Jenseits von Buch, Verlag und Buchhandel.Literarische Wertschöpfung in Sozialen Medien
Ringvorlesung des Interdisziplinären Zentrums für Literatur und Kultur der Gegenwart:Bestandsaufnahmen. Literatur im (post-)digitalen ZeitalterErlangen, 31. Januar 2018
Prof. Dr. Svenja Hagenhoff Professur für E-Publishing und Digitale MärkteFriedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg
2
Wird da noch irgendwas ›geschöpft‹?
https://www.techdirt.com/blog/innovation/articles/20120409/12273718432/publishing-isnt-job-anymore-its-button.shtml [15.07.2014]
1. Disziplinäre Einordnung: Zugang aus der Perspektive der Medienökonomik
2. Zum Begriff der Wertschöpfung
3. Zum Stand der Erkenntnis
4. Zwischenfazit: Postdigital?
5. Theorieangebote: Eklektischer Überblick
6. Theorieauszug 1: Pfadabhängigkeiten und Paradigmen
7. Theorieauszug 2: Prosumenten oder sekundäre Leistungsrollen
8. Desiderat
3
Gliederung
4
Disziplinäre Einordnung der Medienökonomik
Wirtschafts-wissenschaft
Publizistik u. Kommunikations-
wissenschaft
Analyseobjekt • Bedürfnisse und Knappheit • Koordination arbeitsteiliger
Prozesse
Analyseobjekt• Öffentliche mediale Kommunika-
tion, insb. ›Massen…‹• Gesellschaftsbildung über
Austausch von Meinung und Information
5Hagenhoff 2016 - Ökonomie
Analyse-Ebenen
MakroPerspektive Institutioneller Rahmen:
Bedingtheiten von Wahlhandlungen in Bezug auf Medien und Kommunikation
MesoPerspektive Überindividuelles Wertschöpfungssystem:
Gefüge aus Akteuren in Bezug auf Medien und Kommunikation
MikroPerspektive Individuelle Wahlhandlungen:
Entscheidungen von Akteuren in Bezug auf Medien und Kommunikation
1. Disziplinäre Einordnung: Zugang aus der Perspektive der Medienökonomik
2. Zum Begriff der Wertschöpfung
3. Zum Stand der Erkenntnis
4. Zwischenfazit: Postdigital?
5. Theorieangebote: Eklektischer Überblick
6. Theorieauszug 1: Pfadabhängigkeiten und Paradigmen
7. Theorieauszug 2: Prosumenten oder sekundäre Leistungsrollen
8. Desiderat
6
Gliederung
7
Wertschöpfung = Transformation und Transaktion
Akteur Endnach-frager
Leistungen & Property Rights
i.d.R. Geld
Input OutputOutputAkteur
Input
Leistungen & Property Rights
i.d.R. Geld
• Alle Tätigkeiten zur Erzeugung von Leistungen im Sinne von Problemlösen
• Wertschöpfung als Transformation: Umwandlung von Produktionsfaktoren (Input) in Leistung (Output)
• Wertschöpfung als Transaktion: Suche nach Partnern in arbeitsteiligen Prozessen sowie Übertragung von Leistungen & Property Rights sowie Gegenwerten
8
Ausdifferenzierung der Wertschöpfungskette
Wertschöpfung
Produzent Distributor 1 Distributor 2
Produzent 1 Distributor 1 Distributor 2Produzent 2
Produzent Distributor
›Alleskönner‹
9
Wertschöpfung in der Medienwirtschaft
Produktion Distribution Konsum
Erze
ugen
Vere
deln
Bünd
eln
Fert
igen Akquisitorische Distribution
Logistische Distribution
Lesen
Schenken
Regalstellen
Hagenhoff 2015 - Verlage, Schmidt 1992, S. 280 – 380.
