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Hohere Terpenverbindungen XI). Isomerie-erscheinungen bei den Fichtenharzsauren

der Abietinsauregruppe Ton

L. Ruzieka und H. Schinz.

(2. v1. 23.)

1. Uber die Hurxsauren des nmerikanischen Kolophoniums.

Die von Ruxicka und Meyev2) durch Destillation des amerikanisclien Kolophoniums im Hochvakuums) und nachheriges Umkrystallisieren des Destillats aus Aceton in einer Ausbeute von mindestens 50% ge- wonnene Abietinsaure vom Smp. ca. 158O und [“ID = ca. -70O (in Alkohol) ist als Hauptbestandteil derjeriigeri amerikanischen Kolopho- niumsorten zu betrachten, die durch direktes Erhitken bei gewohn- lichem Druck vom Terpentinol hefreit werden, wobei man Temperaturen von etwa 250° in der Schmelze erreicht. Die hellergefarbten amerikani- schen Rolophoniurnarten w-erden neuerdings dagegen meistens durch Behandeln des Rohharzes niit Wasserdampf bei gewohnlichem Druck oder im Vakuum gewonnen, wobei der Destillationsriickstand auf hochstens 150° erhitzt wird. Es erheht sich nun die Frage nach den Eigenschaften der Harzsiiixrem eines derartigen Kolophoniums.

Wir haben die spezifische Drehung zweier ziemlich heller ameri- kanischer Kolophoniumsorten bestimmt. Das eine mit der Handels- bezeichnung F G4) zeigte [ a ] ~ = + 5,S0 (in 5-proz. alkohol. Losung), und das andere6) von annahernd gleicher gelber Farbung [n]D = + 14O (in 5-proz. alkohol. Losung). Nach der Destillation dea letzteren Pro- dukts im Hochvakuum6) wies das.Destillat (Sdp, 200-210° bei 0,3 mm) [ a ] ~ = - 13O (in 5-proz. alkohol. Losung) auf. Durch dreimaliges Um- krystallisieren aus Aceton liefert das nestillat die oben erwahnte Abietin- saure vom Smp. 158O.

l ) IX. Mitt. vgl. Helv. 6, 492 (1923). 2, Helv. 5, 315 (1922).

Glbadtemperatur bifi etwa 260°. 4, Bezogen von der Firma E. Scheller d Po.. Zurich. 6 , Bezogen von der Firrna Eckrtiw. A. G.. Solothiirn. 6, Vgl. Helr. 5, 328 (1922).

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Zum Vergleich mit dieser Saure stellten wir die krystalli,' pierten Abietinsauren aus dem rechtsdrehenden Ausgangskolophonium her in An- lehnung an die Vorschrift von Malyl). Krystallisierte Produkte wurden so wesentlich schwieriger und in schlechterer Ausbeute erhalten als aus dem Hochvakuumdestillat. Das grob zerstossene Kolophonium wurde zuerst einigemal mit der gleichen Gewichtsmenge 80-proz. Alkohols kalt digeriert und dann der teilweise krystallinische Ruck- stand siebenmal aus Aceton 2, umkrystallisiert. Die Saure zeigt auch dann noch einen sehr unscharfen Schmelzpunkt. Eber die Anderungen der Eigenschaften bei fortschreitender Krystallisation gibt folgende Zusammenstellung einen Anhaltspunkt :

Sintern Smp. [alD ') 3. Krystallisation 130' 137-142° + 1 I o 4. 7 9 141' 149-153' -

149' 15'7-165' - 5. 9 ,

152' 159-166' - 6. ,> 7. ,> 152' 159-166' +44'

Es wurde jeweils aus ziemlich verdunnter Acetonlosung krystallisiert, so dass die ails 1 kg Kolophonium zuletzt erhaltene Probe, die annahernd konstant bleibenden Schmelzpunkt besnss, nur wenige Dezigramrne betrug.

Von der dritten Krystallisation (ca. 100 gr) wurde ein Teil im Hochvakuum destilliert (olbad 250O). Das hellgelbe kolophonium- artige Destillat (Sdp. 200-210°, 0,3 mm) zeigte [ a ] ~ = -14' (in ti-proz. alkohol. Losung). Nach dem Umkrystallisieren aus Aceton schmilzt die Saure bei 154-156O und besitzt [ a ] ~ = - 20' (in I-proz. slkohol. Losung).

