,!7ID7G6-hbicia!ISBN 978-3-7667-1828-0
www.callwey.de
Frauenihre Refugien& Stefanie von WieterSheim
fotoS von Claudia von BoCh
Die Tür hinter sich schließen und den Alltag einfach für einen Moment aussperren – welche Frau träumt nicht von so einem Rückzugsort?
Zu dem nur sie Zutritt hat, den sie nach ihren ganz persönlichen
Wünschen gestaltet, an dem sie einfach entspannen kann oder Zeit
für Kreativität f indet.
Stefanie von Wietersheim und die fotografin Claudia von Boch
ermögl ichen in diesem Cal lwey Buch einen einbl ick in die privaten,
noch nie gesehenen räume von 21 außergewöhnlichen frauen, wie
z.B. der moderatorin nina ruge, der Schauspielerinnen Senta Berger
und nadja uhl oder der unternehmerinnen Siggi Spiegelburg und
laetizia riedel-röthlisberger. den beiden autorinnen öffneten sich
die türen zu schwarzen oder sehr farbenfrohen Zimmern voller persön-
licher lieblingsstücke, zu wilden malateliers, großartigen Bibliotheken,
gemütlichen erkerzimmern oder einem wunderbaren haus am meer
– und dabei auch zu den spannenden lebensgeschichten ihrer faszinie-
renden Bewohnerinnen.
• einblicke in die privaten refugien besonderer frauen
• 21 faszinierende Wohn- und lebensgeschichten
• eindrückliche Porträts und stimmungsvolle Bilder
• Weitere impressionen unter www.frauen-und-ihre-refugien.de
Claudia von Boch ist als freie fotografin für Buchprojekte und magazine tätig. Sie fotografiert Gärten, interiors und reisebe-richte. mit ihrer tochter lebt sie bei frank-furt am main.
Stefanie von Wietersheim studierte in Passau und tours Kulturwirtschaft und arbeitete nach einem Zeitungsvolontariat als freie autorin in münchen, Paris und toulouse. die Journalistin reist für Zeit-schriften- und Buchprojekte durch europa, und schreibt über interiors, design, Gärten, reisen und mode. Sie lebt mit ihrer familie auf dem land in niedersachsen.
SiGGi SPieGelBurG
alexandra KolB
Stefanie hariG
Petra hüttermann
nina ruGe
anna von GrieSheim
friederiKe PfitZner
anne Pillunat
Bettina haGenBeCK
elvira BaCh
anne maria JaGdfeld
dina von BoCh-Galhau
manuela von Perfall
nina hollein
i.K.h. diane de franCe
nadJa miChael
laetiZia riedel-röthliSBerGer
ann Kathrin linSenhoff
Senta BerGer
Karen heumann
nadJa uhl
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www.frauen-und-ihre-refugien.deCallwey verlag münchen
Weitere einblicke gewährt die homepage zum Buch mit vielen extras wie
zusätzl ichen fotos, Kontakt zu autorin und fotografin sowie interviews.www.frauen-und-ihre-refugien.de
Callwey verlag münchen
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Inhalt
7 RAUMFÜRMICH Einleitung16 DASLOFTINDERFEUERWACHE SiggiSpiegelburg,Modedesignerin
24 DIEKLEINEEMPORE AlexandraKolb,Bildredakteurin
30 DASHAUSAMSEE StefanieHarig,Galeristin
36 DASFARBZIMMER PetraHüttermann,InteriorConsultant
44 DIELIMONAIAINDERTOSKANA NinaRuge,FernsehmoderatorinundAutorin
52 LESEPLATZIMBERLINERHIMMEL AnnavonGriesheim,Modemacherin
60 GARTENHAUS&ERKERZIMMER FriederikePfitzner,Künstlerin
68 HAUSAUFSYLT AnnePillunat,SchneiderinundBücherfrau
74 AMELEFANTENTISCH BettinaHagenbeck,Familienunternehmerin
82 ATELIERINKREUZBERG ElviraBach,Künstlerin
90 DIEBLAUEWOHNUNG AnneMariaJagdfeld,InteriorDesignerin
98 NOMADENLEBENIMLANDHAUS DinavonBoch-Galhau,kreativeFamilienfrau,DesignerinundModel
104 SCHREIBZIMMERMITPAPAGEI ManuelavonPerfall,AutorinundHundeliebhaberin
112 DERALTEBÄCKERLADEN NinaHollein,Kleiderarchitektin
118 BOUDOIR&ALTESCHLOSSKÜCHE I.K.H.DianedeFrance,HerzoginvonWürttemberg,Künstlerin
126 DASSCHWARZEZIMMER NadjaMichael,Opernsängerin
132 DIEKINDERVILLAINDENBERGEN LaetiziaRiedel-Röthlisberger,BeraterinimFamilienunternehmen
140 DASLILAKABINETT AnnKathrinLinsenhoff,Olympia-DressurreiterinundGründerin
einereigenenStiftungfürKinder
148 DERSCHREIBTISCHDESPOETEN SentaBerger,Schauspielerin
154 MEINEBIBLIOTHEK KarenHeumann,FrauderWerbung
162 DIEZAUBERRUINE NadjaUhl,Schauspielerin
170 Adressen,Dank,Bildnachweis,Impressum
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Siggi Spiegelburg, Modedesignerin
DA S L OF T I N DE R F E U E RWAC H E
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Freiraum für die Fantasie: Die Küche von Siggi Spiegelburgs Loft ist mit alten und neuen Delfter Kacheln dekoriert.
