umgehen und direkt in der alkalischen L6sung den Silberiiberschuss elektrometrisch an der Silber- elektrode zuriicktitrieren, wenn man als Titerl6sung statt des K C1 das K J benutzt, da das Silberjodid schwerer 15slich is% als das Carbonat. Bei der Titration handelt es sich dann um den folgenden ¥organg: (2) Ag~CO~ -~- 2J ' ~ 2AgJ -~ COa"~ also um eine Reaktion zwischen einem gel6sten und einem ungel6sten Stoff, die naturgemiffa langsam verli~uft. Selbst bei intensiver Rtlhrung stellen sich dal~er die Potentiale nur langsam ein, ein Nachteil, der den Vorteil, nicht neutralisieren zu mtissen, anfwiegt. Arbeiten bei h6herer Temperatur findert daran nichts.

20*

Page 4: Elektrometrische Bestimmung des Formaldehyds

300 Erich Mtiller und Wilhelm LSw:

Bei allen Titrationen, bei denen man eiuen Uberschuss an Reageus zusetzen muss, um diesen dann zurtickzumessen, ist es n6tig, den Gehalt der UntersuchungslSsung ungef~thr zu kennen, wenn nicht mit blossem Auge das Vorhandensein des Ubersehusses zu erkennen ist. Und das ist beim Versetzen einer sodaalkalischen L6sung yon Formaldehyd mit AgNO 3 nicht der Fall. Das ist misslich. Es wurde deshalb versucht, die sodaalkalische LSsung des Aldehyds direkt mit AgNO s elektro- metrisch zu titrieren. Hierbei konnte erwartet werden, dass, so lange der Formaldehyd das zutropfende Silberuitrat reduziert, die Ag-Ionen- Konzentration klein bliebe, nach Aufbi-aucheu desselben aber plStzlieh auf die der LOslichkeit des Carbonats entsprechende Ionen-Konzentration an- stiege, was sich vermutiich durch einen Potentialsprung zu erkennen geben sollte. Es ergaben sieh aber ausserordentliche Schwankungen in den Potentialen, da jedenfalls das Ag" mit COs" schneller reagiert, als mit Form-

2 ~

t/po f l" '" ""

1 , , ' /~

Fig. 18.

aldehyd und letzterer dann nachtr~tglich anf Ag2C0 s einwirkt. Fig. 18enth~lt eine Potential- titrationskurve an einer Silberelektrode, welche die Ablesungen n~tch 2 Minuten langem Warten zusammenfasst; die So- dalSsung war gesiittigt. Das Ende der Reaktion zwischen AgNO~ und Formaldehyd, welches nach Zusatz yon 5,9 5ccm Ag NO s eintreten sollte, wird nicht dureh einen

Geltung gebracht. Immerhin ist es daran zu erkennen, dass das Potential yon d a a b konstant wird. Der eigenttimliehe Yerlauf der Kurve kommt vermutlich dadurch zustande, dass zwei Reaktionen alarum streiten, dem Silber ihr Potential aufzudri~ngen: (3) Ag -4- _~--"~ Ag" und (~) H~CO + O H ' + 2 F~_._---; He00 H + n und dass das Silber je nach den Umst~tnden mehr auf den Form-

scharfen Sprung zur

Page 5: Elektrometrische Bestimmung des Formaldehyds

Elektromehische 13estilnnmng des Formaldehyds. 301

aldehyd nach der Art eines indifferenten Meralls als auf die Silberionen

ansprieht.

Erst wenn tier Formaldehyd oxydiert ist, tritt (3) als alleiu potential-

bestimmend auf. Denn das schliesslich erreichte konstante Potential hat ungef~thr die hage, s~,elche das Silber zeigt, wenn man es in die formaldehydfreie SodalSsung nach Zusatz yon AgNOs taueht. Da Platin

vermutlich nur auf den ~organg (4) ansprechen kann, wurde der Versuch wiederholt, nur mit dem Unterschied, dass jetzt dieses Metall

als Indikatorelektrode diente. Die dabei erhaltene Kurve ist als ILin Fig. 18 eingezeichnet. Auch hierbei ereten starke Potentialschwankungen

auf. Wenn man aber wieder nach jedem Znsatz 2 Minuten mit der

Ablesang wartet, so ist der Verlauf der Kurve ein viel regelma5igerer. Nach Oxydation des Formaldehyds wird das Potential konstant, und

zwar merkwardigerweise bei fast demselben Were wie an Silber.

