Forschungsmethoden
VORLESUNG WS 2018/2019FLORIAN KOBYLKA
Empirismus und logischer EmpirismusErkenntnis ist alles mit Sinnen Erfahrbare- Messbare
Erkenntnis ergibt sich aus logischer Konstruktion des Erfahrbaren
Nachtrag:
Termine# Datum Thema Inhalts-/Zielnummer(n)
1 26. Apr Einführung & Logik & empirische Psychologie 1.
2 03. Mai Selbststudium I (finden, lesen und verstehen) 2. 3. 4.
3 10. Mai Wissenschaftstheorie 2. 15. 16.
4 17. Mai Psychometrie, Operationalisierung und Entwicklung des Faches 1. 3. 6. 10. 11. 15.
5 24. Mai Hypothesentest & Testtheorie 3.
6 31. Mai Selbststudium II (strukturieren und Abstract formulieren) 3. 4.
7 07. Jun Replikationskrise & Versuchs- & Stichprobenplanung 3.
8 14. Jun Gütekriterien 4. 7. 12. 13. 14.
9 21. Jun Selbststudium III (kritisieren und Ausblick formulieren) 4.
10 28. Jun Erhebungstechniken I: Selbstberichtsverfahren & Beobachtung 2. 3. 4. 6. 8. 14. 15.
11 05. Jul Erhebungstechniken II: Objektive Daten & Psychologische Tests 5.
12 12. Jul Artikelarten, Ethik & Klausurvorbesprechung 5.
3
ZieleMixed Methods
Scientific Method:HypothesenOperationalisierungPsychometrie
Entwicklung der Psychologie
Entwicklung der psychologischen Disziplinen im 20 und 21 Jhd.
Methodenstreit• Vorwurf der naturwissenschaftlichen Psychologie: Unwissenschaftlichkeit und Subjektivität
• Gegenvorwurf: nur Betrachtung von Variablen, Wissen entstehe nur in seinem Kontext, man könne diese nicht voneinander trennen
• Kompromiss: Mixed methods
5
Mixed methods• Kombination quantitativer und qualitativer Methoden
• Einsatz qualitativer Methoden zur Generierung neuer Theorien
• Einsatz quantitativer Methoden zur Hypothesenprüfung
6
Wissenschaftsgläubigkeit und-feindlichkeit
Komplexe, abstrakte (unpraktische) Ergebnisse und mehrdeutige Befunde sind unzufrieden stellend:
A. Der Einfachheit halber wird nur auf die Aussagen renommierter Wissenschaftler geachtet
-> Berufung auf Autoritäten
B. Es wird an Wissenschaft gezweifelt und Vorwürfe erhoben:
1. Triviale Forschung
2. Fehlerhafte Forschung
3. Nutzlose Forschung
Nach Bortz & Döring (2016): Forschungsmethoden und Evaluation in den Human- und Sozialwissenschaften. S. 10 7
Die wissenschaftliche Methode• Theorie
• Forschungshypothese
• Operationalisierung und Design
• Statistische Hypothese
• Studiendurchführung
• Ergebnisaufbereitung und-analyse
• Interpretation
• Implikationen für Theorie
• Ergebnispräsentation
8
Was ist eine Theorie?
Theorie:
System von Definitionen, Annahmen, Schlussfolgerungen und Aussagen, das Sachverhalte beschreibt und erklärt
Wissenschaftliche Theorienbestehen aus:•Definitionen
•Axiomen
•Theoremen/Propositionen
Nach Bortz & Döring (2016): Forschungsmethoden und Evaluation in den Human- und Sozialwissenschaften. S. 56 f. 10
Kriterien wissenschaftlicher Theorien• Innere Widerspruchsfreiheit
•Äußere Widerspruchsfreiheit
•Falsifizierbarkeit
•hoher Informationsgehalt
•große Erklärungskraft
•Praktische Anwendbarkeit
•Einfachheit (Ockham‘s razor)
•Empirische Bewährung
Nach Bortz & Döring (2016): Forschungsmethoden und Evaluation in den Human- und Sozialwissenschaften. S.56 f. 11
Warum Hypothesen?
Menschliches Erleben und
Verhalten ?