Zwischen der Bilderkollektion hängt ein Schubladenschränkchen, in dem ihr Ehemann einst zu einem Weihnachtsfest viele
kleine Geschenke versteckt hatte. Die Lüster aus buntem Muranoglas krönen die poetische Essecke mit Lichtspielen.
rau mit dem goldenen Lächeln. Elegante Pippi
Langstrumpf. Unbekümmerte Antipuristin. Vie-
le Bilder fallen einem zu Siggi Spiegelburg ein,
wenn man mit ihr die sechs Etagen ihres Lofts rauf-
und runterturnt über lilafarbene Feuerleitern, die von ei-
nem Wunderraum zum nächsten führen. Man läuft über
einen grün-lila karierten Teppich, sieht rosa gestrichene
Wände neben alten Mauern aus westfälischem Backstein.
Staunt über Toile-de-Jouy-Tapeten, die wie kunstvolle
Comics an die Wände geklebt sind. Asiatische Antiqui-
täten und Fundstücke von belgischen Brocante-Märkten
sind vor moderne Fotokunst und formelle Damenport-
räts platziert. Und auf alten Louis-Vuitton-Koffern sta-
peln sich Bildbände über Kunst und Kaffeebecher mit
naivem Punktmuster.
Spiegelburg – dieser Name steht für das Heim des Ha-
sen Felix, der Prinzessin Lillifee und des Capt’n Sharky.
Wenige der Millionen Eltern, die Bücher, Plüschtiere
und Ranzen mit den Kinderikonen kaufen, wissen, dass
dieses Label der Familienname einer Frau Spiegelburg
ist, deren Mann Wolfgang Hölker einen kleinen Münste-
raner Verlag zum Musterbeispiel eines Erfolgsunterneh-
mens gemacht hat. Seine Frau war es, die erkannte, dass
der deutsche Markt reif für eine neue Generation von
Kinderbüchern und passende Accessoires war, und ihm
Mut machte, neue Wege zu gehen. Sie nähte die ersten
Häschen, Teddybären und Lampenschirme selbst. „Ich
habe meinem Mann durch Ideen, vor allem aber durch
meine Fröhlichkeit und Unbekümmertheit geholfen,
auch schwierige Zeiten im Unternehmen durchzuste-
hen“, sagt die 53-jährige Designerin im Rückblick.
Siggi Spiegelburg ist eine dieser Frauen, die auf Männer
unwiderstehlich wirken, die Frauen zur besten Freundin
wählen und die Kinder zur großen Schwester haben wol-
len. Sie hat Glamour, Humor, hat Tempo und einen ganz
eigenen Geschmack, der Dinge wagt, die andere sich
schon zu denken verbieten. „Man darf alles nicht so ernst
nehmen – auch sich selber nicht!“, sagt die Modemache-
rin. Die aus dem Brenninkmeyer-Clan stammende Frau,
die mit acht Geschwistern aufwuchs, hatte schon immer
ihren eigenen Kopf. Mit Anfang zwanzig eröffnete die
Autodidaktin mit einem Existenzgründungsdarlehen in
Münster eine eigene Boutique, verkaufte Schuhe und Ac-
cessoires, bot selbst genähte Kleider an. Später entwarf
sie für verschiedene Firmen Strickkollektionen. Die ers-
ten Jahre hatte es die junge Frau Spiegelburg schwer, auf
Messen ernst genommen zu werden. Im konservativen
Münster waren ihre ausgefallenen Waren in feiner Qua-
F
Die wiederholte
Verwendung
von Gold-, Rot-
und Rosatönen
verbindet die
zahlreichen
Wunderkammer-
Ecken optisch.