nach Schmidt: Produktion VermittlungRezeption,
Verarbeitung
Sele
ktie
ren
10Hagenhoff 2015 -Verlage
Akteure in der Wertschöpfung: Produktion
Produktion
Erzeugen Veredeln Bündeln Fertigen & Vervielfältigen
• Urheber
• Übersetzer
• Verlag
• Plattformbetreiber (Dienste)
• Verlag
• Dienstleister, z.B. Lektoren
• Druckerei, Binderei
• Konvertierungs-Dienstleister
• Plattformbetreiber
Selektieren
• Verlag
• Agenten
11Hagenhoff 2015 - Verlage; zu den Funktionen des Handels z.B. Müller-Hagedorn et al. 2012
Akteure in der Wertschöpfung: Distribution
Distribution
Akquisitorische Distribution:vermarkten, selektieren, informieren
Logistische Distribution:Raum- und Zeitüberbrückung
• Verlag
• Zwischenhandel
• Einzelhandel
• Bibliotheken
• Literaturvermittlung
• Verbände
• Dienstleister
• Zwischenhandel
• Einzelhandel
• Bibliotheken
• Logistiker
• IT-Infrastruktur-Provider (24/7-Betrieb)
1. Disziplinäre Einordnung: Zugang aus der Perspektive der Medienökonomik
2. Zum Begriff der Wertschöpfung
3. Zum Stand der Erkenntnis
4. Zwischenfazit: Postdigital?
5. Theorieangebote: Eklektischer Überblick
6. Theorieauszug 1: Pfadabhängigkeiten und Paradigmen
7. Theorieauszug 2: Prosumenten oder sekundäre Leistungsrollen
8. Desiderat
12
Gliederung
• Literaturmarkt = Buchmarkt
• Umsatz pro Jahr ca. 9 Milliarden €
• Darin: Digitalumsatz bei ca. 5 % (zum Vgl.: USA ca. 30 %)
• Produktionsstufe• Anzahl der Verlage: ca. 2.300 (theoretisch: atomistische Konkurrenz)• Klein- und mittelständisch organisiert • 1 dominanter Akteur, ca. 19 weitere ›größere‹, Rest nur im Klumpen messbar
• Distributionsstufe • Anzahl der Buchhandlungen: ca. 4.200 • Klein- und mittelständisch organisiert • 2 dominante Akteure, ca. 8 weitere ›größere‹, Rest nur im Klumpen messbar
13
Statistisch erfasster ›Literaturmarkt‹ in der BRD
Hagenhoff 2015 - Verlage
• Alle Akteure mit einem Umsatzvolumen von < 17.500 €
• große Teile des E-Book-Markts
• ›unprofessionelle‹ Literaturproduktion und -distribution (z.B. Self-Publishing, Schreiben von Blogs, ›Laien‹kritik)
• Kommerziell betriebene Plattformen, wie z.B. Goodreads(wahrgenommen und erfasst als Werbe- bzw. Datenmarkt)
• …
14
Statistisch nicht erfasster Literaturmarkt = Schattenökonomie
Alles was keine ISBN hat und sich nicht in einer etablierten und
gelernten Manifestation präsentiert
Alles was nicht über Akteure der definierten Wirtschaftszweige erbracht wird
WZ 58 (Verlagswesen)WZ 46.18.7, WZ 46.49.4, 47.61 oder 47.62
(Handel mit verschiedenen ›Schrift- und Lesemedien‹)
• Nur wenig Forschungen vorhanden • ›Literatur‹ ist kaum ein Forschungsgegenstand der Medienökonomik• Akteure jenseits des etablierten, beobachtbaren und bekannten Wertschöpfungsgefüges sind
kaum ein Thema in Standardwerken, z.B. Lehrbüchern
• Thematisiert ist (eher eklektisch denn programmatisch)• der Einfluss von Rankings und Rezensionen auf den Buchabsatz
z.B. Clement et al. 2006, 2007, 2008
• Bedeutung von Daten als Ressource in der Wertschöpfungz.B. Bründl et al. 2016, Pellegrini 2014, 2017
• die Rolle des ›Users‹ als Werte schöpfender Akteurz.B. Ernst 2019, Ernst 2015, Kuhn/Kraus 2015, Hess 2011, Schaedel/Clement 2010, Bruns 2010, Panzer 2010, Stegbauer 2009
• Zum Forschungsstand der Ökonomie der Buchindustrie: Hagenhoff 2016(Open Access via FAU OPUS)
