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Schriftliche Prüfung im Grundwissen

Finanzmathematik und Risikobewertung

gemäß Prüfungsordnung 4der Deutschen Aktuarvereinigung e. V.

Musterklausur

Hinweise:

• Als Hilfsmittel ist ein Taschenrechner zugelassen.

• Die Gesamtpunktzahl beträgt 180 Punkte. Die Klausur ist bestanden, wennmindestens 90 Punkte erreicht werden.

• Alle Antworten sind zu begründen und bei Rechenaufgaben muss der Lösungs-weg ersichtlich sein.

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Aufgabe 1. [Zahlungsströme, Versicherungs- u. Finanzmarktprodukte] [15 Punkte]

(a) [4 Punkte] Definieren Sie den Begriff „Zahlungsstrom“ und interpretieren SieZahlungsströme als stochastische Prozesse.

(b) [5 Punkte] Beschreiben Sie die Bedeutung von Immobilienmärkten und nennenSie wesentliche Formen der Immobilienanlage. Beschreiben Sie den Zahlungs-strom, der aus einer Direktanlage in eine Immobilie (Fremdnutzung) resultiert.

(c) [6 Punkte] Betrachten Sie die Ausübungspreise K1 < K2 < K3 mit

K2 = (K1 + K3)/2.

Auf ein (dividendenfreies) Basisobjekt mit Kursentwicklung St; 0 ≤ t ≤ Twerden jeweils eine Europäische Call-Option mit Ausübungspreis K1 und K3gekauft sowie zwei Europäische Call-Optionen mit Ausübungspreis K2 mit Lauf-zeit T verkauft. Die resultierende Kombinationsposition wird als (symmetri-scher) Butterfly-Call-Spread bezeichnet.

Wie lautet das Rückzahlungsprofil (d. h. die Position ohne Berücksichtigung derbei Positionseingang entrichteten Optionsprämien) des Butterfly-Call-Spread ?Stellen Sie dieses Rückzahlungsprofil analytisch und grafisch dar.

Lösungsskizze:

(a) Ein Zahlungsstrom Z = (Zt)t∈T ist eine Folge von (reellwertigen) Zahlungenzu bestimmten Zeitpunkten T, wobei es sich um Ein- oder Auszahlungen bzw.einen Saldo aus Ein- und Auszahlungen handeln kann. Die Notation Zt bedeu-tet dabei, dass eine Zahlung der Höhe Zt zum Zeitpunkt t erfolgt.

Aus heutiger Sicht ist häufig unbekannt, in welcher Höhe die Zahlung Zt erfol-gen wird. Daher wird diese als Zufallsvariable modelliert; der Zahlungsstrombildet entsprechend einen stochastischen Prozess.

(b) Bedeutung:

Immobilienanlagen sind für private und institutionelle Anleger wie Investment-fonds und Versicherungen traditionell bedeutende Anlageinstrumente. Als Be-standteil der Asset-Allokation sind Immobilienanlagen populär, insbesondereda für Immobilien eine hohe reale Wertbeständigkeit sowie eine geringe Kor-relation der Wertentwicklung zu anderen Anlageklassen - und damit Diversifi-kationspotential in der Asset-Allokation - unterstellt wird.

Formen der Immobilienanlage:

Neben einer Direktanlage in Immobilien (Wohnimmobilien, Gewerbeimmobili-en) können ebenso indirekte Immobilienanlagen getätigt werden. Analog zum

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Aktienfall besteht die Möglichkeit, in Immobilienfonds (offene Immobilienfonds,geschlossene Immobilienfonds) sowie in Indizes, die auf Immobilien beruhen,zu investieren. Daneben kann man in Immobilienaktiengesellschaften inves-tieren.

Zahlungsstrom:

Ein direktes Immobilienengagement zur Fremdnutzung beginnt mit dem Er-werb einer Immobilie zu einem Zeitpunkt t0 zu einem (bekannten) Preis S0 =s0 (Kaufpreis). Es folgen Mietzahlungen der Höhe Dt zu den Zeitpunkten t( = 1, . . . , n, t0 < t1 < . . . , tn < T) und gegebenenfalls der Verkauf der Immo-bilie zu einem Zeitpunkt T zum Preis ST (Verkaufskurs). Formal entspricht diesaus Sicht des Investors dem Zahlungsstrom Z = (Zt)t∈t0,t1,...,tn,T mit

• Zt0 = −s0,

• Zt = Dt , = 1, . . . , n,

• ZT = ST .

(c) Es bezeichne BCST das Rückzahlungsprofil des Butterfly-Call-Spread zum Zeit-punkt T. Es gilt zunächst

BCST = (ST − K1)+ + (ST − K3)+ − 2(ST − K2)+.

Durch eine Fallunterscheidung ergibt sich mit K2 = (K1 + K3)/2.

BCST =

0 für ST ≥ K3,2K2 − K1 − ST für K2 ≤ ST < K3

ST − K1 für K1 ≤ ST < K20 für ST < K1

Grafische Darstellung:

!

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Aufgabe 2. [Individualbewertung] [13 Punkte]

(a) [2 Punkte] Anfangs- bzw. Endvermögen eines Investors sind gegeben durch 0bzw. V1. Die zugehörige Logrendite R ist gegeben durch R = ln(V1/0). DerInvestor bewertet das Endvermögen durch den Erwartungsnutzen E[(V1)]auf der Basis seiner persönlichen Risikonutzenfunktion .

Bestimmen Sie die hierzu äquivalente Nutzenfunktion , sodass E[(R)] zueiner identischen Bewertung führt.

(b) [5 Punkte] Betrachten Sie das folgende Spiel (St. Petersburg-Paradox): Einefaire Münze wird in stochastisch unabhängigen Wiederholungen geworfen, biszum ersten Mal „Kopf“ erscheint. Fällt „Kopf“ im n-ten Versuch, so erhält derSpieler die Auszahlung 2n−1.

Zeigen Sie, dass der erwartete Gewinn des Spielers („faire Prämie“) unendlichist. Berechnen Sie für den erwarteten Gewinn des Spielers das Sicherheitsä-quivalent für die Nutzenfunktion () =

p. Was fällt Ihnen auf ?