Farbige Innenwelt:
Die ehemalige
Feuerwache mit
ihrer lila gestri-
che nen Industrie-
treppe ist zu
einem eleganten
Hideaway in der
Stadt geworden.
Alte Familien-
bilder, wertvolle
Antiquitäten und
elegante Stoffe
sind mit typisch
westfälischen
Klinkermauern
und rosa Wänden
kombiniert.
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Pracht mit Witz: Siggi Spiegelburg kombiniert
in allen Räumen edle Sammlerstücke mit
Trouvaillen von Flohmärkten, zeitgenössischer
Kunst und Fotos ihres Familienclans.
„Freiheit für das Ego ist so schön.“
lität eine Sensation. Doch ihr Talent und ihr Geschmack
gefielen immer mehr Kundinnen in ganz Deutschland.
So entstand ein großes Maßatelier.
Heimat, Westfalen, ein schönes Zuhause, ja, das ist
ihr wichtig. Aber wie viele Frauen träumt sie manchmal
davon, auszubrechen, ihr Leben zu ändern. Die Mutter
zweier erwachsener Töchter und Herrin einer Wasser-
burg hat im Jahr 2009 ein Refugium in der Stadt bezogen.
Ihr Rückzugsort: der Turm der ehemaligen Hauptfeuer-
wache von Münster. Dort, wo früher die meterlangen
Schläuche trockneten, hat sich Siggi mit ihrem Mann
ein urbanes Domizil eingerichtet. Jedes Stockwerk ist
einem Lebensbereich zugeordnet: im Erdgeschoss liegen
Eingang und Küche, eine Etage höher ist das Wohnzim-
mer, im zweiten Stock kann sie baden, wieder eins rauf
geht man zum Schlafen, darüber kommt noch ein Asien-
zimmer und ganz oben steht ein weiteres Bett. Viele Mö-
Rechts: Luxuriöser Badesalon statt uniforme Nasszelle: Die massive Marmorwanne aus
Antwerpen wurde auf einen Tartanteppich platziert. Das Waschbecken verschwindet
elegant in einer schwarzen Kommode mit Goldbeschlägen. Fotografien und persön-
liche Accessoires der Modemacherin geben dem hohen Raum intimen Charakter.
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Verstecktes Hauptquartier einer Dame von Welt: Das aus England
stammende gelbe Sofa ist der Lieblingsplatz für Lesestunden. Ein
Schrankkoffer von Louis Vuitton dient als ungewöhnlicher Coffee-
table für die zahlreichen Bildbände aus Spiegelburgs Bestand.
Je nach Jahreszeit und Stimmung dekoriert sie das Sofa mit
unterschiedlichen Plaids und Kissen.
belstücke hat sie aus alten Beständen genommen und
wieder hergerichtet, andere auf gemeinsamen Reisen
mit ihrem Mann gefunden. Ihre Lieblingsorte für den
Möbelkauf sind die großen Antiquitätenmärkte in Lille
und Antwerpen.