• Zu Social-Media-Kommunikation vgl. Journal of Computer-Mediated Communication
15
Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis
1. Disziplinäre Einordnung: Zugang aus der Perspektive der Medienökonomik
2. Zum Begriff der Wertschöpfung
3. Zum Stand der Erkenntnis
4. Zwischenfazit: Postdigital?
5. Theorieangebote: Eklektischer Überblick
6. Theorieauszug 1: Pfadabhängigkeiten und Paradigmen
7. Theorieauszug 2: Prosumenten oder sekundäre Leistungsrollen
8. Desiderat
16
Gliederung
»Digitalisierung bedeutet also Zerlegung von Informationen und Rechenoperationen in einen Binärcode (Universaltechnologie), der elektronisch und damit losgelöst von spezifischen Verarbeitungs- und Trägermaterialien mit hoher Geschwindigkeit in großen Mengen und potenziell automatisch verarbeitet wird.« Hagenhoff 2016 –Buchsachgruppen; Hagenhoff 2017
Aufgrund dieser Eigenschaften hat die Digitalisierung das Potenzial, alle Lebensbereiche zu durchdringen und in ähnlicher Weise wie 150 Jahre zuvor die industrielle Revolution gesellschaftliche Verhältnisse grundlegend zu transformieren. Dabei sind Technologisierung und Automatisierung nicht, wie es im Zuge der Industrialisierung der Fall war, auf physikalische Prozesse beschränkt (Fabrik, Haushaltstechnik), sondern betreffen auch nicht-physikalische Prozesse in Organisationen und Privathaushalten (von veränderten Formen der Kommunikation und Wissensbeschaffung bis hin zur Vernetzung von Geräte des alltäglichen Gebrauchs).Forschungsschwerpunkt ›Möglichkeiten und Herausforderungen der Digitalisierung‹ der Philosophischen Fakultät und Fachbereich Theologie der FAU
17
Digitalisierung und jüngere Effekte
• Überhaupt nicht neu: Digitalisierung in Prozessen mit immateriellen Leistungen, z.B. • Massen-Datenverarbeitung in der Bank • Buchen von Tourismus-Leistungen• Herstellen der Druckvorlage von Schrift- und Lesemedien
• Überhaupt nicht neu: Verknüpfung mit physischen Systemen• Steuerung der industriellen Produktion, z.B. Digitaldruck, Print on Demand • Steuerung von Anlagen in logistischen Prozessen, z.B.: Transportbänder im Buch-Großhandel
• Neuer oder richtig neu: Systeme im Privatumfeld / Schnittstelle zum Konsumenten, Bürger…• Elektronische und digitale Marktplätze• Smart Home• Rezeption & Kommunikation (potenziell) ganz ohne Papier
18
Was genau ist neu?
19
Neue Technologien sind schneller entwickelt, als sich die Strukturen der Gesellschaft ändern…
Neue Entwicklungen werden falsch oder verzerrt wahrgenommen
• Falsche Vermessung der Realität führt zu (beruhigenden) Fehlschlüssen»Die E-Book-Umsätze stagnieren, das E-Book ist ein Flop (hurra!)«
• Die gelernte und etablierte Vorstellung von der Welt erzeugt einen Zerrspiegel»Literatur findet in Büchern (= Dings mit ISBN) statt«
20
Postdigitale Realität?
Author Earnings Report USA http://authorearnings.com/report/dbw2017/
Neue Entwicklungen werden mit alten Erfahrungen erfasst und begriffen• Neuartiges ist dann immer defizitär (Kuhn/Hagenhoff 2017; Saxer 1995)
digitale Klone von Print; vermeintlich fehlende Intellektualität von Leserrezensionen; ›das Haptische‹
• Neuartiges wird nicht als eigenständig und eigenständig gestaltbar aufgefasst »Das Digitale ist ein neues Tier«, Passig 2013
21
Postdigitale Realität?
›Internet & Digital‹ = lahme Ente! … oder vielleicht doch Superhase?
