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zum Schutz der Gesundheit erforderlich er-scheint. Die Kontrolle der Wasserqualitäterfolgt dabei direkt an der Zapfstelle desVerbrauchers. Damit werden Verunreini-gungen und Keime erfaßt, die in das Trink-wasser erst in der Hausinstallation einge-tragen werden. Im Blickpunkt befinden sichLegionellen, die oft eine tödliche Infektionauslösen. Diese können sich in einer unterhygienischen Gesichtspunkten mangelhaf-ten Installation in gesundheitsgefährden-dem Maße vermehren.

Legionellen – die weitgehendunbekannte Gefahr

Die Legionärskrankheit ist nach einer Epi-demie benannt, die 1976 während einesVeteranentreffens in einem Hotel in Phila-delphia auftrat. Damals erkrankten etwa200 Teilnehmer, rund 30 davon tödlich.Auslöser dieser oft lebensbedrohenden In-fektion sind Legionellen. Diese sind stäb-chenförmige Bakterien ohne besonderemorphologische Charakteristika. Von ihnenexistieren über 40 Arten, die wichtigste istLegionella pneumophila. Besonders gefähr-det sind Personen mit geschwächtem Im-munsystem wie Senioren, Kleinkinder,chronisch Kranke oder Raucher. Die Infek-

tion erfolgt durch Einatmen der Bakterienin einem aerosolförmigen Luft-Wasser-Ge-misch, beispielsweise beim Duschen. Le-gionellen, die prinzipiell in jedem Wasservorhanden sein können, vermehren sich be-sonders stark in stagnierendem bezie-hungsweise stehendem Wasser bei Tem-peraturen zwischen 20 und 40 °C. Bei Tem-peraturen über 50 °C beginnt ein Pasteu-risierungsprozeß und die Zahl der Bakteriennimmt ab.

Funktion der Zirkulation im Wandel

In den Mittelpunkt technischer Diskussio-nen über geeignete vorbeugende Maß-nahmen in größeren haustechnischen An-lagen rückt dabei schnell die Zirkulations-leitung. Damit nach Entnahmepausen anden Entnahmestellen in möglichst kurzerZeit erwärmtes Trinkwasser entnommenwerden kann und Wasserverluste vermie-den werden, sind größere Anlagen mit Zir-kulationssystemen oder Begleitheizungenauszurüsten. Neben dem Komfort dient dieZirkulationsleitung vor allem der Energie-und Wassereinsparung. Doch insbesonde-re die Aufrechterhaltung eines ausreichen-den Wasserumlaufs und die Sicherung ei-

Seit Januar 2003 ist die neue Trink-wasserverordnung in Kraft. Sie besagtin § 4 allgemeine Anforderungen un-

ter anderem, daß Wasser für den mensch-lichen Gebrauch frei von Krankheitserre-gern, genußtauglich und rein sein muß. Daszuständige Gesundheitsamt überprüft ein-mal jährlich öffentliche Entnahmestellen,beispielsweise Wasserversorgungsanlagenin Kindergärten, Schulen, Sportstätten,Gaststätten und Hotels. Aber auch sonsti-ge Anlagen können auf Anordnung derBehörden untersucht werden, wenn dies

Hydraulischer und thermischer Abgleich von Zirkulationssystemen

Hitze stoppt Legionellen Konstant ausreichender Wasser-umlauf und Sicherung eines be-stimmten Temperaturniveaus sindentscheidende Einflußfaktoren,um haustechnische Anlagenkeimfrei zu halten. Im nachfol-genden Beitrag beschreibt derAutor verschiedene Verfahrenzum Schutz vor Legionellen undgeht auf die thermische Desin-fektion ein.

Das Strangschema zeigt ein Warmwasserzirkulationssystem, das mit thermostatischen Zirkulationsventilen abgeglichen ist

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nes bestimmten Temperaturniveaus sindentscheidende Einflußfaktoren, um die haus-technische Anlage keimfrei zu halten. Daserfordert geeignete Methoden des hydrau-lischen Abgleichs. Gerade viele Altanlagenwurden nie richtig abgeglichen und sichernkein ausreichendes Temperaturniveau in al-len Strängen. Häufig zirkulieren ganze Ab-schnitte nicht mit. Die Auslegung und Be-messung von Zirkulationsleitungen be-schreiben DIN 1988 und DVGW-Arbeits-blatt W 553. Die Arbeitsblätter W 551 undW 552 befassen sich mit technischen Maß-nahmen zur Verminderung des Legionel-lenwachstums und geben einen Überblicküber Desinfektionsmethoden. Die Zusam-menfassung dieser beiden Arbeitsblätterzum neuen Arbeitsblatt W 551 liegt imEntwurf vor. Grundsätzlich darf das ange-wandte Desinfektionsverfahren keine ne-gative Auswirkung auf die Trinkwasser-qualität haben. Die Grenzwerte der Trink-wasserverordnung müssen auf jeden Falleingehalten werden. Bekannte Desinfek-tionsverfahren sind beispielweise die Zuga-be chemischer Stoffe wie Chlordioxid, Cal-ciumhypoclorid oder Wassserstoffperoxid.Durch anodische Oxidation oder UV-Be-strahlung des Wassers kann ebenfalls eineDesinfektion erreicht werden. Die UV-Be-strahlung wird auch in Kombination mit ei-ner Ultraschallbehandlung des Wassers ge-gen in Amöben bewirtete Legionellen an-geboten. Am einfachsten erscheint häufigeine thermische Desinfektion durchführbar,da die benötigten technischen Vorausset-zungen – wie Trinkwassererwärmer – be-reits vorhanden sind. Zur thermischen Des-infektion ist das gesamte System für einenbestimmten Zeitraum auf über 70 °C auf-zuheizen.