Alltag vs. Wissenschaft
AlltagsvermutungWissenschaftliche
Hypothese
Was ist eine Hypothese?• hypóthesis (griech.): Grundlage, Voraussetzung, Unterstellung vorläufige Annahmen über empirisch prüfbare Phänomene
Schritte im Forschungsprozess1. Entstehung eines Forschungsinteresses
2. Sammlung verfügbaren Wissens• Austausch mit anderen• Literatursuche
3. Entwicklung einer Fragestellung/Hypothese
4. Operationalisierung und Untersuchungsplanung
5. Statistische Hypothese
5. Datenerhebung
6. Datenaufbereitung und Analyse
7. Interpretation und Diskussion
8. Publikation oder Präsentation
Wege zur Hypothesengenerierung
deduktiv induktiv abduktiv
Abduktive Hypothesengenerierung
Beispiel• Einzelfall aus Alltag oder Literatur
Hypothese
• Formulierung einer generellen Hypothese
• Abstraktion
Deduktive Hypothesengenerierung
Theorie
• Literaturstudium
• Erarbeitung von Theorien und Modellen
Empirie• Erarbeitung von empirischen Sachverhalten
Hypothese
• Generierung der spezifischen Hypothese auf Grundlage eines generellen Sachverhaltes
Induktive Hypothesengenerierung
Empirie• Regelmäßigkeit in Alltag oder Literatur
Hypothese
• Formulierung einer generellen Hypothese aus der Regelmäßigkeit
• Abstraktionsprozess
• präzise und widerspruchsfreie Formulierung
• prinzipielle Widerlegbarkeit
• Operationalisierbarkeit
• Begründbarkeit
• AllgemeingültigkeitUnabhängige Variable
Abhängige Variable
Merkmale wiss. Hypothesen
Zeitpunkte der Hypothesenformulierung
Hypothesenprüfende Untersuchungen
Hypothesengenerierende Untersuchungen
21
Arten von Forschungshypothesen• Unterschiedshypothesen
• Zusammenhangshypothesen
• Veränderungshypothesen
22
Operationalisierung
Inhaltliche Hypothese
• Depressive Menschen sind nach einer Therapie weniger depressiv als vor der Therapie.
Operationalisierung Ergebnis
23
Wie kann man die Psyche messen?
manifest = direkt
beobachtbar Latent = nicht direkt beobachtbar
Konstrukt
Trifft meistens auf psychologische Konstrukte zu
Operationalisierung• Mit welchen beobachtbaren Variablen wird die Ausprägung des theoretischen Konzepts festgestellt
• dazu gehört: die Auswahl von Indikatoren
die Festlegung der Messinstrumente
Operationalisierung von abhängigen Variablen• Vorschläge für Operationalisierungsvarianten: Häufigkeit
Reaktionszeit
Reaktionsdauer
Reaktionsstärke
Reaktionsqualität
Wahlreaktion
Nach: Bortz, J., & Döring, N. (2016). Forschungsmethoden und Evaluation in den Human- und Sozialwissenschaften. Heidelberg: Springer-Verlag. S. 230 f.
Operationalisierung von unabhängigen Variablen• Beispiele:Konzeption unterschiedlicher BehandlungsformenHerstellung unterschiedlicher Stimuluseigenschaften
Herstellung unterschiedlicher Gruppen/ Verwendung natürlich vorgefundener Gruppen
Nach: Bortz, J., & Döring, N. (2016). Forschungsmethoden und Evaluation in den Human- und Sozialwissenschaften. Heidelberg: Springer-Verlag. S. 231 f.
Messen
Messen = Messen [ist] die systematische Zuordnung einer Menge von Zahlen oder Symbolen zu den Ausprägungen einer Variablen, mithin auch zu den Objekten. […] Die Zuordnung (oder genauer: Abbildung) sollte so erfolgen, dass die Relationen unter den Zahlenwerten den Relationen unter den Objekten entsprechen.“
Aus: Friedrichs, J. (1990). Methoden empirischer Sozialforschung. Springer-Verlag. S. 97
Skala
Menge von unterschiedlichen empirisch
beobachtbaren Objekten oder Ereignissen
Menge von Zahlen
wird abgebildet durch
Empirisches Relativ
Numerisches Relativ
Messtheoretische Probleme• Repräsentationsproblem ist ein Merkmal messbar?
• Eindeutigkeitsproblem Welche Transformationen sind zulässig?
• Bedeutsamkeitsproblem Welche mathematischen Operationen sind sinnvoll?
