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MISSION [IM]POSSIBLEDAS FUTURE EVOLUTION HOUSE DER FAMILIE HORX-STRATHERN IN WIEN, AARCHITEKT HANS PETER WĂRNDL, WIEN
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ES IST AN DER ZEIT...
Von Friedrich H. Dassler
Matthias Horx ist Reisender in Sachen Trend- und Zukunftsforschung,
ein angesagter dazu, mit Basislagern in Wien und Kelkheim im Taunus.
Unter Zukunft stellt sich jedermann etwas vor, allgemein das, was
jeden Moment anfÀngt, nach vorne offen und mehr oder weniger unge-
sichert scheint. Komplizierter liegen die Dinge beim Trend â im Trend
und man fragt sich, ob sie tatsĂ€chlich gemacht werden â die Trends
oder ob sie mit FingerspitzengefĂŒhl und statistischen Methoden aus
dem herausgelesen werden, was schon da, beziehungsweise gerade
im Entstehen ist.
FĂŒr den Trendprofi Matthias Horx ist klar, dass heute beides stattfindet
und zwar gleichzeitig. Trends werden gesucht, gelesen, aufgespĂŒrt,
auch gemacht und es wird ihnen nachgelaufen. Aus seiner Sicht hat
der englische Begriff âTrendâ, der wohl ĂŒber den Sprachgebrauch an
den FinanzmĂ€rkten auf das allgemeine Wirtschaftsleben ĂŒbergesprun-
gen ist, eine Art semantische Karriere durchlebt. Dabei nennt er ihn
heute einen âLĂŒmmelâ unter den Begriffen, weil man so ziemlich alles in
einen Trend hineinprojizieren kann. Zudem sei der Begriff Trend, wie wir
ihn heute gebrauchen, in einem wissenschaftlichen Sinne wenig belast-
bar. Im Kontext seiner Zukunftsforschung hĂ€lt er den Trend aber fĂŒr
unverzichtbar. Denn wenn man ânurâ als Zukunftsforscher unterwegs
sei, gelte man leicht als reiner Utopist. Die Kenntnisse ĂŒber die Trends
der Zukunft schaffen den unmittelbaren Bezug zur Wirtschaft und
damit erst ein GeschÀftsmodell. Der Punkt ist, dass sich die Gesell-
schaft und natĂŒrlich auch die Industrie dafĂŒr interessieren, was sich
aktuell verÀndert, was zu erwarten ist, vor allem welches KÀuferverhal-
ten. Demzufolge ist die Fragestellung an eine komplexe Trendwissen-
schaft die der Einordnung. Man will wissen: Was geht? Welche Trends
gibt es in welchen Bereichen? Und wie kann man von diesem Wissen
profitieren? So definierte Trends werden dann auch gern phÀnomeno-
logisch verstÀrkt, zum Beispiel in der Mode.
Mit seinem Zukunftsinstitut geht Matthias Horx noch weiter. Es gibt tie-
fer liegende Entwicklungen innerhalb der Gesellschaft, der Wirtschaft,
der Politik, der Systeme, die man forschend als Trends definieren kann.
Mit denen beschÀftigen sich der Zukunftsforscher und seine Mitarbeiter
und Mitarbeiterinnen bevorzugt. Aber er hĂŒtet sich davor, den Begriff
Trend, so wichtig er ist, ganz nach vorne zu stellen, denn man kommt
damit leicht âin Teufels KĂŒcheâ. Was man schon daran sehen mag,
dass wir diese KlÀrungen ganz an den Anfang gestellt haben.
Die Mission des Matthias Horx besteht darin, die HandlungsspielrÀume
von Unternehmen und Institutionen auszurichten und zwar an den zu
erwartenden RealitÀten. Wobei er betont, dass genau das eigentlich
das Wesen von Management darstelle, denn Management mĂŒsse ja
antizipieren, was auf ein Unternehmen zukommt. Das Gleiche gelte
ĂŒbrigens fĂŒr eine Familie, wenn sie beispielsweise ein Haus bauen will.
Daraus resultiert die Frage, wo hier ein GeschĂ€ftsfeld fĂŒr einen profes-
sionellen Consultant auszumachen ist. Das ist nicht leicht zu beantwor-
ten, so Horx. Er nennt es etwas umstĂ€ndlich: âDie SchĂ€rfung der sen-
sorischen Wahrnehmung komplexer Prozesse vornehmen zu lassen.â
DafĂŒr hinreichend viele Abnehmer zu finden, ist sicherlich das ungelö-
ste Berufsproblem eines Trend- und Zukunftsforschers. Aber, wie wir
wissen, gibt es heute auch jede Menge ungelöster Berufsprobleme bei
Architekten und Ingenieuren.
Vor diesem Hintergrund hat sich Familie Horx am Rande Wiens das
Wohn- und Arbeitshaus planen und errichten lassen, was eigentlich
zwei HĂ€user sind, die aber eine ideelle Einheit darstellen. Der Architekt
ist Hans Peter Wörndl, das implizierte Lebens- und Arbeitskonzept der
Bewohner made by Familie Horx-Strathern, denn auch Frau Oona
wirkt als Trend Consultant und Autorin. Sie nennen es âFuture Evolution
Houseâ, was natĂŒrlich lĂ€ngst eine geschĂŒtzte Bezeichnung ist.
Die Presse, vor allem die am Trend-Ambiente interessierte, war schnell
dabei, ein Zukunftshaus oder Smarthome zu verorten. Die Bauherren
nennen es aber âFuture Evolution Houseâ, weil sie in ihm die prozess-
haften Entwicklungen von Lebenskonzepten und Technologien ĂŒber
einen lÀngeren Zeitraum erforschen und zeigen wollen. Das war aller-
dings nicht von Anbeginn so beabsichtigt, ging man als interessierte
Laien des Bauwesens, was ja die meisten Bauherren sind, davon aus,
dass die werbliche VerheiĂung âNichts ist unmöglich!â in der Haustech-
nik lÀngst Wirklichkeit geworden sei.
