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Page 1: Ergänzende Bemessungsansätze zu Querdruckbelastung

Freitag, 26. Oktober 2018 Nummer 43 · Holz-Zentralblatt · Seite 985Holzbau

Alle zwei Jahre finden am Karlsruher Institut für Technologie(KIT) die „Karlsruher Tage“ mit dem Schwerpunkt Holzbaustatt. Am 4. und 5. Oktober war es wieder soweit: Rund 140Teilnehmer kamen zu der renommierten Veranstaltung mitdem Untertitel „Holzbau – Forschung für die Praxis“, die diesesJahr allerdings nicht im Bauingenieurgebäude des KIT unter-kam, sondern in einem Tagungshotel. Das Programm decktefolgende drei Themen ab: Eurocode 5 : 2022, NachwachsendeRohstoffe und Holzkonstruktionen.

Ergänzende Bemessungsansätze zu Querdruckbelastung, Verbindungsmitteln, Holztafelbau und Holz-Beton-Verbund

Forschungs-Input für Überarbeitung des Eurocode 5

it rund 140 Fachingenieurenund Holzbauexperten warendie Karlsruher Tage dieses

Mal besser besucht denn je. Prof. Dr.-Ing. Hans Joachim Blaß, Leiter desLehrstuhls Holzbau und Baukonstruk-tionen am KIT und Moderator der Ta-gung, führte das fachkompetente Publi-kum durch die zweitägige Veranstal-tung. Sie wendet sich seit ihrem Beste-hen (seit 2000) an diejenigen, die täglichtragwerksplanerische Aufgaben allerArt im Holzbau zu lösen haben. DieFachtagung versteht sich hier traditi-onsgemäß als Bindeglied zwischen For-schung und Praxis und bietet, wie kaumeine andere, konkrete Antworten aufviele hochspezifische Fragen.

Dieses Jahr fand die Fachtagung nichtwie sonst am KIT statt, was den Umbau-maßnahmen am Bauingenieurgebäudegeschuldet ist, wie Blaß bei seinen ein-leitenden Worten mitteilte. AlternativerVeranstaltungsort war das Akademie-Hotel im Karlsruher Stadtteil Rüppurr.

Das Programm gliederte sich wie üb-lich in Themenpakete. Dieses Jahr wa-ren es drei. Das erste drehte sich um dennächsten Eurocode 5 (EC 5), dessenüberarbeitete Version für das Jahr 2022avisiert ist, bzw. die Arbeiten, die der-zeit an diesem EC 5 stattfinden und sichschon präsentieren lassen. Der zweiteThemenbereich behandelte nachwach-sende Rohstoffe (Nawaro) als Dämm-Material, und der dritte widmete sichHolzkonstruktionen und stellte Trag-werksbeispiele aus der Praxis vor.

Zum Auftakt der Vorträge begrüßteBlaß unter den Teilnehmern außerdemexplizit seinen Vorgänger am LehrstuhlJürgen Ehlbeck, verbunden mit denWorten „ich freue mich, dass er immernoch großes Interesse an der Entwick-lung des Holzbaus hat und seine Ver-bundenheit mit seiner Teilnahme zeigt“.

Neue Bemessungsansätzeaus Versuchen abgeleitet

Den Anfang machte Lukas Windeck,Mitarbeiter am Lehrstuhl Holzbau undBaukonstruktionen am KIT, mit seinemVortrag über verformungsbasierte Be-messung bei Querdruck. Er stellte um-fangreiche Ergebnisse vor, die im Rah-men von Versuchen mit Brettschicht(BS)-Holz, Furnierschichtholz (FSH)aus Nadelholz bzw. aus Laubholz ge-wonnen wurden, und stellte ein Bemes-sungsmodell für Querdruck vor, das hö-here Belastbarkeiten als bisher ermög-licht und das kurz zuvor auch in denentsprechenden europäischen Gremiendiskutiert worden ist.

