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! St.Galler Tagblatt AG 2014 – Autorenbeleg zum internen GebrauchDarf nicht für kommerzielle Zwecke verwendet werden

PRESSESCHAU

Wird Blocher-Bewunderer Markus Somm neuerChefredaktor der NZZ?

Im rechten Lager kommt es zumgrossen Machtkampf. Ausgelöst durch einenFührungswechsel bei der Neuen Zürcher Zeitung, dereigentlich kommerzielle Gründe hat, geht es nun umviel mehr, nämlich um die Rangordnung im rechtenLager und die Mehrheitsverhältnisse in Bern. Dort ist dietraditionelle bürgerliche Mehrheit von einerMitte-links-Koalition minorisiert worden. Das hat sich inder Debatte um den Atomausstieg deutlich gezeigt.

Zum Auftakt des Wahljahrs hat die«Weltwoche», neben der «Basler Zeitung» die StimmeBlochers in der Schweizer Publizistik, zumSchulterschluss zwischen FDP und SVP aufgerufen. Esist ein erstaunlicher Aufruf, stellt doch der Kampf gegendie FDP seit Jahren ein Kernelement blocherscherPolitik dar. (...) Die Agenda der beiden Parteien nährtsich aus einem ganz anderen Wertesystem. Wenn dieseUnterschiede nun verwedelt werden, handelt es sich umeine Fortsetzung früherer Attacken. Wie sagte dochHamlet: «Ist dies schon Tollheit, hat es doch Methode.»

2 Thema Montag, 15. Dezember 2014

Nach zähem Ringen hat sich dieUNO-Klimakonferenz in Lima auferste Eckpunkte für einen Welt-klimavertrag geeinigt. Aber vieleFragen sind noch offen.

ZUR SACHE

Ein erster Schritt indie neue Klimawelt

M it dem Abkommen von Lima tastensich die Länder vorsichtig in eine neueWelt der internationalen Klimapolitik

vor. In Zukunft müssen nicht nur die Industrie-staaten, sondern alle Länder ihre Emissionen be-grenzen. Die Beschlüsse von Lima sind noch keinDurchbruch zu diesem neuen Paradigma, abersie bieten eine solide Grundlage. Jedes Land mussnun prüfen, was es zum Klimaschutz beitragenkann. Klimaschutz wird so zu einer gemeinsamenAufgabe der Menschheit. Die ärmsten Länderder Welt brauchen dabei auf jeden Fall auchUnterstützung. Dies gilt insbesondere für dieAnpassung an den Klimawandel.

Klar ist aber auch, dass die grossen Schwellen-länder und wohlhabenderen Entwicklungsländerden Umbau ihrer Energiesysteme weitgehendselber stemmen müssen. Wichtiger als Klima-gelder aus Industriestaaten sind hier ein gutesInvestitionsklima und weiter fallende Preise fürSolaranlagen und Windräder. Zudem dürfenCO2-Emissionen nicht länger kostenlos sein. Dieskann durch eine CO2-Steuer oder ein Emissions-handelssystem erreicht werden, wie es in Europabereits existiert und ab 2016 in China landesweiteingeführt werden soll.

In der neuen Klimawelt ist Klimaschutz zwarfreiwillig. Aber immer mehr Länder erkennen,dass der Aufbau eines modernen Energiesystemsin ihrem ureigensten Interesse liegt. Dies kanndie UN-Klimakonvention koordinieren und unter-stützen. Mit dem Abkommen von Lima hat siedazu einen ersten, wenn auch kleinen Schrittgetan. Nun sind wieder die einzelnen Länder amZug: Sie müssen sich schon sehr bald anspruchs-volle Emissionsziele setzen.

Christian Mihatschausland"tagblatt.ch

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Für einmal geht’s nicht ums GeldDas wichtigste Ergebnis der Klimakonferenz in Peru: Bis Ende März müssen alle Länder demUNO-Klimasekretariat mitteilen, was sie ab dem Jahr 2020 für den Schutz des Klimas tun wollen.CHRISTIAN MIHATSCH/LIMA

Um die Ziele der verschiedenen Län-der vergleichbar zu machen, schreibtdas Abkommen von Lima relativdetailliert vor, wie diese Eingaben derLänder auszusehen haben. «Damitbesteht eine gute Basis für die Klima-konferenz in Paris im nächsten Jahr»,sagt Jennifer Morgan von der Um-weltorganisation World ResourcesInstitute. Weniger positiv äussert sichhingegen Sven Harmeling von derEntwicklungsorganisation Care: «DasAbkommen ist enttäuschend. Es fehltein Mechanismus zur Evaluation dernationalen Emissionsziele. Aber esbringt uns bis Paris.» Dort soll 2015ein neuer Weltklimavertrag verab-schiedet werden, mit dem die Weltauf einen Emissionspfad gelangt, derdie Einhaltung des Zwei-Grad-Zielsermöglicht. Übersteigt die Klima-erwärmung zwei Grad, werden Kipp-punkte erreicht, ab denen sich derKlimawandel selbst verstärkt undnicht mehr zu stoppen ist.