Man kann nun diese Erscheinung far die Bestimmung des Formaldehyds, wenn man dessen Menge nicht ungef~hr kennt, in folgender Weise aus-

nutzen. Man fahrt zun~tchst einen orientierenden Versuch aus. 25 c c m

einer gesgttigten SodalSsung werden m i t t ccm dee zu uneersuchenden FormaldehydlOsung versetzt und elektromeerisch nur roh an einer Platin-lndikator-Elektrode mit AgNOs titriert, bis das Potential den

ann~ihernd konstanten Were yon ~ -200 Millivolt gegen die ~Normal- Calomel-Elektrode erreicht hat. Werden hierzu a ecru AgN0s gebraucht, so nimmt man zur endgtiltigen Titration a --}- 5 c c ~ Ag'~N'0a, setzt 1 c c m

der zu untersuchenden FormaldehydlOsung und welter 25 ecru gesttttigte SodalSsung zu. Nach Verlaut' yon 5 Minuten neutralisiert man mit

verdannter H sSO~, bis Methylorange eben rot gefarbt wird, und ritriert danach elektrometrisch mit K C1-L0sung an einer Silber-Iudikator- Elektrode bis zum Sprung. Werden dafar b c c m benStigt, ausgedrt~ekt in ihrem Silberwert, so sind fiir die Oxydation des Formaldehyds

a -[ 5 - - b c c m nach Gleichung (1) verbraueht worden. EnthSlt die Ag NOs- LSsuug pro c c m e g Ag, so ergeben sich, da 215,76 g Ag 30,016 g

Formaldehyd entspreehen, hieraus 30,016 (a b-4-5) cgFormaldehyd. 215~76

Sofort nach der orientierenden, an Platin erfolgten Titration d e r - s e t b e n LSsung 5 c c m AgNOs zuzusetzen und nach Neutralisation mit K CI zu titrieren, empfiehlt sich nicht, weil die MSglichkeit nieht aus- geschlossen ist, dass bei der vorl~.ufigen Titration ein Teil des Formaldehyds

Page 6: Elektrometrische Bestimmung des Formaldehyds

302 F. Feigl und F. W'eine.r: Kritisehe Studien tiber die

durch die Ca nn iz za r o sche Reaktion verschwindet. Kennt man den Formaldehydgehalt der zu untersnchenden LSsnng ungef~hr, so kann natfirlich die Orientierungs-Titration unterbleiben.

Ob auf dem gleichen Wege auch andere Aldehyde bestimmbar sind, wird noeh untersaeht.

D r e s d e n , 1. M~irz 1924.

Kritische Studien fiber die Umsetzung KMn0a-As20~ in alkalischer Liisung.

Yon

F. Feigl und :F. Weiner,

II. Chemisches Universitiitsinstitut, Wien.

Die Umsetzung KMn04--As20 ~ wird in der Mal~analyse h~ufig verwendet; in snarer LSsung durehgefiihrt, wird ihr stets die Reaktions- gleichung 2 Mn~ 07 -t- 5 As 2 0~ ~ 5 As 2 05 -~ 4 MnO zu Grunde gelegt. Hingegen finden sich in der Literatur und in bekannten Lehrbtichern der Mafianalyse ftir die Umsetzung in nentraler und alkalischer Liisung Reaktionsgleichungen angegeben, die einander widersprechen und zuweilen anffallende Fehler enthalten.

R. S c h O f f e l 1) und E. D o n a t h legen der Umsetzung yon KMnO a und As208 in alkalischer LSsung folgende Gleichung zu Grunde:

2 Mn 207 -~- 3 As 20~ ~ 3 As~ O~ -t- 4 Mn 02. Diese beiden Autoren fanden aber, was spiiter auch E. Deiss~) be- stiitigen konnte, dass immer mehr As 20~ verbraueht wird, als obiger Gleichung entspricht.

W~ihrend sich die Angaben yon S c h S f f e l und D o n a t h sowie yon Deiss auf die Wirkungswertbestimmung zwischen KMn04 und As20 ~ beziehen, die notwendig ist, wenn bei der Manganbestimmung nach J. V o l h a r d a) das iiberschtissige KMnO~ gemessen werden sell, hat C. Re i c h a r d 4) zwei Methoden angegeben, um KMnO 4 mit As20 ~ zu be- stimmen. Die eine Methode besteht darin, KMnO4-LSsung in alkalischer LSsung mit einem gemessenen Uberschuss von~As203 zu erw~irmen~ zu

1)'Monatsh. f. Chem. 7, 644 (1886); vergl, diese Ztschrfk 48, 569 (1904); 53, 288 ~1914),

2) Stahl u. Eisen 80, 760 (1910); vergl, diese Ztschrft. 58, 288 (1914). a) Ann. der Chem. 198, 818 (1879); vergl diese Ztschrft. 20, 271 (1881). 4) Chem. Ztg. 28, 801 (1899); vergl, diese Ztschrft~. 48, 646 (1904)


Recommended