– Es gilt das gesprochene Wort –
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Jahreseröffnung 2013 Gruppe Deutsche Börse 21. Januar 2013 SPERRFRIST: 21. Januar 2013, 19 Uhr CET Dr. Joachim Faber Vorsitzender des Aufsichtsrats Deutsche Börse AG, Frankfurt am Main
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SPERRFRIST: 21. Januar 2013, 19 Uhr CET
Sehr geehrter Herr Bundesbankpräsident, sehr geehrter Herr Staatsminister, sehr geehrter Herr
Staatssekretär, sehr geehrte Abgeordnete, sehr geehrte Damen und Herren,
§ im Namen des Aufsichtsrats heiße ich Sie alle herzlich willkommen zur Jahreseröffnung der Gruppe
Deutsche Börse!
§ Vermutlich haben Sie als Gäste unserer wiederkehrenden Jahreseröffnungsfeier festgestellt, dass mit
Ihnen, lieber Herr Weidmann, zum ersten Mal der gleiche Redner erneut auf dieser Veranstaltung
spricht.
§ Meine Damen und Herrn, warum haben wir Herrn Dr. Weidmann darum gebeten? Bitte verstehen Sie
dies als Ausdruck unseres Respektes vor der Arbeit der Institution wie auch vor der Leistung der
Person, die wir damit würdigen wollen.
§ Denn die Bundesbank achtet sehr konsequent auf ihre Unabhängigkeit und tritt auch innerhalb der
Europäischen Zentralbank dafür ein. Die Bundesbank setzt sich mit guten Gründen für die Trennung
einer stabilitätsorientierten Währungspolitik von der Fiskalpolitik und konjunkturpolitischen
Erwägungen ein. Das war schon in früheren Zeiten nicht einfach, hat sich aber während der Finanz-
und Wirtschaftskrise der letzten fünf Jahre als große Herausforderung dargestellt.
§ Dafür möchten wir der Bundesbank, aber auch Ihnen persönlich, Herr Weidmann, unseren Respekt
ausdrücken. Als Teil des Europäischen Systems der Zentralbanken ist die Bundesbank in
besonderem Maße relevant nicht nur für die deutsche Volkswirtschaft, sondern auch für die
Europäische Union und die Währungsunion und mittelbar weit über Europa hinaus.
§ Der Finanzplatz Frankfurt hat als Standort der EZB und der Bundesbank dabei eine besondere
Bedeutung: Meine Damen und Herrn, Frankfurt ist zu einem Hort der Stabilität des Euro geworden!
§ In diesem Zusammenhang ist auch wichtig, dass Frankfurt zusätzlich zur EZB mit der Standortwahl
der europäischen Versicherungsaufsicht EIOPA und der künftig hier angesiedelten Bankenaufsicht
eine Entwicklung vom bedeutenden Geschäftsstandort für Banken hin zum international
schwergewichtigen, politisch und aufsichtsrechtlich einflussreichen Finanzplatz genommen hat.
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§ Der Finanzplatz gewinnt auch deshalb an Bedeutung, weil er auf dem Fundament einer in Europa
und der Welt erfolgreichen Wirtschaft steht und selbst wiederum für die deutsche Industrie die
wichtige Plattform für Wachstum und Prosperität bildet. Ohne diese Stärke unserer Industrie, sowohl
in ihrer Rolle als Quelle stabiler Steuererträge, als Arbeitsplatzgarant und natürlich als
Wirtschaftsmotor auch in Europa, wäre Deutschland erheblich leichtgewichtiger. Denn noch nie war
die Stärke der deutschen Wirtschaft für Europa so wichtig wie heute.
§ Wir sollten daher bei allen regulatorischen Debatten immer die direkten und besonders die indirekten
Auswirkungen auf die Unternehmen in unserem Land gründlich abwägen. Dies schließt übrigens den
Bedarf der Wirtschaft nach modernen Finanzinstrumenten ein. Der Handel von Unternehmensbonds
zur Finanzierung, Derivategeschäfte zur Absicherung von Rohstoff- Zins- und Devisenrisiken sowie
die betriebliche Altersversorgung seien hier nur beispielhaft genannt.
§ Mit Stabilität verbinden heute viele Bundesbürger voller Sorge wieder das Thema Geldwertstabilität.
Stabilität bedeutet aber auch weiterhin die Sicherung der systemischen Stabilität der Märkte
insgesamt. Und dazu, meine Damen und Herren, können nicht nur Zentralbanken und
Aufsichtsbehörden, sondern auch beaufsichtigte und regulierte Börsenorganisationen sicher sehr viel
beitragen.