Windeck stellte zunächst die Aussagein den Raum, dass „das Materialverhal-ten, das sich bei einer Druckbelastungvon Holzbauteilen quer zur Faser er-gibt, als duktil (Anm. d. Red.: duktil -verformbar) bezeichnet wird“ und er-gänzte: „Eine solche Belastung kannvor allem bei Vollholz und BS-Holz nurbis zu einem gewissen Punkt gesteigertwerden. Danach nehmen die Verfor-mungen bei verhältnismäßig geringemLastanstieg deutlich zu.“ Solche Verfor-mungen lassen sich auch bei FSH beob-achten, allerdings nicht ganz so ausge-prägt. Diese Beobachtung lieferte denAnstoß, einen verformungsbasiertenBemessungsansatz für BS-Holz undFSH herzuleiten, der das Verformungs-verhalten bei entsprechender Quer-druckbelastung (Last-Verformungs-Verhalten) vollständig beschreibt, fassteder Referent sein Thema zusammen.

Windeck erläuterte den neuen Be-messungsansatz und wies darauf hin,dass er komplett aus Versuchsergebnis-

Msen abgeleitet wurde und das duktileMaterialverhalten ebenso wie das Ver-sagen an der Kontaktfläche berücksich-tigt. Er stellte diesen schließlich nochdem im EC 5 geregelten Verfahren ge-genüber und erläuterte ihn an einemAnwendungsbeispiel.

Zuletzt machte er noch darauf auf-merksam, dass der vorgestellte Bemes-sungsansatz vor allem für Träger bis zu25 cm Höhe gilt, für höhere Träger müs-se dann ein höhenabhängiger Korrek-turfaktor berücksichtigt werden. Erkündigte darüber hinaus an, dass Ver-suche mit Brettsperrholz (BSP) alsNächstes auf dem Programm stehen,um auch für diesen seit Jahren umfang-reich eingesetzten Werkstoff entspre-chende Daten für die Bemessung zusammeln.

EC 5 unterschätzt Tragfähig-keit von Verbindungsmitteln

Blaß selbst stellte in seinem Vortragden aktuellen Wissensstand zum Versa-gen von Stahlstiften in Stahlblech-Holz-Verbindungen – insbesondere beiHarthölzern (Holz mit hoher Rohdich-te) wie etwa Laubholz – vor. Er wies da-rauf hin, dass in solchen Verbindungenbeispielsweise in Holzbauteilen aus Bu-chen-FSH (auch „Baubuche“ genannt)

bei Beanspruchung auf Abscheren einvollständiges Versagen der Verbin-dungsmittel auftreten kann, und dassdieses Versagen in den Bemessungsre-geln des EC 5 bisher nicht berücksich-tigt wird. Dies stelle die Aufgabe für seinForschungsprojekt dar.

Blaß erläuterte die Herleitung desanalytischen Rechenmodells, in demdie gleichzeitige Beanspruchung stift-förmiger Verbindungsmittel aus Mo-ment, Normalkraft und Querkraft bzw.Scherkraft (MNV-Interaktion) und ihrEinfluss auf die Tragfähigkeit derVerbindung berücksichtigt werden. Erpräsentierte zudem die Ergebnisse vonVersuchen mit genagelten Stahl-blech-Holz-Verbindungen in „Baubu-che“-Holzbauteilen bzw. Buchen-BS-Holz-Bauteilen, die durchgeführt wur-den, um Rechenmodell und Realität zuvergleichen. Die Übereinstimmung be-stätigte die Theorie. Dabei wurde auchdeutlich, dass der Einfluss der MNV-In-teraktion mit zunehmender Rohdichteeiner Holzart steigt, was auch zu demSchluss führte, dass der EC 5 die Tragfä-higkeit von Stahlblech-Holz-Verbin-

dungen zwischen 5 % und 40 % unter-schätzt – je nachdem, ob Bolzen, Stab-dübel, Schrauben oder Nägel eingesetztbzw. in welcher Holzart sie eingesetztwerden.

Nawaros sollen konkurrenz-fähig gemacht werden

Harald Schwab vom Fraunhofer-In-stitut für Holzforschung (WKI) inBraunschweig stellte im Anschluss dasThema Dämmstoffe aus Nawaros vor.Sein Beitrag behandelte die stofflicheNutzung von Nawaros als Dämmstoffim Bauwesen, auch mit Blick auf derenZusatznutzen und Grenzen.