Hinweis: Die Wahrscheinlichkeit, dass „Kopf“ zum ersten Mal im n-ten Versuchfällt, beträgt 2−n.

(c) [6 Punkte] Gegeben sei ein Portfolio von unabhängigen, identisch verteiltenVersicherungsrisiken R1, . . . , Rn, n ∈ N, mit 0 < μ := E[R1] < ∞,0 < σ :=σ(R1) <∞, das in der Periode den zufälligen Gesamtschaden Sn erzeugt.

(i) [3 Punkte] Als Prämie pro Risiko wird der Erwartungswert μ angesetzt.Zeigen Sie, dass

limn↑∞

P[Sn − nμ > 0] = 12 ,

d. h. selbst in einem großen Portfolio ist die Wahrscheinlichkeit eines Ver-lustes bei 50%.

Hinweis: Verwenden Sie den Zentralen Grenzwertsatz.

(ii) [3 Punkte] Aus der Individualbewertung resultiert für VersicherungsrisikenX ein Prämienprinzip der Form π[X] = E[X]+Vr(X) für > 0. In diesemSinn wird als Prämie für die Einzelrisiken π = μ + σ2 angesetzt. ZeigenSie, dass

limn↑∞

P[Sn − nπ > 0] = 0,

d. h. bei Vereinnahmung eines positiven Sicherheitszuschlags konvergiertdie Verlustwahrscheinlichkeit mit steigender Bestandsgröße gegen 0.

Hinweis: Nutzen Sie P[|X − E[X]| ≥ c] ≤ Vr(X)/c2 für c > 0.

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Lösungsskizze:

(a) Aus R = ln(V1/0) folgt V1 = 0eR und damit E[(V1)] = E[(0eR)]. Die Nut-zenfunktion () = (0e) führt somit zu einer identischen Bewertung.

(b) Der zufällige Gewinn des Spielers ist gegeben durch

G =∞∑

n=1

2n−11¦„Kopf“ fällt zum ersten Mal im n-ten Versuch©.

Damit gilt nach Hinweis

E[G] =∞∑

n=1

2n−1P[„Kopf“ fällt zum ersten Mal im n-ten Versuch]

=∞∑

n=1

2n−12−n =∞∑

n=1

12 =∞

sowie

E[(G)] =∞∑

n=1

p

2n−12−n = 1p2

∞∑

n=1

1p2

n= 1p

2

11−1/

p2− 1

= (2−p

2)−1.

Das Sicherheitsäquivalent s(G), definiert durch die Bedingung (s(G)) = E[(G)],ist somit gegeben durch

s(G) = (2−p

2)−2 ≈ 2,91.

Niemand ist bereit den „fairen“ Preis E[G] = ∞ als Einsatz zu bezahlen. DerPreis aus Sicht des Spielers ist das Sicherheitsäquivalent.

(c) (i) Nach dem Zentralen Grenzwertsatz konvergieren die normierten Zufalls-variablen (Sn − nμ)/(

pnσ) für n ↑ ∞ in Verteilung gegen ein X, das einer

Standardnormalverteilung folgt. Entsprechend gilt

limn↑∞

P[Sn − nμ > 0] = limn↑∞

Ph

Sn−nμpnσ

> 0i

= P[X > 0] = 12 .

(ii) Es gilt wegen E[Sn] = nμ und Vr(Sn) = nσ2

P[Sn − nπ > 0] = P[Sn − E[Sn] > nσ2] ≤ P[|Sn − E[Sn]| ≥ nσ2]

≤Vr(Sn)

(nσ2)2=

1

n2σ2.

Dies impliziert die Konvergenz der Verlustwahrscheinlichkeit gegen 0.

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Aufgabe 3. [Grundprinzipien der Finanzmathematik, Einperiodenmodelle] [25 Punk-

te]

(a) [8 Punkte] Ein Investor erwerbe ein strukturiertes Produkt auf den DAX mit denfolgenden Modalitäten. Die Mindestrückzahlung betrage 105% bezogen aufeinen Betrag von 18.900 e. Im Falle einer positiven DAX-Entwicklung betrage- wenn die Mindestrückzahlung hierdurch überschritten wird - die Rückzahlung18.900 e zuzüglich einer Partizipation in Höhe von 60% der einjährigen DAX-Rendite bezogen auf einen investierten Betrag von 18.900 e.

(i) [3 Punkte] Bestimmen Sie das Rückzahlungsprofil des Produkts zum Zeit-punkt t = 1.

(ii) [5 Punkte] Gegeben sei nun ein einperiodiges Binomialmodell für die DAX-Entwicklung. Der Startwert des DAX betrage DAX0 = 6.300 e. Am Endeder Periode ist der DAX entweder um 40% gestiegen oder um 25% gefal-len. Der risikolose Zins betrage 5%. Bestimmen Sie den fairen (arbitrage-freien) Preis des strukturierten Produkts durch direkte Replikation des Rück-zahlungsprofils.

(b) [17 Punkte] Betrachten Sie die folgenden einperiodigen State-Space-Finanz-marktmodelle mit Anfangspreisvektor S0 und Auszahlungsmatrix S1:

(1) Ω = ω1, ω2, F = P(Ω), P[ω] > 0, ∈ 1,2,

S0 =

15

, S1 =

109

609

109

409

(2) Ω = ω1, ω2, ω3, F = P(Ω), P[ω] > 0, ∈ 1,2,3,

S0 =

15

, S1 =

109

609

109

409

109

309

(3) Ω = ω1, ω2, ω3, F = P(Ω), P[ω] > 0, ∈ 1,2,3,

S0 =

1510

, S1 =

109

609

1209

109

609

809

109

409

809

(i) [10 Punkte] Welche dieser Modelle sind arbitrage-frei ? Geben Sie für diearbitrage-freien Modelle alle preiserzeugenden Vektoren sowie die korre-spondierenden äquivalenten risikoneutralen Wahrscheinlichkeitsmaße an.

(ii) [2 Punkte] Untersuchen Sie die Modelle (1) und (2) hinsichtlich der Voll-ständigkeit. Begründen Sie Ihre Aussagen!

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(iii) [5 Punkte] Berechnen Sie für Modell (2) das Intervall der arbitrage-freienPreise für die bedingte Auszahlung C zu t = 1, definiert durch

C(ω1) = 75, C(ω2) = 50, C(ω3) = 25.