Schon Th. Henry4) erwahnt durch Umkrystallisieren des Kolo- phoniums6) von Pinus excelsa aus Alkohol eine Abietinsaure vom Smp. 161' und [ a ] ~ = + 66O erhalten zu haben. P. Schuk6) krystallisierte ein amerikanisches Kolophonium, Type H, mit [ a ] ~ = + 11,8' (in

I) Sitzungshr. d. k. Akad. d. Wiss., Wien 1861, 121. *) Maly benutzt dagegen Alkohol als Losungsmittel. 3, In ca. 5-proz. alkohol. Losung. Klason und Kohler, J. pr. [2] 73, 350 (19O6),

geben ubrigens an, dass [ a ] ~ bei den ,.Kolophonsiiuren" in alkoholischer Losung ver- schiedener Konzentration gleich bleibt.

4, SOC. 79, 1154 (1901). 5, [ a ] ~ desselben ist nicht angegeben. E, Ch. Z . 41, 666 (1917).

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2-proz. alkohol. Losung) mehrmals aus Alkohol nnd Aceton um und erhielt so verschiedene rechtsdrehende Fraktionenl) von [ a ] ~ bis +49O. Aus demselben Harz erhielt F. Schulz durch Behandeln mit alkoholischer Salzsaure in der I<alt,e eine Abietinsaure von Smp. 1710 und [u]D= - 96,8O.

Aus allen diesen Beobachtungen folgt also, dass die urspriinglich in den bei tieferer Tem,peratur gewonnenen Kolophoniumsorten ent- haltenen rechtsdrehenden Sauren durch die Einwirkung con erhohter Temperatur (250O) oder von Mineralsauren in linksdrehende Sauren iibergehen. Es sind dies allerdings nicht die Endprodukte der Iso- merisierung, denn J . Meyer und der eine von uns zeigten, dass durch bis auf 300O gesteigerte Temperatur wieder rechtsdrehende Sauren ent- stehen2) und dass ferner durch Mineralsaure in der I-Iitze die anfangs vorhandene starke Linksdrehung wesentlich herabgesetzt wird3).

Dem Umstande, dass erst die invertierten Abietinsauren leicht krystallisieren, sind auch verschiedene altere Literaturangaben zu- zuschreiben, wonach durch direkte Krystallisation von Kolophoniuni aus Alkohol *) in guter Ausbeute krystallisierte Sauren gewonnen werden konnen. Fruher wurde das Kolophonium ausschliesslich durch starkes Erhitzen des Rohharzes hergestollt und .bestand so hauptsachlich aus invertierten Sauren. Spatcra Fomcher, die das mehr aus urspriinglichen Harzsauren zusammengesetzte Kolophonium untersuchten, erhielten bei direktem Umkrystdlisieren geringere Ausbeuten an Krystallen.

Vielfach wurde die isomerisierende Wirknng von starken Sauren auf die ursprunglichen Abietinsauren verkannt und als Hydrolyse des im Kolophonium angeblich enthaltenen Harzsaure-anliydrids ge- deutet. So versucht auch L. L. Steele5) die schon bekannte und von ihm naher verfolgte Tatsache, dass a m amerikanischem Kolophonium6) durch Krystallisation aus Eisessig vie1 leichter eine krystallinische Harzsaure zu erhalten ist, als beim Arbeiten in alkoholischer Losung,

I) Ohne Angabe des Ymp. 2, So wurde z. B. eine Abietinsanre von Smp. 170-172O und [ u ] ~ = + 46O er-

halten (Helv. 5, 338 [1922]). Dadurch wird auch die Beobachtung von F. Schulz, Ch. Z. 4 I, 667 (1917), erkliirlich, der aus technischeni Harzol (Destillationsprodukt des Kolopho- niums bei gewohnlichem Druck) eine gegen MineralsBuren bestandige Harzsaure vom Smp. 171-173O und [ a ] ~ = + 53O isolierte.

3, Helv. 5, 342 (1922). 4, Haly, 1. c., gewinnt so aus ainerikanischem Kolophonium SOo/, krystallisierter

6, Am. SOC. 44, 1333 (1922). 6, [ a ] ~ desselben ist nicht angegeben.

Hkuren.

