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32 FRÄNKISCHER TAG, SAMSTAG, 16. FEBRUAR 2008 /A

Thema des Tages „ES IST EIN REINERVERDRÄNGUNGSWETTBEWERB.“

JOACHIM STUMPF, BRANCHENEXPERTE, ÜBER DEN MÖBELHANDEL

„Der Marktwächst nicht“

Wettbewerb der Möbel-GigantenEXPANSION Die großen Handelsketten investieren kräftig in Franken. Weltmarktführer Ikea beginnt bald mit dem Baueines Einrichtungshauses in Würzburg, die Lutz-Gruppe will nächstes Jahr ein Neubert-Haus in Schweinfurt eröffnen.

Wie sich der Möbelhandel organisiertUmsatzentwicklung des Möbelhandels

FT-GRAFIK: MICHAEL KARG QUELLE: STATISTISCHES BUNDESAMT;BBE HANDELSBERATUNG

in Deutschland zum Vorjahr in%

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VON UNSEREM REDAKTIONSMITGLIED

MATTHIAS LITZLFELDER

München — Wenn es um den Möbel-handel in Bayern geht, kennen sichnur wenige Leute so gut aus wie Joa-chim Stumpf. Der 45-Jährige ist Ge-schäftsführer der BBE Handelsbera-tung GmbH in München.Die 100-prozentige Tochter des Lan-desverbandes des Bayerischen Ein-zelhandels (LBE) erstellt unter ande-rem regelmäßige Analysen über dieMöbelbranche. Im Interview mit un-serer Zeitung spricht der Experteüber die derzeitige Branchenent-

wicklung.

Herr Stumpf, dieMöbelhändler inves-tieren derzeit kräftigin Nordbayern. Gibtdas der Markt über-haupt her?Stumpf: Der Mö-belmarkt polarisiertsich extrem stark.Er hat insgesamtUmsatz verloren

und das schon über einen langenZeitraum. Aber es gibt Gewinner undes gibt Verlierer. Gewinner sind die,die dem Verbraucher entweder Grö-ße und Erlebnis präsentieren oder aufder anderen Seite Service und Spezia-lisierung. In Franken investieren mo-mentan Einrichtungsketten, die einsehr großes Verdrängungspotenzialhaben. Denn der Markt wächst ins-gesamt nicht.

Kommt es zu einem Kampf um die Kun-den in unserer Region?Ja. Es ist ein reiner Verdrängungs-wettbewerb. Die Marktanteile wer-den hier neu geordnet.

Wird sich der Konzentrationsprozess imMöbelhandel fortsetzen?Er wird sich genauso fortsetzen wiefast in allen anderen Einzelhandels-branchen. Die Konzentration imMöbelhandel ist bei weitem nochnicht so fortgeschritten wie zum Bei-spiel im Lebensmittelhandel oder beider Unterhaltungselektronik.

Und der Kunde hat das Gefühl, als ob esbei Möbeln nur noch um Rabatte geht.Das ist das Problem der Möbelbran-che, dass die Wohneinrichtungshäu-ser mit gleichem Sortiment vorwie-gend den Preis als Profilierungsele-ment in den Mittelpunkt rücken. DerVerbraucher bekommt dadurch dasGefühl, man könne Möbel ohne einenNachlass von 30 Prozent gar nichtmehr zum fairen Preis kaufen. Das istaber nicht die Realität. Denn die Kal-kulationsspielräume sind zwischenden einzelnen Unternehmen nichtentsprechend groß.

Mit welchen Problemen haben dieHändler aktuell zu kämpfen?Die Kaufbereitschaft der Verbrau-cher ist zurückhaltend und die Woh-nungsbautätigkeit ist zurückgegan-gen. Die Warengruppe „Küchen“ istdavon besonders stark betroffen.

Gibt es Sortimente, die gut laufen?Von gut kann man überhaupt nichtsprechen. „Polster“ und „Wohnen“verlieren im Gegensatz zu „Küche“und „Schlafen“ weniger Umsatz.

Wie sieht der Möbelmarkt in zehn Jah-ren aus?Wir bekommen ähnliche Verhältnis-se, wie wir sie derzeit in Österreichvorfinden. Dort ist der Konzentrati-onsprozess schon weiter vorange-schritten. Hier bei uns wird es nochzu weiteren Übernahmen und zu ei-ner Verdichtung kommen. Vor allemmittelständische Betriebsformen miteiner Verkaufsfläche zwischen 1000und 5000 Quadratmetern wird es im-mer weniger geben.

VON UNSEREM REDAKTIONSMITGLIED

MATTHIAS LITZLFELDER

Würzburg — In der Möbelbranche wirdder regionale Wettbewerb härter. DieHändler investieren kräftig in neueEinrichtungshäuser. Vor allem bei denGroßen der Branche ist der Expansi-onsdrang unübersehbar. Für die Kun-den bieten sich künftig noch mehrMöglichkeiten, nach dem passendenBett, der passenden Küche oder dempassenden Polstermöbel zu suchen.