„Am Land habe ich einfach keine Ruhe – so seltsam
das für Stadtbewohner auch klingen mag“, sagt sie. Da ist
das große Haus, die Pferde, die Hunde, Kinder, Freunde,
Übernachtungsbesuch. „In der Feuerwache kann ich mal
ein Wochenende abtauchen und absolute Ruhe haben.“
Denn Nein sagen, andere enttäuschen, das liegt nicht in
ihrer Natur. Sie kümmert sich um siebzehn Angestellte
im Atelier, fährt zu Stoffmessen nach Paris und Mailand,
pflegt bewusst ihre Freundschaften. All das kostet viel
Energie. Doch trotzdem ist für sie klar: „Hier in der Stadt
möchte ich nicht allen Ernstes immer wohnen, dazu liebe
ich das Land zu sehr. Aber als Refugium ist es wunder-
bar.“
Ihr Geschäft und das Maßatelier liegen am Münstera-
ner Hafen, in einem der großen Speicherhäuser, in dem
auch der Verlag seinen Sitz hat. Dort kreiert sie elegante
Tageskleider und Abendroben, schneidet Hermès-Tücher
auseinander, näht sie mit anderen Stoffen zu Röcken zu-
sammen und lässt Fransenborten passend dazu einfär-
ben. Sie selbst ist ihr bestes Modell. „Ich sehe ja immer
aus wie eine Gardine, weil ich gern Posamenten an mei-
ne Kaschmirjacken nähe“, sagt sie und rückt eine Taft-
schleife am Revers zurecht. Hat sie keine Angst, bei den
teuren Stoffen aus Paris einmal daneben zu schneiden?
„Das passiert mir nicht“, sagt sie fröhlich und nimmt ihre
pistaziengrüne Birkin-Tasche mit orangefarbenem Fut-
ter und den langen Fransen auf den Schoß. Das Handy
klingt. Es hängt an einem bunten Band aus kunstvoll zu-
sammengenähten Stoffresten und ist mit einem dicken
Karabinerhaken an der Tasche festgemacht. Ein bunter
Rettungsanker beim ständigen Fischen in den Untiefen
des Sammelsuriums, das die meisten Frauen mit sich
herumtragen. Und man fragt sich, warum man auf diese
brillante Idee nicht schon selbst gekommen ist.
„Ich bin der Typ Frau, der alles gern selber
tut und für den Ehemann Monogramme in die
Hemden näht. Ab und zu bin ich dann froh,
ein paar Tage allein zu sein.“
Ruhe und Frieden finde ich
– wenn ich bewusst das Handy ausschalte und beschließe, einen Tag nicht zu telefonieren.– wenn ich mich für ein Wochenende ins Loft verabschiede und weiß, ich kann abtauchen.– beim Autofahren! Da kommen mir die besten Ideen.
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Nina Ruge, Fernsehmoderatorin und Autorin
DI E L I MON A I A I N DE R TO S K A N A
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„Die Italiener unterscheiden zwischen der Serra, dem
gemauerten Überwinterungshaus für Pflanzen, und der
Limonaia, dem gläsernen Anzuchthaus“, sagt die diplo-
mierte Biologin, die auf dem Gelände auch einen Gemü-
segarten angelegt hat. „Ich habe meine Schreib-Limonaia
selbst geplant und ausgestattet. Mein Mann hatte mit
diesem Raum nichts zu tun, er ist ein Perfektionist“, sagt
sie mit einem Lächeln, das ihre fotogenen Katzenaugen
leuchten lässt.
Nina Ruge wünschte sich in ihrem sechsten Lebensjahr-
zehnt einen besonderen Arbeitsplatz – nicht nur fernab
von Deutschland, sondern auch ein Stück vom Haupthaus
entfernt. „Ich habe mir diesen Ort ausgesucht, weil ich hier
mit Blick auf die Olivenbäume in totaler Stille schreiben
kann, egal, ob es windet oder sehr kühl ist.“
Tritt man über die Schwelle, ist man in Ninas Innen-
welt, die sie mit leichter Hand eingerichtet hat: Sie legte
alte Teppiche auf den massiven Holzfußboden, hängte
pflaumenblaue Samtvorhänge vor die Eingangstüren und
sammelte Möbel aus Beständen der Familie zusammen.
Sie ließ zwei wacklige Stühlchen der Großmutter repa-
rieren, ein Sofa vom Sperrmüll mit leuchtendem Samt
beziehen, einen alten Waschtisch anschließen. Exotische
Schmuckstücke sind ein indischer Paravent und zwei Mor-
genmäntel, in denen man sich gut auch Virginia Woolf
vorstellen könnte. Ein Raum zwischen innerer Improvisa-
tion und äußerer Perfektion. Ein Ort der Reflexion, zum
Nachdenken, Lesen, Schreiben. Ein großer Raum, in dem
Links: Intime Boudoirstimmung im
italienischen Glashaus: Vor dem
indischen Paravent hat Nina Ruge
sich eine bequeme Leseecke geschaf-
fen. Kissenbezüge mit Blumen- und
Rankenmotiven geben dem großen
Raum eine warme Note. Die üppigen
Vorhänge bieten der Bewohnerin die
Möglichkeit – je nach Stimmungslage
und Sonnenstand –, das Außen abzu-
schirmen oder einzulassen.