Er leitete seine Vortrag mit ein paarZahlen ein, die deutlich machten, wiehoch bzw. gering der Anteil der Nawa-ros am Gesamtvolumen für Dämmstoffe

in Deutschland ist: 48 % sind minerali-sche Rohstoffe, 45 % fossile Rohstoffeund nur ein kleiner Teil von 7 % wirdaus nachwachsenden Rohstoffen ge-wonnen. Davon sind 51 % Holzfasern,42 % Zellulose, 5 % Hanf und sonstigeMaterialien. Sein Vortrag behandeltevor allem die Grenzen der stofflichenNutzung, denn Ziel soll sein, den Ein-satz von Nawaros vor dem Hintergrundder vielen Zusatznutzen zu steigern.Zusatznutzen sind etwa die Minderungvon CO2-Emissionen bzw. die Scho-nung der fossilen Rohstoffe und damitdie Entlastung der Umwelt. Die Dämm-stoffe sind außerdem ökologisch abbau-

bar und weniger toxisch, um nur einigezu nennen.

Warum aber werden aktuell nichtmehr Dämmstoffe aus Nawaros ver-wendet, fragte Schwab ins Plenum undbeantwortete seine Frage im Anschlussgleich selbst mit folgenden Gründen:Oftmals ist die schlechte Verfügbarkeitein Grund oder aber die (meist) höhe-ren Preise im Vergleich zu fossilen Roh-stoffen. Häufig fehlen in den vorhande-nen Regelwerken auch Angaben überdie technischen Eigenschaften, sodassmeist kein Vergleich der Produkte mög-lich ist. Hinzu kommen fehlendeKenntnisse über die Eigenschaften derNawaros bei Planern zum Beispiel imHinblick auf Wärme-, Schall- undBrandschutz.

Aus diesem Grund wurde im Auftragvom Bundesministerium für Ernährungund Landwirtschaft (BMEL) im Herbst2014 von der Fachagentur Nachwach-sende Rohstoffe (FNR) ein Forschungs-verbund für die quantifizierbare Verbes-serung und die Bewertung von Nawaroszur Förderung ausgeschrieben. „Ge-samtziel des Verbundprojekts ist dieErstellung von Materialkennwerten zurBerechnung von Konstruktionen, um inden Bereichen Schall- und Brandschutzaufwendige und damit teure Bauteilprü-fungen zu verringern“, erklärte der Re-ferent. Auch sollen die Anwendungs-hemmnisse abgebaut werden, die durchveraltete, für Dämmstoffe aus Nawarosnicht angepasste Normen und Regel-werke entstanden sind. Und zu guterLetzt sollen Nachhaltigkeitsbewertun-gen durchgeführt werden, um den mög-lichen Zusatznutzen von Dämmstoffenaus Nawaros aufzuzeigen und damitderen Einsatz signifikant zu steigern.

Neue Erkenntnisse beiDecken in Holztafelbauart

Über den Holztafelbau referierte Un-Prof. Dr.-Ing. Mike Sieder von der TUBraunschweig. In seinem Vortrag „Aus-steifende Decken in Holztafelbauart –Empfehlungen für zukünftige Regelun-gen“ stellte er das in Braunschweig ent-wickelte Schubfeldträgermodell für denHolztafelbau vor. Es wurde für die Ini-tiative Praxis-Regeln-Bau, Praxisge-rechte Regelwerke im Bauwesen (PRB),aufbereitet.

Zunächst gab Sieder eine kurze Ein-leitung in die Grundlagen der Holztafel-bauweise für Deckentafeln nach aktuel-ler Norm. Denn aussteifende Decken inHolztafelbauart werden nach dem heu-te gültigen EC 5 bzw. der letzten DIN1052:2008 bemessen und nachgewie-

sen. Das bislang angewendete Berech-nungsmodell gehe auf den Stahlleicht-bau zurück, erklärte Sieder.

„Martin Kessel, ehemaliger Professoran der TU Braunschweig, entwickelte2016 ein neues Modell, das sogenannte,Erweiterte Schubfeldträgermodell‘, daserstmals die Bemessung von Deckenta-feln mit freien Plattenrändern ermög-licht.“ Daraus ergab sich das For-schungsvorhaben „Erweiterte Schub-feldtheorie für Deckentafeln“, an demneben Sieder auch François Colling,Martin H. Kessel und Peer Janßen betei-ligt sind.

