Nicht-kooperatives Oligopol
und kollusives Verhalten Am Beispiel der Mineralölwirtschaft
Seminararbeit WS13/14
Themensteller: Dr. Jürgen E. Blank
Fachbereich Wirtschaftswissenschaften
Technische Universität Kaiserslautern
Vorgelegt von:
Manuel Agostin
Jonas Burkhardt
I
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis ........................................................................................................................ I
1.Einleitung ................................................................................................................................ 3
2. Theoretisches Fundament ....................................................................................................... 4
2.1 Oligopol-Theorie .............................................................................................................. 4
2.2 Kollusives Verhalten ........................................................................................................ 5
2.3 Edgeworth-Zyklen ............................................................................................................ 5
2.4 Mineralölwirtschaft .......................................................................................................... 7
3. Untersuchung der Markteigenschaften ................................................................................... 8
3.1 Marktabgrenzung .............................................................................................................. 9
3.2 Parallelverhalten fördernde Markteigenschaften ............................................................ 10
3.3 Aktuelle Marktsituation .................................................................................................. 12
3.3.1 Marktanteil ............................................................................................................... 12
3.3.2 Markttransparenz ..................................................................................................... 14
3.3.3 Preisbildung ............................................................................................................. 15
3.3.4 Produktinnovation, Preiselastizität und Produkthomogenität .................................. 17
3.3.5 Hohe Interaktionshäufigkeit ..................................................................................... 19
3.3.6 Verflechtung ............................................................................................................ 19
3.3.7 Hohe Markteintrittsbarrieren ................................................................................... 20
3.3.8 Zersplitterung der Konkurrenz ................................................................................. 21
3.3.9 Nachfragemacht ....................................................................................................... 22
3.4 Zwischenfazit zur aktuellen Marktsituation ................................................................... 22
4. Potentielle Regulierungsmaßnahmen im Vergleich ............................................................. 24
4.1 Österreichisches Modell ................................................................................................. 24
4.2 Luxemburgisches Modell ............................................................................................... 25
II
4.3 Modell der kanadischen Provinz Nova Scotia ................................................................ 25
4.4 Modell des Bundesstaates West-Australien ................................................................... 26
4.5 Zwischenfazit zu den Regulierungsmaßnahmen ............................................................ 27
5. Anwendbarkeit in Deutschland ............................................................................................ 27
5.1 Probleme der Regulierungsmaßnahmen ......................................................................... 28
5.2 Weitere Ansätze .............................................................................................................. 30
6. Fazit ...................................................................................................................................... 31
Literaturverzeichnis .................................................................................................................. III
3
1.Einleitung
Seit Jahren beschäftigt sich das Bundeskartellamt damit, den deutschen Mineral-
ölmarkt zu untersuchen und zu studieren. Grund hierfür waren europaweite Zwei-
fel an den Marktfunktionen der Mineralölmärkte. Aufgrund jahrelanger, auffal-
lend zyklischer Preisentwicklungen und sehr geringen Preisunterschieden bei den
verschiedenen Marktteilnehmern hatte das Bundeskartellamt das Recht zur An-
nahme, dass dies Zeichen einer gesetzeswidrigen Preisabsprache sind. Da Preisab-
sprachen zwischen den Mineralölunternehmen aber bis heute nicht nachgewiesen
werden konnten, liegt nun die Vermutung nahe, dass es sich um ein sogenanntes
Parallelverhalten handeln könnte. Dieses Parallelverhalten, was auch unter kollu-
sivem Verhalten bekannt ist, kann durch bestimmte Markteigenschaften erleich-
tert werden.
Nicht nur das Bundeskartellamt steht vor diesem Problem, auch andere Länder
haben sich bereits Gedanken zur Lösung gemacht. Das Ergebnis sind verschiede-
ne Modelle unterschiedlichster Lösungsansätze, mit denen angestrebt wird, den
Preiserhöhungen entgegenzuwirken. Es muss geprüft werden, ob diese Modelle
die gewünschten Erfolge zeigen oder ob sich die Lage auf den jeweiligen Kraft-
stoffmärkten durch deren Anwendung sogar verschlechtert hat. Neben diesen An-
sätzen werden auch Alternativen, zum Beispiel eine horizontale und vertikale Ent-
flechtung der großen Marktteilnehmer, oder auch weiterreichende Eingriffsmög-
lichkeiten des Bundeskartellamts gesucht.
In dieser Arbeit soll der deutsche Kraftstoffmarkt untersucht werden, mit dem
Ziel, mögliche Ansätze zu finden, durch die der Preiswettbewerb auf dem Tank-
stellenmarkt verstärkt werden kann. Hierzu werden zunächst einige theoretische
Grundlagen behandelt, die für das Verständnis hilfreich sind. Anschließend wer-
den Markteigenschaften aufgezeigt, die das Parallelverhalten fördern und unter-
sucht, ob diese auf dem deutschen Tankstellenmarkt vorhanden sind. Zum Schluss
werden verschiedene Preisregulierungsmaßnahmen anderer Länder, sowie weitere
regulierende Maßnahmen erörtert.
4
2. Theoretisches Fundament
Dieses Kapitel befasst sich mit dem theoretischen Fundament, welches für die
Ausarbeitung benötigt wird. Es soll nur ein kurzer Überblick gegeben werden, da
der Schwerpunkt auf der praktischen Anwendung liegt. Das theoretische Funda-
ment setzt sich einerseits aus Begriffserklärungen zusammen, die in den folgen-
den Kapiteln fortlaufend verwendet werden und andererseits aus einem kurzen
Überblick über die gesamte Mineralölwirtschaft. In den darauffolgenden Kapiteln
wird der Fokus dann auf dem stark begrenzten Bereich des Tankstellenmarktes
liegen.
2.1 Oligopol-Theorie
Auf einem Oligopol-Markt befinden sich mindestens zwei Anbieter (Abgrenzung
zum Monopol-Markt), aber deutlich weniger als für einen Konkurrenzmarkt nötig
sind. Man charakterisiert ihn vor allem durch die Interdependenzbeziehungen
zwischen den einzelnen Teilnehmern.1 Ein Anbieter auf einem Oligopol-Markt ist
also dazu angehalten, stetig das Verhalten seiner Mitkonkurrenten zu beobachten,
um auf deren Aktionen reagieren zu können. In diesem Kontext spricht man auch
von strategischem Verhalten.2 Der Gewinn eines Unternehmens auf einem Oligo-
pol-Markt wird maßgeblich von diesen Entscheidungsprozessen beeinflusst.
Dadurch hebt sich der Oligopol-Markt vor allem vom Monopol- bzw. Konkur-
renzmarkt ab.3
1Vgl. Alfred Endres, Jörn Martiensen (2007), S.5.
2Vgl. Ebenda.
3Vgl. Ebenda, S.6.
5
2.2 Kollusives Verhalten
Für einen Oligopol-Markt stellt sich die Frage, ob die einzelnen Oligopolisten ihr
Gewinnmaximum isoliert oder gemeinsam erwirtschaften wollen.4 Für die Praxis
ist es unnötig den zweiten Fall in seiner reinen Form zu betrachten, da dieses
Vorgehen mit dem Kartellverbot einher geht und somit sanktioniert wird. Man
kann aber auf einigen Märkten zumindest erahnen, dass es vielleicht doch so et-
was gibt. Rationale Oligopolisten, welche die eigenen Interessen sowie die ihrer
Konkurrenten gut einschätzen können und sich darüber hinaus bewusst sind, dass
ihre eigenen Entscheidungen sowie die ihrer Konkurrenten abhängig von einander
sind, sind in der Lage ohne Absprachen einen gemeinsamen Gewinn zu erzielen
bzw. diesen zu maximieren.5 In diesem Kontext spricht man auch von einem nicht
kooperativen Oligopol, d.h. einem Oligopol, bei dem die Teilnehmer keine bin-
denden Verträge schließen müssen.6 Diese Vorgehensweise zur Gewinnerhöhung
bzw.-maximierung wird auch als Kollusion bzw. kollusives Verhalten bezeich-
net.7 Das Verhalten der einzelnen Oligopolisten untereinander ist schwer nachzu-
weisen, aber von erheblicher wettbewerbspolitischer Bedeutung.8
2.3 Edgeworth-Zyklen
Das Prinzip der Edgeworth-Zyklen bezieht sich auf Preiszyklen. Charakteristisch
für dieses Prinzip ist der einmalige, relativ starke Preisanstieg gefolgt von mehre-
ren, geringeren Preissenkungen.9 Das von Maskin und Tirole entwickelte Grund-
konzept hierzu untersucht vor allem die Preissetzungen auf einem Markt mit ho-
mogenen Gütern und oligopolistischen Marktstrukturen sowie zyklische Preisbe-
wegungen.10
Mit Hilfe dieses Konzeptes kann man die Preissetzung auf dem
Tankstellenmarkt vereinfacht erklären.
4Vgl. Alfred Endres, Jörn Martiensen (2007),S.12.
5Vgl. Ebenda.
6Vgl. Ebenda.
7Vgl. Ebenda, S.13.
8Vgl. Ebenda.
9 Vgl. Ralf Dewenter, Justus Haucap, Ulrich Heimeshoff (2012), S. 3.
10Vgl. Bundeskartellamt: Abschlussbericht (2011) S.116.
6
Wie in dem Abschlussbericht des Bundeskartellamtes aufgezeigt, bedarf das Kon-
zept einiger Einschränkungen:11
Einziger Aktionsparameter ist der Preis, die Mindeständerung k ist be-
kannt/vorgegeben.
Es erfolgt eine sequentielle Anpassung.
Es liegt ein bestimmtes Intervall T zwischen den Preiserhöhungen.
Die Produkte sind homogen, die Nachfrage ist gleichverteilt bei Preis-
gleichheit.