§ Die Deutsche Börse ist ein zentraler Baustein des Finanzplatzes Frankfurt. Und auch die Deutsche
Börse fühlt sich der Stabilität unseres Finanzsystems sehr verpflichtet.
§ Herr Weidmann: Unsere Unterstützung, da wo wir sie leisten können, sei Ihnen also gewiss!
§ Über das WIE, meine Damen und Herrn, können Sie im Laufe des heutigen Abends mit ihrem
Gastgeber und seinen Mitarbeitern sicher noch viele interessante Gespräche führen.
Ich möchte heute Abend ein kurzes Plädoyer halten:
1. Für eine Wertschätzung der Finanz- und Kapitalmärkte in einer Zeit der Aufarbeitung markanter
Fehlentwicklungen, aber auch eines wiederbelebten Wachstums unserer Wirtschaft,
2. für regulierte Börsenorganisationen, die sich als Bindeglied zwischen Regulierer und Regulierten
verstehen sollten. Börsenorganisationen kommt eine Schlüsselrolle zu bei der Umsetzungshilfe
zur Erfüllung regulatorischer Anforderungen auf der einen Seite wie bei dem berechtigten
Streben nach endlich wieder sicheren und stabilen Finanzmärkten auf der anderen Seite. Dazu
erbringen Börsenorganisationen Dienste, die gleichermaßen effizient und zuverlässig sind –
besonders, wenn es um die Absicherungsfunktion von Clearinghäusern geht. Ein Verschiebung
der Umsetzung der EMIR Richtlinie auf Sommer 2014, wie von der ESMA angekündigt, halte ich
in diesem Zusammenhang für wenig stabilitätsfördernd.
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3. Für eine Geschäftspolitik der Deutschen Boerse, die sich am Bedarf unserer wichtigsten Kunden
orientiert und wertvolle Lösungen im Rahmen der sich abzeichnenden neuen regulatorischen
Rahmenbedingungen in Folge von MIFID/MIFIR, EMIR, der CSD Regulierung oder auch Basel III
anbietet.
§ Meine Damen und Herrn, die Finanzbranche hat seit Ausbruch der Krise vor 5 Jahren sehr viel
Vertrauen und Kredit verspielt. Das hat auch das Vertrauen unserer Mitbürger in die
Funktionsfähigkeit und den Nutzen der Kapitalmärkte deutlich beeinträchtigt und es steht außer
Frage, dass ein dramatisches Umdenken bei vielen Akteuren notwendig ist und - wenn nicht aus
eigenem Antrieb gesichert - durch bessere Regulierung unterstützt werden muss.
§ Es ist nicht ertragbar, wenn Einzelne in der Finanzbranche den Eindruck vermittelt haben, dass sie
aufgrund Ihres Einflusses und Ihrer Finanzkraft über Recht und Gesetz stünden. Der frühere AR-
Vorsitzenden der Münchener Rück Schinzler hat kürzlich dieses Problem in einem Beitrag in der
Börsenzeitung auf einen kurzen Nenner gebracht: "Nicht alles, was machbar ist, sollte auch gemacht
werden."
§ Es ist mir aber wichtig, auch deutlich zu machen, dass wir heute bereits an vielen Stellen ein
verändertes Bewusstsein beobachten. In Finanzinstituten sind heute Risikomanagement,
Reputationsmanagement und Compliance Begriffe der alltäglichen Praxis geworden. In vielen
Organisationen ist eine neue Generation am Ruder und wir sollten diese an ihren Taten messen und
nicht nur nach dem, was sie beim Aufräumen der Vergangenheit an Tageslicht befördern. Es darf
besonders in der politischen Debatte nicht der öffentliche Eindruck in Kauf genommen werden, auf
die Finanzbranche und die von ihr belebten Kapitalmärkte könne getrost verzichtet werden. Das
Gegenteil ist der Fall: Gut funktionierende Kapitalmärkte sind unverzichtbar für jede gut
funktionierende Volkswirtschaft.
§ Kapitalmärkte fördern Wirtschaftswachstum, und Wachstum bedeutet Wohlstand. Wir sollten nicht
vergessen, dass die Kapitalmärkte maßgeblich dazu beigetragen haben, dass sich weltweit die Zahl
jener Menschen um fast 1 Milliarde seit 1990 reduziert hat, die unter der Armutsgrenze leben, trotz
einer wachsenden Weltbevölkerung. Das wäre ohne die enormen Summen, die nur durch die
Transferfunktion der Kapitalmärkte in die Emerging Markets investiert werden konnten, nicht möglich
gewesen.