Oben: Die Liebe zum Detail zeigt sich in Alltagsobjekten: Der
antike Waschtisch mit seinen edlen Handtüchern ist ein un-
gewöhnlicher Blickfang. Bunte Gläser und die für Südeuropa
typische Wasserkaraffe schmücken den Büchertisch.
ina Ruge strahlt. Heute ist ein goldener, sonniger
Herbsttag. Eine geliebte Freundin aus München ist
über das Wochenende zu Besuch, und ihr ganz per-
sönliches Refugium ist gerade fertig geworden. „Hier
geht es runter zu meiner Limonaia“, sagt sie und führt
uns durch den mediterranen Garten viele Treppen hin-
unter in einen Olivenhain. Da steht sie, die neue Schreib-
Orangerie der berühmten deutschen Moderatorin. Nina
Ruge streicht sich eine blonde Haarsträhne aus dem
Gesicht, schließt die großen Flügeltüren auf und sagt:
„Dieses Stück Erde ist ein magischer Ort. Hier habe ich
ein Glashaus nur für mich.“
Früher stand unterhalb der Natursteinmauer ein altes
Anzuchthaus für empfindliche Südfrüchte, heute lebt
auf dem von der Sonne verwöhnten Hang die Frau auf,
die Glamour in die deutsche Nachrichtenwelt brachte.
Sie hat sich einen schützenden Platz geschaffen, in dem
ihre Gedanken wachsen können, fernab der manchmal
nervtötenden Geschäftigkeit des Medienbetriebs, in dem
sie seit über 20 Jahren erfolgreich ist.
Vor neun Jahren kauften Nina Ruge und ihr Mann ein
typisches toskanisches Haus in den Hügeln um Lucca, das
zuvor einem Olivenölhersteller gehörte. Ein Hideaway und
Wohnsitz im Süden – mit Blick auf die 1000 Jahre alte Kir-
che San Martino, deren Glocke zu jeder vollen Stunde läu-
tet. Nina Ruge verbringt so viel Zeit wie möglich südlich
der Alpen, vor allem von Mai bis September, auch Weih-
nachten feiert das Paar in dieser alten Kulturlandschaft.
N
48 49
sie ihre Texte allein laut vortragen kann, beobachtet nur
von der Hauskatze, die die stetige Wärme schätzt.
Nach intensiven Berufsjahren in Fernsehen, vor allem
mit ihrer täglichen Sendung „Leute heute“, sucht sich
die 54-Jährige ihre Verpflichtungen genau aus. „Ich habe
die Entscheidung getroffen, im Privaten mehr Ruhe
zu haben und Zeit mit meinem Mann zu verbringen,
das geht mit einer täglichen Sendung nicht.“ Sie mode-
riert nun die Talkshow „Unter vier Augen“ und Galas
wie „Stars in der Manege“, leitet Talkrunden und Ver-
anstaltungen zu Themen aus Wirtschaft, Wissenschaft
und Forschung. Sie sieht das grundsätzliche Bedürfnis
nach Ruhe und Gleichgewicht als Frage der persönlichen
Reife. „Heute nehme ich weniger gesellschaftliche Events
wahr als früher und finde in der Presse weniger statt,
aber ich vermisse nichts. Im Gegenteil – ich genieße die
Ruhe unendlich.“
Vor allem schreibt sie leidenschaftlich gern Bücher.
Jugendromane, Anthologien, populärwissenschaftliche
Sachbücher. „Als Moderatorin bin ich – was das Wort
Hier herrscht weibliche
Anmut: Die toskanische
Hauskatze liebt das warme
Refugium ihrer Herrin – und
darf sogar auf dem neu
bezogenen Stuhl von Nina
Ruges Großmutter sitzen.
Rechts: Der majestätische Lehnsessel mit
seinem stilisierten Blättermotiv aus Brokat
ist ein idealer Platz für die Lektüre zur Tee-
stunde. Die siebenarmige Stehlampe und der
geschwungene Garderobenständer bre-
chen die strenge Geometrie der klassischen
Orangerie-Architektur.