Bei einem minimal höheren Preis fällt die komplette Nachfrage auf den
Anbieter mit dem niedrigeren Preis.
Anbieter maximieren jeweils ihren zeitpunktbezogenen, diskontierten Ge-
winn.
Alle Anbieter haben die gleichen Grenzkosten sowie den gleichen Dis-
kontfaktor δ.
Mit diesen Grundannahmen ist es Maskin und Tirole gelungen zu zeigen, dass
zyklische Preisbewegungen eine mögliche Gleichgewichtslösung ergeben, vo-
rausgesetzt, die Preisänderung k ist hinreichend klein und der Diskontierungsfak-
tor δ geht gegen 1.12
Man unterscheidet zwei Phasen der Preisbildung. Zum einen
die Phase der schrittweisen Preisunterbietung und zum anderen die Phase des ge-
genseitigen Abwartens am Tiefpunkt des Zyklus.13
Dieser Tiefpunkt entspricht
den jeweiligen Grenzkosten und stellt die Anbieter hinsichtlich der Gewinnmaxi-
mierung vor ein Dilemma.14
Sie selbst wollen den Preis nicht erhöhen, da sie
dadurch ihre Kunden verlieren würden, sie können aber den Preis des Konkurren-
ten auch nicht unterbieten, da sie dadurch einen Verlust erwirtschaften würden.
Die Länge dieser Dilemma Phase hängt aus spieltheoretischer Sicht von den
Wahrscheinlichkeiten ab, mit denen die einzelnen Anbieter ihre Preise wieder
erhöhen.15
Aus dem Modell geht hervor, dass die Preisehöhungen über die Zyklen
11
Vgl. Bundeskartellamt: Abschlussbericht (2011),S.116. 12
Vgl. Eric Maskin, Jean Tirole (1988), S.587. 13
Vgl. Bundeskartellamt: Abschlussbericht (2011), S.116 f. 14
Vgl. Ebenda, S.117. 15
Vgl. Ebenda, S.118.
7
konstant sind und im Endeffekt ein Vielfaches der Preissenkung ergeben.16
Ent-
gegen der Theorie des Preiswettbewerbs nach Bertrand, der für einen endlichen
Zeitraum die Grenzkosten als den tatsächlichen Preis ansieht, liegt der Preis bei
Maskin und Tirole oberhalb der Grenzkosten. Das geht vor allem auf die sequen-
tielle Preissetzung zurück.17
Da sich die jeweiligen Konkurrenten sicher sein kön-
nen, dass eine Preiserhöhung ihrerseits eine minimale Unterbietung durch ihre
Konkurrenten mit sich führt, der Preis aber weiterhin über den Grenzkosten liegt
und bei der nächsten Runde wieder unterboten werden kann, ohne auf die Grenz-
kosten zurück zu fallen, haben sie einen Anreiz eine Preiserhöhung durchzufüh-
ren. Dadurch überwinden sie die oben beschriebene Dilemma Situation.18
Maskin
und Tirole sprechen bei ihrem Konzept von einer stillschweigenden Koordinie-
rung.19
Hierdurch ist auch nachvollziehbar, dass das Preisniveau oberhalb der
Grenzkosten liegt.
2.4 Mineralölwirtschaft
Die Mineralölwirtschaft unterteilt sich prinzipiell in zwei separate Gebiete. Zum
einen in den Upstream-Bereich, der sich vor allem mit der Erdölsuche und
– förderung beschäftigt und zum anderen in den Downstream-Bereich, der die
Rohölverarbeitung sowie den Vertrieb der Endprodukte umfasst.20
Es ist sinnvoll,
diese beiden Gebiete zu unterscheiden, denn der Absatz der jeweiligen Produkte
erfolgt unabhängig voneinander auf unterschiedlichen Märkten.21
Die wichtigsten
Absatzplätze für Rohöl sind zum einen die NYMEX (New York Mercantile
Exchange) in New York und die ICE (Intercontinental Exchange) in London.22
Wichtigster Absatzplatz der Endprodukte im Downstream-Bereich für Deutsch-
land ist der Rotterdamer Spotmarkt.23
16
Vgl. Bundeskartellamt: Abschlussbericht (2011), S.118. 17
Vgl. Ebenda, S.120. 18
Vgl. Ebenda. 19
Vgl. Ebenda. 20
Vgl. Mineralölwirtschaftsverband e.V. (2013), S. 14. 21
Vgl. Ebenda. 22
Vgl. Ebenda. 23
Vgl. Ebenda.
8
Im Upstream-Bereich kam es in den letzten Jahrzehnten zu erheblichen Verände-
rungen. Im Jahre 1970 hatten privatwirtschaftliche Unternehmen noch rund 85 %
der Ölreserven unter ihrer Kontrolle.24
Im Jahre 2007 hingegen wurden 85 % der
weltweiten Ölreserven durch sogenannte NOC (National Oil Companies) kontrol-
liert.25
Der Grund, weshalb große Mineralölkonzerne trotzdem noch lukrativ und
nachhaltig im Upstream-Bereich tätig sind, liegt in ihrem hohen technischen
Know-how und ihrer hohen Zahlungsbereitschaft zur Erschließung neuer Ölquel-
len.26
Heutzutage gibt es die Tendenz, dass große vertikal integrierte Mineralölge-
sellschaften immer mehr ihr Upstream-Geschäft von ihrem Downstream-Geschäft
abkoppeln.27
Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass durch den immer
stärker werdenden Wettbewerb ein funktionierender Weltmarkt entstanden ist. Es
ist für den Downstream-Bereich nicht mehr lukrativer ausschließlich das durch
den eigenen Mutterkonzern geförderte Rohöl weiter zu verarbeiten. Sie können
den weltweiten Spotmarkt dazu nutzen, ihren Bedarf effizient zu stillen, was die
Trennung der beiden Bereiche eines Unternehmens als sinnvoll kennzeichnet.
Diese Tendenz kann durch ein Beispiel belegt werden, bei dem das vertikal inte-
grierte US-Unternehmen ConocoPhillips, im Mai 2012, seinen Downstream-
Bereich vollständig ausgegliedert und sich komplett aus dem Upstream-Bereich
zurückgezogen hat.28
3. Untersuchung der Markteigenschaften
Die Kapitel 3.1 bis 3.3 behandeln in erster Linie die Untersuchung des deutschen
Kraftstoffmarktes. Zunächst wird eine sinnvolle Marktabgrenzung bezüglich Ort
und Produkt gewählt. Danach werden verschiedene Markteigenschaften, welche
für das Parallelverhalten förderlich sein können, veranschaulicht und kurz erläu-
tert. In Kapitel 3.3 werden die in 3.2 angesprochenen Markteigenschaften auf dem
deutschen Markt überprüft, um festzustellen, ob sich der deutsche Kraftstoffmarkt
für paralleles Verhalten eignet und ob tatsächlich Parallelverhalten vorliegt. Die-
24
Vgl. Mineralölwirtschaftsverband e.V.(2013), S.20. 25
Vgl. Ebenda. 26
Vgl. Ebenda, S.22. 27
Vgl. Ebenda, S.16. 28
Vgl. Ebenda.
9
ser Abschnitt basiert zu einem großen Teil auf den Untersuchungen des Bundes-
kartellamtes, die im Rahmen einer Sektoruntersuchung des deutschen Kraftstoff-
marktes im Zeitraum von Mai 2008 bis August 2011 durchgeführt wurden und
einer Studie des ADAC, die auf Grundlage der Sektoruntersuchung des Bundes-
kartellamts erhoben wurde. Diese beinhaltet unteranderem eine Umfrage unter
Kraftfahrern, welche die theoretischen Erkenntnisse der Marktuntersuchung
nochmals belegen soll.
3.1 Marktabgrenzung
Eine Marktabgrenzung scheint für den Kraftstoffmarkt erforderlich zu sein. So
sieht es auch das Bundeskartellamt. Auf der Grundlage des Bedarfsmarktkonzep-
tes unterscheidet man in Otto- und Dieselkraftstoff.29
Davon ausgehend, dass ein
Verbraucher durch die Wahl seines Autos auch gleichzeitig seinen Kraftstoff fest-
legt, ist also ein einfacher Wechsel zwischen den verschiedenen Kraftstoffarten
nicht möglich. Somit sind die Kraftstoffarten Diesel und Benzin keine substituier-
baren Güter und nach dem Bedarfsmarktkonzept klar zu trennen.
Ein weiterer Grund für die Unterscheidung liegt in den unterschiedlichen Wett-
bewerbssituationen.30
So ist ersichtlich, dass sich in den letzten Jahren die Preise
für Benzin bzw. Diesel unterschiedlich entwickelt haben. Da der Verbraucher
beim Stopp an der Tankstelle keine Wahlmöglichkeit zwischen den Kraftstoffar-
ten hat, ist der Sortimentsgedanke, der für einen einheitlichen Markt spricht, nicht
erfüllt.31
Somit kann man festhalten, dass in sachlicher Hinsicht zwischen Benzin-
, Diesel- und Heizölmarkt unterschieden werden muss.
Aus räumlicher Sicht grenzt man regionale Märkte voneinander ab. Das geschieht
auf Grundlage des gewichteten Erreichbarkeitsmodells des Bundesamtes für
Bauwesen und Raumordnung.32
Regionale Märkte sind also Märkte, die sich auf
einem Umkreis von ca. 25km erstrecken.33
Diese Ansicht bestätigte das Oberlan-
29
Vgl. Bundeskartellamt: Abschlussbericht (2011), S.45. 30
Vgl. Ebenda. 31
Vgl. Ebenda. 32
Vgl. Ebenda. 33
Vgl. Ebenda.