Matthias Horx sagt es mittlerweile salopp: âWir sehen bis heute keine
Chance, das, was wir erwarten und das, was wir konzeptionell vertre-
ten, tatsĂ€chlich realisieren zu können. Das hat strukturelle GrĂŒnde, weil
sich diese KomplexitĂ€t fĂŒr einen âprivaten Bauunternehmerâ nicht in
Technik auflösen lĂ€sst und, weil wir keine MillionĂ€re sind.â
Nun muss man als Bauherr kein Zukunftsforscher sein, um sich bei der
Frage danach, was man eigentlich will mit seinem Haus, mit der
Zukunft zu beschĂ€ftigen. HĂ€user werden persĂš fĂŒr die Zukunft gebaut,
gestalten diese positiv mit oder belasten sie nachhaltig. Darum geht es
beim Bauen immer, nÀmlich um die nÀchsten 25 und mehr Jahre. Wer
sich darum ernsthaft kĂŒmmert, wie Matthias Horx, der denkt technolo-
gisch ein paar Jahre voraus und stellt voller Schrecken fest, dass die
Technik fĂŒrs Haus in Bezug auf das Jetzt schon zwei, drei Jahre hinter-
herhinkt. Wir verfĂŒgen ĂŒber ein iPad der zweiten Generation, die ver-
fĂŒgbare Technik fĂŒrs Wohnhaus hat schon einige Jahre auf dem
Buckel.
â Wir sehen bis heute keine Chance, das,was wir erwarten und das, was wir kon -zeptionell vertreten, t at sĂ€chlich realisierenzu können...â
Er verweist auf ElektromobilitĂ€t, was derzeit durchaus ein groĂes
Thema ist. Er selbst fÀhrt neuerdings ein Elektroauto aus Skandinavien,
dessen starke Batterie demnĂ€chst auch als Pupperbatterie fĂŒr das
Haus dienen soll - Anfang des âEnergy Gridâ, bei dem HĂ€user als Ener-
gieproduzenten dienen. All das kann man nur âprovisorischâ zeigen,
denn die Realisierung eines solchen Netzes mĂŒsste mindestens den
ganzen Stadtteil erfassen. Horx hat erkannt, dass diese Differenz zwi-
schen Wollen und Können auch dazu fĂŒhrt, dass sich das Haus und
seine Bewohner stĂ€ndig âumbauenâ werden. Lachend erklĂ€rt er, dahin-
ter stehe wohl letztendlich die indianische Idee, dass man erst fertig
sei, wenn man wieder auszieht. Der Mensch steht in Kontexten zu sei-
ner Àsthetischen und faktischen Umgebung. Ein Haus lebt, wenn es
dauernd bearbeitet und verÀndert wird, eben evolutionÀr. Unter dieser
PrĂ€misse wurde das Haus der Familie Horx schlieĂlich gebaut.
Stand der Technik ist noch immer, dass Technologiefirmen den Nutzern
von GebÀuden FunktionalitÀten anbieten, zwischen denen diese, je
nach Geldbeutel, aussuchen können. Smart wÀre aber, wenn der Nut-
zer am Anfang definiert, was er von seinem Haus erwartet und die
Technik das dann kann und zwar in der Bedienung völlig unkompliziert
und finanziell erschwinglich.
Familie Horx ist ĂŒberzeugt, dass es in diesem Sinne ein Totalversagen
der fĂŒr den Wohnbereich zustĂ€ndigen Elektroindustrie zu beklagen
gĂ€be. âWir haben einfach diese Erfahrung gemacht. Haben smarte
Technik angefragt, aber nichts von dem, was uns angeboten wurde,
war smart. Smarte Technologie soll intuitiv erlernbar, sinnlich, habituell
â quasi in menschliche Gewohnheiten integrierte Technologie â sein.
Wenn Sie mit einem i-Phone umgehen können, können sie jede Art von
App nutzen. Die Technologie soll uns auch im Haus die Technik fĂŒr den
Finger aufbereiten. Es geht um einen technologischen Begriff, wie ihn
Apple versucht zu definieren. Wir wollten ein Haus an der Nutzerfrage
IM GESPRĂCH MIT DEM TREND- UND ZUKUNFTSFORSCHER MATTHIAS HORX:
Matthias Horx
Trend- und Zukunftsforscher(www.zukunftsinstitut.de)Foto: Klaus Vyhnalek
Grundriss Wohnhaus Erdgeschoss Grundriss Wohnhaus Untergeschoss
LĂ€ngsschnitt Wohnhaus Das E-Mobil an der hauseigenen âTankstelleâ
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entlang entwickeln, auch an den sinnlichen BedĂŒrfnissen des Men-
schen, nicht an technischen Vorgaben. Und da sind wir einfach nicht
fĂŒndig geworden.â
Klar ist, die Firmen wollen verkaufen, was sie gerade können und im
Angebot haben. Dazu erfinden sie sich einen potenziellen KĂ€ufer, den
sie den Kunden dann in der Werbung zur Identifikation anbieten. Mat-
thias Horx sagt: âDiese Typen sind wir aber nicht. Wer glaubt, an die-
sem GeschÀfts- und Marketingmodell festhalten zu können, wird zu-
kĂŒnftig nicht mehr sehr viel verkaufen.â
Was man uns vorgefĂŒhrt hat, basierte letztlich auf einer reduzierten
Vorstellung mÀnnlicher Kontrolle. HÀuser werden von den Anbietern
wie elektrische Eisenbahnen konstruiert, die der Hausherr lÀchelnd
fernsteuert. Frauen halten das zu Recht normalerweise fĂŒr völligen
Unsinn: maximal viele Schalter sind gut und maximal viele Funktionen
mĂŒssen bezahlt werden. Der Gipfel ist dann schon erreicht, wenn all
diese vielen Funktionen von einem Pannel aus bedient werden können.
Aber wer braucht das? Wenn ich gerade im Garten bin und ein Beet
umgrabe, brauche ich dann 150 Funktionen, die ich aus der Ferne im
Haus betÀtigen kann? Was da bei den Menschen aufgebaut und aus-
genutzt wird, sind VersagensÀngste: Habe ich den Herd abgeschaltet?