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mit dem Hinweis auf die starker hydrolisierenden Eigenschaften der Essigsaure zu erklaren. Da wir jedoch zeigen konntenl), dass im Kolopho- nium kein Saure-anhydrid in nennenswerter Menge enthalten ist, so besteht in diesem Falle die Wirkung der Essigsaure in der Isomerisierung der ursprunglichen Harzsauren zur gut krystallisierenden Abietinsaure, fur die Steele einen Smp. von 161 bis 165O und [ a ] ~ = - SOo angibt. Da die Steele'sche Saure gleich unserer durch Destillation im Hoch- vakuum gewonnenen Saure zu etwa 50% aus dem Kolophonium entsteht und fast die gleichen physikalischen Konstanten wie diese besitzt, so stellten wir zum Vergleich aus dem oben erwahnten amerikanischen Kolophonium von [ a ] ~ = + 1 4 O die Abietinsaure nach der Vorschrift von Steele durch 2-stundiges Kochen mit Eisessig her. Die abge- schiedenen Krystalle wurden dreimal aus Aceton2) umkrystallisiert, wonach sie den konstant bleibenden Smp. von 159 bis 161O (bei nicht zu raschem Erhitzen) und [ a ] ~ = - 77,3O (in 4,5-proz. alkohol. Losung) aufwies. Die Steele'sche Saure diirfte also rnit unserer Hochvakuumsaure nahexu vollsthndig identisch sein3).

Da sich diese Sauren durch weiteres Umkrystallisieren nicht mehr andern, wiiren sie somit in gewijhnlichem Sinne als rein zu betrachten. Es besteht nur die Moglichkeit, dass auch hier entsprechend den Aus- fuhrungen von 9. D ~ f f o ~ r 4 ) Mischkrystalle isomorpher Sauren vor- liegen konnten. Wir versuchten daher unsere Saure nach zwei anderen Methoden zu zerlegen, ohne dabei deutlich verschiedene Produkte erhalten zu konnen. Die eine Methode beruhte auf der Trennung der Saure In mehrere Fraktionen durch Einleiten von Kohlendioxyd in die wasserige Losung des Natriumaalzes. Perner versetzten wir die alkoholische Losung der Abietinsaure mit einer Losung von Blei- acetat in L41kohol nach der Methode von Tschirch. Es zeigte sich jedoch, dass die Saure dabei praktisch vollstandig ins Bleisalz uberging, worstus sie mit unverandertem Smp. uncl nahezu gleicher spezifischer Drehung znruckgewonnen wurde.

2. Zur Kenmtnis des jranxosischan Kolophoniums.

Da uns vom franzosischen Kolophonium mehrere Handel~sorten~) zur Verfugung standen, untersuchten wir deren spezifische Drehung

l ) Vgl. Helv. 5, 320 (1922) und eine spatere Abhandlung. 2, Steele beniitzt Alkohol als L6SUngEmittel. 3, Vgl. auch S. 671. Die Krystallformen der beiden Siiuren sind gleichfalls

") C. R. 175, 109 (1922). 5 , Bezogen von der Firma E. Scheller 8: Cie., Zurich.

identisch.

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(in 4- bis 5-pro~. alkoholischer Losung). ohne aber einen Zusammcn- hang derselhen mit der Farbun? des Harzes baobachton zu konnen. Da uber die Darstellung der einzelnen Kolophoniumtypen nich ts ge- naueres bekannt ist, l#sst sich aurh die Ureache der versehiedenen Farbung nicht iibersehen .

Farbung ' b p e [alD hellgell) AAA - 16E hell-hriiunlichgelb WW + 150 hell-braunlichgelb ? + 6O brann MN - 20

Da das Galipot fur die Gewinnung des franzosischen Kolophoniums als Ausgangssubstanz dieiit und infolge des hohen Gehaltes an der sogenannten ,,~laiVo-i)iniarstture" stark linksdrehend istl), so muss angenommen wwden, dass die Verschiebung der spezifischen Drehung bei den Koloplioniumsorten gegen rechts hauptsachlich durch die bekannte Isomerisierung*) der ,,Lava-pimarsaure" in Sauren von geringerer Drehung bedingt ist. Allerdings spielen dabei auch noch andere Isomerislierungsprozesse der amorphen Begleitsauren eine Rolle. Das zeigte sich deutlich, als wir das oben erwahnte Kolophonium mit [ a ] ~ = + 6O der Destillation unterzogen, wonach das Dehl la t wieder linksdrehend war.

mm destilliert, wobei neben einem geringen Vorlauf die Hauptmenge (200 gr) von 200 bis 215O (olbad 250 Lis 265O) als zahe gelbe Rlasse ubergeht. Nach einer noch- maligen Fraktionierung w i d e n zwei Anteile analysiert.