10
desgericht in Düsseldorf.34
Es besagt, dass Freie Tankstellen, die nicht bundesweit
agieren, eben nur diesen Raum nutzen können. Die Gewichtung der einzelnen
Tankstellen ist nötig, da nicht jede Tankstelle sich als gleichwertige Alternative zu
der ursprünglichen Tankstelle darstellt. Dadurch wird die Wettbewerbsintensität
zwischen den einzelnen Tankstellen berücksichtig. So hat z.B. eine Tankstelle, die
weiter von der ursprünglichen Tankstelle entfernt ist, einen geringeren Reiz für
den Nachfrager, da die Anfahrtskosten sowie die Opportunitätskosten (in Form
von Zeit) höher sind.35
Bei mehreren, eng zusammen liegenden Tankstellen wird
eine Gewichtung bezüglich eines festgelegten Mittelpunktes vorgenommen.36
3.2 Parallelverhalten fördernde Markteigenschaften
In diesem Abschnitt wird erläutert, welche Strukturen ein Parallelverhalten der
Unternehmen begünstigen.
Der wichtigste Faktor liegt wohl in der Marktmacht der einzelnen Unternehmen.
In §19 Abs. 3 Satz 2 GWB ist definiert, ab welchem Marktgefüge von einer
marktbeherrschenden Stellung gesprochen wird.37
Allgemein kann man davon
ausgehen, dass je größer die Marktmacht einzelner Unternehmen ist, desto gerin-
ger ist der Einfluss der Mittbewerber auf dem Markt. Somit sind Märkte mit we-
nigen Teilnehmern vorteilhaft für paralleles Verhalten.
Auch eine hohe Markttransparenz fördert das Parallelverhalten. Es gilt also: Je
einfacher sie Daten von anderen Marktteilnehmern bekommen können, desto ein-
facher ist es für die einzelnen Unternehmen ihr eigenes Handeln ohne Absprache
mit den anderen Teilnehmern gewinnmaximierend zu koordinieren. Durch diese
hohe Transparenz ist es auch leichter für die Marktteilnehmer, die Anbieter auf
dem Markt zu lokalisieren, die sich von den übrigen Marktteilnehmern absetzen.
Das Risiko, hierbei entdeckt zu werden und dadurch Gefahr zu laufen, vom Markt
34
Vgl. Bundeskartellamt: Abschlussbericht (2011), S.45. 35
Vgl. Ebenda. 36
Vgl. Ebenda. 37
Vgl. Ebenda, S.50.
11
verdrängt zu werden, wollen die meisten Anbieter nicht eingehen.38
Durch diese
Transparenz wird dem Markt eine gewisse Stabilität gegeben.39
Je homogener Güter auf einem Markt sind, desto mehr rückt der Preis in den Fo-
kus der Abnehmer. Dies liegt vor allem daran, dass bei homogenen Gütern nur
wenige Wettbewerbsparameter übrig bleiben, von denen der Preis den wichtigsten
darstellt.40
Auch eine unbeschränkte Interaktionshäufigkeit ist eine zentrale Eigenschaft, die
ein Markt haben sollte, damit Parallelverhalten begünstigt wird. Dadurch haben
die Unternehmen stetig die Möglichkeit, auf Aktionen der anderen Marktteilneh-
mer zu reagieren.41
Dies hat zur Folge, dass die Koordinierung der einzelnen
Marktteilnehmer untereinander stabiler wird.42
Wie oben bereits beschrieben, ist die geringe Anzahl der Marktteilnehmer die
wohl wichtigste Markteigenschaft, die paralleles Verhalten fördert. Deshalb ist es
für die Oligopolisten wichtig, dass potentielle Konkurrenten gar nicht erst auf den
Markt kommen können. Diesbezüglich sind also hohe Markteintrittsbarrieren vor-
teilhaft für paralleles Verhalten.43
Für die einzelnen Oligopolisten ist es außerdem einfacher sich zu koordinieren,
wenn die Konkurrenz auf dem Markt keinen hinreichenden Wettbewerbsdruck
ausüben kann.44
Das liegt vor allem dann vor, wenn eine Gruppe Oligopolisten
lediglich wenige und darüber hinaus noch zersplitterte Konkurrenten zu fürchten
hat.45
Der Faktor Nachfragemacht kann das Parallelverhalten ebenfalls beeinflussen.
Liegt ein Markt vor, bei dem die einzelnen Abnehmer aufgrund ihrer geringen
Mengennachfrage keine große Nachfragemacht besitzen, ist es für die Oligopolis-
ten einfach sich parallel zu verhalten, da sie keine größeren Verluste zu fürchten
haben. Anders ist es, wenn Nachfrager eine hohe Nachfragemacht auf einzelne
38
Vgl. Bundeskartellamt: Abschlussbericht (2011), S.51. 39
Vgl. Ebenda. 40
Vgl. Ebenda, S.52. 41
Vgl. Ebenda, S.54. 42
Vgl. Ebenda. 43
Vgl. Ebenda, S.58 f. 44
Vgl. Ebenda, S.59. 45
Vgl. Ebenda.
12
Marktteilnehmer ausüben können, beispielsweise durch lukrative Großaufträge.46
Dadurch könnten Konsumenten einzelne Unternehmen unter Umständen so beein-
flussen, dass diese aus einem bestehenden Oligopol ausbrechen, was das Parallel-
verhalten erschwert.47
3.3 Aktuelle Marktsituation
In diesem Kapitel soll die aktuelle Marktsituation überprüft werden. Insbesondere
werden die eben genannten Markteigenschaften untersucht, die paralleles Verhal-
ten begünstigen können, um später zu entscheiden, ob auf dem deutschen Tank-
stellenmarkt tatsächlich ein solches nicht-kooperatives Oligopol vorliegt, das
durch kollusives Verhalten den Markt beherrscht. Hierbei ist auch die Beziehung
zwischen den möglichen Oligopolisten ein wichtiger Punkt. Diese Eigenschaften
sind jedoch keine notwendigen Bestandteile, das heißt, auch wenn sie nicht vor-
handen sind, kann Parallelverhalten nicht ausgeschlossen werden. Es handelt sich
lediglich um Markteigenschaften, die es den Marktteilnehmern erleichtern, sich
parallel zu verhalten.
3.3.1 Marktanteil
Nach den Ermittlungen des Bundeskartellamts, welche im Rahmen der Sektorun-
tersuchung 2011 erhoben wurden, wird der Großteil des Marktes auf fünf markt-
beherrschende Unternehmen aufgeteilt, wie die folgende Grafik veranschaulicht.
46
Vgl. Bundeskartellamt: Abschlussbericht (2011), S.60. 47
Vgl. Ebenda.
13
Abbildung: Verteilung der Markanteile im Kraftstoffsektor in Prozent (Quelle: Erhebung des Energie-Informationsdienst zum 01.07.2012)
Marktführer ist demzufolge nach wie vor BP (Aral) mit 22,5 %, gefolgt von Shell
mit 21 % Marktanteil. Den drittgrößten Anteil besitzt ConocoPhilips (Jet) mit
mehr als 10 %. ExxonMobil (Esso) und Total sind jeweils mit 7,5 % an den deut-
schen Straßentankstellen vertreten. Die restlichen 31 % teilen sich viele weitere
Tankstellenketten mit den Freien Tankstellen. Das Bundeskartellamt geht auf
Grundlage der vorliegenden Zahlenwerte davon aus, dass diese fünf Unternehmen
zusammen ein Oligopol auf den deutschen Tankstellenmärkten bilden, auch wenn
dies zuvor nicht nur von den Konzernen selbst, sondern auch vom Oberlandesge-
richt Düsseldorf bezweifelt wurde.48
Außerdem zeichnen sich diese fünf Unter-
nehmen auch dadurch aus, dass sie als einzige Mineralölunternehmen über Raffi-
neriekapazitäten in Deutschland verfügen, was laut Bundeskartellamt ein „wichti-
ger Machtfaktor im Tankstellengeschäft“49
ist. Aufgrund des fehlenden Binnen-
48
Vgl. Bundeskartellamt: Thesenpapier (2011), S.5 f. 49
Vgl. Ders.: Abschlussbericht (2011), S.20.
Aral 22,5%
Shell 21,0%
Jet 10,5%
Total 7,5%
Esso 7,5%
bft (Bund Freier Tankstellen) und
Andere 31,0%
Marktanteile in %
14
wettbewerbs zwischen den einzelnen Oligopolisten und der marktbeherrschenden
Stellung der Gesamtheit der Oligopol-Mitglieder gegenüber den Oligopol-
Außenseitern wird hier auch von einem marktbeherrschenden Oligopol gespro-
chen.50
3.3.2 Markttransparenz
Unter Markttransparenz wird in der Volkswirtschaft die Verfügbarkeit von Infor-
mationen wie zum Beispiel Güterpreise oder Güterqualitäten verstanden. Nach der
Preisangabenverordnung sind die Kraftstoffpreise an Tankstellen so auszuzeich-
nen, dass vorbeifahrende Kraftfahrer diese deutlich lesen können.51
Dies macht
auch den Kraftstoffmarkt transparent. Allerdings ist diese Transparenz sehr un-
gleich verteilt. So kann zwar jeder Kraftfahrer den momentanen Kraftstoffpreis an
einer Tankstelle leicht erfahren, er bekommt aber dadurch keinerlei Hinweise über
Preise anderer, zeitlich und wirtschaftlich sinnvoll erreichbarer Tankstellen. Oft
lohnen sich die Kosten für die Suche einer etwas günstigeren Tankstelle in Form
von Spritkosten oder zeitlichem Aufwand durch Recherchen im Internet für einen
einzigen Fahrer nicht.52
Für die Oligopol-Mitglieder hingegen ist diese hohe Markttransparenz durchaus
vorteilhaft. So kann jeder der Oligopolisten ohne große Bemühungen sofort fest-
stellen, wenn ein anderes Oligopol-Mitglied vom abgestimmten Verhalten ab-
weicht. Wie bereits erwähnt, kann das Risiko dabei entdeckt zu werden, dem Oli-
gopol auf lange Sicht Stabilität verleihen. Nach Erkenntnissen des Bundeskartell-
amtes sammeln Mineralölunternehmen mehrfach täglich die Preisdaten anderer
Wettbewerbstankstellen durch ihr Tankstellenpersonal, die sie dann in einem de-
zentralen Datensystem speichern. Die Oligopol-Mitglieder, welche in der gesam-
ten Bundesrepublik Deutschland vertreten sind, können somit jederzeit bundes-
weit alle Tankstellenpreise in Erfahrung bringen. Mit diesen Daten verschaffen
sich die Unternehmen einen Informationsvorsprung sowohl gegenüber anderen
Wettbewerbern - die meist nur lokal vertreten sind - als auch gegenüber den Kraft- 50
Vgl. Bundeskartellamt: Abschlussbericht (2011), S.52. 51
Vgl. Ebenda, S.51. 52
Vgl. Ebenda.