Abbildungen von Clasen: http://de.slideshare.net/NicolasClasen/keynote-szv-jahresversammlung-der-digitale-tsunami?from_m_app=ios [26.02.2016]
• Die etablierte Buchbranche ist tendenziell eher konservativ-traditionell eingestellt
• Etablierte Akteure interessieren sich nicht für die gesamte (digitale) WertschöpfungThe Reader‘s Journey interessiert niemanden (alle zusammen sind ›nicht zuständig‹)
• Akteur Verlag weiß nichts (!) über seine Leser (außer, dass es z.B. ›ältere Frauen‹ sind)und das Feuilleton findet es schrecklich, wenn es so wäre
• Buch als quasi unantastbares Kulturgut hat einen Kultstatus das Haptische; ›richtiges‹ Lesen ist Bücherlesen; richtige Inhalte stehen in Büchern
• Das Paradigma ›Seite‹ ist ein dominantes Design »Denknebel« (Frohmann zitiert in Kuhn/Hagenhoff 2017)
• Von innovationsfreudigen Akteuren werden händeringend Mitarbeiter mit brauchbaren Technologie- und Social-Media-Kenntnissen gesuchtdiejenigen, die das können, wollen aber nicht in diese Branche
22
Grobe (eklektische) Thesen zur Buchwirtschaft
Die Beforschung der relevanten Gegenstände steckt nach wie vor im Prä-digitalen:• Akteure in Disziplinen nehmen Digitalphänomene teils gar nicht war
hierzu z.B. Jannidis et al. 2009, Porombka 2012, Trilcke 2013
Konstitutiv begrenzte Perspektiven durch Habitus und eigene disziplinäre Sozialisation
• Disziplinen betrachten bestimmte Gegenstände als ihnen nicht zugehörigLiteratur & Technologie; Buch & Kommunikation hierzu z.B. Saxer 1995
nachdenken über: ›Internet Studies der literarischen Kommunikation‹ z.B. Trilcke 2013; Thomas Ernst
• Disziplinen machen ihre Forschungsgegenstände eigenschaftsbasiert festLiteratur präsentiert sich in einem Objekt namens Buch -> Buch = Codex -> Mangas sind 2seitig
• Achtung starker Tobak: etliche wissenschaftliche Akteure missachten das elementare Qualitätserfordernis der Unparteilichkeit aufgrund von Empathie für den Beobachtungsgegenstand Saxer 2010
vom Untergang bedrohte Kultur; ›das‹ Buch als 1000jähriger Leistungsträger, ›seit meiner frühsten Kindheit bin ich von Büchern umgeben, Bücher sind mir wichtig‹
23
Postdigitale Forschung?
1. Disziplinäre Einordnung: Zugang aus der Perspektive der Medienökonomik
2. Zum Begriff der Wertschöpfung
3. Zum Stand der Erkenntnis
4. Zwischenfazit: Postdigital?
5. Theorieangebote: Eklektischer Überblick
6. Theorieauszug 1: Pfadabhängigkeiten und Paradigmen
7. Theorieauszug 2: Prosumenten oder sekundäre Leistungsrollen
8. Desiderat
24
Gliederung
25
Zugänge und komplexe Denk- und Theoriegebäude Erklärung von Arrangements der arbeitsteiligen Wertschöpfung, z.B.• Neue Institutionenökonomie • Neue Wirtschaftssoziologie • Organisationstheorien• …
Erklärungen zum Entstehen und zur Durchsetzung von Neuem• Innovationsforschung der Gesellschaftswissenschaften• Innovationsforschung der Verhaltenswissenschaften • …
Erklärungen in Bezug auf spezifische Ressourcen (Technik – menschliche Arbeit) • Techniksoziologie (soziotechnische Konstellationen)• Betriebswirtschaftslehre (Kernkompetenzen und »sinnhafte Automatisation«)• Recht des Geistigen Eigentums und Technikrecht • …