â das BĂŒgeleisen ausgemacht? â die Jalousie heruntergefahren? â das
Garagentor zu gemacht? Dieses Versagen kann man via Internet von
unterwegs aus korrigieren. Aber sind das wirklich die Fragestellungen,
auf denen unser Dasein aufsetzen sollte?â
Damit wirft Matthias Horx die grundlegende Frage auf, ob Technologie
primĂ€r dazu da sei, bereits bestehende Probleme â womöglich durch
das Vorhandensein von Technologie erst erzeugte â zu lösen, also
rĂŒckwĂ€rts gerichtet ist oder ob Technologie nicht vielmehr geeignet
sein sollte, die Menschen bei der BewÀltigung ihrer persönlichen Zu-
kunft aktiv zu unterstĂŒtzen.
â Was man uns vorgefĂŒhrt hat, basierteletztlich auf einer reduzierten V orstellungmĂ€nnlicher Kontrolle. HĂ€user werden vonden Anbietern wie elektrische Eisenbah -nen konstruiert,...
Er wĂŒnscht sich, dass hier die ausgetretenen Pfade des Bauwesens
verlassen werden. Er will Technologie nicht spĂŒren und nicht zum Be-
diener seines Hauses degradiert werden. Er fordert, dass Technologie
verschwindet und Raum schafft fĂŒr humane TĂ€tigkeiten, die ganz oft
nicht digital sondern anlog sind. Im Grunde ist es der groĂe Kampf um
die Menschlichkeit oder Menschengerechtigkeit von Technologie. Tech-
nologie sei bisher fĂŒr den Nutzer nicht mehr als das, was er erlernen
muss, um das Betriebssystem bedienen zu können. Jetzt sei es an der
Zeit, dass die Technologie lernt, uns zu (be-)dienen.
Dabei malt er sich aus, wie er im Alter auf den Bildschirm an der Wand
starrt, die Schrift kaum mehr erkennen kann und sich vor allem nicht
erinnert, wie und warum er zwei Jahre zuvor die Sauna so oder so pro-
grammiert hat. Jeder kennt diesen Effekt, bezogen auf Funktionen, die
eher selten verÀndert werden, beim Fernseher, bei der Telefonanlage,
bei der Heizung. Am Beispiel der Sauna malt er die âkleinen Katastro-
phenâ der Zukunft an die Wand.
Das erste Problem auf das man bei der Planung stöĂt, ist, dass es
einen gewaltigen Mangel an Integratoren im Zwischenfeld von Funktio-
nalitĂ€t, Elektronik, Ăsthetik und Design gibt. Es gibt jede Menge digitale
Elektroniker, die aber eine ganz eigene Sprache sprechen. Wenn man
denen zu vermitteln sucht, dass man das, was man sieht, in einer
gewissen Ăsthetik haben möchte, gucken die einen völlig verstĂ€ndnis-
los an. Umgekehrt ist das VerstĂ€ndnis der Designer fĂŒr Technologie
zwar gröĂer, aber im Grunde genommen kennen sie sich nicht aus,
beziehungsweise haben die gleichen VerstÀndigungsprobleme mit der
Technologie wie jeder normale Mensch auch. Die Architekten haben es
besonders schwer. Irgendwie erwartet der Bauherr von ihnen, dass sie
sich mit allem auskennen, immer auf dem neusten Stand sind und
dabei noch vorausdenken, was aber ehrlich betrachtet, gar nicht der
Fall sein kann.
Und Fakt ist, dass Elektrofachplanung fĂŒr WohngebĂ€ude â falls sie
ĂŒberhaupt abgerufen wird â und Kommunikations- beziehungsweise
Unterhaltungselektronik zwei völlig verschiedene Welten darstellen. Das
bezieht sich auf die Beratungskompetenzen genau so, wie auf die Her-
stellerseite.
Um mit diesem Problem fertig zu werden, sah man sich im Hause Horx
veranlasst zu prototypen und hat aus der Not eine Tugend gemacht.
Heute nimmt man sich dort in jedem Jahr ein solches Projekt vor, in
dem versucht wird, etwas zu realisieren, was eigentlich zu teuer ist. So
wurde zum Beispiel mit der Tiroler âLifestyle Foundationâ eine laserge-
steuerte Raumregelung entwickelt, die auf sehr reduzierten Symbolen
basiert, die sich an alle WĂ€nde projizieren lassen und die sich mit
einem i-Pod-Àhnlichen GerÀt bedienen lÀsst.
Man nutzt das neue Haus als eine Art BĂŒhne, auf der versucht wird,
Themen aus der Trend- und Zukunftsforschung ideell zu ĂŒbertragen
und praktisch zu realisieren. Das geht nur mit Partnern aus der Indu-
strie, die aber schwer zu finden sind, was zunÀchst logisch erscheint,
denn hier werden ĂŒber Jahrzehnte liebgewonnene Strukturen radikal in
Frage gestellt. In der Regel sind Manager gezwungen, so zu tun, als
hÀtten sie die Zukunft fest im Griff und sind an solche Formen koopera-
tiver Zusammenarbeit nicht gewöhnt. In den meisten FÀllen gehe es
ihnen heute immer noch darum: â...uns ihren lĂ€ngst ĂŒberholten Schrott
zu verkaufenâ, so die Erfahrungen des Bauherrn Matthias Horx.
Der Konflikt zwischen Entwicklungslabor und GerÀtegeneration-xy, die
aus den Regalen abverkauft werden muss, ist schwer zu lösen. Einige
Anbieter hatten sich sogar allen Ernstes vorgestellt, mit dem neuen
Horx-Haus Werbung fĂŒr ihre âAltlastenâ machen zu können. Das
Ergebnis lautete aber: geprĂŒft und als ungenĂŒgend empfunden.
Beispiel Energieverbrauch: Wie viel Strom, Gas, Erdöl wir verbrauchen,
vermitteln uns Zahlen und hohe Rechnungen und zwar nachtrÀglich.