Welche Bedeutung besitzt die rechte Intervallgrenze ?

Lösungsskizze:

(a) (i) Das Rückzahlungsprofil L1 des Produkts zu t = 1 ist gegeben durch

L1 =mx18.900 · 1,05,18.900+ 18.900 · 0,6 · RDAX,

wobei

RDAX :=DAX1 −DAX0

DAX0die Einperiodenrendite des DAX bezeichnet.

(ii) Die DAX-Entwicklung ist gegeben durch:

*

HHHHj

DAX0 = 6.300

DAX1 = 8.820 (+40%)

DAX1 = 4.725 (−25%)

Wenn der DAX fällt, so beträgt die Rückzahlung 18.900 · 1,05 = 19.845.Wenn der DAX steigt, beträgt die Rückzahlung 18.900+18.900·0,6·0,4 =23.436. Damit gilt

*

HHHHj

L0

L1 = 23.436

L1 = 19.845

Replikation in t = 1:

8.820+ 1,05y = 23.436 (1)

4.725+ 1,05y = 19.845 (2)

Aus (1)-(2) folgt 4.095 = 3.591 und damit = 0,87692. Durch Einsetzenin (1) ergibt sich damit

y = [23.436− 8.820(0,87692)](1,05)− 1 = 14.953,87.

Wert des Replikationsportfolios in t = 0:

6.300+ y = 6.300(0,87692) + 14.953,87 = 20.478,47.

Der Wert des Replikationsportfolios ist zugleich der gesuchte faire Preisdes strukturierten Produkts.

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(b) (i) Ein State-Space-Markt mit K Szenarien ist arbitrage-frei genau dann, wennein Vektor ψ ∈ RK

>0 = (0,∞)K (preiserzeugender Vektor) existiert mit

S0 = ST1ψ. (3)

Marktmodell (1):

Das Gleichungssystem (3) besitzt genau eine Lösung ψ1 = ψ2 =920 >

0. Somit existiert ein preiserzeugender Vektor und damit ist das Modellarbitrage-frei. Produkt 1 ist eine sichere Anlage mit Einperiodenrenditer = 1/9. Damit ist Q mit

q := Q[ω] = (1+ r)ψ =12 , = 1,2,

das eindeutig bestimmte äquivalente risikoneutrale Maß.

Marktmodell (2):

Lösen des linearen Gleichungssystems (3) liefert zunächst

ψ2 = −3ψ1 + 95 , ψ3 = 2ψ1 − 9

10 .

Hierbei gilt ψ2 > 0, ψ3 > 0 genau dann, wenn ψ1 ∈ 920 ,

35

. Damit ist dieMenge der preiserzeugenden Vektoren gegeben durch

¦

ψ ∈ R3 : ψ1 ∈ 920 ,

35

, ψ2 = −3ψ1 + 95 , ψ3 = 2ψ1 −

910

©

,

d. h. das Marktmodell ist arbitrage-frei.

Multiplikation der preiserzeugenden Vektoren mit (1+ r) = 10/9 führt aufdie Menge der risikoneutralen Maße (q := Q[ω], = 1,2,3)

Q =¦

Q : q1 =109 ψ1, q2 =

109 (−3ψ1 +

95 ), q3 =

109 (2ψ1 −

910 ), ψ1 ∈

920 ,

35

©

Qα : q1 = α, q2 = −3α + 2, q3 = 2α − 1, α ∈12 ,

23

©

.

Marktmodell (3):

Das Gleichungssystem (3) besitzt die eindeutige Lösung ψ1 = ψ3 =920 ,

ψ2 = 0. Wegen ψ2 = 0 ist jedoch ψ = (9/20,0,9/20)T kein preiserzeu-gender Vektor, d. h. das Modell ist nicht arbitrage-frei. Es existiert keinäquivalentes risikoneutrales Maß.

Bemerkung: Die Existenz von Arbitrage ist evident, da Asset 3 bei dop-pelten Startpreis von Asset 2 und doppelten Auszahlungen in ω1, ω3 inSzenario ω2 nicht auch die doppelte Auszahlung liefert.

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(ii) Ein arbitrage-freies Finanzmarktmodell ist vollständig, wenn genau einpreiserzeugender Vektor bzw. äquivalent genau ein äquivalentes risiko-neutrales Wahrscheinlichkeitsmaß existiert. Damit ist mit den Erkenntnis-sen aus Teil (i) das Marktmodell (1) vollständig, während das Marktmodell(2) unvollständig ist.

(iii) Für die Menge der arbitrage-freien Preise gilt

infQ∈Q

EQ 11+rC

, spQ∈Q

EQ 11+rC

.

Wegen

EQα

11+rC

= 910 (75α + 50(−3α + 2) + 25(2α − 1)) = −22,5α + 67,5

und α ∈12 ,

23

ergibt sich konkret das Intervall

(52,5; 56,25).

Die rechte Intervallgrenze ist der Superhedging-Preis.

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Aufgabe 4. [Zinsen, Zinsprodukte, Sensitivitäten (Duration, Konvexität)] [30 Punk-

te]

(a) [7 Punkte] Ein anfänglicher Kreditbetrag der Höhe S0 soll mit gleichhohennachschüssigen Zahlungen A (Annuität) in n Jahren inklusive aufgelaufenerZinsen getilgt werden. Der als fristigkeitsunabhängig angenommene Kredit-zins beträgt r. Ferner sei q := 1+ r.

(i) [3 Punkte] Weisen Sie nach, dass die Annuität A gegeben ist durch

A = S0qn(q− 1)qn − 1

.

(ii) [4 Punkte] Weisen Sie nach, dass für t = 1, . . . , n die Restschuld RSt amEnde der jeweiligen Periode gegeben ist durch

RSt = S0qn − qt

qn − 1.

Hinweis: Gehen Sie von dem Ansatzpunkt aus, dass in einem vollkomme-nen Kapitalmarkt sich die Restschuld zum Zeitpunkt t als Differenz deraufgezinsten Schuld bis t und der aufgezinsten Annuitätenzahlungen derTeilaufgabe (i) bis zum Zeitpunkt t ergeben muss.