„Äußere Stille ist wichtig, denn sie hilft mir, innere Stille zu finden.
Stille ist heilend. Glück pur.“
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„In der Limonaia bin ich weg von allem.“
Ruhe und Glück finde ich, wenn ich:
– frühmorgens durch die umliegenden Hügel jogge.– den Sonnenaufgang über dem Tal ansehe.– im Garten unter der Pergola schreibe.
sagt – Vermittlerin. Als Autorin kann ich Kino im Kopf
zur Realität werden lassen“, sagt sie. Gedachtes zu Papier
bringen, das war immer wichtig für sie. „Ich schreibe
Tagebuch, seitdem ich zwölf Jahre alt bin. Heute hat das
allerdings nachgelassen, die stürmischen Zeiten lie-
gen hinter mir, ich navigiere in ruhigerem Fahrwasser.“
In hektischen Zeiten zum Wesentlichen finden, das ist
für sie die zentrale Frage. „Ich bin nicht Mitglied einer
Kirche, aber ich bin mit den Jahren dem christlichen
Glauben wieder sehr nah gekommen, auch, weil ich für
das Schreiben meiner Kinderbibel die Evangelien in-
terpretieren und die entsprechenden Kommentare stu-
dieren musste“, erzählt sie. Auch in Fernsehsendungen
beschäftigt sie sich mit einer lebensnahen Auslegung
der Heiligen Schrift, mit Themen wie Glück, Liebe und
Himmel.
Was ist ihre persönliche Weisheitsbilanz nach vielen
Reisen und Gesprächen mit klugen Menschen auf der
Ein schützender Innenraum inmitten
der mediterranen Landschaft:
Die Limonaia im Olivenhain ist die
moderne Umsetzung eines weib-
lichen Rückzugsorts mit historischer
Tradition. Sie dient Nina Ruge als
Schreibklause, Lesesalon und Ver-
steck in ihrem global-mobilen Leben.
ganzen Welt? Ein Anti-Wort zur globalen Businesswelt,
in der der strebsame Mensch so lange rast, bis Herz und
Hirn zusammenbrechen: Stille. „Viele haben vor der Stille
Angst, weil sie Angst vor der Begegnung mit sich selbst
haben. Ich habe gelernt, die Stille zu suchen und zu
lieben. Man kann trainieren, das Gedankenrad anzu-
halten.“ Für die Frau, die den Satz „Alles wird gut“ zu
ihrem Markenzeichen gemacht hat, gilt in der Toskana:
„Glück ist jetzt.“
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Karen Heumann, Frau der Werbung
M E I N E B I B LIOT H E K
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age mir, was du liest, und ich sage dir, wer du bist.
Ginge es nach dieser Maxime, so wäre Karen
Heumann ein wenig Simone de Beauvoir, Yas-
mina Reza und Colette, dazu etwas Botho Strauss,
Gottfried Benn und Max Weber. Eine Mischung mit
schillernder DNA, in der sich europäische Geistesgrö-
ßen, Vertreter des französischen Art de Vivre und radi-
kale Ästheten zu einem ungewöhnlichen Stammbaum
vereinen.
„Bücher sind mein Lebensmittel“, sagt die energische
44-Jährige mit der schwungvollen Pferdeschwanzfrisur
und stellt ihre große Meissen-Teetasse auf einen Beistell-
tisch. Die Werberin im maßgeschneiderten schwarzen
Kapuzenkleid – halb Jackie-Kennedy-Eleganz, halb Uni-
form eines klugen Blaustrumpfs – setzt sich auf das Ches-
terfield-Sofa in der anisfarbenen Bibliothek und spricht
mit Leidenschaft von ihrem Refugium: der Literatur und
deren Raum. „Ich glaube, dass sich nicht nur Menschen,
S
„Hier finde ich eine Insel in der Stadt,
eine Verkapselung. Hier ist alles,
was ich zu meinem Glück brauche.“
sondern auch Dinge aufeinander beziehen, und dass es
Besänftigung und Erhebung durch eine Umgebung gibt.
Das muss kein feudaler Ort sein, aber er muss stimmen“,
erklärt sie.