15
fahrern.53
Durch die Bereitstellung von Internetseiten wie www.clever-tanken.de
oder www.tanken.t-online.de, aber auch Apps für Smartphones und Tabletts,
durch die bundesweit Tankstellenpreise verglichen werden können, wird dieser
Markt noch transparenter. So sind die Mineralölunternehmen nicht mehr gezwun-
gen Mitarbeiter zu bezahlen, die sich über die Preise der Konkurrenz informieren
um diese in das dezentrale Datensystem einzuspeisen, sondern können direkt die
hierfür angebotenen Apps und Internetseiten nutzen.
3.3.3 Preisbildung
Das Bundeskartellamt kommt zu dem Schluss, dass die Preise auf dem Mineral-
ölmarkt höher sind, als sie es wären, wenn ein funktionierender Wettbewerb auf
diesem Markt bestehen würde.54
Festgestellt wurde ebenfalls, dass es spezifische
Preissetzungsmuster auf diesem Markt gibt. Diese Muster beziehen sich auf unter-
schiedliche Wochentage und Vorgehensweisen. So hat man empirisch nachgewie-
sen, dass die großen fünf Oligopolisten ein unterschiedliches Verhalten in Bezug
auf Höhe und Zeitpunkt der Preissetzung zeigen. Man unterscheidet zwischen den
sogenannten A- und B- Gesellschaften.55
Die fünf Oligopolisten Shell, Aral, Esso,
Total und Jet stellen dabei die A-Gesellschaften dar, die restlichen Freien Tank-
stellen und regionaltätige Unternehmen die B-Gesellschaften.56
Auffallend ist,
dass die Preise der B-Gesellschaften konstant unter den der A-Gesellschaften lie-
gen, mit der Ausnahme von Jet, welche zwar zu den A-Gesellschaften gezählt
wird, sich in der Regel aber wie eine B-Gesellschaft verhält.57
Nach eigener Aus-
sage der A-Gesellschaften ist man stetig darum bemüht, die Preise nicht mehr als
1 Cent höher zu setzen als die der B-Gesellschaften.58
Die Preiserhöhung läuft in
den meisten Fällen nach einem speziellen Muster ab. Man spricht in diesem Kon-
text von Preiserhöhungsrunden.59
Diese werden in 90 % der Fälle entweder von
Shell oder Aral begonnen, wobei das nicht beginnende Unternehmen binnen 3
53
Vgl. Bundeskartellamt: Abschlussbericht (2011), S.52. 54
Vgl. Ebenda, S.20. 55
Vgl. Ebenda, S.19. 56
Vgl. Ebenda. 57
Vgl. Ebenda. 58
Vgl. Ebenda. 59
Vgl. Ebenda, S.24.
16
Stunden seine Preise auf das gleiche Niveau erhöht.60
Die restlichen Oligopol
Mitglieder reagieren ebenfalls mit Preiserhöhungen auf das gleiche, bzw. ein nur
geringfügig abweichendes Preisniveau in unterschiedlichen aber noch zeitnahen
Abständen.61
Dieses Verhalten der Preissetzung bedarf eines hohen Informations-
pools. In der Praxis hat man festgestellt, dass die einzelnen Tankstellen der Oligo-
polisten, wie bereits erwähnt, täglich die Preise ihrer Konkurrenten in Erfahrung
bringen und diese an eine dezentrale Stelle melden.62
Dort wird auf Grundlage
dieser Daten der eigene Preis festgelegt bzw. angepasst. Dieses Verhalten kann
kartellrechtlich nicht als wettbewerbshinderlich eingestuft werden, weshalb es
nicht zu beanstanden ist.63
Was das zeitliche Preissetzungsmuster angeht, so hat
man eine zyklische Preisentwicklung innerhalb einer Woche festgestellt.64
Die
höchsten Preise werden meistens freitags und samstags erreicht. Unter der Woche
kommt es in den Abendstunden gelegentlich zu Preissenkungen.65
Am niedrigsten
sind die Preise sonntags und montags.66
Auffällig ist auch, dass die Anzahl der
Preissenkungen gegenüber den Preissteigerungen viel größer ist, die Höhe sich
aber genau umgekehrt verhält.67
Des Weiteren ist es bemerkenswert, dass die
Preise zu bestimmten Zeiten, wie z.B. einem Ferienbeginn, ansteigen, obwohl sich
die eigentlichen Kosten für die Beschaffung des Benzins nur wenig verändern.68
Es ist also durchaus vorstellbar, dass diese Preiserhöhung nicht aufgrund von Kos-
tenerhöhungen, sondern nur zur Gewinnsteigerung der einzelnen Oligopolisten
durchgeführt wird.69
60
Vgl. Bundeskartellamt: Abschlussbericht (2011), S.24. 61
Vgl. Ebenda. 62
Vgl. Ebenda, S.21. 63
Vgl. Ebenda. 64
Vgl. Ebenda, S.22 . 65
Vgl. Ders.: Abschlussbericht Zusammenfassung (2011), S.22. 66
Vgl. Ebenda. 67
Vgl. Ebenda, S.23. 68
Vgl. Ebenda, S.25. 69
Vgl. Ebenda.
17
3.3.4 Produktinnovation, Preiselastizität und Produkthomogenität
(1) Produktinnovation
Die Innovationsmöglichkeiten bei Kraftstoffen sind deutlich begrenzt. Eine Mög-
lichkeit der Innovation besteht darin Additive zuzusetzen, welche die Eigenschaf-
ten und das Verhalten des Kraftstoffes im Motor verbessern sollen. Diese Additi-
ve werden dem Kraftstoff nach der Raffinerie bzw. nach der Lagerung im Promil-
lebereich zugeführt. Einige Beispiele dieser hochpreisigen Kraftstoffe sind unter
anderem Ultimate 102 von Aral oder V-Power Racing 100 von Shell. Allerdings
werden nach eigenen Angaben der Mineralölgesellschaften, diese Produkte haupt-
sächlich aus Marketinggründen angeboten. Absatzmäßig fallen sie kaum ins Ge-
wicht, da die Kaufentscheidung des Kunden von derartigen Produktinnovationen
offenbar unberührt bleibt. Aus diesem Grund wird auch die wettbewerbliche
Auswirkung solcher Produktinnovationen als sehr schwach eingeschätzt. Vielver-
sprechen der für die Bindung des Endverbrauchers an eine Mineralölgesellschaft
zeigen sich hier sogenannte Kundenbindungsprogramme, die den Kraftfahrern
den Anreiz geben sollen auch bei kleinen Preisunterschieden noch bei demselben
Anbieter nachzufragen.70
Bei diesen Kundenbindungsprogrammen können Kun-
den beispielsweise Punkte sammeln, die sie dann wieder gegen Sachprämien ein-
tauschen können. Als weiteres Beispiel gewährt Shell ADAC Kunden einen festen
Preisnachlass pro Liter Kraftstoff. Diese Kundenbindungsprogramme sieht das
Bundeskartellamt als Indiz für die Homogenität der Kraftstoffe an den verschie-
denen Tankstellen. Außerdem versuchen einige Mineralölgesellschaften sich über
das Shop-Angebot der eigenen Tankstellen zu differenzieren, wobei auch dieses
bei den Oligopol-Mitgliedern zum größten Teil vergleichbar ist.71
(2) Preiselastizität
Der ADAC hat im Rahmen einer Umfrage über das Konsumverhalten beim Kraft-
stoffkonsum über 1000 Personen befragt, um sich unteranderem ein Bild über die
Preiselastizität der Nachfrager machen zu können. Hierbei hat sich herausgestellt,
70
Vgl. Bundeskartellamt: Abschlussbericht (2011), S. 53 . 71
Vgl. Ebenda, S.53 f.
18
dass über 43 % der Befragten nur dann tanken, wenn der Tank fast leergefahren
ist. Sie reagieren also nicht auf wöchentliche Preiszyklen der Tankstellen, weshalb
der ADAC diese Nachfragereaktion als preisunelastisch sieht.72
Außerdem konnte
herausgefunden werden, dass über 40 % der Befragten nur eine Tankstelle anfah-
ren. Sie reagieren also nach Meinungen des ADAC auf Preisunterschiede der ver-
schiedenen Mineralölunternehmen nicht oder kaum, weshalb man sagen kann,
dass bei dem Großteil der Befragten kein preisbewusstes Handeln vorliegt, son-
dern vielmehr ein preisunelastisches Konsumverhalten.73
Auch das Bundeskartellamt kommt im Rahmen der Sektoruntersuchung des
Kraftstoffmarktes auf das Ergebnis, dass eine Preisänderung der Kraftstoffe im
Allgemeinen zu keiner großen Nachfrageveränderung führt. Dies kann unter ande-
rem daran liegen, dass die meisten Kraftfahrer langfristig nicht auf den Kraftstoff
verzichten können. Im Gegensatz zum ADAC geht das Bundeskartellamt aller-
dings davon aus, dass die markenspezifische Preiselastizität, d.h. die Reaktion auf
Preisunterschiede der verschiedenen Tankstellen, sehr hoch ist. Diese Vermutung
liegt nahe und zeigt, dass die Kraftstoffe der verschiedenen Mineralölunterneh-
men als homogene Güter angesehen werden.74
(3) Produkthomogenität
Kraftstoffe sind homogene Güter, die einheitliche Eigenschaften bzw. Inhaltstoffe
aufweisen. Diese Eigenschaften und Inhaltstoffe sind nach Europäischen Normen
geregelt (EN 228 für Ottokraftstoffe und EN 590 für Dieselkraftstoffe).75
So ist
beispielsweise der Kraftstoff Super 95 (mit 95 Oktan) an einer Aral-Tankstelle
identisch mit dem eines anderen Oligopol-Mitglieds oder einer freien Tankstelle.