(b) [9 Punkte] Gegeben seien zwei Standardbonds A und B mit korrespondieren-den Kursen PA und PB in t = 0, Nennwerten NA und NB, Nominalzinsen A undB sowie Restlaufzeiten TA = 2 und TB = 3. Gehen Sie ferner davon aus, dassdie einjährige Spot Rate rz0(1) zu t = 0 bereits bekannt ist.

(i) [2 Punkte] Wie lauten die Zahlungsströme der Bonds A und B ?

(ii) [5 Punkte] Bestimmen Sie in t = 0 die zugehörige Diskontstruktur (Kur-se der Einheitszerobonds) P(0,1), P(0,2), P(0,3) sowie die (restliche)Zinsstruktur (Spot Rates) rz0(2), r

z0(3) bei zusammengesetzter Verzin-

sung.

(iii) [2 Punkte] Geben Sie mithilfe der Kurse der Einheitszerobonds eine Be-rechnungsformel für die in t = 0 gültige Forward Rate für eine Anlage vont = 2 bis t = 3 bei stetiger Verzinsung an.

(c) [14 Punkte] Betrachten Sie eine Stufenzinsanleihe, die im ersten Jahr einenKupon von 1%, im zweiten Jahr einen Kupon von 2%, im dritten Jahr einenKupon von 3% und im vierten Jahr einen Kupon von 4% aufweist. Die Kuponssind jeweils am Jahresende fällig. Der Nennwert ist 100 e und die Laufzeitbeträgt 4 Jahre. Das aktuelle Marktzinsniveau ist flach und liegt bei 3% p.a.

(i) [3 Punkte] Berechnen Sie den heutigen Marktpreis der Anleihe.

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(ii) [5 Punkte] Schätzen Sie die prozentuale Preisveränderung der Anleihe un-ter Verwendung des Durationskonzeptes ab. Nehmen Sie an, dass sich dasMarktzinsniveau um einen Prozentpunkt reduziert.

(iii) [6 Punkte] Verwenden Sie nunmehr die Duration und Konvexität zur Schät-zung der Preisveränderung. Wie groß ist die prozentuale Preisverände-rung, wenn sich das Marktzinsniveau um einen Prozentpunkt reduziert ?

Lösungsskizze:

(a) (i) Der Barwert der nachschüssigen Rückzahlungen berechnet sich als

n∑

=1

Aq− = Aq−nn−1∑

=0

q = Aqn − 1

qn(q− 1).

Wegen

S0 = Aqn − 1

qn(q− 1)folgt hieraus

A = S0qn(q− 1)qn − 1

.

(ii) Nach Hinweis und mit (i) gilt

RSt = S0qt − A(qt−1 + . . .+ q+ 1) = S0qt − Aqt−1

q−1

= S0qt − S0 q

n(q−1)qn−1

qt−1q−1 = S0

h

qt − qn(qt−1)qn−1

i

= S0qt(qn−1)−qn(qt−1)

qn−1 = S0qn−qtqn−1 .

(b) (i) Der Zahlungsstrom von Bond A lautet −PA, NA · A, NA · A +NA, der Zah-lungsstrom von Bond B lautet −PB, NB · B, NB · B, NB · B +NB.

(ii) Der Kurs P(0,1) eines Einheitszerobonds mit einer Laufzeit von einem Jahrbei bekannter Spot Rate ist gegeben durch

P(0,1) = (1+ rz0(1))−1. (4)

Ferner gilt

PA = NA · A · P(0,1) + (NA · A +NA) · P(0,2), (5)

PB = NB · B · P(0,1) + (NB · B) · P(0,2) + (NB · B +NB) · P(0,3). (6)

Da P(0,1) gemäß (4) bekannt ist, folgt aus (5)

P(0,2) =PA −NA · A · P(0,1)

NA · A +NA=PA −NA · A · P(0,1)

NA · (1+ A)

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und damit aus (6)

P(0,3) =PB −NB · B · (P(0,1) + P(0,2))

NB · B +NB=PB −NB · B · (P(0,1) + P(0,2))

NB · (1+ B).

Dies liefert für die restlichen Spot Rates

rz0(2) = (P(0,2))−1/2 − 1 sowie rz0(3) = (P(0,3))

−1/3 − 1.

(iii) Die gesuchte Forward Rate ist gegeben durch

ƒ s0(2,3) = −(logP(0,3)− logP(0,2)).

(c) Es sei P(r) der Marktpreis der Stufenzinsanleihe zu t = 0 bezogen auf denflachen Zins r. Dann gilt:

P(r) = (1+ r)−1 + 2(1+ r)−2 + 3(1+ r)−3 + 104(1+ r)−4,

P′(r) = −(1+ r)−2 − 4(1+ r)−3 − 9(1+ r)−4 − 416(1+ r)−5,

P′′(r) = 2(1+ r)−3 + 12(1+ r)−4 + 36(1+ r)−5 + 2080(1+ r)−6.

(i) P(0,03) = 98

(ii) Für die modifizerte Duration gilt

DURM(0,03) = −P′(0,03)/P(0,03) = 371,445/98 = 3,79

und entsprechend

ΔP/P ≈ −DURM(0,03)(−0,01) = 0,0379.

Die approximative Wertsteigerung beträgt 3,79%.

(iii) Die (relative) Konvexität ist gegeben durch

CONV(0,03) = P′′(0,03)/P(0,03) = 1785,568/98 = 18,22.

Dies liefert unter Berücksichtigung der Konvexität

ΔP/P ≈ −DURM(0,03)(−0,01) + 12 CONV(0,03)(−0,01)

2 = 0,0388,

d. h. eine approximative Wertsteigerung in Höhe von 3,88%.

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Aufgabe 5. [Bewertung von Aktienderivaten im Binomialmodell] [25 Punkte]

Betrachten Sie das zweiperiodige Binomialmodell, in dem für die Aktie ein Startpreisvon 4 e sowie pro Periode eine prozentuale Aufwärtsbewegung von 100% und eineprozentuale Abwärtsbewegung von 50% unterstellt wird. Der einperiodige Zinssatzfür die sichere Kapitalanlage bzw. -aufnahme betrage bei flacher Zinsstruktur r =10%.