Endlich einmal Ruhe. Die Lamellenjalousie vor dem
Fenster filtert das Licht in diffuse Strahlen, nur ab und
zu rumpelt eine S-Bahn vorbei. Wie alte Vertraute, be-
ruhigende Freunde mit bekannten Macken wirken in
dieser Stunde die abertausend Bände von Gedichten,
Romanen, Biografien, Reiseführern und Nachschlage-
werken in Deutsch, Französisch und Englisch, die in
Reih und Glied um sie herum stehen. Heute hat sich
Karen Heumann einen Tag frei genommen, eine kurze
Zäsur in ihrem übervollen Leben als Vorstand der Wer-
beagentur Jung von Matt geschaffen. Heumann berät
deutsche Top-Unternehmen bei ihren Markenstrategi-
en, Mercedes-Benz, BILD Zeitung, Deutsche Post, RWE
und Sixt sind darunter. Ihr Alltag: Kundenmeetings,
Arbeit in der Agentur, Reisen, Geschäftsessen, ein
Honorar volumen von rund 580 Millionen Euro, über 850
Mitarbeiter. Viel Reden, Zuhören, Nachdenken. Kom-
munikation als Lebensform. In ihre Wohnung im Erd-
geschoss eines typischen Hamburger Altbaus kommt sie
meist erst spät abends zurück. Umso wichtiger ist ihr
das Zuhause mit dem kleinen Garten und dem Boots-
anleger am Kanal. „Ohne meine häufigen Reisen würde
ich mich hier noch viel mehr einweben“, sagt sie ein we-
nig sehnsuchtsvoll. Sie ist gern allein hier, lauscht auf
die Geräusche um sich und beobachtet die beleuchtete
Hochbahn, wenn sie auf ihrem Jahrhundertwende-Ge-
rüst vorbeischwebt.
Dort, wo die meisten Hamburger ein Esszimmer ein-
richten, haben die Heumanns das Herz der Wohnung
Die Werberin sortiert ihre Bände akribisch nach Themen
und Autoren. Aktuelle Lektüre liegt auf einem Beistelltisch
oder auf Hockern mit zierlichen Bambusfüßen gestapelt.
Links: Im Nest einer leidenschaftlichen Bücherliebhaberin:
Herzkammer von Karen Heumanns Hamburger Wohnung ist
die Bibliothek mit dunkelgrünem Chesterfield-Sofa, Felldecke
und Teetisch – und Tausenden von Büchern in drei Sprachen.
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eingepflanzt: die Bibliothek. An drei Seiten des Raums
ließen sie von einem Schreiner Bücherregale bauen, bis
hoch unter die Decke. Die oberen Bretter erreicht man
nur, wenn man auf eine alte Bibliotheksleiter klettert.
Mehrere kleine Tischchen sind strategisch perfekt im
Raum platziert, auf ihnen liegt die Augenblickslektüre.
In jeder Ecke stehen sorgfältig ausgerichtete Leselampen
in unterschiedlichen Höhen, da ist Heumann akribisch.
„Ich bin jemand, der hundert Tage nach der richtigen
Mischung einer Wandfarbe sucht und die Lichtstim-
mung perfekt haben muss. Da bin ich schon ein biss-
chen schräg“, sagt sie. Man spürt als Besucher: Dies ist
der Raum eines Menschen, für den Bücher wie geliebte
Menschen sind. Ein Mensch, der Wortwelten leichtfüßig
betritt wie andere die Zimmer einer Wohnung.
Als sich die Kommunikationsstrategin die Wohnung
vor zehn Jahren einrichtete, wünschte sie sich ein er-
wachsenes Ambiente mit eher männlichen, ungewöhn-
lichen Farben. So wählte sie für die Wände ein leichtes
Anisgrün mit einem Schuss Grau und Umbra. Je nach
Lichteinfall wirken die Wände golden, wie vergilbtes
Grün oder wie angegrüntes Beige, und finden ihre farb-
liche Korrespondenz in den vergilbten Umschlägen der
alten Flammarion-Bände aus Paris, die wie französische
Rohmilchkäse mit der Zeit nachdunkeln. Heumanns Bib-
liothek geht in das Wohnzimmer über; dahinter liegt das
private Büro, in dem eine Sammlung akademischer Män-
nerakte hinter einer großen weißen Frauenstatue hängt.