Die Vorabberechnungen der Planer beinhalten MaĂeinheiten, mit denen
der Laie nichts anzufangen vermag, wobei erschwerend hinzu kommt,
dass theoretische Ermittlungen von zu erwartenden EnergieverbrÀu-
chen blanke Theorie sind und weder die gebaute RealitÀt noch das
Nutzerverhalten authentisch beinhalten.
Matthias Horx sagt, in Bezug auf den Energieverbrauch fehle uns ein
âSĂ€ttigungsgefĂŒhlâ, ein GefĂŒhl, das vielen Menschen sogar in Bezug
auf ihre Nahrungsaufnahme fehle. Wir haben keine Sensorik dafĂŒr, ob
wir gerade viel oder wenig Energie verbrauchen. Andererseits wollen
wir uns nicht in Felle hĂŒllen, weil es im Haus kalt ist. Und was man im
Jahre 2011 als ein seinem Wesen nach groĂzĂŒgiger Mensch auch
nicht will, ist, das Energiesparen zum Lebensprinzip erheben.
Demnach wÀre es also spannend, seitens des Hauses eine Art von
RĂŒckkopplung zu erhalten, was den aktuellen Energieverbrauch an-
geht. Da experimentiert die Familie mit Farben in Form von LED-
LeuchtbÀndern, die abends aussagen, wie der Energiezustand des
Hauses ist. Die Bewohner können daran nachvollziehen, ob das Haus
mehr Energie verbraucht hat, als tagsĂŒber gewonnen wurde. Das
heiĂt, wenn sehr viel Energie verbraucht wurde, fĂ€ngt das etwas erhöht
liegende Arbeitshaus an, rot zu glĂŒhen. Da das mit dem Licht nur
abends funktioniert, sucht man gerade nach Lösungen fĂŒr den Tag.
Der Ansatz auch hier, Energietechnik von ZahlengröĂen und Einheiten
zu befreien und sinnlich erlebbar zu machen. Wer kennt schon wirklich
die Bedeutung einer Kilowattstunde pro Jahr, wenn er nicht Techniker
ist. Und selbst denen bleibt so etwas oft abstrakt.
Das Projekt: Wie kommuniziert ein Haus seine EnergiezustĂ€nde? â ist
nur eines von vielen. Dabei sind die Bewohner des Future Evolution
House eine ganz normale Familie. Es gibt zwei halbwĂŒchsige Söhne,
die alles andrehen und es dann vergessen (sagt der Hausherr). NatĂŒr-
lich könnte man an jeder Steckdose so ein âShut-down-Dingâ anbrin-
gen, also Technik einsetzen zur Automatisierung und Kontrolle. Das
Ergebnis wÀren dauernd angenervte Bewohner, die sich im Kleinkrieg
mit der Haustechnik befÀnden. Das ist nicht smart!
Technik soll unterstĂŒtzen, aber nicht bevormunden. Technologie soll
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LĂ€ngsschnitt Arbeitshaus
Tragwerk
Stahl- (unten) und Holzfachwerk (oben) bildenfĂŒr das WohngebĂ€ude eine sehr leichte, effizi-ente und in höchstem MaĂe variable Baukon-struktion.
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uns auch etwas zeigen, aber auf einer Ebene, die wir quasi aus den
Augenwinkeln wahrnehmen können, wobei wir keinen kognitiven Auf-
wand betreiben mĂŒssen. Matthias Horx sagt: âDie zentrale Fragestel-
lung an die Technologie des 21. Jahrhunderts ist Konzentration, also
die Abwesenheit von Störung.â Ungestörtheit sei eine knappe Ressour-
ce. Das neue Haus ist das Arbeits-/Lebenshaus der Familie und dabei
wollen die Bewohner nicht gestört werden. Horx sagt: âIch will arbeiten
können und wir brauchen Zeit fĂŒr unser Privatleben. Wenn Sie das
heute in einem normalen technoiden Umfeld versuchen, werden sie
ununterbrochen aufgehalten und gestört. Das ist der Preis der soge-
nannten Kommunikationsgesellschaft. Sie werden zum Technikbedie-
ner im Berufs- wie im Privatleben. Wo Sie stehen und gehen werden
Sie online mit Nachrichten, Anrufen, Mails, per SMS und was es sonst
noch alles gibt, bombardiert.â Im Grunde gehe es um den geschickten
Verzicht von Technologie, also die Synchronisation von realen BedĂŒrf-
nissen und technischen Angeboten. LĂ€chelnd fĂŒhrt Horx das Thema
Automobil an: Beim Auto sÀhen wir heute eine wundersame Synthese
von Mensch und Maschine. Gerade MĂ€nner lieben es besonders, in ihr
Auto geradezu âhineinzuschmelzenâ. Sie werden dabei zu Symbionten,
zu WĂŒrmern, die in ihrem technoiden GehĂ€use aufgehen, wie das der
Film Matrix auf geniale Weise zeigt. Der wache, autonome Geist brau-
che aber etwas anderes. Autofahren ĂŒber weite Strecken mache auch
mĂŒde, trĂ€ge und selbstgefĂ€llig und deshalb sei es so beliebt.
Zum Beispiel gibt es in dem neuen Haus keinen Fernseher, denn wozu
braucht man in einer vom Internet bestimmten, medialen Welt dieses
schwarze Loch im Raum, wenn kein Programm lÀuft. Niemand braucht
diese Diskussionen darĂŒber welcher Kanal angeschaut werden soll-
wirklich. Niemand braucht eine fremdbestimmte Programmvorgabe,
die einem den Tagesablauf strukturiert. Moderner Medienkonsum ist
individuell, zeitversetzt und download-orientiert. Dazu nutzt Familie
Horx i-Pads. Auf die lassen sich inzwischen bereits Spielfilme und
Fernsehprogramme herunterstreamen.