Eine Lookback-Option auf die Aktie mit Preisprozess (St)t=0,1,2 liefert zum Zeitpunktt = 2 die zufällige Auszahlung

C2 := mx0≤n≤2

Sn − S2.

(a) [5 Punkte] Überprüfen Sie anhand von „Down“-Faktor d, „Up“-Faktor undZins r, dass das so spezifizierte Binomialmodell arbitrage-frei ist. Geben Sie -sofern existent - das äquivalente Martingalmaß explizit an.

(b) [2 Punkte] Geben Sie für alle Szenarien ω ∈ Ω = (y1, y2) : y ∈ d, dieAuszahlung C2(ω) der Lookback-Option an.

(c) [8 Punkte] Berechnen Sie durch risikoneutrale Bewertung die arbitrage-freienPreise dieser Option zu den Zeitpunkten t = 0,1 in den einzelnen Knoten.

(d) [10 Punkte] Berechnen Sie eine Replikationsstrategie, beginnend in t = 0, fürdie Lookback-Option.

Lösungsskizze:

(a) „Down“-Faktor d = 0,5, „Up“-Faktor = 2 und Zins r = 0,1 erfüllen die Be-dingung d < 1 + r < . Dies sichert die Existenz (genau) eines risikoneutralenMaßes Q und damit insbesondere die Arbitragefreiheit des vorliegenden Bino-mialmodells.

Die einperiodigen Übergangswahrscheinlichkeiten unter Q sind gegeben durch

q =1+ r − d− d

= 0,4

für eine Aufwärtsbewegung sowie durch 1−q = 0,6 für eine Abwärtsbewegungder Aktie. Damit gilt

Q[ω] = (1− q)2−N(ω)qN(ω),

wobei N(ω) für ω ∈ Ω = (y1, y2) : y ∈ d, die Anzahl der Aufwärtsbewe-gungen bezeichnet.

Bemerkung: Die Formel für q ergibt sich aus der Bedingung

S0 = EQ 11+rS1

= 11+r (S0q+ dS0(1− q)).

Eine explizite Herleitung ist nicht erforderlich.

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(b) Der Kursverlauf der Aktie ist gegeben durch

*

HHHHHHj

S0 = 4

S1 = S0 = 8

S1 = dS0 = 2

*

HHHHHHj

*

HHHHHHj

S2 = 2S0 = 16

S2 = dS0 = 4

S2 = d2S0 = 1

Hieraus ist die Auszahlung der Lookback-Option ablesbar:

C2(ω) =

0 für ω = (, ),4 für ω = (, d),0 für ω = (d, ),3 für ω = (d, d).

(c) Es sei Vt der arbitrage-freie Preis der Lookback-Option zum Zeitpunkt t, t =0,1,2. Dann gilt V2 = C2, und man berechnet rekursiv

V1((, ·)) = EQ 11+rV2|F1

(, ·) = 11+r [V2((, ))q+ V2((, d))(1− q)]

= 11+0,14 · 0,6 =

2411 ,

V1((d, ·)) = EQ 11+rV2|F1

(d, ·) = 11+r [V2((d, ))q+ V2((d, d))(1− q)]

= 11+0,13 · 0,6 =

1811

sowie

V0 = EQ 11+rV1

= 11+r [V1((, ·))q+ V1((d, ·))(1− q)]

= 11+0,1

2411 · 0,4+

1811 · 0,6

= 204121 .

(d) Die in (iii) berechneten arbitrage-freien Preise entsprechen im vollständigenBinomialmodell den Kosten der perfekten Replikation in den jeweiligen Kno-ten. Die Berechnung der Stückzahlen in der Aktie und y im Sparbuch mitWertentwicklung (1; 1 + r; (1 + r)2) = (1; 1,1; 1,21) erfolgt in jedem Knotendurch Lösen eines linearen Gleichungssystems.

t = 1, ω = (, ·):

16 + 1,21y = 0

4 + 1,21y = 4

Damit gilt = −1/3, y = 1600/363.

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t = 1, ω = (d, ·):

4 + 1,21y = 0

1 + 1,21y = 3

Damit gilt = −1, y = 400/121.

t = 0:

8 + 1,1y = 2411

2 + 1,1y = 1811

Damit gilt = 1/11, y = 160/121.

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Aufgabe 6. [Value at Risk, Anwendung von Risikomaßen zur Bestimmung des er-

forderlichen Risikokapitals] [23 Punkte]

(a) [3 Punkte] Definieren Sie das monetäre Risikomaß Value at Risk V@Rλ zum Ni-veau λ ∈ (0,1) ausgehend von seiner Akzeptanzmenge. Erläutern Sie anhandIhrer Definition, in welchem Sinn der Value at Risk als Kapitalanforderung auf-gefasst werden kann.

(b) [3 Punkte] Die Verlustvariable L folge einer Pareto-Verteilung, d. h. es gilt für0 > 0 und > 0:

FL() = P[L ≤ ] = 1−

0

−.

Bestimmen Sie den V@Rλ der Finanzposition X = −L.

(c) [7 Punkte] Gegeben seien zwei stochastisch unabhängige Finanzpositionen X1und X2, deren Verteilungen spezifiziert sind durch:

P[X = 0] = 0,96, P[X = −1.000] = 0,04 für = 1,2.

(i) [5 Punkte] Bestimmen Sie für das vorgegebene Niveau von 5% den Valueat Risk für die Finanzpositionen X1 und X2 sowie X1 + X2.

Hinweis: Wenn X und Y stochastisch unabhängig sind, gilt

P[X = , Y = y] = P[X = ] · P[Y = y].

(ii) [2 Punkte] Welche Konsequenz hat das Ergebnis für die Konvexität desValue at Risk ? Welche Problematik kann hieraus in Praxisanwendungendes Value at Risk resultieren ?

(d) [10 Punkte] Der Wert V einer Finanzposition zum Zeitpunkt sei durch zweiRisikofaktoren Z1, Z2 erklärbar via V = (Z1

, Z2

) für eine stetig differenzier-

bare Funktion . Im Folgenden sei t ein fixierter Zeitpunkt, zu dem die Risiko-messung erfolgt.

(i) [4 Punkte] Geben Sie für kleines h > 0 die Delta-Approximation für denPeriodengewinn ΔV := Vt+h − Vt an.