Sehnsüchtig warten viele Unter-franken auf den Ikea-Möbelkomplexin Würzburg. Die Eröffnung desschwedischen Einrichtungshauses ander B19 im Norden der Stadt ist für dasJahr 2009 geplant. Nachdem einigeFeldhamster erfolgreich umgesiedeltwurden, hätte eigentlich Anfang desJahres Baubeginn sein sollen. „Detailsder Verkehrsplanung sind noch nichtabschließend geklärt“, heißt es dazubei Ikea. Jetzt soll der Spatenstich fürdie Würzburger Ikea-Welt voraus-sichtlich im Mai erfolgen.

„Mit Würzburg schließen wir eineLücke, die wir schon lange im Blickhatten.“EIN IKEA-SPRECHER

Es ist der fünfte Markt des schwedi-schen Möbel-Giganten in Bayern. 50Millionen Euro investiert der Konzernfür ein Einrichtungshaus mit rund25 000 Quadratmetern Verkaufsflächeund ein zusätzliches Möbelfachmarkt-center mit einer Verkaufsfläche vonrund 15 000 Quadratmetern. Die Flä-chen im Fachmarktcenter sollen anGewerbebetriebe aus der Einrich-tungsbranche vermietet werden. Da-mit wollen die Schweden nicht plötz-lich die Branche retten. Sie haben deneigenen Vorteil im Blick: Mit weiterenSpezialisten sollen Kunden angezogenwerden. Und Ikea als Vermieter kannzudem selbst bestimmen, wer sich inseiner Nähe ansiedelt .

„Mit Würzburg schließen wir eineLücke, die wir schon lange im Blickhatten“, sagt Ikea-Sprecher AndreasJantke. In Regensburg und Nürnberg-Fürth ist der größte Möbelhändler derWelt, der in Deutschland seine größ-ten Umsätze erzielt, bereits vertreten.Der schwedische Platzhirsch trifft inWürzburg seinen Verfolger. Dennauch die Nummer 2 unter den Möbel-

händlern der Welt betreibt im StadtteilHeidingsfeld schon lange ein Einrich-tungshaus – mit einer Verkaufsflächevon 53 000 Quadratmetern. Es ist derStammsitz der Firma Neubert, die zurösterreichischen Lutz-Gruppe gehört.Der Möbelkonzern wurde 1945 imoberösterreichischen Haag am Haus-ruck gegründet. Seit den 1970er Jah-ren betreibt das Unternehmen eineununterbrochene Expansionspolitik.Im Schnitt entstanden drei Standortepro Jahr.

XXXLutz, Neubert und Hiendl

Der zweitgrößte Möbelhändler derWelt betreibt rund 200 Geschäfte undbeschäftigt 17 400 Mitarbeiter. InBayern verfügt die Lutz-Gruppe mo-mentan über elf große Einrichtungs-häuser. Bei den Einrichtungshäusernmit dem Namen XXXLutz erkenntder Kunde sofort die Zugehörigkeitzum österreichischen Konzern. Siefinden sich in Nürnberg (36 000 Qua-dratmeter Verkaufsfläche) und Haß-furt (37 000 Quadratmeter Verkaufs-fläche / der frühere Möbel Engel-

hardt). Etwas größer als derNeubert-Stammsitz (mit Verwaltung)in Würzburg ist das Einrichtungshausin Hirschaid (Landkreis Bamberg) miteiner Verkaufsfläche von 54 000 Qua-dratmetern. Was viele (noch) nichtwissen: Auch die Häuser der FirmaHiendl gehören seit dem vergangenenJahr zur Lutz-Gruppe.

Angst haben die beiden Möbel-Gi-ganten Ikea und Lutz nicht voreinan-der. Zumindest geben sie es nicht zu.„Ikea ist ein ernstzunehmender Mit-bewerber in Nordbayern, aber derKonzern deckt mit seiner Ausrichtungnur ein bestimmtes Marktpotenzialab“, sagt Helmuth Götz, Neubert-Ge-schäftsführer und Chef von 1200 Mit-arbeitern in Würzburg und Hirschaid.Bei Ikea stünden meistens modernesDesign und der Preis im Mittelpunkt.Neubert setze auf Service und guteMarken. Doch nur Zuschauer sein,während die Konkurrenz baut, willauch die mächtige Lutz-Gruppe nicht.Sie setzt ebenfalls auf weitere Standor-te in Franken. In Schweinfurt soll imnächsten Jahr ein Neubert entstehen,

mit 30 000 Quadratmetern Verkaufs-fläche. Auf das Grundstück hatte esvor Jahren schon einmal die FirmaHiendl (damals noch eigenständig) ab-gesehen.