250 gr ties Kolophoniums wurrlen bei

a) Sdp. 200-2020 (V? mm) H 10,31; 10,21%

b) Sdp. 208-210 (!(, mm); [alD = -i7O (in 5-proz. alkohol. Losung) Gef. C 80,89; 80,84

0,2958 gr Subst. gaben 0,8633 gr CO, und 0,2635 gr H,O 0,2171 gr Subst. gaben 0,6342 gr CO,

C,,H,,O, Ber. C 79,41 H lO,OlO,, Gef. ., 79,60; 79.63 ,, 9,970,"

Es besteht also der Analyse nach auch die Hauptmeiige des fran- zosischen Kolophoniums (gleich dem amerikanisehen) aus isomeren Harzsauren C20H3002. Der etwas hbhere Kohlenstoffgehalt, der tiefereri Fraktion ( a ) ruhrt wohl von dem im franzosischen IIarz bekanntlich

l) Wir beobachteten bei einem von der Firma Eclatin, A. G., Solottiurn beaogeneb

,) Vgl. daruber z. B. G. Uzcponf, Bl.'[4! 29, 727 (1921). Galipot [ a ] ~ = - 460.

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vorkommenden, noch nicht ntiher untersuchten Keutralkorpern her. Der Gehalt an derartigen Verbindungen im amerikanischen Kolopho- nium ist dagegen so gering, dass er auf die Analysenwerte auch der tiefersiedenden Anteile keinen wesentlichen Einfluss ausiibt l).

Im Gegensatz zum amerikanischen Kolophonium, das heim Destil- ljeren bei 12 mm zu etwa lo?(, unter Kohlendioxyd-ahspaltung in Iiohlenwasserstoffe iibergeht2), verhalt sich das franzosische Kolopho- nium unter diesen Bedingungen annaherncl gleich wie im Hochvakuum : es findet in beiden Fallen keine nennenswerte Zersetzung statt. Bei 12 mm destillieren vom franzosischen Kolophonium neben einem ge- ringen Vorlauf etwa 757, von 245 bis 255O. Das Produkt besitzt die gleiche Besohaffenheit wie das Hochvakuumdestillat und zeigt [ a ] ~ = - 12O (in 5-proz. alkohol. Losung).

Wahrend das Hochvakuumdestillat des amerikanischen Kolopho- n i u m nach mehrmaligem Umkrystallisieren eine bei etwa 158O schmelzende Abietinsaure mit [ a ] ~ ca. - 60° bis - 70° liefert, kann nach dem Destillieren desselben bei 12 mm nur ein unscharf (bis gegen 180O) schmelzendes Sauregemisch gewonnen werden. Die beiden Destil- late des franzosischen Harzes geben dagegen beim Umkrystallisieren annahernd die gleichen Produkte. Nach dreimaligem Umlosen aus Aceton schmilzt die Saure nach vorhergehendem Sintern bei etwa 159 bis 161O (meniger scharf als die 158O-Saure aus dem amerikanischen Kolophonium). Bei der Hochvakuumsaure wurde [ a ] ~ = - 63O und bei der bei 12 mm destillierten = - 59O (beide in 5-proz. alkohol. Losung) beobachtet. Es i s t xiemlich sicher, dass hier in der Hauptsache die gleiche Saure wie aus dem amerikanischen Kolophonium gewonnen wurde3). Es hatte iibrigens auch G. Dupont4) darauf hingewiesen, dass die aus der ,,Lava-pimarsaure“ des Galipots durch Isomerisierung mit Chlorwasserstoff gewonnene Saure annahernd identisch ist mit der in gleicher Weise von F. SchuEx5) aus amerikanischem Kolophonium hergestellten Saure vom Smp. ca. 171O und [ a ] ~ = - 97O.