(ii) [6 Punkte] Die Wertänderungen ΔZ = Zt+h−Z

t, = 1,2, seien gemeinsam

normalverteilt mit den Parametern

E[ΔZ] = hμ, Vr[ΔZ] = hσ2, Cov[ΔZ1,ΔZ2] = hσ1,2.

Leiten Sie mithilfe der Delta-Approximation eine Formel für den Value atRisk V@Rλ des Periodengewinns ΔV zum Niveau λ her. Leiten Sie dabeiexplizit die Berechnungsformel für den V@Rλ einer normalverteilten Fi-nanzposition her.

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Lösungsskizze:

(a) Die Akzeptanzmenge des V@Rλ ist gegeben durch

A = X ∈ X |P[X < 0] ≤ λ,

wobei X die Menge aller Finanzpositionen zu einem festen Zeitpunkt bezeich-net. Dies bedeutet, dass alle Finanzpositionen, die mit Wahrscheinlichkeit klei-ner oder gleich λ keine Verluste erzeugen, akzeptabel sind. Der V@Rλ lässtsich aus der Akzeptanzmenge ableiten via

V@Rλ(X) = infm ∈ R|X +m ∈ A = infm ∈ R|P[X +m< 0] ≤ λ. (7)

In diesem Sinn ist der V@Rλ(X) der kleinste Geldbetrag, der zu einer Finanz-position X hinzuzufügen ist, sodass diese akzeptabel wird.

(b) Im Fall stetiger Zufallsvariablen muss gelten

λ = P[X + V@Rλ(X) < 0] = P[−X > V@RλX] = 1− FL(V@Rλ(X)).

Daraus folgt im vorliegenden Fall

λ = 1−

1−

V@Rλ(X)0

=

V@Rλ(X)0

−.

Umstellen liefert V@Rλ(X) = 0 · λ−1/.

(c) (i) Aus der Definition (7) folgt unmittelbar V@R0,05(X1) = V@R0,05(X2) = 0.Die Zufallsvariable X1 + X2 nimmt nur die folgenden Werte an:

X1+X2 =

0 wenn X1 = X2 = 0−1.000 wenn X1 = 0, X2 = −1.000 oder X1 = −1.000, X2 = 0−2.000 wenn X1 = X2 = −1.000

Für die Eintrittswahrscheinlichkeiten gilt hierbei:

P[X1 + X2 = 0] = P[X1 = 0, X2 = 0] = P[X1 = 0]P[X2 = 0]

= (0,96)2 = 0,9216

P[X1 + X2 = −1000] = P[X1 = 0, X2 = −1.000] + P[X1 = −1.000, X2 = 0]

= P[X1 = 0]P[X2 = −1.000]

+P[X1 = −1.000]P[X2 = 0]

= 2 · 0,04 · 0,96 = 0,0768

P[X1 + X2 = −2.000] = P[X1 = −1.000, X2 = −1.000]

= P[X1 = −1.000]P[X2 = −1.000]

= (0,04)2 = 0,0016

Hieraus ist ablesbar: [email protected](X1 + X2) = 1.000. Insbesondere gilt:

1.000 = [email protected](X1 + X2) > V@R0,05(X1) + V@R0,05(X2) = 0.

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(ii) Das Ergebnis verdeutlicht, dass das monetäre Risikomaß V@R im Allge-meinen nicht subadditiv und damit auch nicht konvex ist. Damit kann derValue at Risk ökonomisch sinnvolle Diversifikation zwischen Risiken be-strafen. Hieraus können Probleme bei der Steuerung resultieren.

(d) (i) Es seien z = z(t) sowie Δz = z(t + h) − z(t) für h > 0. Dann gilt gemäßTaylor-Approximation 1. Ordnung

Δ := (z1 + Δz1, z2 + Δz2)− (z1, z2) ≈∂(z1, z2)

∂z1Δz1 +

∂(z1, z2)

∂z2Δz2.

Da es sich hierbei per Konstruktion um eine lokale Approximation handelt,ist nur für „kleine“ Änderungen Δz eine gute Approximation zu erwarten.Übertragen auf die entsprechenden Zufallsvariablen ΔZ1,ΔZ2 ergibt sichmit d =

∂∂z

ΔV ≈ d1ΔZ1 + d2ΔZ2.

(ii) Vorüberlegung: Für X ∼ N(μ, σ2) gilt V@Rλ(X) = −μ−−1(λ)σ, wobei dieVerteilungsfunktion der Standardnormalverteilung bezeichnet. Genauer:

λ = P[X + V@Rλ(X) < 0]⇔ P[X ≤ −V@Rλ(X)] = λ⇔

−V@Rλ(X)−μσ

= λ

Hieraus folgt −1(λ) = −V@Rλ(X)−μσ und nach Umformung die obige Formel.

ΔV ist unter den gegebenen Voraussetzungen normalverteilt mit

E[ΔV] = h(d1μ1 + d2μ2), Vr[ΔV] = h(d21σ21 + d

22σ

22 + 2d1d2σ1,2).

Dementsprechend gilt

V@Rλ(ΔV) = −h(d1μ1 + d2μ2)− −1(λ)Æ

h(d21σ21 + d

22σ

22 + 2d1d2σ1,2).

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Aufgabe 7. [Axiomatische Theorie der Risikomaße, Average Value at Risk, Tail Va-

lue at Risk, Expectiles] [17 Punkte]

(a) [4 Punkte] Definieren Sie das Risikomaß Average Value at Risk AV@R. Erläu-tern Sie, in welchem Sinn der Average Value at Risk ein Baustein für alle ver-teilungsinvarianten, konvexen Risikomaße ist.

(b) [9 Punkte] Betrachten Sie die zwei Finanzpositionen X1 und X2 mit wie folgtspezifizierten Wahrscheinlichkeitsverteilungen:

X1 =

500 mit W. 0,95−1.000 mit W. 0,04−5.000 mit W. 0,01

X2 =

500 mit W. 0,95−1.000 mit W. 0,04−5.000 mit W. 0,007−10.000 mit W. 0,003

(i) [3 Punkte] Geben Sie den Value at Risk für die beiden Verlustvariablen zumNiveau λ = 0,01 an. Nutzen Sie Ihre Ergebnisse, um einen entscheidendenNachteil des Risikomaßes Value at Risk zu beschreiben.