1. Disziplinäre Einordnung: Zugang aus der Perspektive der Medienökonomik
2. Zum Begriff der Wertschöpfung
3. Zum Stand der Erkenntnis
4. Zwischenfazit: Postdigital?
5. Theorieangebote: Eklektischer Überblick
6. Theorieauszug 1: Pfadabhängigkeiten und Paradigmen
7. Theorieauszug 2: Prosumenten oder sekundäre Leistungsrollen
8. Desiderat
26
Gliederung
»Hat sich einmal aufgrund historischer Zufälle und gesellschaftlicher Kräftekonstellationen eine Lösungsvariante durchgesetzt, dann gewinnt sie durch Nachahmung, Anpassung und Routinebildung die determinierende Kraft eines auf seine Bahn geschleuderten Geschosses, bildet […] eine technische Trajektorie (technological trajectory).« (Rammert 2008, S. 308)
Weitere Entwicklung schreitet auf Pfad entlang: »Thus, a technological trajectory is a cluster of possible technological directions whose outer boundaries are defined by the nature of the paradigm itself« (Dosi 1982, S. 154)
27
Pfadabhängigkeiten
Dogruel 2013, S. 159; Rammert 2008; Dowling/Walter 2007; Holtmann 2008
• Selbstverständnis (Mindset), z.B. bei der Wahrnehmung bestimmter Sachverhalte:»A dominant general management logic is defined as the way in which managers conceptualize the business and make critical resource allocation decisions-be it in technologies, product development, distribution, advertising, or in human resource management.« (Prahalad/Bettis 1986, S. 490)
• Spielregeln, die sich in einer definierten Wettbewerbsarena etabliert haben und das Verhalten von Akteuren beeinflussen
• Konfiguration einzelner Komponenten von Geschäftsmodellen, die sich erfolgreich etabliert haben
• komplexes Muster von Handlungsanweisungen und technologischen Anwendungen
• Das Brechen der dominanten Logik wird mit Innovation, Disruption oder auch Zerstörung assoziiert
28
Paradigma oder Dominantes Design
29
Ein beeindruckendes dominantes Design: die Seite
30
Ein beeindruckendes dominantes Design: die Seite
»Per Wischen mit der Finger-spitze kann die Tageszeitung
in gewohnter Optik durchgeblättert werden«
(NN 13.01.2018)
31
Ein beeindruckendes dominantes Design: die SeiteMagazin Cicero
32
Ein beeindruckendes dominantes Design: die SeiteMagazin Geo Epoche
33
Ein beeindruckendes dominantes Design: die SeiteMagazin Digital Publishing Report
34http://progresstech.jp/tsumikii/zenkan/index_en.html
Ein beeindruckendes dominantes Design: die Seite
• Alleinstellungsmerkmal unter den E-Book-Readern: 2-PAGE DISPLAY!
• Designt für die Rezeption von Mangas, welche »nativ doppelseitig sind«
• »This dual-screen manga ebook is so book-like you can’t load new content.«
E-Reader eOneBook von Progress Technologies
35Abbildung: Marcousé et al. (2015): Das Management-Buch. München.
»It is so horse-like it will never be faster than 20 km/h«
1. Disziplinäre Einordnung: Zugang aus der Perspektive der Medienökonomik
2. Zum Begriff der Wertschöpfung
3. Zum Stand der Erkenntnis
4. Zwischenfazit: Postdigital?
5. Theorieangebote: Eklektischer Überblick
6. Theorieauszug 1: Pfadabhängigkeiten und Paradigmen
7. Theorieauszug 2: Prosumenten oder sekundäre Leistungsrollen
8. Desiderat
36
Gliederung
37Zur Anwendung des Konzepts Prosumer auf die Literaturkritik in Sozialen Medien: Ernst 2015
Organisation der Wertschöpfung nach Toffler (1980)
Selbstversorgungs-wirtschaft
Tätigkeiten für den Eigenverbrauch (use)
Tätigkeiten für den Markt
(Exchange)
Erwerbswirtschafthochgradige
Arbeitsteilung
Mischformen
• Prosument = Produzent und Konsument: Konsumenten, die Aktivitäten des Produzenten unbezahlt substituieren
• Differenziert und kritisch dargestellt in den Beiträgen in Blättel-Mink/Hellmann 2010
Neue Rollenverteilungen
38
Eklektische Phänomenologie zum User-generated-x • Primäre (literarische) Kommunikation
• Selbstständiges Schöpfen von Inhalten als öffentliche Güter: Wikipedia• Selbstständiges Schöpfen von Inhalten für private Güter: Leserreporter • Selbstständiges Schöpfen von werbeattraktiven Inhalten: Beauty-Tipps, Reiseblog • Inspiriertes Schöpfen von Inhalten: Fan Fiction
• Sekundäre (literarische) Kommunikation• Kommentierungen • Besprechungen (›Laien‹-Kritik)• Social Reading
39
Anwendung des Prosumenten-Konzepts nach Toffler• Der Prosument produziert nicht für den Markt, sondern für den eigenen Gebrauch
Empirie: Leser schreiben Rezensionen für andere
• Deswegen agiert der Prosument auch alleineEmpirie: Akteure bilden Netzwerke und arbeiten kollaborativ
• Der Prosument arbeitet unbezahlt Empirie: Blogschreiber leben von Werbung auf ihren Seiten
• Der Prosument arbeitet selbstbestimmt Empirie: Häufig hat der Konsument gar keine Wahl als sich produktiv zu beteiligen -> Selbstbedienung
Sekundäre Leistungsrolle
40
Organisation der Wertschöpfung nach Stichweh (1988)• Gesellschaftliche Teilsysteme differenzieren sich in 2 Rollen • Sekundäre Leistungsrolle: das Publikum beteiligt sich mit Simulationshandeln • Ergänzungen des Konzept (Volkmann 2010)
• Rollenunterscheidung in »role taking« und »role making« • Identifikation typischer Sequenzen von sozialen Handlungsabläufen: »soziales
