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«Zufall», sagt Leo Meier. «Es istganz einfach Zufall, dass wir ei-nen Durchgangsplatz für Fahren-de auf dem Hof haben.» Einmal,es müsse gegen 15 Jahre her sein,sei eine Person im Auto vorgefah-ren und habe gefragt, ob sie unddrei andere Familien ihre Wagenin der Klosterschüür abstellendürften. «Es waren vier Familien.Wir verlangten 1000 Franken für14 Tage», erinnert sich der Land-wirt aus Würenlos. «Sie gingenam Samstag, und am Montag dar-auf standen schon neue Leute vorder Türe und fragten um Platz. Eshat sich schnell herumgespro-chen», sagt er und lacht.

Zuerst ein NebenerwerbJahrelang betrieben er und sein

Bruder Albrik den Durchgangs-platz als Nebenerwerb, bis dieservor einem Jahr in die Kategorie«offizieller Standplatz des Kan-tons Aargau» überging. Dies,nachdem eine Volksabstimmungder Gemeinde Würenlos, wo derHof steht, über die Bühne gingund den Kredit von rund 600000Franken bewilligte, der für einenHofanbau mit zwei Toiletten, ei-ner Dusche, einer Waschmaschi-ne, einen Fäkalientank plus ei-nen geteerten Platz für die Autosbenötigt wurde. Die Abstimmungverlief ohne grosse öffentlicheAufmerksamkeit, «vermutlich

WÜRENLOS AG: «Fahrende in der Schweiz» (Teil 3/3)

Die Bauernfamilie Meierbetreibt auf ihrem Hof ei-nen Durchgangsplatz fürFahrende. Angefangen hates als Nebenerwerb.

SUSANNE SIGRIST

weil wir weit vom Dorf entferntwohnen», vermutet Leo Meier.«Hier unten neben der AutobahnA1 kommen höchstens Spazier-gänger vorbei».

«Der Platz hier bei Leo gefälltmir sehr gut», lacht Silvia, die ih-ren Nachnamen nicht in der Zei-tung lesen möchte. Silvia istschon seit mehreren Wochen mitMann und Familie der Tochterhier. «Wir können unsere Wagenunter die Apfelbäume stellen,

und das ist im Sommer einfachkühler und schöner als auf einemkahlen Steinplatz.» Sie selberkomme sicher schon acht Jahreregelmässig hier vorbei, jetzt vorallem noch wegen der Kinderund Enkel, dazwischen gingensie und ihr Mann immer wiederzurück nach Murten, wo sie einHaus mit Garten hätten. «Ich sel-ber bin eigentlich eine Sesshafteaus dem Zürcher Oberland», sagtsie und schmunzelt. «Aber in all

den Jahren… es zieht einfach, ichmuss immer wieder raus.»

Zwei Welten«Ich schaue das Ganze diffe-

renziert an», stellt Leo Meierklar. «Wir leben in zwei verschie-denen Welten. Da bleibt wenigPlatz für Romantik. Für uns ist eseine Einnahmequelle und für denKanton Aargau eine Möglichkeit,den gesetzlichen Auftrag fürStandplätze zu erfüllen. DerKanton ist froh, dass wir den Be-trieb selbstständig führen. »

Als hätten sie nicht bereits ge-nug Arbeit…«ja wirklich, die ar-beiten gar viel», meint Silvia, dievom Wohnwagen aus sieht, wiegeschäftig die beiden Brüder undihre Familien sind. 65 HektarenLand bewirtschaften sie, im Stallstehen 48 Holstein- und Red-Holstein-Kühe, dazu 16 Pferde.Nebst der Milchwirtschaft pflan-zen sie Weizen, Gerste, Raps, Si-lomais und Zuckerrüben an. Siebesitzen zwei Mähdrescher undzwei Grossballenpressen, welche

von zwei Chauffeuren im Lohn-unternehmen gefahren werden.Hilfe haben sie zusätzlich vonzwei Angestellten, welche diePferde besorgen, und ein dritterBruder arbeitet zu 30 Prozentebenfalls auf dem Hof. Für dieFahrenden ist vor allem Leo Mei-er der Ansprechpartner. Er kenntdie meisten, wird wegen seinerGrösse und seinem freundlichen,aber entschiedenen Auftreten re-spektiert. «Das ist wichtig», er-klärt er. «Ich schaue, dass die Re-geln eingehalten werden. Oft istes auch gut, wenn man ein Depotverlangt. Und Romas dürfen lautkantonaler Abmachung nichthier campieren, zum Glück, mitdenen hatten wir nur Theater.»

Platz für 14 WohnwagenAuf der 26 Aren grossen Wiese

gleich rechts neben dem Betriebhaben gegen 14 WohnwagenPlatz, in der Regel stehen sie vonFrühling bis Herbst, selten bleibteiner auch über den Winter.Manche kommen extra für einenKurzaufenthalt auf den Platz, an-sonsten leben sie sesshaft. «Einejenische Familie aus dem KantonLuzern, welche eine erfolgreicheFirma mit Angestellten betreibt,kommt jedes Jahr mit ihren An-gehörigen kurz vorbei», erzähltLeo Meier und fügt hinzu: «Siemöchten, dass ihre Kinder diefahrende Kultur kennenlernen».Nach 14 Tagen verabschieden siesich jeweils wieder fürs nächsteJahr. Ganz anders als derjenige,der seine Gebühren nicht be-zahlte, dafür einen alten An-hänger stehen liess und beiNacht und Nebel verschwand.

Der Schweizerische Bauern-verband (SBV) hat keine Ver-lautbarungen zum ThemaFahrende herausgegeben.Einzelne kantonale Bauern-verbände haben auf ihrerHomepage Musterverträgeaufgeschaltet (Beispiel Kan-ton Aargau: www.bvaar-gau.ch/ blog/ fahrende-was-ist-zu-beachten». Zur Frageder Direktzahlungen: Wie

ES GIBT MUSTERVERTRÄGE

Mirjam Hofstetter vom SBVerklärt, gibt es laut Bundes-amt für Landwirtschaft keineRegelung oder Restriktion be-treffend Direktzahlungen.Die Fahrenden haben daraufkeinen Einfluss – sofern dasLand auch sonst nutzbar ist.Zudem hielten sich die Fah-renden ja meist nur vorüber-gehend auf dem betreffendenLand auf. ssu

10.09.2016

Zwischenhalt auf dem Bauernhof

Landwirt Leo Meier im Gespräch mit Silvia. (Bild: Susanne Sigrist)

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