(ii) [6 Punkte] In der Praxis ist der Tail Value at Risk TV@R, für eine Finanzpo-sition X definiert durch

TV@Rλ(X) = E[−X| − X > V@Rλ(X)], λ ∈ (0,1),

eine gängige Alternative zum Value at Risk.

Berechnen Sie den Tail Value at Risk für die beiden Verlustvariablen zumNiveau λ = 0,01. Kommentieren Sie das Ergebnis !

Hinweis: Für eine diskrete Zufallsvariable X mit möglichen Realisationen1, . . . , n gilt

E[−X| − X > c] = 1P[−X>c]

n∑

=1,−>c−P[X = ]

wobei c eine Konstante ist und P[−X > c] > 0 vorausgesetzt wird.

(c) [4 Punkte] Die unteren und oberen Quantile q−X(λ) und q+

X(λ) zum Niveau

λ ∈ (0,1) einer Zufallsvariable X können durch die Minimierung einer asym-metrischen, stückweise linearen Verlustfunktion definiert werden:

[q−X(λ), q+

X(λ)] = rgmin∈R

λE[(X − )+] + (1− λ)E[(X − )−]

.

(i) [2 Punkte] Wie ist dieses Minimierungsproblem zu modifizieren, um Ex-pectiles zu definieren ?

(ii) [2 Punkte] Definieren Sie den Expectile Value at Risk zum Niveau λ ∈ (0,1)und geben Sie die zugehörige Akzeptanzmenge inklusive Interpretationan.

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Lösungsskizze:

(a) Das Risikomaß Average Value at Risk ist definiert durch

AV@Rλ(X) :=1λ

∫ λ

0V@Rα(X)dα, λ ∈ (0,1).

Ist (Ω,F , P) ein atomloser Wahrscheinlichkeitsraum, so ist ein Risikomaß ρ :L∞(Ω,F , P)→ R genau dann konvex, verteilungsinvariant und stetig von oben,wenn

ρ(X) = spμ∈M1((0,1])

(0,1]AV@Rλ(X)μ(dλ)− βmin(μ)

mit

βmin(μ) = spX∈Aρ

(0,1]AV@Rλ(X)μ(dλ).

M1((0,1]) bezeichnet hierbei die Menge aller Wahrscheinlichkeitsmaße auf(0,1], versehen mit der Borel-σ-Algebra B((0,1]) auf dem Intervall (0,1].

(b) (i) Aus der Definition des Value at Risk lässt sich unmittelbar

V@R0,01(X1) = V@R0,01(X2) = 1.000

ablesen. Trotz identischem V@R ist die Finanzposition X2 offensichtlichgefährlicher als X1. Der Value at Risk berücksichtigt nur die Wahrschein-lichkeit des Eintretens von Verlusten über einer kritischen Grenze, nichtaber die potentiellen Höhen der Verluste, die diese kritische Grenze über-steigen.

(ii) Nach Hinweis gilt für k = 1,2

TV@R0,01(Xk) = E[−Xk | − Xk > V@R0,01(Xk)]

= 1P[−Xk>V@R0,01(Xk)]

n∑

=1,−>V@R0,01(Xk)−P[Xk = ]

mit den Realisierungen 1, 2, 3 = 500,−1.000,−5.000 für X1 sowiemit den Realisierungen 1, 2, 3, 4 = 500,−1.000,−5.000,−10.000für X2.

Für X1 erfüllt nur die Realisierung 3 = −5.000 die Bedingung −3 >

V@R0,01(X1), und entsprechend gilt

TV@R0,01(X1) =1

0,01 (5.000 · 0,01) = 5.000.

Für X2 sind 3 = −5.000 und 4 = −10.000 zu berücksichtigen, und esfolgt

TV@R0,01(X2) =1

0,01 (5.000 · 0,01+ 10.000 · 0,003) = 6.500.

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Daher ergibt sich

5.000 = TV@R0,01(X1) < TV@R0,01(X2) = 6.500,

d. h. der gefährlicheren Finanzposition X2 wird auch das höhere Risiko zu-geordnet, da der TV@R - im Gegensatz zum V@R - auch die Verlusthöhenjenseits des V@R berücksichtigt.

(c) (i) Die Expectiles sind definiert als (eindeutige) Minimierer des asymmetri-schen quadratischen Verlustes:

Eλ(X) := rgmin∈R

λE[((X − )+)2] + (1− λ)E[((X − )−)2]

.

Bemerkung: Für λ = 1/2 gilt E1/2(X) = E[X]. Insofern können Expectiles alseine asymmetrische Verallgemeinerung des Erwartungswerts interpretiertwerden. Der Begriff „Expectiles“ vereint motiviert durch diese Zusammen-hänge die Begriffe „Expectation“ und „Quantile“.

(ii) Der Expectile Value at Risk ist definiert durch

EV@Rλ(X) := −Eλ(X)

und besitzt die Akzeptanzmenge

AEV@Rλ =¨

X

E[X+]

E[X−]≥1− λλ

«

.

EV@Rλ(X) ist als Kapitalanforderung, die zu X hinzugefügt werden sollte,sodass X eine vordefinierte Gewinn-Verlust-Quote besitzt, zu interpretie-ren.

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Aufgabe 8. [Markowitz-Ansatz, varianzminimales Portfolio] [10 Punkte]

Gegeben seien im Markowitz-Basismodell zwei Aktien mit zugehörigen Einperioden-renditen R1 und R2. Es gelte −1 < ρ(R1, R2) < 1.

(a) [7 Punkte] Welches anteilige Investment 0 in Aktie 1 weist das (global)- vari-anzminimale Portfolio aus beiden Einzelaktien auf ?

(b) [3 Punkte] Welchen Wert muss die Kovarianz Cov(R1, R2) annehmen, damit0 = 1/3 gilt ?

Lösungsskizze:

(a) Es bezeichne R = R1+(1−)R2 die Rendite eines beliebigen Portfolios. Fernerseine σ2 = Vr(R), σ21 = Vr(R1) sowie σ22 = Vr(R2). Es gilt damit:

σ2 = σ2() = 2σ21 + (1− )2σ22 + 2(1− )Cov(R1, R2).