Drehbuch«
Leistungsrolle Publikumsrolle
ProfessionelleErstellung der Leistung Abnehmer
1. Disziplinäre Einordnung: Zugang aus der Perspektive der Medienökonomik
2. Zum Begriff der Wertschöpfung
3. Zum Stand der Erkenntnis
4. Zwischenfazit: Postdigital?
5. Theorieangebote: Eklektischer Überblick
6. Theorieauszug 1: Pfadabhängigkeiten und Paradigmen
7. Theorieauszug 2: Prosumenten oder sekundäre Leistungsrollen
8. Desiderat
41
Gliederung
42
Was ist zu tun? • Literarische Wertschöpfung ›jenseits der etablierten Akteure und Strukturen‹ ist schon in
Bezug auf das Erkenntnisziel Deskription unbefriedigend erforscht • Literarische Wertschöpfung als Forschungsgegenstand erfordert insbesondere im Hinblick
auf höhere Erkenntnisziele (Erklären, Ordnen, Gestalten) die Integration von Zugängen aus mehreren Disziplinen
Literarische Wertschöpfung
›jenseits‹
(Medien-)Ökonomie
Literaturwissenschaft
SoziologieKommunikations-wissenschaft
Recht des Geistigen Eigentums und Technikrecht
»If by books you are to be understood as referring to our innumerable collections of paper, printed, sewed, and bound in a cover announcing the title of the work, I own to you frankly that I do not believe […] that Gutenberg’s invention can do otherwise than sooner or later fall into desuetude as a means of current
interpretation of our mental products. […] printing, […], is, in my opinion, threatened with death by the various devices […] which
have lately been invented, and which little by little will go on to perfection.«
Octave Uzanne
43
›The End of Books‹ oder ›Dead again‹
44Uzanne 1894, picture from https://archive.org/details/TheEndOfBooks [21.02.2016]
›The End of Books‹ oder ›Dead again‹
Blättel-Mink, Birgit; Hellmann, Kai-Uwe (Hg.) (2010): Prosumer Revisited: Zur Aktualität einer Debatte. Wiesbaden.Bründl, Simon; Matt, Christian; Hess, Thomas (2016): Daten als Geschäft — Rollen und Wertschöpfungsstrukturen im deutschen Markt für persönliche Daten. In:
Wirtschaftsinformatik & Management o.Jg. (6), S. 66–71.Clement, Michel; Hille, Anke; Lucke, Bernd; Schmidt-Stölting, Christina; Sambeth, Frank (2008): Der Einfluss von Rankings auf den Absatz. Eine empirische Analyse
der Wirkung von Bestsellerlisten und Rangpositionen auf den Erfolg von Büchern. In: zfbf 60 (8), S. 746–777.Clement, Michel; Proppe, Dennis; Rott, Armin (2007): Do critics make bestsellers? Opinion leaders and the success of books. In: Journal of Media Economics 20 (2),
S. 77–105.Clement, Michel; Proppe, Dennis; Sambeth, Frank (2006): Der Einfluss von Meinungsführern auf den Erfolg von hedonischen Produkten. In: ZfB 76 (7/8), S. 797–
824.Clement, Michel; Sambeth, Frank (2004): Buchkritiker und Bucherfolg: Wie ist der Einfluss wirklich. In: MedienWirtschaft - Zeitschrift für Medienmanagement und
Kommunikationsökonomie 1 (3), S. 105–114.Dogruel, Leyla (2013): Eine kommunikationswissenschaftliche Konzeption von Medieninnovationen. Begriffsverständnis und theoretische Zugänge. Wiesbaden.Dowling, Michael; Walter, Rolf (2007): Technologische Innovation als Wettbewerbsfaktor. Von Schumpeters "schöpferischer Zerstörung" bis zur "disruptive
technology" von Christensen sowie Korreferat dazu. In: Rolf Walter (Hg.): Innovationsgeschichte : Erträge der 21. Arbeitstagung der Gesellschaft für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 30. März bis 2. April 2005 in Regensburg. Stuttgart, S. 25–38.