Dies kann auch damit belegt werden, dass eine Raffinerie nicht nur ihre eigenen
Tankstellen beliefert, sondern auch die der Wettbewerber. Ebenso nutzen ver-
schiedene Mineralölgesellschaften zusammen sogenannte Gemeinschaftstanklager
zur Lagerung ihrer Kraftstoffe, was wiederum Produkthomogenität voraussetzt.
Aufgrund der Homogenität der Kraftstoffe können Wettbewerbsparameter wie
72
Vgl. Ralf Dewenter, Justus Haucap, Ulrich Heimeshoff (2012), S.26. 73
Vgl. Ebenda. 74
Vgl. Bundeskartellamt: Abschlussbericht (2011), S.54. 75
Vgl. Ebenda, S.53.
19
Produktdifferenzierung und Produktdesign kaum genutzt werden, was dem Preis
eine zentrale wettbewerbliche Rolle zukommen lässt.76
3.3.5 Hohe Interaktionshäufigkeit
Häufig wiederholte Interaktionen zwischen den Oligopolisten erleichtern die ge-
genseitige Kontrolle des Parallelverhaltens. Entscheidungen über Preisverände-
rungen und ständiges Beobachten der Kraftstoffpreise anderer Tankstellen sind
Beispiele solcher Interaktionen, welche durch die hohe Markttransparenz begüns-
tigt werden. Hieraus haben sich im Laufe der Zeit einige Preissetzungsmuster her-
ausgebildet, die zum einen innerhalb einer Woche und zum anderen saisonabhän-
gig zu beobachten sind. Diese Preissetzungsmuster wurden bereits unter 3.3.3
erläutert.77
3.3.6 Verflechtung
Die Mineralölgesellschaften, welche das Oligopol bilden, sind auch vertikal, ent-
lang der Wertschöpfungskette, miteinander verbunden. So teilen sich viele von
ihnen Gemeinschaftsraffinerien, Gemeinschaftspipelines oder auch Gemein-
schaftstanklager wie schon in 3.4.3 (Produkthomogenität) angesprochen, was eine
horizontale Verflechtung der Unternehmen darstellt. Einige Beispiele dieser Ge-
meinschaftsraffinerien sind: MiROMineraloelraffinerie Oberrhein GmbH & Co.
KG in Karlsruhe, Bayernoil Raffineriegesellschaft mbH in Vohburg/Neustadt und
die PCK Raffinerie GmbH Schwedt und Ruhr Oel GmbH mit den Gelsenkirche-
ner Werken Scholven und Horst.78
Beim vorgelagerten Transport von Rohöl, aber auch beim nachgelagerten Trans-
port von Kraftstoffen werden gemeinsame Pipelines genutzt. Beispiele solcher
76
Vgl. Bundeskartellamt: Abschlussbericht (2011), S.52 f. 77
Vgl. Ebenda, S.54. 78
Vgl. Ebenda, S.55 f.
20
Gemeinschaftspipelines sind vor allem die Deutsche Transalpine Oelleitung
(TAL), welche vom italienischen Triest über die Alpen nach Ingolstadt und Karls-
ruhe verläuft und die Nord-West-Oelleitung (NWO), die das Nordseerohöl von
Wilhelmshafen nach Köln transportiert.79
Neben diesen Gemeinschaftsraffinerien und Gemeinschaftspipelines einiger Un-
ternehmen bilden auch Gemeinschaftstanklager einen wichtigen Teil dieser ge-
genseitigen Verflechtung. Da sich die Wirtschaftlichkeit eines Tanklagers nicht an
seiner Kapazität messen lässt, sondern vielmehr an dessen Durchsatz, also der
Anzahl an Füllungen und Entleerungen des Lagers innerhalb einer bestimmten
Zeit, sind solche Gemeinschaftstanklager wirtschaftlich viel effektiver als allein
genutzte Tanklager.80
Hierin sieht das Bundeskartellamt einen Informations- und
Wettbewerbsvorsprung der verbundenen Unternehmen. Diese Unternehmen kön-
nen Informationen über Geschäftsstrategien und kurzfristige Maßnahmen viel
leichter austauschen.81
3.3.7 Hohe Markteintrittsbarrieren
Auf dem deutschen Mineralölmarkt gibt es eine hohe Markteintrittsschranke, für
die mehrere Faktoren verantwortlich sind. Zum einen benötigt jeder Marktneuling
eigene Raffineriekapazitäten bzw. entsprechende Großhandelsverträge mit ande-
ren Kraftstoffhändlern, um die benötigten Kraftstoffe beschaffen zu können.82
Diese Raffineriekapazitäten sind sehr kostenintensiv. Auch für Verträge mit
Großhändler müssen Neueinsteiger sehr finanzstark sein, da diese eine finanzielle
Sicherheit voraussetzen. Außerdem benötigt ein Newcomer geeignete Tankstel-
lenstandorte, um sich ein Tankstellennetzt aufzubauen zu können und dieses be-
kannt zu machen. Das Problem hierbei ist, dass die lukrativen Standorte an stark
befahrenen Straßen bereits besetzt sind. Sollte es dennoch gelingen, ein Tankstel-
lennetzt aufzubauen, erfordert dieses einen hohen logistischen Aufwand und viel
Know-how, um die Bewirtschaftung und die Belieferung mit Kraftstoffen sicher-
79
Vgl. Bundeskartellamt: Abschlussbericht (2011), S.55 f. 80
Vgl. Ebenda, S.57. 81
Vgl. Ders.: Zwischenbericht (2009), S.39 f. 82
Vgl. Ders.: Abschlussbericht (2011), S.59.
21
zustellen. Momentan ist nicht davon auszugehen, dass sich diesbezüglich in den
nächsten Jahren etwas ändert. Diese hohen Markteintrittsschranken sind für die
fünf Oligopol-Mitglieder sehr vorteilhaft. Sie halten neue Wettbewerber vom
Markt fern. Je weniger Wettbewerber tätig sind, desto leichter ist es, sich zu koor-
dinieren und gegenseitig zu kontrollieren.83
3.3.8 Zersplitterung der Konkurrenz
Auf dem deutschen Mineralölmarkt steht den Oligopolisten eine Vielzahl von
Wettbewerbern gegenüber, die über einen Marktanteil von nur wenigen Prozent
verfügen. Im Gegensatz zu den Oligopol-Mitgliedern, welche teilweise einen
Marktanteil von über 20 % aufweisen, liegt der Anteil der Konkurrenz lediglich
im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Zudem gibt es neben den kleinen Mine-
ralölgesellschaften auch den Bundesverband Freier Tankstellen e.V. (bft), dessen
Anteil 2009 fast 10 % betrug und nach neusten Zählungen des Energie Informati-
onsdienstes weiter anwächst.84
Diese Tankstellen werden in der Regel in Statisti-
ken gemeinsam aufgeführt, bestehen aber aus einer Vielzahl kleiner, regionalauf-
tretender Tankstellen, die üblicherweise nicht gemeinsam unternehmerisch agie-
ren.85
Durch die hohe Zersplitterung der restlichen Marktteilnehmer ist nicht da-
von auszugehen, dass diese großen Einfluss auf den Verhaltensspielraum der Oli-
gopolisten nehmen können. Obwohl sich unter den Konkurrenten auch Tochterge-
sellschaften international tätiger Mineralölgesellschaften befinden, wie Agip,
OMV oder PKN Orlen, die auf ihren Heimatmärkten über große Marktanteile und
hohe Kompetenz verfügen, ist es diesen Marktteilnehmern nicht möglich, die ei-
genen Marktanteile deutlich auszubauen bzw. den Marktvorteil der Oligopol-
Mitglieder spürbar zu reduzieren.86
83
Vgl. Bundeskartellamt: Abschlussbericht (2011), S.58 f. 84
Vgl. Ders.: Zwischenbericht (2009), S.36. 85
Vgl. Ders.: Abschlussbericht (2011), S.60. 86
Vgl. Ders.: Zwischenbericht (2009), S.40 f.
22
3.3.9 Nachfragemacht
Wie die Marktform des Oligopols schon beschreibt, stehen hier wenigen relativ
großen Anbietern eine Vielzahl von Nachfragern gegenüber. Im Fall der Mineral-
ölwirtschaft im Downstream-Bereich, stellen die Kraftfahrer die Nachfrager dar.