Aus der First-Order-Condition

0 = dσ2()d = 2σ21 − 2(1− )σ

22 + 2Cov(R1, R2)− 4Cov(R1, R2)

folgt2σ21 + 2σ

22 − 4Cov(R1, R2) = 2σ

22 − 2Cov(R1, R2)

und damit

0 =σ22 − Cov(R1, R2)

σ21 + σ22 − 2Cov(R1, R2)

=σ22 − ρ(R1, R2)σ1σ2

σ21 + σ22 − 2ρ(R1, R2)σ1σ2

.

(b) Aus der Vorgabe 0 = 1/3 resultiert hieraus

σ21 + σ22 − 2Cov(R1, R2) = 3σ

22 − 2Cov(R1, R2)

und damit Cov(R1, R2) = 2σ22 − σ21.

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Aufgabe 9. [Gleichgewichtspreise auf Basis des CAPM] [22 Punkte]

(a) [10 Punkte] Gegeben sei ein sicherer Zins r0, zu dem beliebige Kapitalbeträgesowohl angelegt als auch aufgenommen werden können. Zur Bestimmung derSteigung der Tangentialgeraden μ = r0+ σ an den effizienten Rand der reinriskanten Portfolios gehen Sie von der Schnittpunktbedingung

r0 + σ = μMVP +Æ

h(σ2 − σ2MWP)

aus, wobei MVP das global varianzminimale Portfolio bezeichne. Diese Schnitt-punktbedingung führt auf die quadratische Gleichung

Aσ2 + Bσ + C = 0,

wobei A = 2 − h, B = −2(μMVP − r0) und C = (μMVP − r0)2 + hσ2MVP.

(i) [4 Punkte] Wie lauten die Koordinaten (σT , μT) des Tangentialportfolios ?

Hinweis: Argumentieren Sie direkt auf Basis der quadratischen Gleichung.Die Steigung der Tangentialgeraden ist hierfür nicht zu ermitteln.

(ii) [3 Punkte] Ermitteln Sie auf der Basis von (i) die Steigung der Tangenti-algeraden. Interpretieren Sie den Anstieg als risikoadjustiertes Performan-cemaß.

(iii) [3 Punkte] Ermitteln Sie nunmehr die (σ, μ)-Koordinaten des effizientenPortfolios mit einer erwarteten Rendite in Höhe von μ0.

(b) [12 Punkte] Im Rahmen der CAPM-Modellwelt seien für das Marktportfolio RMdie erwartete Rendite und die erwartete Varianz bekannt:

E[RM] = 0,1,Vr[RM] = 0,25.

Der Zins für die sichere Anlage wird mit r0 bezeichnet. Zusätzlich sei bekannt,dass das Portfolio R∗ mit E[R∗] = 0,12 und σ(R∗) = 0,7 optimal ist.

(i) [3 Punkte] Stellen Sie allgemein die Gleichung für die Kapitalmarktlinieauf. Interpretieren Sie diese Gleichung.

(ii) [3 Punkte] Berechnen Sie unter den vorstehenden Annahmen die Höhedes sicheren Zinses r0.

(iii) [3 Punkte] Bestimmen Sie im CAPM-Gleichgewicht die erwartete Renditeeines Wertpapierportfolios mit einem Betafaktor in Höhe von 2 ?

(iv) [3 Punkte] Berechnen Sie die Korrelation ρ(R∗, RM) zwischen den Renditendes optimalen Portfolios und des Marktportfolios. Wie ist dieses Ergebnisinhaltlich begründet ?

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Lösungsskizze:

(a) (i) Die quadratische Gleichung besitzt die Lösungen

σ1,2 =−B±

p

B2 − 4AC2A

.

Da eine Tangente vorliegt, muss B2 = 4AC gelten. Für das Tangentialport-folio gilt somit σT = −B/2A. Damit ergibt sich μT = r0 − (B/2A).

(ii) Es gilt μT = r0 + σT mit (μT , σT) aus (i). Hieraus folgt für den Anstieg

=μT − r0σT

.

Der Anstieg entspricht der Sharpe-Ratio des Tangentialportfolios.

(iii) Es seien (σ0, μ0) die gesuchten Koordinaten. μ0 ist vorgegeben. Für dieTangentialgerade gilt μ = r0 + σ mit aus (ii). Hieraus folgt

σ0 = (μ0 − r0)/.

(b) (i) Die Kapitalmarktlinie charakterisiert alle optimalen Portfolios im CAPM-Kontext:

E[R] = r0 +E[RM]− r0σ(RM)

σ(R). (8)

Im Kapitalmarkt-Gleichgewicht gilt für die optimalen Portfolios ein linearerZusammenhang: für einen höheren erwarteten (Exzess-)Ertrag muss einproportional höheres Risiko in Kauf genommen werden.

(ii) Erwartungswert und Standabweichung des Marktporfolios sowie eines op-timalen Porfolios R∗ sind gegeben. Umstellen von (8) nach r0 und einset-zen der Parameter liefert

r0 =E[R∗]σ(RM)− E[RM]− σ(R∗)

σ(RM)− σ(R∗)

=0,12 · 0,5− 0,1 · 0,7

0,5− 0,7= 0,05.

(iii) Im CAPM-Modell sind beliebige Portfolios R durch die Wertpapiermarktlinie

E[R] = r0 + βR(E[RM]− r0)

charakterisiert, wobei βR = Cov(R,RM)/Vr(RM) den Beta-Faktor bezeich-net. Für βR = 2 berechnet man im CAPM-Gleichgewicht die erwartete Ren-dite

E[R] = 0,05+ 2(0,1− 0,05) = 0,15.

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(iv) Aus der Wertpapiermarktlinie ergibt sich zunächst der Beta-Faktor von R∗:

βR∗ =E[R∗]− r0E[RM]− r0

=0,12− 0,050,1− 0,05

= 1,4.

Weiterhin folgt aus βR∗ = Cov(R∗, RM)/Vr(RM) = ρ(R∗, RM)σ(R∗)/σ(RM)

ρ(R∗, RM) =βR∗σ(RM)

σ(R∗)=1,4 · 0,50,7

= 1.

Dies resultiert aus der Tatsache, dass alle optimalen Portfolios im rein ris-kanten Teil identisch mit dem Marktportfolio sind.

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