Dosi, Giovanni (1982): Technological paradigms and technological trajectories. A suggested interpretation of the deteminants and directions of technical change. In: Research policy : a journal devoted to research policy, research management and planning 11 (3), S. 147–162.
Ernst, Thomas (2015): 'User generated content' und der Leser-Autor als 'Prosumer'. Potenziale und Probleme der Literaturkritk in sozialen Medien. In: Heinrich Kaulen und Christina Gansel (Hg.): Literaturkritik heute. Tendenzen, Traditionen, Vermittlung. Göttingen, S. 93–111.
Ernst, Thomas (2019): Der Leser als Produzent in Sozialen Medien. In: Rolf Parr und Alexander Honold (Hg.): Lesen. Berlin, Boston, angenommen. Hagenhoff, Svenja (2017): Medieninnovationen und Medienrevolutionen: Von Gutenberg zu Berners Lee. In: Jan Krone und Tassilo Pellegrini (Hg.): Handbuch
Medienökonomie. Berlin, Online first 2016.Hagenhoff, Svenja (2016): Buch und Buchsachgruppen. In: Jan Krone und Tassilo Pellegrini (Hg.): Handbuch Medienökonomie. Berlin, 2016.Hagenhoff, Svenja (2016): Ökonomie der Buchindustrie. Literaturbericht. 2. Auflage. Erlanger Beiträge zur Medienwirtschaft Nr. 6. Hg. v. Svenja Hagenhoff. Institut
für Buchwissenschaft, Universität Erlangen-Nürnberg. Erlangen.Hagenhoff, Svenja (2015): Verlage und Buchhandel als Organisationen zur Bereitstellung von Lektüre. In: Ursula Rautenberg und Ute Schneider (Hg.): Lesen - Ein
interdisziplinäres Handbuch. Berlin, S. 617–645.Hagenhoff, Svenja (2015): Empfehlungssysteme. In: Ursula Rautenberg (Hg.): Reclams Sachlexikon des Buches. 3., verbesserte Auflage. Stuttgart, S. 144–145.Hess, Thomas (2011): Neu Kanäle, neue Inhalte: User Generated Content oder wie man sich die Energie der Kunden zunutze machen kann. In: Arnold Picot und
Axel Freyberg (Hg.): Media Reloaded - Mediennutzung im digitalen Zeitalter. Heidelberg, S. 33–41.Holtmann, Philip (2008): Pfadabhängigkeit strategischer Entscheidungen. Eine Fallstudie am Beispiel des Bertelsmann Buchclubs Deutschland. Köln.Jannidis; Lauer, Gerhard; Winko, Simone (2009): Radikal historisiert: Für einen pragmatischen Literaturbegriff. In: Simone Winko, Fotis Jannidis und Gerhard Lauer
(Hg.): Grenzen der Literatur. Zu Begriff und Phänomen des Literarischen. Berlin, S. 3–40.
45
Literatur
Kuhn, Axel; Hagenhoff, Svenja (2017): Kommunikative statt objektzentrierte Gestaltung: Zur Notwendigkeit veränderter Lesekonzepte und Leseforschung für digitale Lesemedien. In: Sebastian Böck, Julian Ingelmann, Matuszkiewicz, Kai und Friederike Schruhl (Hg.): Lesen X.0. Rezeptionsprozesse in der digitalen Gegenwart. 1. Auflage. Göttingen, S. 27–45.
Kuhn, Axel; Kraus, Susanne (2015): Nutzergenerierte Texte in digitalen Netzwerken. In: Ursula Rautenberg und Ute Schneider (Hg.): Lesen - Ein interdisziplinäres Handbuch. Berlin, S. 679–700.