Was dieses erweiterte Modell vombisher gängigen unterscheidet, stellteder Mitautor des Forschungsvorhabensebenso vor wie die Erkenntnisse, diesich bisher ergeben haben. So spielte eranhand verschiedener Fälle durch, wieman das erweiterte Schubfeldträgermo-dell auf Deckentafeln mit freien Platten-rändern anwendet und zeigte unter an-derem auf, dass die horizontale Durch-biegung von Deckentafeln im EC 5 bis-her vernachlässigt wurde. Die drei darinzu berücksichtigenden Verformungensind die Schubverformungen der Platte,die Längsverformungen der Rippen undVerformungen infolge der Verbundbe-anspruchungen, so sein Fazit.

Sieder machte abschließend daraufaufmerksam, dass diese Erkenntnisse ineinem dreiteiligen Schlussbericht fürdie PRB zusammengetragen wurden.Sie sollen nun als Grundlage für eineNovellierung der entsprechenden Ab-schnitte im zukünftigen EC 5 dienen.

Brettsperrholz und Holz-Beton-Verbund im neuen EC 5

Am zweiten Tag startete Dr.-Ing. Phi-lipp Dietsch von der TU München mitdem Thema „Eurocode 5 – 2022, Ein-führung in die neuen Abschnitte Brett-sperrholz und Verstärkungen“. Dabeierläuterte er die Hintergründe der Pla-nungs- und Bemessungsregeln für Bau-teile aus BSP und für Verstärkungen,insbesondere Querzugverstärkungen.In Deutschland können die Regeln fürVerstärkungen bereits genutzt werden.Sie sind Teil des Nationalen Anhangs(NA) zum EC 5. Diese Inhalte sollen zu-künftig in allgemeiner Form in den EC 5übernommen werden.

Ebenfalls zum Thema EC 5 – 2022,nämlich zur Bemessung von Holz-Beton-Verbund(HBV)-Decken, sprachProf. Dr.-Ing. habil. Jörg Schänzlin vonder Hochschule Biberach. Die HBV-

»Das erweiterteBerechnungsmodell fürDeckentafeln könntein den neuen EC 5Eingang finden.«Prof. Dr. Mike Sieder

»Mit zunehmenderRohdichte einer Holzartnimmt auch die Tragfä-higkeit von Stahl-Blech-Holz-Verbindungenzu.«Prof. Dr. Hans Joachim Blaß

Das achtgeschossige Mehrfamilienhaus „Bridport Place“ inLondon war einer der vorgestellten Mehrgeschosser, die inden letzten Jahren in Großbritannien entstanden sind.

Foto: Ioana Marinescu

Fortsetzung auf Seite 986

Das „Krähennest“, ein „Accoya“-Rundholzturm mit demstatischen Konzept eines räumlichen Strebenbocks

Foto: Holzbau Baumer, Rainer Spaniel

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Seite 986 · Nummer 43 · Holz-Zentralblatt Freitag, 26. Oktober 2018Holzbau

103 Teilnehmer und neun Referentennutzten den ersten FachkongressHolzbau in Hessen am 26. Septemberin Wiesbaden zum intensiven Wissens-austausch. Die Veranstaltung wurdevon Pro Holzbau Hessen (PHH) inZusammenarbeit mit dem DeutschenSäge- und Holzindustrie Bundesver-band (DeSH) und dem HessischenMinisterium für Umwelt, Klimaschutz,Landwirtschaft und Verbraucher-schutz durchgeführt.

Pro Holzbau Hessen und DeSH organisieren ersten Fachkongress zum Thema Holzbau in Hessen

Holzbau »made in Hessen« soll aufschließen

Grußworte richteten Vertreter der Inge-nieurkammer Hessen, der Architekten-und Stadtplanerkammer Hessen unddes Landesbeirats Holz Hessen an dieVeranstalter und Teilnehmer. Die Tech-nische Hochschule Mittelhessen, dieHochschule Rhein-Main, HolzbauDeutschland – Verband HessischerZimmermeister und die Ingenieuraka-demie Hessen GmbH stiegen als Ko-operationspartner mit ein und machtendiesen Kongress zu einer hochkarätigenVeranstaltung.