â Wenn sie einen klassischen W ohnraum -grundriss sehen, wissen sie, wo der Fern -seher zu stehen hat. Aber genau das istzuerst in Frage zu stellen.â
Wenn man einen App-Entwickler zu Home-Funktionen befragt, sagt
der: âOk, fĂŒr 150.000 Euro mache ich Ihnen etwas.â Das mag natĂŒrlich
kein Privatmann aus der eigenen Tasche bezahlen. Dazu mĂŒssten sich
die Entwickler von Elektroniklösungen und die Haustechnik-Branche
schon zusammen tun. Letztendlich wird es sich dennoch kaum vermei-
den lassen, dass die Elektrofachplanung und die mittelstÀndische Elek-
troindustrie den gesamten Sektor Home-Automation/-steuerung an die
global aufgestellten Elektronikanbieter verlieren werden. Nur, im Mo-
ment verdienen die ihr Geld woanders leichter. Die ganz groĂen Um-
sÀtze werden noch mit stÀndig neuen Handy-Generationen, Flachbild-
schirmen und Rechnern verdient. Erst wenn da SĂ€ttigung erreicht ist,
weil einmal mehr das Ende einer Bedarfs-Fahnenstange erreicht wur-
de, wird man dort ernsthaft ĂŒberlegen, sich im GebĂ€ude gezielter zu
etablieren.
FĂŒr viel Geld bekommt man auch heute schon sehr viel geboten, wenn
vielleicht auch nicht das, was man sich wĂŒnschte, hĂ€tte man die Zeit
und die Möglichkeiten, darĂŒber qualifizierter nachzudenken. Matthias
Horx und seine Partnerin nehmen sich die Zeit und haben die Möglich-
keiten dazu. Dabei konzentrieren sie sich auf Dinge, die fĂŒr einen nor-
malen Haushalt realisierbar sind. Und sie wollen weg von der Idee,
stÀndig eine Schaltvorrichtung in der Hand oder vor Augen zu haben,
die jeden Lichtschalter kontrolliert. Das Ziel sind im Prinzip additiv ein-
setzbare Home-Apps. DafĂŒr bietet das neue Haus das ideale Experi-
mentierfeld.
Das Experiment fing beim Entwurf des Hauses an, obwohl die Thema-
tik den Beteiligten nicht von Anfang an so klar vor Augen stand. Da war
einerseits der Architekt gefordert, nicht zuletzt auch das moderierende
Talent und der persönliche Einsatz einzelner Mitarbeiter, andererseits
wurden Bauherrin und Bauherr gelegentlich bis an der Rand des Er-
trĂ€glichen getrieben. Matthias Horx weiĂ heute: âWenn sie einen klassi-
schen Wohnraumgrundriss sehen, wissen sie, wo der Fernseher zu
stehen hat. Aber genau das ist zuerst in Frage zu stellen. Und dann
geht es immer weiter mit den Infragestellungen. Am Ende haben wir
einige wenige subtile, aber entscheidende Irritationen eingebaut, die im
fertigen Haus auf den ersten Blick kaum wahrnehmbar sind.â
Wenn wir einen Blick auf die gegenwÀrtige Architekturdiskussion wer-
fen, stellen wir fest, dass das Wohnen in einem urbanen Kontext als
Thema aktuell ist. Allerdings liegen hier die Schwerpunkte eher hinter
den Stichworten VerstÀdterung, MegastÀdte, Verdichtung, Planbarkeit
von UrbanitÀt, MobilitÀt, soziale Schere/GegensÀtze ethnischer Art,
Integration/Separation. Im Falle des Wohn-/Arbeitshauses der Familie
Horx scheint sich dieser, die Allgemeinheit betreffende Problempool,
auf den ersten Blick auf die Frage nach einer geeigneten Sicherungs-
und Alarmanlage zu reduzieren. Denn wer mitten in einem 4500 Qua-
dratmeter ParkgrundstĂŒck am Rande Wiens wohnen darf, fĂŒr den steht
beispielsweise die Frage nach der Verdichtung von Wohnraum nicht an
erster Stelle auf seiner Roadmap.
Doch Matthias Horx wÀre nicht der erfolgreiche Trend- und Zukunfts-
forscher, wÀre er nicht in der Lage, auch aus seiner extraordinÀren
Situation Substanzielles abzuleiten. Er behauptet, die âGeneâ seines
Hauses â seine prinzipielle âDenkweiseâ â liessen sich auch auf den
modernen Siedlungsbau ĂŒbertragen: âIch kann mir unsere âmentale
Architekturâ auch in grossen, verdichteten Ensembles vorstellenâ, sagt
er. Es gehe nicht nur um einen Baukörper, es gehe um eine Bau-Philo-
sophie.
Einfachheit
Die rationale Architektur von Hans Peter Wörndl erinnert ganz unmittel-
bar an die Architektur der Case Study HĂ€user in den USA (Raphael
Soriano, Neutra, Charles und Ray Eames). Die Amerikaner haben in
den 40ern, bis in die 60er Jahre hinein, in Kalifornien Àhnliche HÀuser
erdacht und gebaut. Man wollte dort mit einfachen Mitteln hohe Indivi-
dualitÀt und Freiheit im Raumkonzept erreichen, obwohl der konkrete
Anlass fĂŒr das politische Programm eigentlich die Wohnraumnot nach
dem 2. Weltkrieg war. Gewonnen hat damals in Amerika leider die
Bauindustrie mit der Optimierung des möglichst immer Gleichen und
das in klar definierten Komfortstufen, je nach Einkommen der Bewoh-
ner.
Der kompakte Stahl-/Holzbau von Architekt Wörndl setzt an diesen
Beispielen der Klassischen Moderne an und versucht von dort den
Sprung hin zu heutigen Technologien und zu einer ebenso rationalen
wie zeitgemĂ€Ăen Typologie. Wer die ideellen VorlĂ€ufer kennt, merkt
sofort, dass man heute an vielen Punkten weiter ist, dass man Dinge
realisieren kann, die frĂŒher nicht möglich waren. Beispiel an der GebĂ€u-
dehĂŒlle ist der Umgang mit Energie, was fĂŒr die Amerikaner damals
allerdings kein Thema war. Obwohl das Haus sehr transparent und
offen dasteht, wurde kein abgesperrtes âPlastikhausâ errichtet.