Bedeutung von SkalenniveausDas Skalenniveau bestimmt
die erlaubten mathematischen Transformationen auf die erhobenen Zahlen, ohne Informationen zu verlieren
somit auch, welche statistischen Verfahren überhaupt auf Daten angewendet werden dürfen
Grundlage für statistische Berechnungen
Die Thurstone- Skala
• Erfassung latenter Merkmale
• Experten und Getestete
• Unterschiedliche Wertigkeiten dichotomer Items (-5 bis 5)
Problematisch:
Expertenurteil
Die Guttmann- Skala
• Dichotome Items werden aufsummiert
Problematisch:
•Items müssen inhaltlich sukzessiv sein
Die Likert- Skala• weit verbreitet
• meist 5 stufiges Rating von mehreren Aussagen
• Bilden eines Indexwertes
• Ziel bei Skalenkonstruktion: Varianz und Zusammenhang mit Indexwert
Problematisch:
• Interindividuelle Unterschiede
Die Operationalisierung
Inhaltliche Hypothese
• Depressive Menschen sind nach einer Therapie weniger depressiv als vor der Therapie.
Operationalisierung
• UV: Therapie (EG)/ keine Therapie (KG)
• AV: Depression (gemessen über Depressionsfragebogen)
Ergebnis
• Teilnehmer aus der EG haben niedrigere Werte im Fragebogen als die aus der KG bzw. als vor der Therapie
36
Inhaltliche und statistische Hypothesen
• Verbale Behauptung über Beziehung zwischen Variablen
• Eher allgemein gehalten
Inhaltliche Hypothese
• Quantitative Form des erwarteten Untersuchungsergebnisses
• Population als Bezugspunkt
• Wird statistisch geprüft
Statistische Hypothese
wird überführt in
37
Statistische Hypothesen• Nullhypothese (H0): UV hat keinen Einfluss auf die AV bzw. steht in keinem systematischen Zusammenhang mit ihr
• Alternativhypothese (H1): UV hat einen Einfluss auf die AV bzw. steht in einem systematischen Zusammenhang mit ihr
38
Ungerichtete vs. gerichtete Hypothesen• gerichtete Hypothesen geben die Richtung des vermuteten Effekts an
• ungerichtete Hypothesen geben keine Richtung des erwarteten Effekts an
in der Praxis findet man häufiger gerichtete Hypothesen
39
Übung: Welche der Kriterien für wissenschaftliche Hypothesen sind erfüllt/nicht erfüllt?
1) Bei starkem Zigarettenkonsum kann es zu einem Herzinfarkt kommen.
2) Frauen reden mehr als Männer.
3) Frustrierte Menschen reagieren aggressiv.
4) Mit zunehmender Müdigkeit sinkt die Konzentration.
5) Es gibt Kinder, die nie weinen.
6) Mentales Training führt zu besseren sportlichen Leistungen.
7) Es gibt Menschen, die dreimal am Tag warm essen und trotzdem kein Gramm zunehmen.
8) Morgen um 14 Uhr wird es in Karlsruhe regnen.
9) Die Schüler der Klasse 8c sind besser in Mathe als der Altersdurchschnitt.
Übung1. Was sind zentrale Argumente im Methodenstreit?
2. Wo ist die Psychologie als Wissenschaft einzuordnen und warum?
3. Die Scientific Method ist in der Regel so strukturiert, dass die Bezüge der Arbeitsschritte vom Allgemeinen zum Spezifischen und wieder zurück zum Allgemeinen wechseln. Eine Ausnahme bildet hier die Untersuchung in einem bisher unbekanntem Gebiet, hier werden die Hypothesen im Forschungsprozess erst generiert. Ein fataler Fehler kann bei einer Mischung beider Strukturen entstehen: welcher?
4. Welche Kriterien sollten wissenschaftliche Theorien erfüllen?
5. Was sind die Merkmale wissenschaftlicher Hypothesen?
6. Welche Arten von Hypothesen kann man unterscheiden?
7. Was ist die Operationalisierung?
8. Was ist Messen?
9. Was sind die drei Bestandteile einer Skala?
10. Welche messtheoretischen Probleme gibt es?
11. Eine Psychologin möchte den Einfluss einer Expositionstherapie auf die Spinnenphobie untersuchen. Wie könnte sie Therapieerfolg operationalisieren?
LiteraturBortz, J., & Döring, N. (2016). Forschungsmethoden und Evaluation für Human-und Sozialwissenschaftler. Heidelberg: Springer-Verlag. Kap 1., 2., 4., 5.2, 8., 10.4