Diese millionenfach zersplitterte Nachfrageseite müsste gemeinsam auftreten um
eine geeignete Verhandlungsmacht zu schaffen, mit der sie zum Beispiel durch
Boykottierung teurerer Tankstellen den Preiswettbewerb auf dem Tankstellen-
markt ankurbeln.87
Leider ist das nicht der Fall, wie die in Kapitel 3.3.4 erwähnte
Studie des ADAC zeigt. Hiernach vergleichen 40 % der über 1000 befragten Au-
tofahrern nur selten oder nie die Preise an den einzelnen Tankstellen vor dem
Tanken. Außerdem nehmen über 28 % einen kleinen Umweg erst ab einer Preis-
differenz von mindestens 5 Cent in Kauf, knapp 40 % tanken auch bei höheren
Preisdifferenzen immer bei derselben Tankstelle.88
3.4 Zwischenfazit zur aktuellen Marktsituation
Der deutsche Tankstellenmarkt wird von den fünf anteilsmäßig größten Markt-
teilnehmern dominiert. Dieses marktbeherrschende Oligopol setzt sich zusammen
aus den Gesellschaften Aral, Shell, Jet, Total und Esso. Eine hohe Markttranspa-
renz wird unteranderem durch die Preisangabenverordnung herbeigeführt, die
lediglich eine Ausschreibung der eigenen Preise an den jeweiligen Tankstellen
verlangt. Die darüber hinaus angelegten Internetplattformen und Apps, auf denen
sich die Endkunden bundesweit über die jeweiligen Kraftstoffpreise informieren
können, steigern zusätzlich die hohe Markttransparenz. Davon profitieren in erster
Linie die Anbieter, da sie nun ohne große Mühe an die bundesweiten Preise der
Konkurrenten kommen. Sie sind dadurch in der Lage, sich schnellstmöglich an
Preisänderungen der anderen Marktteilnehmer anzupassen. Außerdem haben Un-
tersuchungen gezeigt, dass spezifische und zeitliche Preissetzungsmuster existie-
87
Vgl. Bundeskartellamt: Abschlussbericht (2011), S.60. 88
Vgl. Ralf Dewenter, Justus Haucap, Ulrich Heimeshoff (2012), S.29.
23
ren, nach denen die Oligopolisten ihre Preise ansetzen. Diese Preissetzungsmuster
benötigen vor allem einen hohen Bedarf an Informationen, welcher durch die ho-
he Markttransparenz gewährleistet werden kann. Bei den Kraftstoffen (Otto und
Diesel) handelt es sich um homogene Güter, die nach europäischen Normen fest-
gelegt werden. Dadurch sind Innovationsmöglichkeiten stark begrenzt und können
hauptsächlich zu Marketingzwecken eingesetzt werden, wie zum Beispiel das im
Rennsport (z.B. DTM) eigesetzte Ultimate 102 von Aral. Über die Preiselastizität
lässt sich keine einheitliche Meinung finden. Das Bundeskartellamt geht von einer
hohen Preiselastizität der Nachfrager aus, während eine Studie des ADAC auf
eine geringe Elastizität hindeutet. Beide Annahmen können durchaus vertreten
werden. Des Weiteren sind vor allem die Oligopolisten durch Gemeinschafts-
tanklager, Gemeinschaftspipelines oder auch Gemeinschaftsraffinerien vertikal,
aber auch horizontal miteinander verflochten. Diese Verflechtung der Mineralöl-
gesellschaften erschwert auch das Eintreten anderer Konkurrenten auf dem Tank-
stellenmarkt, da diese meistens nur über Verträge mit den großen Mineralölgesell-
schaften an Kraftstoffe kommen können. Ein Einstieg in den vorhandenen Markt
ist nur mit sehr großem Kapital möglich und daher für die meisten Unternehmen
uninteressant. Außerdem sind die lukrativen Standorte zum Großteil bereits mit
Tankstellen besetzt. So stehen den fünf Oligopolisten eine Vielzahl von kleinen
Mineralölgesellschaften und Freier Tankstellen gegenüber, welche größtenteils
unabhängig voneinander auftreten und somit die Marktmachtstellung des Oligo-
pols nicht gefährden können. Auch von Seiten der Nachfrager geht keine Gefahr
für die Oligopolisten aus, da diese über keine Nachfragemacht verfügen. Um sich
solch eine Nachfragemacht zu sichern, müssten die einzelnen, stark verstreuten
Kraftfahrer, als geschlossene Gemeinschaft auftreten. Die Untersuchung der
Markteigenschaften hat also gezeigt, dass der vorliegende Markt nahezu idealty-
pisch für paralleles bzw. kollusives Verhalten geeignet ist. Die erkannten Preisset-
zungsmuster der einzelnen Gesellschaften und die zyklische Entwicklung der
Kraftstoffpreise geben Grund zur Annahme, dass solch ein kollusives Verhalten
vorliegt. Des Weiteren stellt sich nun die Frage, welche Eingriffsmöglichkeiten
dieses Verhalten unterbinden können und inwieweit diese auf dem deutschen
Kraftstoffmarkt anwendbar sind.
24
4. Potentielle Regulierungsmaßnahmen im Vergleich
Kapitel vier befasst sich nun mit den Ansätzen verschiedener Länder, die versu-
chen, die Preisbildung auf dem Mineralölmarkt zu beeinflussen um somit die
Macht der Oligopolisten zu beschränken. Die interessantesten Ansätze kommen
aus Österreich, Luxemburg, der kanadischen Provinz Nova Scotia und dem Bun-
desstaat West-Australien. Diese verschiedenen Modelle werden zunächst kurz
vorgestellt und anschließend bewertet. Eine ausführliche Diskussion findet dann
im Kapitel fünf statt, indem vor allem die Probleme dieser Lösungsansätze im
Mittelpunkt stehen werden.
4.1 Österreichisches Modell
Das österreichische Modell wurde im Jahre 2009 eingeführt und soll der Regulie-
rung des Kraftstoffpreises dienen. Das Modell in seiner ersten Fassung beinhaltet,
dass die Preise für den Kraftstoff nur einmal pro Tag um genau 12 Uhr erhöht
werden dürfen. Eine Preisminderung ist aber zu jeder Zeit möglich. Es handelt
sich also um eine asymmetrische Preissetzung.89
Zu Beginn dieser Regulierungs-
maßnahme gab es noch Sonderregelungen für unterschiedliche Tankstellentypen
(24h geöffnet, Automatische Tankstellen etc.).90
Seit dem Jahr 2011 gilt jedoch
für alle Tankstellen einheitlich die 12 Uhr-Regel.91
Mit dieser Regulierungsmaß-
nahme wollte man vor allem die mehrmals täglich wechselnden Preise an den
verschiedenen Tankstellen beschränken. Zeitgleich wurde auch noch ein Gesetz
erlassen, welches die Tankstellen verpflichtet, ihre Preise an eine zentrale Daten-
bank zu melden.92
Dort werden sie dann der Bevölkerung zugänglich gemacht und
damit die Möglichkeit geschaffen, die verschiedenen Tankstellenpreise zu ver-
gleichen. Das österreichische Modell setzt sich also zum einen aus Preisregulie-
rung und zum anderen aus einer Erhöhung der Transparenz zusammen.93
89
Vgl. Ralf Dewenter, Justus Haucap, Ulrich Heimeshoff (2012), S.11. 90
Vgl. Ebenda. 91
Vgl. Ebenda. 92
Vgl. Ebenda, S.12. 93
Vgl. Ebenda.
25
4.2 Luxemburgisches Modell
Der Markteingriff bei diesem Modell basiert auf einer Übereinkunft zwischen
dem Staat Luxemburg und der Mineralölwirtschaft.94
Der Marktpreis wird dabei
vom Staat selbst in Form einer Obergrenze festgesetzt. Die Berechnung erfolgt
auf Grundlage des Großhandelspreises für Kraftstoffe in Antwerpen zuzüglich
einer angemessenen Marge für die Tankstellenbesitzer sowie Transportkosten.95
Die Schwierigkeit bei diesem Modell liegt vor allem an der Festlegung der ange-
messenen Marge durch den Staat. Diese Margen müssen so festgelegt werden,
dass zum einen die Gewinne der Tankstellenbesitzer nicht überhöht sind und es
zum anderen immer noch lukrativ bleibt eine Tankstelle zu betreiben. Diese Mar-
ge wird auf Grundlage von Mittelwerten aus anderen Wirtschaftszweigen gene-
riert.96
4.3 Modell der kanadischen Provinz Nova Scotia
Einen weit größeren Markteingriff stellt das Modell zur Regulierung der Preise in
der kanadischen Provinz Nova Scotia dar. Im Gegensatz zum österreichischen
Model, bei dem lediglich der Zeitpunkt und die Häufigkeit der Preisänderungen
geregelt sind und dem luxemburgischen Modell, bei dem schon eine Preisober-
grenze festgesetzt wird, werden die Kraftstoffpreise in Nova Scotia seit Mitte
2006 vorgegeben. Grund für die Einführung eines festgelegten Kraftstoffpreises
war der Schutz der Konsumenten vor den starken Schwankungen der Preise.97
Der
berechnete Marktpreis für Kraftstoffe basiert auf dem New-York-Harbor Spot
Price.98
Auf diesen Handelspreis werden nun Margen und Transportkosten ad-
diert. Der Endpreis setzt sich also zusammen aus dem New-York-Harbor Spot
Price, einer Großhandelsmarge von 6 Cent pro Liter, Transportkosten des Treib-
stoffes zu den Tankstellen, die je nach Lage der Tankstelle in der Provinz auf 0,3
bis 1,2 Cent angesetzt wurden, sowie einer Einzelhandelsmarge, die für Tankstel-
94
Vgl. Ralf Dewenter, Justus Haucap, Ulrich Heimeshoff (2012), S.13. 95
Vgl. Ebenda. 96
Vgl. Ebenda. 97
Vgl. Ebenda. 98
Vgl. Ebenda.