Müller-Hagedorn, Lothar; Toporowski, Waldemar; Zielke, Stephan (2012): Der Handel. Grundlagen, Management, Strategien. 2., vollst. überarb. Auflage. Stuttgart.Passig, Kathrin (2013): Das Digitale ist ein neues Tier. In: Die Zeit. Online verfügbar unter http://www.zeit.de/digital/internet/2013-07/kathrin-passig-haltbare-
versus-digitale-medien/komplettansicht, zuletzt geprüft am 23.02.2016.Panzer, Gerhard (2010): Die Funktion inszenierter Prosumtion für Qualität und Wert kultureller Güter. In: Birgit Blättel-Mink und Kai-Uwe Hellmann
(Hg.): Prosumer Revisited: Zur Aktualität einer Debatte. Wiesbaden, S. 131–145.Pellegrini, Tassilo (2014): Datenlizenzierung als Diversifikationstreiber in der Medienindustrie. In: Harald Rau (Hg.): Digitale Dämmerung. Die Entmaterialisierung der
Medienwirtschaft. Baden-Baden, S. 267–280.Pellegrini, Tassilo (2014): Die Bewirtschaftung vernetzter Daten auf Basis von Linked Data Technologien. In: Tassilo Pellegrini, Harald Sack und Sören Auer (Hg.):
Linked Enterprise Data. Management und Bewirtschaftung vernetzter Unternehmensdaten mit Semantic Web Technologien. Berlin, S. 63–81.Pellegrini, Tassilo (2017): Semantic metadata in the publishing industry – technological achievements and economic implications. In: Electronic Markets 27 (1), S. 9–
20. Pellegrini, Tassilo; Krone, Jan (2017): Data driven media businesses & Netzneutralität. In: Jan Krone und Tassilo Pellegrini (Hg.): Handbuch Medienökonomie. Berlin.Porombka, Stephan (2012): Weg von der Substanz. Hin zu den Substanzen Literaturkritik 2.0ff. In: Matthias Beilein, Claudia Stockinger und Simone Winko (Hg.):
Kanon, Wertung und Vermittlung. Literatur in der Wissensgesellschaft. Berlin/Boston, S. 293–304.Prahalad, C. K.; Bettis, Richard A. (1986): The Dominant Logic: A New Linkage between Diversity and Performance. In: Strategic Management Journal 7 (6), S. 485–
501.Rammert, Werner (2008): Technik und Innovation. In: Andrea Maurer (Hg.): Handbuch der Wirtschaftssoziologie. Wiesbaden, S. 291–319.Saxer, Ulrich (1995): Von wissenschaftlichen Gegenständen und Disziplinen und den Kardinalsünden der Zeitungs-, Publizistik-, Medien-,
Kommunikationswissenschaft. In: Beate Schneider, Kurt Reumann und Peter Schiwy (Hg.): Publizistik. Beiträge zur Medienentwicklung : Festschrift für Walter J. Schütz. Konstanz, S. 39–56.
Saxer, Ulrich (2010): Buchwissenschaft als Medienwissenschaft. In: Ursula Rautenberg (Hg.): Buchwissenschaft in Deutschland. Berlin, S. 65–104.Schaedel, Ute; Clement, Michel (2010): Managing the online-crowd. Motives of engagement in user-generated content. In: JOMBS 7 (3), S. 17–36.Schmidt, Siegfried J. (1992): Die Selbstorganisation des Sozialsystems Literatur im 18. Jahrhundert. [Wiss. Sonderausg.], 1. Aufl. Auflage. Frankfurt am Main.Stegbauer, Christian (2009): Wikipedia. Das Rätsel der Kooperation. Wiesbaden.Stichweh, Rudolf (1988): Inklusion in Funktionssysteme der modernen Gesellschaft. In: Renate Mayntz, Bernd Rosewitz, Uwe Schimank und Rudolf Stichweh (Hg.):
Differenzierung und Verselbständigung. Zur Entwicklung gesellschaftlicher Teilsysteme. Frankfurt [am Main], New York, S. 261–293.Trilcke, Peer (2013): Ideen zu einer Literatursoziologie des Internets. Mit einer Blogotop-Analyse. In: TextPraxis Digitales Journal für Philologie 7 (2).Uzanne, Octave (1894): End of Books. Illustrated by Albert Robida. In: Scribner's Magazine 16 (July–December), S. 221–231.Volkmann, Ute (2010): Sekundäre Leistungsrolle. In: Birgit Blättel-Mink und Kai-Uwe Hellmann (Hg.): Prosumer Revisited: Zur Aktualität einer Debatte. Wiesbaden,
S. 206–220.46
Literatur