In Bamberg eröffnet Pilipp

In den Kampf um die Gunst der Kun-den in der Region hat sich noch eindritter, wenn auch nicht ganz so riesi-ger Möbelhändler eingeklinkt. DieAnsbacher Firma Pilipp (vier Stand-orte in Nordbayern/500 Mitarbeiter)eröffnet in einigen Tagen in Bambergihr neu errichtetes Möbelhaus. Wennim Herbst die Bauarbeiten abge-schlossen sind, stehen auch hier 32 000Quadratmeter Einkaufsfläche zur Ver-fügung. Auch Pilipp wirbt bei seinenKunden mit „qualitätvollem Service“.„Pilipp ist natürlich eine Konkurrenz,die wir nicht unterschätzen“, sagtNeubert-Geschäftsführer Götz.„Aber Fläche und Auswahl sind beiuns trotzdem größer“, fügt er selbst-bewusst hinzu. Die fränkischen Kun-den dürfen sich in den nächsten Mona-ten wohl auf einen Preiskampf freuen.

VON UNSEREM REDAKTIONSMITGLIED

MATTHIAS LITZLFELDER

Bamberg — 9500 Produkte umfasst dasIkea-Sortiment, das in allen Einrich-tungshäusern des schwedischen Kon-zerns gleich ist. Der weltgrößte Mö-belhändler, der im vergangenen Jahreinen Gesamtumsatz von fast 20 Milli-arden Euro erzielte, geht dafür selbstauf Einkaufstour – und das in 50 Län-dern. 1350 Lieferanten hat Ikea, diemeisten davon in Europa. Mit 22 Pro-zent steht aber China an der Spitze dergrößten Ikea-Lieferanten-Länder.

Große Einkaufsverbände

Die Konkurrenz von Ikea geht beimEinkauf einen anderen Weg. Sie setztauf Kooperation. Die überwiegendeZahl der Möbelhändler hat sich zugroßen Einkaufsverbänden zusam-mengeschlossen. Diese Verbände ver-handeln mit den Herstellern und sinddazu da, ihren Mitglieds-Möbelhänd-lern die besten Einkaufskonditionenzu verschaffen.

Gehören zwei Möbelhändler zumselben Einkaufsverband, so erklärtsich, warum diese oftmals die gleichenAngebote in ihren Häusern platziert

haben. Trotz aktueller Zusammen-schlüsse, Übernahmen und Geschäfts-aufgaben gibt es im deutschen Möbel-handel immer noch rund 20 solcherVerbände. Man unterscheidet zwi-schen so genannten Konditionenver-bänden, Full-Service-Verbänden undSpezialverbänden. Während Konditi-onenverbände in erster Linie daraufabzielen, die Nachfrage zu bündeln,um bei den Herstellern Einkaufsvor-

teile zu erzielen, arbeiten die Full-Ser-vice-Verbände zum Beispiel zusätz-lich mit gemeinsamen Vermarktungs-konzepten oder Lizenzen.

Die Lutz-Gruppe (XXXLutz,Neubert, Hiendl) ist Mitglied bei derBegros Großhandels GmbH in Ober-hausen – ein Konditionenverband mit10 Mitgliedern und vor allem wegenLutz auch der umsatzstärkste Ein-kaufsverband in Deutschland. Möbel

Pilipp dagegen gehört – wenn es umden Einkauf geht – zur Alliance MöbelMarketing GmbH & Co.KG in Rhein-bach (Full-Service-Verband).

Damit sich die Mitglieder eines Ver-bands bei ihren Verkaufsbemühungennicht ins Gehege kommen, gibt es inden Verbänden oft einen Gebiets-schutz, der den Expansionsdrangbremst. Auch bekommen die Händlerim Verband nicht alle denselben Preisfür ein Möbelstück. Das hängt wieder-um von der Bestellmenge ab.

Auch gemeinsame Werbung

Zu Beginn der gemeinsamen Ein-kaufsaktivität beschränkten sich dieVerbände ausschließlich auf die Be-schaffung. Mittlerweile übernehmensie auch die gemeinsame Werbung.Verbände, in denen mittelständischeHändler organisiert sind, haben ihreKooperation darüber hinaus noch aus-gedehnt. Das fängt beim Marketing anund geht bis zu fast franchiseartigenSystemen.

Der Möbeleinzelhandel, der nichtin einem Verband organisiert ist, setztsich nahezu ausschließlich aus mittel-ständischen, meist familiengeführtenUnternehmen zusammen.

Joachim Stumpf

Der Möbelhandel im Fokus

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Die zehn größten Mobelhandelsunter-nehmen in Deutschland im Jahr 2006 Basis: Umsatzvolumen Möbel ohne Fachsortimente

Marktanteile 2006 in DeutschlandBasis: Umsatzvolumen Möbel ohne Fachsortimente

Prognose Marktanteile 2015 in Deutschland

Ikea Deutschland

Lutz Unternehmensgruppe

Möbelhandelsgruppe Höffner-Krieger

Karstadt Quelle AG

Porta Möbel

Segmüller

Roller - Tejo

Dänisches Bettenlager

Otto Versand

Pocco Einrichtungsmärkte

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