Es wurde schliesslich noch die Einwirkung hoherer Temperatur auf tlas franzosische Kolophonium untersucht, wobei wieder weitgehende Ana-

l ) Helv. 5, 329 (1922). 2, P. Levy, Z. ang. Ch. 18, 1740 (190.5). a ) Die Mischprobe mit einer SLure aus amerikanischem Kolophonium zeigt keine

4, B1. [4] 29, 727 (1921). 5, Ch. Z. 41, 666 (1917); eine ahnliche 8aure hatte schon vorher St. Leskiewicz.

.J. pr. 121 81, 403 (1910) aus franzosischem und polnischem Harz gewonnen: Smp. 171-172O und [ a ] ~ = - 104O.

Depression.

- 668 - logie mit dem Verhalten des amerikanischen zutage trat. Franzosisches Kolophonium (von [ a ] ~ = + 60) wurde 24 Stunden im Kohlendioxyd- strome auf 300° erhitzt und nachher bei 12 mm destilliert,. Nach einem etwa 25% betragenden Vorlaufl) vom Sdp. bis 210° siedet die Haupt- menge des Destillats bei 240 bis 260O. Aus dem gelben kolophoniumahn- lichen Produkt wurde durch viermaliges Umkrystallisieren aus Aceton eine Harzsaure vom Smp. 180 bis 183O und [ a ] ~ = + 55O (in 3-proz. alkohol. Losung) gewonnen. Die analog aus dem amerikanischen Kolophonium2) isolierten Sauren zeigten Smp. zwischen 170 und 179O und [ a ] ~ = + S o bzw. +46O.

?3. Uber ein einheimisches Fichtenharz.

Wahrend man die urspriinglichen Sauren des amerikanischen I3arzes noch nicht genauer untersucht hat, sind als derartige Bestand- teile des Galipots die Lavo-pimarsaure und die Dextro-pirnarsaure besonders durch die Arbeiten A . T7e~terberg.s~) bekannt geworden. Spater haben P.. Klason und J . Kohler4) aus schwedischem Fichten- harz, ferner J . Kohler5) aus dem Harz schweizerischer Rottannen (aus der Gegencl von Wengen) und schliesslich St. Leskiewiczs) aus polnischem’ Fichtenharz die moglichst unveranderten Harzsauren durch direktes Umkrystallisieren gewonnen. Die chemischen Eigen- schaften dieser Sauren sind nur wenig untersucht. Zur Orientierung uber die physikalischen Konstanten diene folgende kleine Zusammen- atellung :

Smp. [alD ‘1 Lavo-pimarsawe . . . . . . . . . . 140-150° - 272O Dextro-pimarsaure . . . . . . . . . 211O ca. -+ 580 s) Saure aus schwed. Fichtenharz . . . 144-148O - 166O Saure aus schweiz. Rottannenharz . . 144-147O -2790 Saure aus poln. Fichtenharz . . . . . 142-144O - 1050

Mit Ausnahme der Dextro-pimarsaure, die einer anderen Harz- sauregruppe angehort s), handelt es sich uni stark linksdrehende Ver- bindungen, die wohl alle zur Abietinsauregruppe zu zahlen sind. J . iMeyer9) und der eine von uns zeigten, dass die Abietinsauren des

j Vgl. daruber eine folgende Abhandlunp. 2 , Helv. 5, 338 (1922). 3, B. 18, 3331 (1885); 19, 2167 (1886); 20, 3248 (1887); 38, 4125 (1905). 4j J. pr. [2] 73, 337 (1906). ’) In alkoholkcher Losung. 5, J. pr. [2] 85, 523, 534 (1912). 8 , Vgl. eine spatere 3fitteilung. 8 , J. pr. [2] 81, 403 (1910). 9, Helv. 5, 315 (1922).

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amerikanischen Kolophoniums - also Sauren, die schon ziemlich hoher Ternperatur ausgesetzt waren - in den drei Ringen des hy- drierten Retengerustes noch zwei Kohlenstoffdoppelbindungen auf- weisen. %s ist nun von Interesse zu untersuchen, ob auch ursprungliche Natursauren, die nicht iiber 70--80° erhitzt wurden, gleichfalls zwei Doppelbindungen enthalten oder aber nur eine Doppelbindung neben einem labilen vierten Ring, der dann durch Einwirkung erhohter Tem- peratur oder starker Sburen gesprengt werden konnte.