26
len mit Selbstbedienung zwischen 4 und 5,5 Cent liegt und für Tankstellen mit
Bedienung bei 7,5 Cent pro Liter.99
Dieser Preis wird dann für alle Tankstellen
dieser Provinz für die darauffolgende Woche festgesetzt, bevor er erneut ermittelt
wird.100
4.4 Modell des Bundesstaates West-Australien
Im west-australischen Modell zur Preisregulierung wird, wie auch im österreichi-
schen Modell, nicht das Niveau der Kraftstoffpreise festgelegt, sondern lediglich
der Zeitpunkt der Preisänderungen. Der wesentliche Unterschied dieser beiden
Modelle besteht darin, dass im österreichischen Modell eine Preissenkung jeder-
zeit erlaubt ist und nur die Preiserhöhungen an einen bestimmten Termin gebun-
den sind, während im Bundesstaat West-Australien auch Preissenkungen nicht
jederzeit durchführbar sind. So muss jede Tankstelle ihren Preis für den jeweili-
gen Folgetag bis spätestens 14 Uhr an das Handelsministerium melden. Dieser
angemeldete Preis gilt dann ab dem nächsten Morgen um 6 Uhr und darf 24 Stun-
den nicht geändert werden, weshalb man bei diesem System auch von der soge-
nannten „24-Hour Rule“ spricht.101
Zusätzlich werden diese Preise zur Erhöhung
der Transparenz auf einer Online-Plattform namens FuelWatch öffentlich ge-
macht, damit jeder Bürger die Preisentwicklung und aktuellen Kraftstoffpreise
jederzeit abrufen kann.102
Bereits ein Jahr nach diesen Maßnahmen wurde dieses
System durch das sogenannte „Terminal Gate Pricing System“ (TGP) ergänzt.
Hierbei handelt es sich im Allgemeinen um dasselbe System wie bisher, doch
müssen nun auch Gate-Betreiber, das heißt Großhändler und somit in der Regel
die großen Ölkonzerne, ihre Ölpreise für den nächsten Tag bis 14 Uhr auf Fuel-
Watch melden. Diese Preise gelten dann ab dem nächsten Morgen um 8.30 Uhr
für 24 Stunden.103
99
Vgl. Ralf Dewenter, Justus Haucap, Ulrich Heimeshoff (2011), S.14. 100
Vgl. Ebenda. 101
Vgl. Bundeskartellamt: Thesenpapier (2011), S.13 f. 102
Vgl. Ralf Dewenter, Justus Haucap, Ulrich Heimeshoff (2012), S.15. 103
Vgl. Ebenda.
27
4.5 Zwischenfazit zu den Regulierungsmaßnahmen
Die vier vorgestellten Modelle unterscheiden sich teilweise sehr stark von einan-
der. Während die Ansätze aus Österreich und dem Bundesstaat West-Australien
lediglich aus einer Beschränkung des Preismechanismus bestehen, versucht man
in Nova Scotia und Luxemburg durch eine direkte Preisregulierung Einfluss auf
den Marktpreis zu nehmen. Durch die Berechnung eines Einheitspreises, wie es in
Kanada praktiziert wird oder der Festsetzung einer Preisschranke, wie in Luxem-
burg, werden Preissetzungsmechanismen quasi ganz vom Markt genommen. Die-
se Markteingriffe sind deutlich schärfer als die in Österreich und Australien und
sollten mit Vorsicht eingesetzt werden. Solche drastischen Markteingriffe können
sich auch negativ auf den Markt auswirken, in dem zum Beispiel die Attraktivität
für den Markt deutlich abnimmt und damit die Stellung eines Oligopols zusätzlich
gestärkt werden kann.
Da die meisten dieser Länder die Regelungen erst vor wenigen Jahren in Kraft
gesetzt haben, gibt es bisher keine eindeutige und exakte Evaluation über deren
Auswirkungen auf den Mineralölmärkten. Auch aus diesem Grund sind die Regu-
lierungsmaßnehmen bislang sehr umstritten.
5. Anwendbarkeit in Deutschland
Weshalb diese Modelle in ihrer Praxis stark umstritten sind und welche Probleme
diese mit sich bringen können, soll im folgenden Abschnitt weiter untersucht wer-
den. Neben den Problemen der verschiedenen Regulierungsmaßnahmen werden
auch weitere Eingriffsmöglichkeiten des Bundeskartellamts erörtert. Ein Beispiel
für einen weiteren Ansatz wäre etwa eine vertikale und oder horizontale Entflech-
tung der Gesellschaften untereinander.
28
5.1 Probleme der Regulierungsmaßnahmen
Wie schon im Zwischenfazit angesprochen, gibt es bisher in den meisten Fällen
keine ausreichenden Untersuchungen über die Preisentwicklung der vergangenen
Jahre, welche die verschiedenen Modelle vernünftig bewerten lassen. Bisherige
Beobachtungen und Auswertungen belaufen sich meist auf einen sehr kurzen
Zeitabschnitt. Allerdings gibt es einige theoretische Überlegungen zu den einge-
führten Modellen.
Bei dem österreichischen Modell besteht den Überlegungen zufolge die Gefahr,
dass die Edgeworth-Zyklen durch die Maßnahmen noch stärker ausfallen als bis-
her.104
Das Konzept setzt auf eine einmalige Preiserhöhung pro Tag, Preissenkun-
gen sind aber beliebig oft möglich. Somit ist es für die Oligopolisten reizvoll, die
Preiserhöhungen höchstmöglich anzusetzen.105
Durch mehrfache Preissenkungen
ergibt sich im Laufe des Tages dann wieder ein Einheitspreis, welcher vermutlich
höher ausfällt, als bei funktionsfähigem Preiswettbewerb ohne staatliche Eingrif-
fe. Da die Oligopolisten allesamt bestrebt sind gewinnmaximierend zu handeln,
scheint eine maximale Erhöhung des Preises mit sukzessiver Anpassung durch
kleinere Preissenkungen vielversprechend zu sein. Aufgrund dessen ist es eher
unwahrscheinlich, dass dieses Modell zu fallenden Preisen führt.106
Bisher gibt es
allerdings noch keine genauen Auswertungen über die Entwicklung auf dem
Tankstellenmarkt seit der Einführung der Regulierung.107
Das luxemburgische Modell und dessen Festlegung einer Preisobergrenze sind
ebenfalls stark umstritten. Die Kritiker sind der Auffassung, dass durch dieses
Modell das angestrebte Ziel des Wohlfahrtsgewinnes und der besseren Bedingun-
gen für Konsumenten nicht erreicht wird.108
Es wird unterstellt, dass dadurch der
Markteintritt neuer Firmen sowie die Innovationsbemühungen der Mineralölge-
sellschaften stark reduziert werden.109
Darüber hinaus kann es sein, dass der
104
Vgl. Ralf Dewenter, Justus Haucap, Ulrich Heimeshoff (2012), S.44. 105
Vgl. Ebenda. 106
Vgl. Ebenda. 107
Vgl. Bundeskartellamt: Abschlussbericht (2011), S.135. 108
Vgl. Ralf Dewenter, Justus Haucap, Ulrich Heimeshoff (2012), S.13. 109
Vgl. Ebenda.
29
Wettbewerb geschwächt wird, da die meisten Marktteilnehmer dazu neigen, sich
an der Preisobergrenze zu orientieren.110
Wird eine zu niedrige Preisobergrenze
festgelegt, kann es dazu führen, dass Unternehmen nicht mehr kostendeckend
wirtschaften können. Das Ziel von niedrigeren Verbraucherpreisen sollte nicht
dazu führen, dass Unternehmen Verluste einfahren.111
Die Festlegung einer an-
gemessenen Preisobergrenze ist folglich ein großes Problem dieses Modelles. Au-
ßerdem ist zu berücksichtigen, dass Luxemburg, als relativ kleines Land, im Ver-
gleich zu anderen europäischen Ländern z.B. Deutschland, ganz andere Voraus-
setzung aufweist. Es ist daher fraglich, ob dieses Modell in anderen Ländern
überhaupt anwendbar ist.112
In der kanadischen Provinz Nova Scotia wurde bereits ein halbes Jahr nach Ein-
führung der Regulierungsmaßnahme eine erste Auswertung vorgenommen. Im
Mittelpunkt dieser Evaluation standen vor allem die Preisstabilität und die Struk-
tur des Tankstellenmarktes.113
Hierbei wurde festgestellt, dass die Preisänderun-
gen deutlich höher ausfielen, was aber nicht überrascht, da die Häufigkeit der
Preisänderungen bewusst durch eine zweiwöchige Preisperiode verringert wurde.
Eine Änderung der Struktur des Tankstellenmarktes konnte innerhalb dieser kur-
zen Zeit nicht empirisch nachgewiesen werden.114
Da dieses Modell ähnlich wie
das luxemburgische auf die direkte Preisregulierung abzielt, stößt man auch hier
auf ähnliche Kritik. Auch steht man vor dem Problem, dass es sich als sehr
schwierig erweist, eine angemessene Marge für den Groß- und Einzelhandel zu
bestimmen. Darüber hinaus muss auch beachtet werden, dass eine direkte Preisre-
gulierung mit erheblichen Kosten für den Staat verbunden ist, da die Durchfüh-
rung der Regulierung durch Behörden vorgenommen werden muss.115
Im west-australischen Modell sind im Gegensatz zum österreichischen auch Preis-
senkungen während des Tages nicht erlaubt. Das hat zur Folge, dass der Wettbe-
werb nach der Preissetzung für 24 Stunden außer Kraft gesetzt wird.116
Aufgrund
dessen kann man davon ausgehen, dass die Marktteilnehmer einen möglichst
110
Vgl. Ralf Dewenter, Justus Haucap, Ulrich Heimeshoff (2012), S.13. 111
Vgl. Ebenda, S.50. 112
Vgl. Ebenda, S.13. 113
Vgl. Ebenda, S.14. 114
Vgl. Ebenda. 115
Vgl. Ebenda, S.50. 116
Vgl. Ebenda, S.44.