Es gibt keine Fenster. Es gibt nur offene und geschlossene Wandfelder,
die visuelle Verbindung zwischen innen und auĂen, Wohnen in der
Natur ist das Thema. Das funktioniert heute mit sehr ausgereiften und
energetisch sinnvollen Lösungen und Details.
Matthias Horx verweist hier gern auf die Eames-KonzepthÀuser, die
sich zwar bevorzugt mit der Normierung von Bauelementen und mit
Verdichtung beschÀftigten, aber auch damit, angenehmes Wohn- und
Freizeithaus zu sein. Da findet man zum Beispiel das Konzept des Feri-
enhauses in schönen Landschaften.
Horx sagt: âUnser Haus ist ein HUB.â (Places for meeting, working,
learning, innovating and connecting dedicated to inspiring and suppor-
ting enterprising initiatives for a better world. /the-hub.net.)
âWir haben uns gefragt, was ist das Charakteristikum von Familien-
struktur? Deshalb ist es ein Familien-Wohn-Arbeitshaus geworden. Das
heiĂt, die ProduktivitĂ€t ist an den Wohnort gekoppelt, wie bei einem
Bauernhof. Und darauf mussten wir Antworten finden.â So wurde bei-
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Technische Beschreibung des Architekten
Bisher arbeiten EnergiesparhÀuser meist rein passiv, zum Beispiel
durch âVersiegelungâ der HĂ€user mit hohem Materialaufwand. Das von
uns entwickelte neuartige Haus unterscheidet sich davon deutlich: Die
zunÀchst angenommene Stahlkonstruktion in Leichtbauweise wurde
abgespeckt und auf ein Minimum reduziert. Im statischen Kontext wird
sie durch eine Holzkonstruktion ersetzt bzw. ergÀnzt. Das Fachwerk ist
ein âverstecktes Fachwerkâ. So ist grosse VariabilitĂ€t im Wandaufbau
gegeben und die angestrebte Austauschbarkeit gegen zukĂŒnftig neuar-
tige Fassadenmaterialien möglich. Weiterhin berĂŒcksichtigt die modul-
artige Bauweise gegebenenfalls spÀtere Zu- bzw. Umbauten in Bezug
auf technische Neuerungen und verÀnderte Anforderungen an die Fas-
sade. Zur Zeit wird die AuĂenhaut durch bedrucktes ethernit aurea
gebildet, das innerhalb der Fibonacci-Sequenzen zugescnitten wurde.
Der erstmalige Einsatz eines Blockheizkraftwerkes, z.B. Brennstoffzelle
1,2 kw (vergl. heliocentris), im urbanen Bereich des Stadtgebietes von
Wien ist in Vorbereitung. Damit kann im Einfamilienhaus bzw. in Klein-
hÀusersiedlungen ein Teil der Haushalte mit Energie versorgt werden.
Die Logistik fĂŒr dezentrale Energietechniken, Wiedereinspeisung von
Strom in das netzgebundene Versorgungssystem der Stadt Wien, sai-
sonale Speicherung, Wasserstoff-Tanklagerung, etc. haben die schritt-
weise Erhöhung des Autarkiegrades als Ziel.
Sichtbare Indikatoren in der Architektur sind angestrebt, das heiĂt z.B.
kein Verstecken der Energiezentrale im Einfamlienhausbereich wie bis-
her. Die Strukturierung der Anlage in Quellen, Speicher und Senken
ermöglicht eine zielgerichtete Erweiterbarkeit. Dazu gehört auch die
Weiterentwicklung farb-psychologischer Wahrnehmungskonzepte und
selbsterklĂ€rende Klarheit fĂŒr Energieverbrauchsanzeigen.
Die schwarzen PV-DĂŒnnschichtzellen (sulfurcell) werden an der Fassa-
de skulptural in das GebÀudekonzept integriert. Mit dem hier gewonne-
nen Strom werden das Elektroauto sowie die saisonalen Speiche-
rungssysteme, wie z.B. der Batteriepuffer, unterstĂŒtzt.
Klammernentwicklung FĂŒr die schwarzen, rahmenlosen PV-Module
wurden speziele Klammern entwickelt, mit dem Ziel, mehr brand-
schutztechnische Sicherheit und SimplizitÀt im Aufbau zu erhalten.
Warmwasserkollektoren wurden in die Dachsituation integriert. Das
BrennwertheizgerĂ€t (Vaillant) verfĂŒgt ĂŒber eine direkte online Störungs-
meldung. Die RĂ€ume werden ĂŒber eine Bodenheizung mit WĂ€rme ver-
sorgt. HPW
Podpod Design zur Lichttechnik
Lichtwirkung aussen: Die Fassade des Hauses selbst wird nicht dezi-
diert angestrahlt. Das Erscheinungsbild bei Nacht setzt sich aus zwei
Elementen zusammen: zum einen aus den Licht emittierenden Ăffnun-
gen im Baukörper, zum anderen durch die Kommunikation der energe-
tischen Performance durch einen Sockel aus farbigem Licht, auf dem
die baulichen Volumina ruhen.
Lichtwirkung innen: Den hohen AnsprĂŒchen der Bauherren an die
WohnqualitÀt und den visuellen Komfort wird durch die Betonung der
vertikalen Beleuchtung und die Verwendung von optimal ausgeblende-
ten und in flexiblen Lichtszenen programmierten Leuchten mit warmer
Lichtfarbe und maximaler Farbwiedergabe Rechnung getragen. Als
wesentliches Element neben der direkten Beleuchtung der WĂ€nde und
der einrichtungsbezogenen Lichtakzente markiert die in die Architektur
integrierte Perimeterbeleuchtung die Grenze zwischen Innen- und Aus-
senraum und löst sie zugleich auf.