Im Gegensatz zu früheren Klima-konferenzen war nicht der Streit umGeld der Grund für die grosse Verspä-

tung. In den ersten zehn Tagen derKonferenz forderten die Entwick-lungsländer noch vehement einenFahrplan zu den 100 Milliarden Dol-lar, welche die Industriestaaten denEntwicklungsländern ab dem Jahr2020 versprochen hatten. Doch dannwurde Geld bedeutungslos. «DerKreis der möglichen Geberländerwurde immer kleiner», sagt FranzPerrez, der Leiter der Schweizer Dele-gation. «Das geht eindeutig gegen dieInteressen der Ärmsten. Es ist absurd,aber das haben die Entwicklungslän-der selber so gewollt.»

Auch Saudi-Arabien gefordert

Das bestimmende Thema in denletzten Stunden der Konferenz ges-tern morgen war nämlich die Unter-scheidung zwischen Industrie- undEntwicklungsländern. Die UNO-Kli-makonvention listet in einem An-hang die Industriestaaten auf. Wernicht auf dieser Liste aus dem Jahr1992 steht, gilt als Entwicklungsland.Dieser Status war bislang mit Privile-gien verbunden: Für Entwicklungs-länder war Klimaschutz und die Un-terstützung ärmerer Länder freiwil-

lig. Während Griechenland mit ei-nem Pro-Kopf-BIP von 25 650 Dollarverpflichtet ist, seine Emissionen zusenken und Klimagelder bereitzu-stellen, ist dies für Saudi-Arabien frei-willig. Dabei ist das Königreich miteinem BIP von 53 780 Dollar pro Kopfdoppelt so reich. Dies soll sich mitdem neuen Klimavertrag von Parisändern. In Zukunft müssen alle Län-der ihre CO2-Emissionen begrenzen.

Zentrale Weichenstellung

Doch einige Entwicklungsländersind noch nicht bereit, die alte Zwei-teilung der Welt aufzugeben. Denn esgeht nicht nur ums Klima: «Das Ab-kommen von Paris ist die zentraleWeichenstellung für die zwischen-staatliche Ordnung der Welt», sagtJochen Flasbarth, Staatssekretär imdeutschen Umweltministerium.«Hier geht es nicht nur ums Klima.Eine neue Ordnung hat auch Auswir-kungen auf andere Politikbereiche.»

In Lima hat sich der Widerstandgegen diese neue Ordnung in einerVerhandlungsgruppe organisiert, der«Gruppe der Gleichgesinnten». Zudieser Gruppe gehören China, In-

dien, Ölexporteure wie Saudi-Ara-bien und Venezuela sowie linke la-teinamerikanische Länder wie Kubaund Bolivien. Sprecher der Gruppe istdieses Jahr Malaysia. Dieses lehntesogar einen Halbsatz ab, der «Länder,die dazu willens sind», einlädt, Kli-mageld bereitzustellen. Denn da-durch könnte ja die Zweiteilung ausdem Jahr 1992 aufgeweicht werden.

Applaus als Gradmesser

Anhand des Applauses war dieZweiteilung im Konferenzraum im-mer wieder deutlich zu erkennen. DieEU, die USA, die Schweiz, die fort-schrittlichen lateinamerikanischenLänder, die kleinen Inselstaaten unddie ärmsten Länder beklatschten sichgegenseitig. Die «Gleichgesinnten»hingegen erhielten nur von einigenafrikanischen Ländern Applaus. Dieharten Auseinandersetzungen inLima liessen sich aber auch positivsehen, meint Franz Perrez: «Sie zei-gen, dass China und die Gleichge-sinnten den Vertrag von Paris ernstnehmen. Sie sind sich sehr bewusst,dass sie in Zukunft ebenfalls Verant-wortung übernehmen müssen.»