30
niedrigen Preis, ansetzen um größeren Marktanteilsverlusten zu entgehen.117
Die
hohe Markttransparenz, die durch die Einführung des Fuel Watch-Systems zusätz-
lich gesteigert wurde, macht dieses Modell jedoch sehr anfällig für koordiniertes
Parallelverhalten. Ist der Druck der kleineren Anbieter eher gering, so ist es relativ
leicht für die Oligopolisten, monopolistische Preise durchzusetzen.118
Diese Er-
kenntnis stellt die Anwendbarkeit des Modells auf dem deutschen Markt in Frage.
Die hohe Zersplitterung der Konkurrenz und ihre geringe Marktmacht lassen an-
statt auf niedrigere Preise auf höhere Preise schließen.119
5.2 Weitere Ansätze
Da die Eingriffsmöglichkeiten des Bundeskartellamts sehr begrenzt sind und of-
fensichtlich nicht ausreichen, um einen funktionierenden Wettbewerb auf dem
deutschen Mineralölmarkt zu gewährleisten, stellt sich nun die Frage, welche au-
ßerkartellrechtlichen Maßnahmen getroffen werden können, um die bestehende
kollektive Marktbeherrschung zu beseitigen.120
Neben den zuvor genannten Preis-
regulierungsmaßnahmen könnten auch wettbewerbspolitische Maßnahmen im
Rahmen einer Missbrauchsaufsicht oder im äußersten Fall sogar durch eine hori-
zontale und/oder vertikale Entflechtung der Mineralölkonzerne in Betracht gezo-
gen werden.121
Wie bereits erwähnt, besitzen die Mitglieder des Oligopols im Upstream-Bereich
auch einen großen Teil der Raffinerie-Kapazitäten. Kleinere Anbieter und Freie
Tankstellen, die über keine eigenen Kapazitäten verfügen, sind damit abhängig
von den Großkonzernen. Hierdurch besteht die Gefahr der möglichen Diskrimi-
nierung. So könnten Mineralölkonzerne, mit nachgelagertem Tankstellennetz ih-
ren Kraftstoff an die eigenen Tankstellen zu günstigeren Konditionen veräußern
als an die Konkurrenz.122
Obwohl bisher keine Preisdiskriminierung vorliegt,
existiert dennoch ein gewisses Drohpotential, welches einen aggressiven Preis-
117
Vgl. Ralf Dewenter, Justus Haucap, Ulrich Heimeshoff (2012), S.44. 118
Vgl. Ebenda. 119
Vgl. Ebenda. 120
Vgl. Bundeskartellamt: Thesenpapier (2011), S.13. 121
Vgl. Ebenda. 122
Vgl. Ralf Dewenter, Justus Haucap, Ulrich Heimeshoff (2012), S.40.
31
wettbewerb für kleinere Tankstellen uninteressant macht.123
Wie eine solche
Missbrauchsaufsicht zur Sicherung eines diskriminierungsfreien Zugriffs auf Raf-
finerie-Produkte aussehen kann ist bislang unklar und bedarf zunächst einer um-
fangreichen Sektoruntersuchung des Raffinerie-Marktes.124
Einen weitaus tieferen Eingriff in die Marktstruktur stellt die Entflechtung dar.
Diese Entflechtung kann sowohl horizontal als auch vertikal erfolgen. Eine hori-
zontale Entflechtung setzt an der Ebene des Tankstellennetzes an. Dabei müssten
die großen Tankstellenketten einen Teil ihrer Tankstellen an kleinere Konkurren-
ten veräußern, um dadurch die hohe Marktkonzentration des Oligopols zu sen-
ken.125
Unter vertikaler Entflechtung versteht man die Abspaltung einzelner Be-
reiche innerhalb eines Konzerns entlang der Wertschöpfungskette. Im Mineralöl-
bereich stellt zum Beispiel die Trennung zwischen Upstream-Bereich und
Downstream-Bereich eine solche vertikale Entflechtung dar. Ein solch schwer-
wiegender Markteingriff bedarf jedoch zunächst einer entsprechenden Rechts-
grundlage.126
6. Fazit
Die Untersuchung des deutschen Kraftstoffmarktes hat belegen können, dass die-
ser von fünf Unternehmen, die zusammen ein marktbeherrschendes Oligopol bil-
den, kontrolliert wird. Dieses Oligopol stellt sich aus überwiegend auch im Up-
stream-Bereich tätigen Konzernen, beziehungsweise deren Tochtergesellschaften
Aral (British Petroleum), Shell (Royal Dutch), Jet (ConocoPhillips), Esso
(ExxonMobile) und Total zusammen. Diese fünf Oligopol-Mitglieder grenzen
sich von den restlichen Marktteilnehmern, die zusammen lediglich auf einen
Marktanteil von knapp über 30 % kommen vor allem dadurch ab, dass sie über
Raffinerie-Kapazitäten aus dem vorgelegenen Markt verfügen. Die Kapazitäten
stellen einen wichtigen Machtfaktor im Tankstellengeschäft dar. Diese vertikale
123
Vgl. Ralf Dewenter, Justus Haucap, Ulrich Heimeshoff (2012), S.41. 124
Vgl. Ebenda. 125
Vgl. Bundeskartellamt: Thesenpapier (2011), S.14f. 126
Vgl. Ebenda.
32
Integration bildet einen wesentlichen Faktor für einen potentiellen Behinderungs-
missbrauch der großen Unternehmen gegenüber den kleineren Konkurrenten.
Die Sektoruntersuchung hat weiter gezeigt, dass der deutsche Tankstellenmarkt
nahezu idealtypisch für kollusives Parallelverhalten geeignet ist. Eine hohe Markt-
transparenz, die unteranderem durch gesetzliche Regelungen wie die Preisanga-
benverordnung, diverse Internetseiten zum Preisvergleich und Smartphone-Apps
noch erhöht wurde, hilft nicht nur den Nachfragern dabei, die günstigste Tankstel-
le zu finden, sondern vielmehr den Anbietern, ihre Konkurrenten zu überwachen
und schnellstmöglich auf Preisänderungen reagieren zu können. Hierbei konnten
spezifische Preissetzungsmuster festgestellt werden. Neben sich wöchentlich wie-
derholenden Zyklen konnten auch saisonal bedingte nachgewiesen werden.
Trotz absoluter Produkthomogenität und sehr geringer Produktinnovation, die
hauptsächlich für Marketingzwecke genutzt wird, gibt es keine einheitliche Mei-
nung über die Preiselastizität.
Aufgrund der hohen Zersplitterung der Nicht-Oligopolisten, die aus einer Vielzahl
Freier Tankstellen und meist regionalbegrenzten Tankstellenketten besteht, verfü-
gen diese nicht über die Mittel, die Marktmacht der Oligopolisten zu beeinflussen.
Eine Veränderung dieser Marktsituation wird in absehbarer Zeit nicht zu erwarten
sein, da die Markteintrittsbarrieren für potentielle Neueinsteiger sehr hoch sind,
was vor allem auf den hohen Kapitalbedarf eines Newcomers sowie einem bereits
sehr stark ausgebauten Tankstellennetzt zurück zu führen ist. Auch von Seiten der
Nachfrager geht keine ernst zu nehmende Gefahr für das Oligopol aus, da auch sie
nicht gemeinschaftlich organisiert auftreten und damit über keine geeignete Ver-
handlungsmacht verfügen.
Auch in anderen Ländern und deren Mineralölmärkten existieren ähnliche Prob-
leme. Es gibt bereits potentielle Lösungsansätze, welche von den dortigen Regie-
rungen eingesetzt werden. Man unterscheidet dabei zwischen direkter Preisregu-
lierung und einer einfachen Beschränkung des Preismechanismus. Dabei stellt die
direkte Preisregulierung einen weitaus stärkeren Markteingriff dar, weil hier der
Preiswettbewerb quasi vollständig außer Kraft gesetzt wird. Eine solche Maß-
nahme ist sehr riskant, da man ihre Konsequenzen nicht eindeutig vorhersagen
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kann. Deshalb sollte sie auch nur als Ultima Ratio eingesetzt werden. Eine direkte
Preisregulierung ist für den deutschen Markt nicht empfehlenswert, da dieser im
Vergleich zu den Ländern, in denen sie bereits eingesetzt wurde, viel größer und
komplexer ist. Ein Misserfolg hätte vermutlich deutlich schwerwiegendere Kon-
sequenzen. Die Beschränkung des Preismechanismus wäre also der direkten Preis-
regulierung vorzuziehen. Hierfür liegen jedoch kaum wissenschaftlich ausgewer-
tete Erkenntnisse vor, die einen negativen bzw. gegensätzlichen Effekt ausschlie-
ßen können. Theorien zufolge kann dieser Mechanismus das Parallelverhalten
unter Umständen sogar fördern, wodurch mit weiteren Preisanstiegen zu rechnen
wäre. Diese Gefahr besteht auch bei der Einführung auf dem deutschen Markt,
weshalb diese Regulierung nicht unbedingt zielführend ist und zunächst Erfah-
rungsberichte auf vergleichbaren Märkten abgewartet werden sollten.
Vielversprechender und mit weniger Risiken behaftet scheint die vertikale
und/oder horizontale Entflechtung zu sein. Eine Möglichkeit wäre, zunächst auf
eine vertikale Entflechtung zurückzugreifen und die daraus resultierenden Konse-
quenzen abzuwarten. Sollte hiermit kein zufriedenstellendes Ergebnis erzielt wer-
den können, könnte man zusätzlich noch eine horizontale Entflechtung durchfüh-
ren.
Abschließend muss man jedoch berücksichtigen, dass zur Herstellung der Kraft-
stoffe Rohöl benötigt wird. Die immer größer werdende Knappheit dieses Roh-
stoffes führt weltweit zu steigenden Rohölpreisen. Es muss trotz wettbewerbspoli-
tischer Maßnahmen auf dem Kraftstoffmarkt, die im Idealfall einen funktionie-
renden Wettbewerb schaffen, mit steigenden Preisen gerechnet werden.
III
Literaturverzeichnis
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