§ Wir alle sollten also ein Interesse an einer Regulierung der Kapitalmärkte haben, die diese nicht
schwächt, sondern stärkt, indem Investorenschutz, ernst gemeintes Risikomanagement, Stabilität
und Transparenz an vorderster Stelle stehen.
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§ Nationale Alleingänge, Strafsteuern, die umgangen oder abgewälzt werden können, Regulierungs-
Arbitrage, die weitere Duldung eines grauen Marktes außerhalb jeder Aufsicht oder auch der Wunsch
nach Entschleunigung im 21. Jahrhundert sind aus meiner Sicht eher ungeeignete Versuche, uns die
Sicherheit zurückzugeben, die wir für unser Land, für unseren Kontinent brauchen.
§ Eine Renationalisierung der Kapitalmärkte oder der Finanzmarkt-Infrastruktur sind ganz sicher keine
Lösung und auch nicht möglich. Unsere Welt funktioniert global. Wir sollten unser Regelwerk
entsprechend aufsetzen und damit das Risikobewusstsein und besonders das Risikomanagement
entsprechend stärken.
§ Auch vor diesem Hintergrund wird sich die Deutsche Börse, wie bereits angekündigt, zunehmend auf
Dienstleistungen im Bereich Risikomanagement und Absicherung von Geschäften im
außerbörslichen Teil des Marktes konzentrieren. Das Management wird entsprechende
partnerschaftliche Angebote machen.
§ Die Deutsche Boerse hat die große Chance, für Ihre Kunden, aber auch für das Finanzsystem als
Ganzes ein Teil der Lösung zu sein und den Banken die Bilanzen durch eine Bündelung der
Gegenparteirisiken aus OTC-Derivategeschäften in einem zentralen Clearinghaus um erhebliche
Milliardenpositionen an Risiko-Assets zu entlasten. Gleichzeitig würde dies systemisch viel zum De-
Risking des Finanzsystems beizutragen.
§ Kein Unternehmen hat bisher nachhaltig Werte geschaffen, das sich nicht eng an den Bedürfnissen
seiner Kunden orientiert und auch im gesamtgesellschaftlichen Kontext positive Beiträge bietet.
§ Die von der Bundeskanzlerin vertretene Position, dass die nächste Bankenrettung aus eigener Kraft
erfolgen muss – so wie schon in den 70er Jahren bei Herstatt praktiziert – halte ich für mehr als
angemessen.
§ Ich bin überzeugt, dass sich begründete, regulatorische Ansprüche an die Marktteilnehmer zur
Wiederherstellung einer stabilitätsorientierten Ordnung und das Interesse der Handelshäuser,
Banken und auch der Realwirtschaft nach Erhalt der Kapitalmärkte in nennenswerter Größenordnung
vereinbaren lassen.
§ Sicher kann der geregelte und traditionell streng beaufsichtigte Börsenbetrieb hier das Bindeglied
zwischen den beiden Positionen darstellen.
§ Natürlich reduziert eine zentrale Gegenpartei und entsprechend hinterlegte Sicherheiten das
Ausfallrisiko.
§ Ohne Frage lassen sich erhöhte Eigenkapitalanforderungen auch durch ein effizientes Sicherheiten-
Management abmildern.
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§ Es gilt, durch neue Regeln endlich Stabilität und Vertrauen in die Märkte zurückzugewinnen. Dabei
ist es natürlich notwendig, die damit verbundenen Kosten möglichst gering zu halten. Damit dies
gelingt, braucht es Partner, die Erfahrung darin haben, unterschiedliche und manchmal
gegensätzliche Interessen durch marktnahe Lösungen zum Ausgleich zu bringen.
§ Meine Damen und Herren, ich wünsche Ihnen allen ein gutes, erfolgreiches und überraschungsfreies
Jahr.
§ Unser Gastredner in diesem Jahr braucht nicht mehr weiter vorgestellt zu werden. Er ist Deutscher,
Europäer und Weltbürger im besten Sinn: Er sammelte u.a. Erfahrung als Generalsekretär des
Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, an der Banque de
France ebenso wie beim Internationalen Währungsfonds sowie nicht zuletzt im Bundeskanzleramt.
§ Meine Damen und Herren, freuen wir uns auf die Worte von Dr. Jens Weidmann!
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