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E. Genth Patientenschulung in der Rheumatologie ±Qualitåtsanforderungen

Z Rheumatol 59:218–219 (2000)© Steinkopff Verlag 2000 EDITORIAL

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Prof. Dr. E. Genth (✉)Rheumaklinik und RheumaforschungsinstitutBurtscheider Markt 2452066 Aachen

Patientenschulung ist eine systemati-sche und geplante Intervention fu¨rchronisch Kranke zum Erwerb vongesundheitsbezogenen Informatio-nen, Fa¨higkeiten und Fertigkeiten,Einstellungen und Verhaltensweisen,zur Verbesserung von Gesundheits-zustand, psychosozialem Status, Le-bensqualita¨t, Selbsteffizienz und In-anspruchnahme von Gesundheits-leistungen (2, 6). Sie will Patientenfahiger machen, um aktiv, kom-petent und eigenverantwortlich anihrer Gesundheitsversorgung mit-zuwirken zu konnen.

Die Deutsche Gesellschaft fu¨rRheumatologie sieht in der Patien-tenschulung eine wichtige Interven-tion bei Patienten mit chronischenlebensvera¨ndernden rheumatischenKrankheiten, deren Prinzipien, Wir-kungen, Nutzen und Kosten wie beianderen Interventionen, wie z.B. derPharmakotherapie wissenschaftlichuntersucht werden mu¨ssen und derenQualitat nach wissenschaftlichenKriterien definiert sein muss. DieserAnspruch ist hoch und schwierig zuverwirklichen. Es gilt nicht nur zuzeigen, dass Patientenschulung wirk-

sam in Bezug auf die gesetzten Zieleist und nicht nur ein „nettes Extra“(5), sondern auch Kostentra¨ger undPatienten davon zu u¨berzeugen, dassSchulungsprogramme in der angebo-tenen Qualita¨t ihr Geld wert sind.

In dieser Ausgabe der Zeitschriftfur Rheumatologie vero¨ffentlicht dieKommission Patientenschulung einGrundlagenpapier, in dem wichtigeDefinitionen, Voraussetzungen undQualitatsanforderungen (Standards)fur die Patientenschulung in derRheumatologie formuliert sind, dieim Auftrag der Deutschen Gesell-schaft fur Rheumatologie (DGRh) inZusammenarbeit mit der DeutschenRheumaliga erarbeitet wurden. Ent-sprechend dem Auftrag der DGRhist das Ziel dieses Papiers „die inter-disziplinare Erstellung eines Instru-ments, das in operationalisierter undallgemein nachvollziehbarer Formdie Zertifizierung von rheumatologi-schen Schulungsprogrammen, dieZertifizierung von Schulern (Trai-nern) sowie die Zertifizierung vonSchulungseinrichtungen durch dieDeutsche Gesellschaft fu¨r Rheuma-tologie ermo¨glicht“. Dabei orientie-ren sich diese Qualita¨tsanforderun-gen an den Arbeiten und Erfahrun-gen des Arbeitskreises Patienten-schulung (4), an Vero¨ffentlichungender internationalen Literatur (3) undan den Standards der Arthritis Foun-dation (2, 6). Diese Qualita¨tsanfor-derungen basieren auf einem Kon-sensus in Bezug auf Patientenorien-

tierung in Didaktik und Zielsetzungder Schulungsinhalte und Gestaltungals Gruppenkonzept durch professio-nelle Schuler verschiedener Berufe(Interdisziplinarita¨t, Multiprofessio-nalitat).

Die hier veroffentlichten Quali-tatsstandards mit dem Ziel der Zerti-fizierung durch die wissenschaftli-che Gesellschaft vertreten einen ho-hen Anspruch. Bisher gibt es in derMedizin lediglich beim Diabetesmellitus (1) und beim Asthma bron-chiale (7) vergleichbare Konzepte,welche die Qualita¨tsanforderungenumfassend und detailliert auf derEbene des Schulungsprogramms(Programmentwicklung, Curriculum,Durchfuhrung, Effektivitat) und desPersonals (Schulungsleiter, Fachtrai-ner) beschreiben. Die Arbeit derKommission Patientenschulung kannein Modell fur die Beschreibungvon Qualitatsanforderungen an Pa-tientenschulungsprogramme bei an-deren chronischen Krankheiten sein.