Um von einem vollstandig einwandfreien Material auszugehen, untersuchten wir zunachst ein im August 1922 am Zurichberg ein- gesammeltes Fichtenharz. Dieses wurde vom Baume abgekratzt und durch Auflosen in Ather und Filtrieren von Verunreinigungen getrennt. Die atherische Losung wurde am Wasserbade verdampft (unter SO0) und der gelbe zahflussige Ruckstand einige Wochen bei 7' ammer- temperatur stehen gelassen. Die danach abgeschiedenen Krystalle wurden abgenutscht und durch Aufstreichen auf Tonteller vom an- haftenden Harz grosstenteils befreit. Nach dreimaligem Umkrystalli- sieren aus Aceton schmelzen die farblosen Krystalle bei 142-14A0 und zeigen [U]D= - 138O (in 5-proz. alkohol. Losung). I

Herr Dr. E. Widmer hat auf Veranlassung von Herrn Prof. Dr. P. Niggli eine krystallographische Untersuchung der SBure durch- gefuhrt und berichtet dariiber folgendes :

Ursprungliche Abietinsaure aus Ziirichbergfichtenhnn.

nS

-.-+ +-- -,_.-. "1,

Die Krystalle erscheinen als rectanguliire Tiifelchen. Parallel zu den Umgrenzungekanten findet gerde Ausloschung statt. Die optkche Achsenebene steht mit ihrer spitzen positiven Bisektrix ny senkrecht auf der tafelig ausge- bildeten Fliiche und lie@ parallel zu den kiirzern Umgrenzungs kanten.

Auch fruhere Beobachter geben fur die ursprunglichen Harz- sauren der Abietinsauregruppe rechteckige Krystallformen an').

l) Vgl. dariiber X t . Leskiemkz, 1. c.

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Analyse der Saure: 0,1064 gr Subst. gaben 0,3108 gr CO, und 0.0967 gr H 2 0 0,0997 gr Subst. gaben 0,2913 gr CO, und 0.0904 gr H,O

C,,,H,,lO, Ber. C 79,41 H 10,Olo/, Gef. ., 79,67; 79,67 ,, 10.17; 10,02"/,

K a t a l y t isch e R e d u k t i o n . In Essigesterlosung in Gegenwart von Platinschwarz, nahm die Saure 1x4 gewohnlicher Teniperatur etwa 12/3 Mol Wasserstoff auf und durch Aktivieren des Platins mit Luft nach T#Vallstatter und Waldschmidt-Leitxl) und gelindes Erwarmen der Reaktionsmischung noch etwa 1/3 Mol. Das Reaktionsprodukt war auch entsprechend dieser Wasserstoffaufnahme eine T e t r a h y d r o - abietinsaure. Die in der iiblichen Weise isolierte Saure schmolz nach mehrrnaligein Urnlosen aus Essigester bei 168 bis 170°, [a]D = + 1 9 O (in 4,5-proz. alkohol. Liisung).

0,1058 gr Subst. gaben 0,3052 gr CO, und 0,1062 gr H,O 0,1108 gr Subst. gaben 0,3185 gr CO, und 0,1114 gr H,O

C,t,H,,O, Ber. C 78,36 H 11,19% Gef. ., 78 67; 78,40 ,, 11,23; 11,25O/,

Die Hydrierung ging also hier eher noch leicliter vor sich, als bei den Abietinsauren, die aus dem amerikanischen Kolophoniuni gewonnen waren. Es 2iegt danach auch bei unserer Saure eine xweifach unge- sattigte Verbindung vor 2).

I s o m e r i s i e r u n g m i t Eisessig. Unsere Saure ist,, wie a u i obigem Bericht folgt, krystallographisch von den monoklinen Abietin- sauren, die durch Einwirkung hoherer Temperatur und starker Sauren aus dem Kolophonium entstehen, verschieden und gleicht in dieser Beziehung der sog. ,,Lava-pimarsaure", die nach Broegger3) rhombisch krystallisiert. Es wurde schon erwahnt, dass sich zwischen der ,,Lava- pimarsaure", der polnischen Fichtenharzsaure und den Abietinsauren

l) B. 54, 113 (l921). z, Im Zusammenhange damit sei noch erwahnt, dass Sureda Blan.es (Anales de