China ist Bremser und HoffnungsträgerINNA HARTWICH/PEKING

Manchmal klappt es tagelang mitdem blauen Himmel in China. EinGewaltakt ist dafür nötig, um dieüber Jahre verdreckten Städte mitsmogfreier Luft zu versehen. DassChinas Kommunistische Partei dazuin der Lage ist, hat sie erst kürzlichbeim Gipfel der Asiatisch-PazifischenWirtschaftsgemeinschaft (Apec) inPeking bewiesen. Tausende Fabrikenmussten schliessen, Baustellen lagenstill, nur noch wenige Autos fuhrendurch die weitgehend freien Strassen.Doch selbst dabei musste die Zen-tralregierung auf passende Wetter-bedingungen hoffen. Ohne starkenWind liess sich der giftige Nebel trotzumfangreicher Verbote nicht aus derStadt vertreiben.

Dass Hauruck-Aktionen wie dieselangfristig ohnehin wenig bewirken,das wissen an sich auch die Chine-sen. Sie sind es selbst, die die übel-riechenden Feinstaubpartikel in ho-

hen Mengen einatmen und sich als«menschliche Staubsauger» bezeich-nen. 92 Prozent der chinesischenStädte erreichten 2013 den nationa-len Luftqualitätsindex nicht. Chinakämpft zudem mit Wetterextremen.Die Zahl der Taifune steigt, die Glet-scherfläche ist seit den 1950er Jahrenum zehn Prozent geschrumpft. Vorallem Chinas Norden kämpft mitWasserknappheit. In den vergange-nen 60 Jahren sind Tausende Flüsseverschwunden.

Im Gleichschritt mit Obama

Für ein besseres Klima müsste eingenereller Strukturwandel her. DieMöglichkeit einer solchen Umkehrblitzte kurz auf, als Chinas PräsidentXi Jinping und sein US-amerikani-scher Amtskollege Barack Obama imNovember überraschend neue Kli-maschutzziele verlauten liessen:Während die Chinesen bis spätestens2030 den Höhepunkt ihrer CO2-Emis-sionen erreicht haben wollen, kün-

digten die USA an, den Ausstoss anTreibhausgasen spätestens bis 2025um 25 bis 28 Prozent im Vergleichzum Jahr 2005 zu drücken. Wie ernstaber kann es China mit einer solchenWende sein?

Der grösste Klimasünder der Welt

Bei der Klimakonferenz in Limazeigte sich die Volksrepublik in ihremalten Element und schlüpfte wiedereinmal in die Rolle der Bremserin. Daman zunächst keine ausdrücklicheUnterscheidung zwischen Industrie-staaten und Entwicklungsländernmehr machen wollte, zog sich Chinavon Zugeständnissen zurück. DieChinesen, die immer wieder daraufbeharren, ein Entwicklungsland zusein, finden es seit jeher unfair, ihreEntwicklung dem Klimaschutz zu op-fern. Dabei stösst ein Chinese jähr-lich durchschnittlich 7,2 Tonnen CO2

aus, ein Amerikaner liegt mit 16 Ton-nen deutlich darüber, ein Europäerverbraucht 6,8 Tonnen. Hochgerech-

net bläst China jedoch fast doppelt soviel Treibhausgase in die Luft wie dieUSA, es verbraucht mit vier Giga-tonnen Kohle fast so viel wie der Restder Welt zusammen. Damit ist dasLand der grösste Klimasünder derWelt, allerdings auch der grössteHoffnungsträger. Wenn die Chinesenmitziehen, könnte der Plan, dieEmissionen auf Dauer zu verringern,doch noch aufgehen. Denn das Landsetzt sich durchaus auch stark für dieerneuerbaren Energien ein. Im ver-gangenen Jahr investierte China 56Milliarden US-Dollar in Sonnen- undWindkraft. Das ist Weltrekord.

Gleichzeitig aber arbeiten die Chi-nesen am Ausbau ihrer Kohlekraft-werke. So hält die Partei am Alten festund versucht mit gängigen Metho-den Wohlstand der Menschen zusteigern, den sie einst versprochenhatte. Lima zeigt, dass China inter-nationale Verpflichtungen weiterhinablehnt, es lässt sich lediglich auf Un-verbindliches ein.

Bild: ap/Martin Mejia

Protest von Umweltorganisationen in Lima: Sie fordern die Staatsoberhäupter der grössten Länder auf, Lösungen («Soluciones») zu liefern.

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