In der Hochschule Rhein-Main gibtes seit 2014 einen imposanten Holzbau.Genau der richtige Ort, um den erstenFachkongress Holzbau in Hessen abzu-halten. Die über 100 Teilnehmer undneun Referenten bekamen auch dieMöglichkeit, den Hörsaalpavillon zu se-hen. Dessen Kernstück bildet die im Be-tonbau eingeschlossene Gebäudetech-nik, der ein Holzbau „übergestülpt“wurde. Die Wände bilden Holzrahmen-konstruktionen, denen Kerto-Elemen-ten aufgelegt wurden, eine Dachscheibeaus Furnierschichtholz steift das Ge-bäude aus. Die Pfostenriegelfassadeund alle Holzteile im Innenbereich wur-den aus Weißtanne gefertigt. Den Teil-nehmern des Fachkongresses zeigte dasBauwerk im Hinblick auf Ästhetik, Kli-ma, Licht und Klang, was im Holzbaumöglich ist.

„Wir wollen Institutionen und Akteu-re zusammenbringen, die vom Bauenmit Holz überzeugt sind“, sagte Prof.Achim Vogelsberg, Vorsitzender vonPHH. Dass sich Netzwerkarbeit imHolzbau lohne, sehe man an den Ver-

änderungen in der Hessischen Landes-bauverordnung (HBO): „Wir haben un-sere Vorschläge und Einwände gemein-sam vertreten und eingereicht. Jetztschafft die neue HBO endlich eine bes-sere Grundlage für das Bauen mit Holzauf sichtbaren Oberflächen“, so Vogels-berg.

Im mehrgeschossigen Bau war Holzaufgrund der Brandschutzbestimmun-gen in Hessen nicht oder nur schwerumsetzbar. Der mehrgeschossige Holz-bau ist in anderen Bundesländern be-reits möglich, in Hessen fehlt es noch anKnow-how und technischer Ausstat-tung für das serielle Bauen mit Holz.Die Aufträge gehen an Unternehmenaus anderen Bundesländern und euro-päischen Nachbarländern. Hier könnendie hessischen Unternehmen nochmehr profitieren. Der erste Fachkon-gress zum Holzbau sollte der Start-

schuss zu mehr Mut im Holzbau sein.„Das Ministerium hat mit der finanziel-len Unterstützung des Kongresses eindeutliches Signal gegeben, dass diesesThema auch bei der Landesregierungvon Relevanz ist und sie gerne die Part-ner der regionalen Wertschöpfungsket-te unterstützen wollen. Holzbau ,madein Hessen‘, kann eine Strahlkraft entwi-ckeln, die über die Landesgrenze hi-nausgeht“, sagte Gertrudis Peters, Ge-schäftsführerin Architektenkammer.

Die gesetzlichen Rahmenbedingun-gen seien optimiert worden, die Tatsa-che, dass 300 000 bis 400 000 Wohnun-gen pro Jahr in Deutschland gebautwerden müssten, um den Wohnraum-mangel zu verringern, könnte allen nut-zen, die am Holzbau beteiligt sind. DiePraxis zeige, dass „allein im vergange-nen Jahr 650 000 Bauvorhaben nichtfertiggestellt werden konnten“, erklärte

Martin Seelinger von Cornelsen undSeelinger Architekten BDA aus Darm-stadt. Es bestehe Optimierungsbedarfbei Planung und Ausführung: Individu-ell einsetzbare, vorgefertigte Bauteile,neue Verbindungstechniken und Hy-bridkonstruktionen müssten angewen-det werden, um die Leistungsfähigkeitzu steigern, sagte er.

Prof. Dr.-Ing. Andreas Rabold vonder Hochschule Rosenheim stellte denTeilnehmern Forschungen zum planeri-schen Schallschutz im Holzbau. Dazulägen jetzt Planungsdaten für Holzbau-decken vor, die in den Teil 33 der DIN4 109 eingearbeitet werden könnten.

In Wiesbaden forscht Prof. Dr.-Ing.Leander Bathon von der HochschuleRhein-Main am Holz-Beton-Verbund-System. „Wir kleben Bleche in das Ver-bundsystem ein und kreieren damit einverlässliches Verbundelement, das steif

ist und für den Tragwerksplaner eineverlässliche Größe darstellt“, sagte Ba-thon. Es liege einzig an der Entwicklungneuer Verbindungstechniken, um damiteffizient bauen zu können.