Thermischer Abgleich schützt vor Keimen

Für den dauerhaften Betrieb der Anlageempfiehlt das entsprechende DVGW-Ar-beitsblatt eine Zirkulationstemperatur von60 °C in der gesamten Anlage. Die Tem-peratur im Leitungsnetz darf dabei um ma-ximal 5 °C gegenüber der Speicheraustritts-temperatur auf 55 °C absinken. Um eingleichmäßiges Temperaturniveau in der An-lage zu erreichen, ist ein thermischer Ab-gleich nötig. Einfacher als das zeitaufwän-dige Einregulieren von manuellen Drossel-ventilen ist ein automatischer thermischerAbgleich mit thermostatischen Zirkulati-onsventilen. Dazu wird ein in der Zirkula-tionsleitung eingebautes Thermostatventilauf die gewünschte Temperatur eingestelltund regelt so automatisch den für dieses

Temperaturniveau erforderlichen Mas-senstrom. Wird vom Anlagenbetreiber einethermische Desinfektion gewünscht, kön-nen entsprechende Ventile ausgewähltwerden, die einen Desinfektionsvolumen-strom bei Temperaturen über 70 °C zulas-sen. Modulare, unter Betriebsbedingungenaufrüstbare Ventile sind besonders flexibel,da eine thermische Desinfektion oft im nor-malen Anlagenbetrieb nicht erforderlich istund erst zu einem späteren Zeitpunkt ge-wünscht wird. Zudem erreichen sie durchgetrennte Thermostatelemente für denthermischen Abgleich und die thermischeDesinfektion eine hohe Genauigkeit der je-weiligen Funktion.

Wahl der richtigenZirkulationstemperatur

Beim Betrieb eines Zirkulationssystems mitTemperaturen von 60 °C und mehr sind da-mit verbundene Risiken zu beachten undabzuwägen. Da wäre zum einen die Kalk-ausfällung in der Anlage, die neben derWasserhärte in erheblichem Maße von derTemperatur abhängt. Bei verzinkten Eisen-werkstoffen besteht bei steigender Tempe-ratur ein erhebliches Korrosionsrisiko. Nichtzu unterschätzen ist darüber hinaus die Ver-brühungsgefahr. Auch hier sind besondersältere Menschen und Kleinkinder gefähr-det, die oft nicht schnell genug reagierenkönnen. Ein Betrieb des Zirkulationssystemsmit niedrigeren Temperaturen bei gleich-zeitiger Sicherstellung der Legionellenfrei-

heit durch eine der genannten Desinfek-tionsmethoden kann eine Alternative sein.Bei UV-Bestrahlung oder elektrolytischerBehandlung des Wassers ist eine niedrige-re Zirkulationstemperatur durchaus mög-lich. Voraussetzung ist der einwandfreiethermische Abgleich des Systems und da-mit die Vermeidung von stagnierendemlauwarmen Wasser in Teilsträngen. InSchwimmbädern sind beispielsweise Ver-fahren mit Zirkulationstemperaturen vonrund 40 °C bei permanenter thermischerDesinfektion des Speicherinhalts häufig an-zutreffen. Dies erfolgt durch ausreichendlange Temperierung des Trinkwassers imSpeicher vor der Entnahme.