Lichtechnik: Die Vouten sind mit indirekt strahlenden T5-Leucht-
stofflampen in warmweiĂer Lichtfarbe bestĂŒckt. Dazu kommen in den
verglasten GebÀudeteilen im Untergeschoà direkt strahlende farbsteu-
erbare LED-BĂ€nder. Die restliche Akzent- sowie die Funktionsbeleuch-
tung in den Wohn- und ArbeitsrÀumen erfolgt in erster Linie durch mit
langlebigen Xenon-Halogenlampen bestĂŒckte Richtstrahler, weich
strahlenden T5-Leuchten und linearen Hochleistungs-LED-Leuchten in
den NassrÀumen. Der Stiegenabgang wird durch stufenbegleitende,
lineare, warmweiĂe LED-Uplights beleuchtet.
SĂ€mtliche Leuchten sind in das hauseigene Bus-System eingebunden
und können in vorprogrammierten Lichtszenen geschaltet werden.
Ausblick: Das Future Evolution House ist als dynamisches, sich stÀndig
weiterentwickelndes System konzipiert und kann auch in Zukunft
erweitert und auf den jeweiligen Stand der Technik gebracht werden.
Der Treppenabgang wird
durch die Stufen begleiten-
de lineare, warmweiĂe
LED-Uplights beleuchtet.
SĂŒd- (oben) und Nordan-
sicht des Wohntraktes
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spielsweise deutlich, dass die Zusammenlegung der Funktionen auch
neue Formen der Trennung bedingt, denn auch im Inneren entsteht
Störung.
Mit dem Architekten wurde die Massenverteilung im GebÀude neu defi-
niert. Der Wohnraum wurde zu Gunsten des Naturraums und anderer
Funktionen, die wichtiger erschienen, verknappt. Da boten die Mitbe-
wohner Anlass zur Sozialforschung.
Der Gegenentwurf zu dem, was man hier suchte, war in Wien auch
nicht weit entfernt zu finden. Auf der anderen Seite des HĂŒgels wohnen
die sogenannten âWiener Witwenâ in wunderschönen, alten Villen. Das
sind betuchte Frauen, deren MĂ€nner oft schon vor vielen Jahren ge-
storben sind und die seit dem in 18 Zimmern wohnen. Hier dachten
jetzt Zukunftsforscher ĂŒber ihre eigene Zukunft nach und skalierten ihr
Haus so, dass es an verÀnderliche Situationen anpassbar bleibt und
zwar ohne Abstriche an seiner LeistungsfÀhigkeit. So ist das separate
Arbeitshaus persé vereinzelbar und als eigenstÀndige Wohneinheit
nutzbar.
FlexibilitÀt
FlexibilitÀt ist ein geschundenes Wort in der Architektur. Was uns in den
vergangenen Jahren alles im Zeichen der FlexibilitÀt verkauft worden
ist, spottet jeglicher Beschreibung.
Hier galt es, bauliche FlexibilitÀt in den humanen Lebensablauf einzu-
bauen. Dieses Haus versucht, eine individuelle Familienarchitektur ab-
zubilden und die entwickelt sich unaufhörlich weiter. Matthias Horx
bezeichnet deshalb das Haus gern als âRaumschiffâ. Es gibt einen
langgestreckten Baukörper, der aus einer Reihung von drei Kuben
besteht, die man jeweils voneinander regelrecht abschotten kann.
âMan kann die Schotten dicht machen.â Die TĂŒren reichen bis zur
Decke und sind sehr massiv, so dass bei den Jungs der Punk abgehen
kann, ohne dass die Eltern in ihrem Tun gestört werden (und umge-
kehrt). Trennungen wie ZusammenkĂŒnfte sind frei moderierbar.
IndividualitÀt entsteht durch Entflechtung, hier zunÀchst durch die Rei-
hung der Zimmer, durch effiziente GröĂen, durch an die Lebensum-
stĂ€nde der Familie angepasste Raumangebote, einen hohen AuĂenbe-
zug und die Teilung in zwei GebÀude.
Dieses smarte Haus hat keinesfalls nur mit Technik zu tun oder wÀre in
Bezug auf verfĂŒgbare technische Möglichkeiten hin ausgelegt. Sondern
es ist von den sozio-ökonomischen Entwicklungslinien her konzipiert.
Und da ist IndividualitĂ€t fĂŒr Matthias Horx ein ganz wichtiger Faktor:
âSo etwas wie, dass niemand mehr das selbe Fernsehprogramm anse-
hen will oder muss. Die Kinder streamen, wir streamen. DafĂŒr muss
man einen Ausgleich schaffen. Deswegen haben wir im Zentrum des
Hauses einen klassischen Kaminraum eingerichtet, den wir HUB oder
Lounge nennen. Von da aus kommt man auch schnell in die Garage
hinunter.
Wir reisen sehr viel. Und in welcher Art RĂ€ume halten wir uns am mei-
sten auf? â in Lounges, bei Starbucks zum Beispiel, in Hotels oder in
FlughÀfen. Dort arbeiten wir an Laptops, haben Meetings und ernÀhren
uns. Diesen Lifestile haben wir quasi domestiziert. Es gibt eine KĂŒchen-
situation, in der man hoch sitzt. Wir sind kreative Menschen, wir
kochen keine zig-GĂ€nge-Menues. Das halten wir fĂŒr dekadent. Des-
halb leben wir eher eine Snacking- und Grazing-Situation. Und die
reicht ĂŒber die Grenzen der KĂŒche hinaus. Wir haben drauĂen groĂe
Stahlrost-Container mit Kompost gefĂŒllt, in denen wir unser GemĂŒse
ziehen.â
AktivitÀt
Familie Horx versteht Wohnen als bewusste ErgÀnzung und als Aus-
gleich zur Profession. Automation wird da akzeptiert, wo sie lÀstige
Handlungen und Kontrolle erledigt, nicht da, wo sie sinnvolle AktivitÀt
ersetzen könnte. Das hört sich absolut nicht nach heimkommen, Sofa
und Fernsehen an. Matthias Horx sieht es als eine natĂŒrliche Heraus-
forderung fĂŒr heutige Menschen an, die viel sitzen und viel denken,
Ă€lter zu werden, ohne dabei zwangslĂ€ufig ĂŒbergewichtig zu werden.