An der TU München erforscht Prof.Jan-Willem van der Kuilen das zeitab-hängige Verhalten von Holz und Betonauf dem Bau und entwickelt Strategienfür das unterschiedliche Setzungsver-halten. Van der Kuilen plädierte fürmehr Digitalisierung im Holzbau, diezuverlässig sei und Arbeitsabläufe opti-miere.

Denn die Digitalisierung ist nichtmehr aufzuhalten, auch nicht im Holz-bau, so die Aussage von Kim Boris Löff-ler von der Mensch und MaschineDeutschland GmbH. Fast alle Planer-leistungen könnten schon bald Compu-ter durchführen und Roboter auf derBaustelle eingesetzt werden. Mit digita-len Methoden könne die Kommunikati-on bei komplexen Bauvorhaben ver-ständlicher und besser werden, so Löff-ler. Irgendwann werde alles digital ver-netzt sein, von der ersten Codezeile,über die Produktion der Bauteile bis zurInneneinrichtung.

PHH-Geschäftsführer Heinz Moe-ring sah in der großen Teilnehmerzahldie Bestätigung dafür, dass man nurerfolgreich agieren könne, wenn dieeinzelnen Partner Angebote und Syner-gien wie diese Veranstaltung nutzten:„Wenn wir so weiter operieren wie bis-her, wird sich der Erfolg auch einstel-len“, sagte er am Ende der Veranstal-tung. Der Kongress beschließt die ersteProjektphase des Holzbauclusters Hes-sen. Die Ziele, die sich die Clusterak-teure gesetzt hatten, seien erreicht wor-den, jetzt gelte es, das zu verstetigen,was angefangen worden sei. „Die För-deranträge für die nächsten drei Jahresind eingereicht, alle Akteure habensich für die Weiterführung ausgespro-chen“, so Moering. Anfang 2019 könntedurchgestartet und weiter aufgebautwerden, was für den Holzbau in Hessengebraucht wird: Ein verlässliches Netz-werk für alle.

Diana Wetzestein

Wollen den Holzbau in Hessen voranbringen (von links): Andreas Rutschmann von Bollinger und Grohmann Ingenieure, KimBoris Löffler von der Mensch und Maschine Deutschland GmbH, Prof. van de Kuilen von der TU München, Prof. Dieter Mül-ler von der Hochschule Rhein-Main, Martin Seelinger von Cornelsen und Seelinger Architekten, Prof. Achim Vogelsberg,Vorsitzender Pro Holzbau Hessen, Lars Schmidt, Hauptgeschäftsführer des DeSH, und PHH-Geschäftsführer Heinz Moeringim Hörsaalpavillon Foto: Pro Holzbau Hessen

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Bauweise habe sich sowohl im Neubauals auch in der Instandsetzung von be-stehenden Deckensystemen bewährt,da durch diesen Verbund die Vorteiledes jeweiligen Materials genutzt werdenkönnen, so Schänzlin.

Da diese Decken bisher im Wesentli-chen auf Basis von Zulassungen der Ver-bindungsmittel bemessen werden, dieBedeutung dieser Bauart aber zunimmt,soll in der künftigen Fassung der EN1995 (EC 5) die HBV-Bauweise nunauch geregelt werden. Dazu wurde ineinem ersten Schritt eine sogenannte„Technical Specification“ entwickelt.Schänzlin stellte die wesentlichen Inhal-te des Schlussentwurfs dieses fast fertig-gestellten Dokuments vor, das die Basisfür die zukünftige normative Erfassungvon HBV-Bauteilen sein könnte.

Holzkonstruktionen fürAussichts- und Wohntürme

Johann Haker vom IngenieurbüroAndreas in Freiburg referierte über„Aussichtstürme aus Holz“ und lieferteden praktischen Teil der Veranstaltung,um dem Beisatz der Karlsruher Tage„Holzbau – Forschung für die Praxis“gerecht zu werden. Er stellte Lösungenfür Türme aus Rundholz und BSP ausder Praxis des Ingenieurbüros vor. DerFokus lag dabei auf ausgeführten Bei-spielen wie dem 38,30 m hohen Him-melsstürmer aus dem Jahr 2014 inSchwäbisch Gmünd bzw. dem 38,80 mhohen Bannwaldturm aus dem Jahr2016 in Ostrach, das weiterentwickelte-Modell des Himmelsstürmers – beidengemeinsam ist eine quadratische Röhreaus BSP, in die rechteckige Öffnungeneingeschnitten sind – sowie dem neus-ten Turm, dem „Krähennest“ auf dem

Forschungs-Input für Überarbeitung des Eurocode 5

Gelände der gerade zu Ende gegange-nen Landesgartenschau in Lahr imSchwarzwald.