la Soc. espaii. de fis. y quim. 13, 176 (1915)) durch Destillation des spanischsn Kolo- phoniums bei 12 mm und Umkrystallisieren des Destillats gleichfalls eine zur Abietin- siuregruppe gehorige Harzsaure vom Smp. 153 bis 154O und [ a ] ~ = - 5 S 0 erhielt, die bei der katalytischen Hydrierung eine Tetrahydrosaure lieferte. Diese Arbeit, die im Chernischen Centra1b:latt nicht referiert ist, wurde uns erst kiirzlich durch ein Referat in SOC. (Abstracts) 1915, 493 bekannt. Der Autor nimrrit zwar fiir seine Harzsiiure, wohl auf Grund von Analysen eines teilweise autoxydierten Praparates, die schou langst von Levy (1. c.) und s,pater aueh von verschiedenen ander,en Forschern (besonders durch Analyse des Silbersalzes) widerlegte Formel C,,H,,O, an. Es sei betont, dass zur Analyse nur im Vakuum getrocknete und unter L u f t a b s c h l u s s aufbewahrte Praparate ver- wendet werden diirfen.

B. 20, 3248 (1887); krystallographisch identisch mit diescr Saure ist auch die von J . Kohler aus schweizerischem Rottannenharz kolierte, vgl. 1. c.

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des amerikanischen Kolophoniums ein Zusammenhang herstellen liess, indem aus diesen Gruppen durch Chlorwasserstoff die gleiche Saure vom Smp. 17Io entsteht. Wir haben einen weiteren solchen Zusammen- hang aufgefunden durch uberfuhrung der amerikanischen und fran- zosischen Harzsauren in unsere Abietinsaure vom Smp. ca. 158 bis 160°. Es wurde deshalb gepruft, ob sich nicht auch von der Zurichberg- Harzsaure aus Beziehungen zu der Abietinsauregruppe auffinden lassen. Zu diesem Zwecke wandten wir die Methode \Ton L. Steelel) an, der gezeigt hatte, dass durch Einwirkung von kochendem Eisessig auf amerikanisches Kolophonium eine Abietinsaure vom Smp. 161 bis 165O und [ a ] ~ = - 80° entsteht, die mit unserer Hoch- vakuum-Abietinsaure wohl in der Hauptsache identisch sein diirfte und zwar um so mehr, als bcide $Buren auch krystallographisch identisch sind. Wir haben daher die Zurichbergharzsaure durch zwei- stiindiges Kochen mit der doppelten Menge Eisessig nach L. Steele isomerisiert. Die nach dem Erkalten abfiltrierten Krystalle wurden dreimal aus Aceton umkrystallisiert, wobei der konstant bleibende Smp. 162 bis 164O erreicht wurde; [ a ] ~ = - 92O (in 3-proz. alkohol. Losung). Die Mischprobe mit einer gleichschmelzenden Abietinsaure aus amerikanischem Kolophonium zeigt keine Depression. Wie aus einer vergleichenden Untersuchung dieser umgelagerten Saure mit unserer Elochvakuumabietinsaure vom Smp. 158O folgt, liegt auch fast vollstandige krystallographische Identitat vor. Herr Dr. E. Widmer, der auf Veranlassung von Herrn Prof. Dr. P. Niggli diese Untersuchung ausgefiihrt hat, berichtet daruber :

Entwicklungsformen : Die beiden Korper krystallisieren monokl in hernimorph und zeigen folgende

iii Fig. 1. Fig. 2.

Abietinsaure aus Ziirichbergfichtenharz. AbietinsLure aus amerik. Kolophoniurn.

l) Am. SOC. 44, 1333 (1922).

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Gemeinsame Formen :

a{100) , p{iio} , w{iii)

individuelle Formen : individuelie Formen:

I1111 = ~ ( l l l ) und ~'(ili) (111) =,(ill) und ~'(111)

(001) = ~ ( 0 0 1 ) und c'(00i)

(110) = m(110) und m'(il0)

{lo'} = r (loi) und r' (iol)

Der Vergleich der nachstehend zusammengestellten Resultate ergibt, dass die beiden genannten Priiparate sowohl unter sich, wie such mit den von Gaberl) bereite beschriebenen Krystallen im weaentlichen ubereinstimmen. Gemeinsames und Ver. schiedenes in der Formenentwicklung geht aus der obigen Darstellung hervor.