Geregelte periodischethermische Wasserbehandlung

Unterstützend oder als weitere Sicherheits-maßnahme kann das Leitungsnetz zusätz-lich zu den genannten Methoden einer pe-riodischen thermischen Behandlung unter-zogen werden. Die bereits erwähnten ther-mostatischen Zirkulationsventile mitselbsttätiger Unterstützung der thermi-schen Desinfektion ermöglichen lediglicheine Desinfektion bei Temperaturen über70 °C. Je nach Hydraulik des Systems er-reichen alle Stränge nach einer unbe-stimmten Dauer ihren Desinfektionsvolu-menstrom. Eine weitere Einflußnahme aufden Desinfektionsprozeß und seine Opti-mierung sind nicht möglich. ZusätzlicheMöglichkeiten bieten hier neue, modular

Das Legionellenwachstum steht in enger Abhängigkeit zur Temperatur, eine starke Vermeh-rung der Bakterien findet in stagnierendem oder stehendem Wasser bei 20 bis 40 °C statt

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aufrüstbare thermostatische Zirkulations-ventile wie das MTCV von Danfoss. In Ver-bindung mit Stellantrieb, Temperaturfühlerund elektronischem Regler CCR, der auchin eine vorhandene oder geplante Gebäu-deleittechnik eingebunden werden kann, istdie gezielte Steuerung der Desinfektionstem-peratur und -dauer für Stränge möglich.Einmal auf richtige Temperatur eingestellt,sorgen die Ventile im normalen Anlagen-betrieb automatisch für einen thermischenAbgleich der Zirkulation. Ist die vorgege-bene Desinfektionstemperatur am Speicher-austritt erreicht, wird der Desinfektionspro-zeß gestartet. Die Stellantriebe öffnen und

geben einen Bypass im MTCV frei. Dabeiwerden die hydraulisch günstigsten Strängezuerst bei entsprechender Temperatur desin-fiziert. Wurde ein Strang über die am CCRprogrammierte Zeitdauer entkeimt, schließtder Bypass wieder. Der ganze Prozeß derperiodischen thermischen Desinfektionkann so kontrolliert und vor allem zeitlichoptimiert werden. Nach Abschluß der Des-infektion sendet CCR ein Signal an den Kes-selregler, um die Vorlauftemperatur wiederin den Normalbetrieb abzusenken.

Zum Schutz vor Legionellen gibt es ver-schiedene Verfahren. Grundlage füreinen sicheren Anlagenbetrieb ist im-

mer ein thermisch abgeglichenes Zirkula-tionssystem, um Stagnation und erneutesVerkeimen des Wassers zu verhindern. Beider Wahl der geeigneten Zirkulationstem-peratur sind neben der Legionellenprophy-laxe verschiedene andere Aspekte, wie Ver-kalkungs- und Verbrühungsrisiko, abzuwä-gen. Der thermische Abgleich der Zirkula-tionsleitungen untereinander erfolgt überthermostatische Zirkulationsventile. Mit ih-nen ist beispielsweise eine selbsttätige ther-mische Desinfektion bei Temperaturen über70 °C oder eine elektronisch geregelte ther-mische Wasserbehandlung als alleinigeDesinfektionsmaßnahme beziehungsweiseunterstützend zu anderen Desinfektions-methoden möglich.

Literatur:– Trinkwasserverordnung (TrinkwV) vom 28.

Mai 2001– Infektionsschutzgesetz (IfSG) vom 20. Juli 2000– DIN 1988 Teil 1 bis 8: Technische Regeln für

Trinkwasserinstallationen Ausgabe Dezem-ber 1988

– DVGW Arbeitsblatt W 551: Trinkwasserer-wärmungs- und Leitungsanlagen; TechnischeMaßnahmen zur Verminderung des Legio-nellenwachstums; Ausgabe 03/1993

– DVGW Arbeitsblatt W 552: Trinkwasserer-wärmungs- und Leitungsanlagen; TechnischeMaßnahmen zur Verminderung des Legio-nellenwachstums; Sanierung und Betrieb;Ausgabe 04/1996

– DVGW Arbeitsblatt W 553: Bemessung vonZirkulationssystemen in zentralen Trinkwas-sererwärmungsanlagen; Ausgabe 12/1998

– DVGW Arbeitsblattentwurf W 551/W 552:Trinkwassererwärmungs- und Leitungsanlagen;Technische Maßnahmen zur Verminderungdes Legionellenwachstums; Entwurf Ausga-be 07/2002

– VDI-Richtlinie VDI 6023 HygienebewußtePlanung, Ausführung, Betrieb und Instand-haltung von Trinkwasseranlagen; AusgabeDezember 1999

– Deutsche Gesellschaft für das Badewesene.V. Merkblatt 64.01 Legionellenprophylaxein Warmwassersystemen von Bädern; Aus-gabe Mai 1997

Der MTCV-A ist ein modulares thermostati-sches Regelventil zum Einsatz in die Warm-wasserzirkulation

In Verbindung mit dem elektronischen Zirku-lationsregler CCR arbeitet der MTCV vollau-tomatisch und läßt sich mit einem Gebäude-leittechniksystem verbinden

Dipl.-Ing. Michael Hartmann

ist Produktingenieur fürThermostatventile undStrangventile bei Danfoss,63073 Offenbach, Telefon(0 69) 4 78 68-5 00, Tele-fax (0 69) 47 86 85 99,

E-Mail: [email protected], Internet: www.danfoss-waermeautomatik.de


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