Sie repräsentieren quasi zwei Prototy-pen für die beiden Konstruktionsvari-anten „Scheiben und Rahmen“ bzw.Rundholztürme, wobei der „räumlicheStrebenbock des Krähennests noch malein besonderer Fall eines Rundholztur-mes ist“, so Haker. Bei den vorgestell-ten Turmbauwerken ging er kurz daraufein, wie die drei wesentlichen Anforde-rungen Holzschutz, Brandschutz undTragwerksgestaltung umgesetzt wur-den. „Neu ist das Thema Suizidpräven-tion“, so Haker. Er wies in diesem Zu-sammenhang auf den „Empfehlungska-talog zur suizidpräventiven Sicherungvon Brücken und anderen Ingenieur-bauwerken“ des „Nationalen Suizidprä-ventions-Programms“ hin.

Abschließend ging er auf die Bemes-sung von Turmbauwerken ein. Dabeimachte er darauf aufmerksam, dass beiAussichtstürmen die Verformungen un-ter Windlasten sowie die dynamischeAnregung durch die Benutzer – hier vorallem die Torsionsschwingungen – dasmaßgebende Entwurfskriterium darstel-len. Da es anderes als im Holzbrücken-bau dazu für Türme wenige bis keineRichtlinien gebe, könne sich der Inge-nieur hier nur auf seine Erfahrungenstützen, resümierte Haker

BSP-Bauten erlebenseit Jahren einen Boom

Den abschließenden Vortrag hieltPhilipp Zumbrunnen von Eurban Limi-ted aus London (Großbritannien). Erberichtete über 15 Jahre Erfahrungenmit BSP-Bauten anhand von mehrge-schossigen Wohnbauten in Großbritan-

nien, die im Laufe der betrachtetenZeitspanne immer höher wurden. DasSpektrum reichte vom Fünfgeschosser,über Sechs-, Sieben- und Achtgeschos-ser bis hin zum Neungeschosser – allestehen in Großbritannien, der überwie-gende Teil davon in London. Zumbrun-nen nannte BSP das aktuelle und inter-nationale „Modeprodukt des Holz-baus“. Auch dass es nun in den Euroco-de aufgenommen wird, werde seine Be-liebtheit weiter befördern, ist er sicher.In diesem Zusammenhang nannte er

auch Gründe für und gegen den Einsatzvon BSP wie etwa, dass es sich einer-seits um ein einfaches und robustesBausystem handelt, andererseits aberauch um eines, das einen hohen Materi-alverbrauch hat und dadurch teurer istals Holzrahmenbauten.

Der Referent stellte außerdem diedrei Tragwerkssysteme vor, die seinerAnsicht nach am besten für Holzhoch-häuser geeignet sind: Ein Stützen/Trä-ger-System aus BS-Holz (Skelettbau-weise) mit aussteifenden BSP-Decken-

scheiben, ein wandscheiben-orientier-tes System aus BSP-Scheiben für dieKern- bzw. Hauptelemente der tragen-den Innen- und Außenwände, ggf. inKombination mit Stahlträgern, sowieein Wabensystem, bei dem alle Wändeaus BSP tragend sind und wie eine Wa-benkonstruktion zusammenwirken.

Mit einem Mittagessen klang die Ta-gung dann entspannt aus. Die nächsten„Karlsruher Tage“ finden am 1. und 2.Oktober 2020 statt.

Susanne Jacob-Freitag, Karlsruhe

Rund 140 Teilnehmer kamen dieses Jahr zu den „Karlsruher Tagen“, die wegen Umbauarbeiten am Bauingenieurgebäudedes KIT, ins Akademie-Hotel verlegt worden waren. Die Veranstaltung richtet sich an Tragwerksplaner und Holzbau-Unter-nehmer und gibt Antworten auf viele hochspezifische Fragen. Fotos: Susanne Jacob-Freitag (3)


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