Die frankophile Ästhetin hat die ganze Wohnung mit
ungewöhnlichen Trouvaillen möbliert, Art-déco-Stücke
finden sich neben Aktenschränken aus der französischen
Provinz, Stühlen aus Geweih und einfachen Schemeln.
„Ich bin sehr empfänglich für sinnliche Eindrücke und
brauche Dinge, die ich als schön empfinde. Das erhebt
mein Gemüt. Interessante Objekte haben meine Seele von
klein auf zum Schwingen gebracht.“ Schon als Kind ge-
staltete sie in der elterlichen Villa in Wetzlar ihr Zimmer
ständig um, malte mit Fingerfarben an die Wand, sparte
später auf einen antiken Sekretär. Als Kind las sie zuerst
die gesamte elterliche Bibliothek durch, entdeckte dann
die Stadtbücherei. „Bücher sind mir absolut lebensnot-
wendig, nicht als bildungsbürgerliche Zitatquelle oder
Ausweis, sondern sie sind organisch mit mir verbunden.
Ich weiß, wie sich jedes Buch anfühlt, die Stimmungen
sind in mich hineingeflossen, da vermischt sich in mir
Erlebtes und Gelesenes in einer Art Éducation sentimen-
Lektüre als göttliche Lebensform: Karen Heumanns Wohn-
zimmer mit anisgrünen Wänden, gestreiften Sesseln und
Fototisch geht in die Bibliothek über. Ein perfekter Raum
für ästhetische Meditationen und Gedankenreisen in
die Welt der Literatur.
160 161
Ruhe und Frieden finde ich:
– in unserem Haus in Frankreich. Es ist meine Parallelwelt.– wo immer ich träumen kann.– beim Essen.
tale“, erklärt sie. Das zeigt sich auch in ihrer Art und Weise
zu erzählen. Im Gespräch wirkt sie überlegt, gleitet or-
ganisch von einer Idee zur anderen, offen und selbstver-
ständlich. Eine Qualität, die in ihrer Branche – mit einem
strategischen Verstand gepaart – Gold wert ist.
Die von den Medien und Industrievertretern hoch ge-
lobte Managerin, die in Aix-en-Provence Germanistik
und Wirtschaftswissenschaften studierte, beschäftigt die
Frage, welche Position Frauen heute in der Gesellschaft
einnehmen, immer wieder – und immer noch. Auch in
der Politik ist ihre Stimme dazu gefragt. „Es ist nicht ein-
zusehen, dass Frauen gut ausgebildet werden und dann
nicht auf allen Ebenen der Berufe zu finden sind. Wir
müssen das bald lösen“, sagt sie und erzählt von ihrem En-
gagement im International Women’s Forum, in dem glo-
bal führende Frauen die Chancengleichheit vorantreiben.
Wo findet sie Heimat in diesem äußerlich und inner-
lich bewegten Leben? „Heimat ist für mich eng verbun-
den mit der Vorstellung von Gemütlichkeit, die kommt
ja vom schönen deutschen Wort Gemüt und ist für mich
nicht an einen Herkunftsort gekoppelt“, erklärt sie. „Für
mich kann es schwerst heimatlich sein, bei einer Freun-
din auf dem Küchensofa zu sitzen und zu sehen, wie sie
Pfannkuchen bäckt. Gemütlich ist es aber auch, mit mei-
nem Mann in Paris im ,Grand Véfour‘ an Colettes Tisch
zu essen. Manchmal ist Heimat auch das Büro.“ Doch am
liebsten sitzt sie hier in der Bibliothek mit ihrem so ei-
genen goldgrünen Licht. Macht sich eine Tasse Earl Grey
und freut sich über den Ming-Drachen auf ihrer Tasse aus
Meissener Porzellan. Und liest und liest. Und taucht ein
in die Suche nach der verlorenen Zeit.
Innenleben als Spiegel der Seele: Im Art-déco-Schrank aus
Belgien spiegelt sich ein Modell des Eiffelturms wie ein Reflex
aus ihrer Lieblingsstadt. Das geometrische Möbelstück wird
von einem verspielten Stuhl aus Schmiedeeisen und einem
intimen Frauenakt begleitet. Laune des Zufalls: Der Vorname
der Aktkünstlerin ist Odette – er erinnert Heumann an die
gleichnamige Figur von Marcel Proust.