Herkömmlichen Automatisierungsphantasien beruhen mehrheitlich auf
der Idee, den Körper still zu legen. Die Fernbedienung ist seiner An-
sicht nach das beste Mittel, die heutigen Volkskrankheiten ins Unendli-
che zu treiben.
âWir haben versucht,â sagt der Zukunftsforscher, âunser Haus so zu
bauen, dass wir im positiven Sinne in Bewegung bleiben. Das heiĂt
auch, dass wir uns im Zweifelsfall zwangslĂ€ufig bewegen mĂŒssen. Der
Trick ist, dass es eine Form von Bewegung sein sollte, die der Geist als
positiv und nicht als lĂ€stig bewertet. Holz zu hacken â und selbst das
Schleppen â ist fĂŒr unsereins eigentlich keine unangenehme oder
schlechte TĂ€tigkeit. SchlieĂlich haben wir das GlĂŒck in der Natur zu
leben. Auch deshalb haben wir uns bemĂŒht, das, was einen dort
glĂŒcklich und froh machen kann, wieder in den Alltag einzubeziehen.â
Er erzÀhlt weiter, dass die Familie zuvor den Teil eines Barockschlosses
an der tschechischen Grenze als Ferienhaus bewohnt hat. Da gab es
lange Flure und Wege und man habe am Ende des Wochenendes be-
merkt, wie erschöpft, aber auch wie fit man war. In sizilianischen Berg-
dörfern, werden die Leute uralt, locker an die 100 Jahre, weil man an
steilen HĂ€ngen wohnt, wo die Leute jeden Tag vom Haus in die GĂ€rten
und wieder zurĂŒck gehen mĂŒssen. Das ist ein durch die natĂŒrlichen
LebensumstÀnde bedingtes kardiovaskulÀres Training.
Automation wird da akzeptiert, wo sielĂ€stige Handlungen und Kontrolle erledigt,nicht da, wo sie sinnvolle AktivitĂ€t erset -zen könnte.Das heiĂt, es geht beim Wohnen auch dringlich darum, eine selbstver-
stÀndliche Körperlichkeit sicher zu stellen. Er sagt, nach dem Umzug in
das neue Heim habe er sein RudergerÀt und sein Laufband abge-
schafft. Er hĂ€lt solche GerĂ€te fĂŒr furchtbare Prothesen, auf die man
mancherorts leider nicht verzichten könne, weil der Lebensalltag weit-
gehend bewegungsfeindlich geworden sei.
Trotzdem hat er keine Lust, zum Land- oder Ackermann zu mutieren.
Das kann und will er nicht. Er habe immer mit Garten gelebt, auch ein-
mal in einer Landkommune und weiĂ, was das heiĂt und er weiĂ auch,
wie man darin âversackenâ kann. Urban-Garden ist das Konzept, das
mit dem Future Evolution House praktiziert wird. Das heiĂt auch, mo-
dern und praktikabel zu wirtschaften, nicht rĂŒckwĂ€rtsgewandt, aber
ernst zu nehmen, was man sich seit den 60er Jahren an Alternativkul-
tur erarbeitet hat. Es geht um den Geschmack und darum, etwas
wachsen sehen. Das sei fĂŒr die Seele ungeheuer wichtig. Diesen Din-
gen wird der technologischen Ansatz konsequent untergeordnet.
In Technologie ĂŒbersetzt heiĂt das, dass man in der Familie Horx abso-
lut stur ist: âWir kaufen kein elektronisches GerĂ€t, wenn es nicht ge-
lingt, dafĂŒr eine Fernbedienung abzuschaffen. Da es das aber kaum
noch gibt, gibt es bei uns kaum elektronische GerÀte. Ein Tisch auf
dem mehr als drei solche âelektronischen Schweinchenâ liegen, wĂŒrde
mich zum sofortigen Auszug zwingen!â, so der Hausherr.
Das alles ist fĂŒr viele Menschen mit ihren Vorstellungen von Lifestyle
nicht zu vereinbaren und hat fĂŒr die meisten absolut nichts mit Archi-
tektur zu tun. Bei den Konsumdiktatoren geht noch immer die Vorstel-
lung um, dass in einem perfekt geplanten Haus, perfekte versorgte
Menschen, in Sesseln vor ihren multimedialen EndgerÀten sitzen und
vor sich hin degenerieren.
Der Trend- und Zukunftsforscher Matthias Horx sieht diese Menschen
gerade aufwachen: Das sei ein Megatrend, das werde die Industrie zu
spĂŒren bekommen. Politiker spĂŒren es schon â ĂŒberall auf der Welt.
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Building Performance
Der Bauherr wĂŒnscht sich eine intuitiv ver-stĂ€ndlichen Technik im Haus. Piktogramme sol-len eindeutig sein und technische ProduktemĂŒssen einem hohen Design-Anspruch genĂŒ-gen. Abbildungen links: Elemente der laserge-steuerten Raumregelung, entwickelt mit der Lifestyle-Foundation, Kufstein.
Architekten
Hans-Peter Wörndl, Wien,
Mitarbeiter:W. HĂ€rtig, M. Gangler,A. Karaivanov, W. Oster,C. Osborne, A. Jascques leSeigneur, E. Semmler
Statik
Dipl.-Ing. Margarete Salzer,Wien
Baustellenkoordination
P&B Ing. C.A. Eisler, Wien
BaufĂŒhrer: Baumeister Ing. Josef Frantsits, Wien
Interior Design
YMMD/Yarah David,London
Beleuchtungskonzept
podpod design, Wien,
Gartengestaltung
stalzer lutz gÀrten Weidling
Bioteich
âMR-Serviceâ NĂ. Maschinen-ring-Service Gen.m.b.H., Horn
Typografische Fassaden-
gestaltung
Dipl.-Ing. Nadine Zastrow
Fotos, Baustellenfotos, Ani-mationen Buero Wörndl undBauherrschaft
Fotos (groĂ)
Klaus Vyhnalek, Wien