Die Qualitatsanforderungen fu¨rdie Patientenschulung in der Rheu-matologie sind von normativer In-tensitat und Detaillierung gepra¨gt.Dies sollte einer breiten Diskussionnicht im Wege stehen. Im Gegenteil,diese Vero¨ffentlichung soll die Dis-kussion uber die erforderliche Quali-tat und insbesondere die Machbar-keit der Patientenschulung im kli-nischen und ambulanten Bereich vo-ran bringen, um ihre Praktikabilita¨tund Flexibilitat zu verbessern. So

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sind in diesemTextentwurfAnmer-kungenund Fußnoteneingearbeitet,die ausder Diskussionseit der ers-ten VorstellungdesKonzeptsimRahmender DGRh-Tagungin Ros-tock-Warnemu¨ndeim September1999kommen.Es ist zu wunschen,dasshierzuweitereAnregungenundFragenausder Praxiskommen.

Die Diskussionmussoffen ge-fuhrt und gehaltenwerden,zumalfur viele Fragennochkeineausrei-chendenAntwortenvorliegen.Un-klar ist beispielsweise der optimaleMix auskrankheitsspezifischenThe-

menwie Selbstbeurteilung vonKrankheitssymptomen,spezifischenTherapie-und Rehabilitationsformenund krankheitsunspezifischenThe-menwie Schmerz-oderStress-bewaltigung oderVerbesserungvonSelbsteffizienz fur bestimmteZiel-gruppenoderauchder EinsatzvonanderenBerufsgruppen (Arzthelfe-rinnen,Pflegekra¨ften), LaienoderPatientenals Schuler. Anregungenzur Entwicklungvon programmspe-zifischenStandardssind gefragt.

Noch erhalt nur ein kleinerTeilder Patientenmit chronischenrheu-

matischenKrankheiteneinePatien-tenschulungin dieserForm.ZieldieserDiskussionist eseinehoheAkzeptanzder qualifiziertenPatien-tenschulungbei Patienten,Schulern,Institutionenfur Qualitatssicherung,anregendenbzw. uberweisendenÄrzten,Ärztekammernund ins-besondereKostentra¨gernzu errei-chen.Dieseist notwendig,um eineweitereVerbreitungvorhandenerSchulungsprogrammeinsbesondereim ambulantenBereichvoranzubringen.

Literatur

1. Anonymous (1999) Diabetes educationand Public health. American Associationof DiabetesEducators.Positionstatement.DiabetesEduc25:515–516,519

2. BurckhardtCS, Lorig K, Moncur C, Mel-vin J, BeardmoreT, Boyd M, BoutaughM (1994) Arthritis and musculoskeletalpatient education standards. ArthritisFoundation.Arthritis CareRes7:1–4

3. Hirano PC, LaurentDD, Lorig K (1994)Arthritis patient educationstudies,1987–1991: a review of the literature[seecom-ments].PatientEducCouns24:9–54

4. LangerHE (1994)Patientenschulungin derRheumatologie.Der Grundkurs „chron-ischePolyarthritis“ desArbeitskreisesPa-tientenschulungderDeutschenGesellschaftfur Rheumatologie.Akt Rheumatol19:1–13

5. Lorig K (1995) Patient education:treat-ment or nice extra [editorial]. Br J Rheu-matol34:703–704

6. Lorig K, VisserA (1994)Arthritis patienteducationstandards:a model for the fu-ture [editorial; comment]. Patient EducCouns24:3–7

7. PickenHA, GreenfieldS, TeresD, HirwayPS,LandisJN (1998)Effect of local stan-dards on the implementationof nationalguidelinesfor asthma:primary careagree-mentwith nationalasthmaguidelines[seecomments].J GenInternMed 13:659–663


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