Ziirichbergharz

a : p = l W : iio 47O 41 ' (47" 38'-47O44')

a : c = 100 :: 001 67O41' &' : W' = loo : Ti1 70° 39' a* : r' = loo ,: i o i -

Die wichtigsten Winkelwer te sind die folgenden:

amer. Koloph.

47OO6'--47O 37' Mittelwert: 47O20'

- 70O27' 63O 16'

nach Graber ____

47 O 40'

67O41' 70° 32' -

Aus obigen Daten ist zu ersehen, dass in den Winkelwerten dieser Korper eine gute Ubereinstimmung herrscht mit Ausnahme desjenigen von a : p bei der Silure aus amerik. Kolophonium. Infolge schlechter Beschaffenheit dieser Flachen ergaben sich Werte, die zwischen 47O 06' und 47037', also weit ausserhalb der iiblichen Fehlergrenze liegen. Als Mittelwert von 6 Messungen resultiert 47O20', ein Wert, der iibereinstimmt mit

DuponP) 100 : i io = 47O17' Schku:ateZow*) 100 : IIO = 47O18'

Wir finden in der Literatur Werte von 47O15' (Weetergurd4)) iiber die genannten 47O17' und 18' zu 47O29' ( M e w i n s ) ) und weiter bis 47O40' (Gruber). Da nach A. Duffoura), die in ihrer Gesamtheit a18 ,.AbietinsLure" bezeichneten SLuren C,,H,,,O, des Kolo- phoniums eine fortlaufende Mischkrys ta l l - re ihe bilden, sind diese Schwankungen in den Winkelwerton zu verstehen.

l) M. 15, 627 (1894); aus amerikanischem Kolophonium gewonnen. 2, Dupont, B1. [4] 29, 723 (1921). 3, Schkutelow, Monit. so. 17, 217 (1908). 4, B. 39, 3043 (1906).

6 , A . Duffour, C . R. 175, 109 (1922). Am. SOC. 44, 1333 (1922).

- 673 - Ob es sich in unserm Falle um genau dieselben Korper oder urn verschiedene

Glieder dieser Mischkrystallreihe handelt, ist wegen der UnmogEchkeit einer genauen Messung besagten Winkels mit Sicherheit nicht zu entacheiden.

Die Ubrigen Eigenschaften dieser Krystalle stimmen mit den von Craber ange- gebenen uberein:

Spa l tbarke i t nach {loo} und {Ool}. Optische Orientierung: Achsenebene parallel zu (010). Ausloschungsschiefe

Die krystallographischen Untersuchungen haben danach eine sehr weitgehende Ubereinstimmung verschiedener Abietinsauren ergeben, deren Smp. (von 155O der Same Mach’s1) bis 180° der Levy’schen2) Saure) und spezifische Drehung (von ca. i- 3 O derlevy’schn Saures) bis ca. - looo der Saure von Leskiewicz4)) stark voneinander abweichen.

ca. 130 im spitzen Winkel 8. Auf (100) und (001) je ein Achsenbild sichtbar.

Kurze Zusammenfassung.

Es liessen sich alle bisher untersuchten Fichtenharzsauren (mit Ausnahme der Dextro-pimarsaure) durch Isomerisierung mittels Sauren oder hliherer Temperatur in Vertreter der A bietinsauregruppe iiberfiihren, fiir die das Retenskelett und hauptsachlich die Kr ystallform charakteristisch ist. Soweit genauere Untersuchungen reichen, besteht die Abietinsauregruppe aus xweif ach ungesattigten tricyclischen Verbindungen 3.

Zurich, Chem. Institut der Eidg. Techn. Hochschule.

l ) M. 14, 186 (1893. 2, B. 39, 3043 (1906).

Helv. 6, 338 (1922); bei einer analog gewonnenen Slime wurde [ a h sogar zu + 460 gefunden.

4) J. pr. [2] 81, 403 (1910). 6) Aschn, Ekkolm und Virtanen, A. 424, 117 (1921) nehmen zwar fur ihre Pin-

abietinsliure ein tetracyclisches einfach ungesilttigtes Ringsystem an, was jedoch noch einer genauereji Bestiitigung bedarf.

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