Transcript

Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie Band 407 Juli 1974 Heft 1, S. 1-128

Stereospezifische Substitutionsreaktionen zur Darstellung von Komplexen mit drei verschiedenen einziihnigen Liganden

Von W. PREETZ und H. HOMBORG

K iel, Institut fur Anorganische Chemie der Christian-Albrechts-Universitat

I n h a 1 t s u b e r s i c h t . Ausgehend von reinen gemischten Hexahalogenokomplexen mit zwei verschiedenen Liganden wcrden durch stereospezifische Substitutionsreaktionen 1 7 von 29 moglichen Komplesendes Typs [OsClxBr7JG-x-y]2-, s + y = 0--6, dargestellt. Die Identitat, Reinheit nnd Konfignration wird durch die Herstellung auf verschiedenen unab- hangigen Wegen und durch Analyse der Absorptionsspektren gesichert. Aus den ionopho- retisch bestimmten Znischenprodukten wird auf die haufig komplizierten Reaktions- ablaufe geschlossen. Die gezieltz Substihtion der gemischten Oktaederkomplexe wird er- moglicht durch die rerschiedene kinetische Stabilitat der Bindungen der einzelnen Liganden. MaDgebend dafur ist der unterschiedliche trans-Effekt, der Halogenide.

S t e r e o s p e c i f i c S u b s t i t u t i o n R e a c t i o n s f o r P r e p a r a t i o n of Complexes w i t h T h r e e D i f f e r e n t 31 o n o d e n t a t e L i g a n d s

A b s t r a c t . Starting from the pure mixed-ligand hexahalo complexes with two diffe- rent ligands 1 7 of the 29 possible complexes of the type [OsC1,BryI,-~-y]2-, x + y = 0-G, are prepared by stereospecific reactions. The identity, purity and configuration is confirmed by the preparation on different independent ways and the analysis of the absorption spectra. From the ionophoretically isolated intermediate complexes the frequently con- plicated reactions are deduced. The directed substitution of the mixed octaliedral complexes is enabled by the distinct kinetic stability of the bonds of the ligands. This is controlled by the different trans effect of the halides.

1. Einleitung Bisher wurde mehrfach uber die Miiglichkeiteii zur gezielten Darstelluiig

von oktaedrischen Gemischtligandkoinplexen init zwei verschiedenen Halo- geniden des Typs [MX,Y,-,]2-; $1 = Re, Os, IR, P t ; X + Y = C1, Br, J ; x = 1-5, einschliefllich der fur x = 2 , 3 und 4 existierenden cis-trans- Isomeren bericlitet 1-3). Werden einem Zentralioii gleichzeitig drei verschie-

I) W. PREETZ, Z. anorg. allg. Chem. 34S, 151 (1". 2 ) \V. PREETZ 11. H. HOMBORG, J. inorg. nuclear Cheni. 32, 1979 (1970). 3) W. PREETZ n. H. J. WGTER, J. inorg. nuclear Chem. 33, 31iY (1971). 2. anorg. allg. Chemie. Bd. 407. 1

2 W. PREETZ u. H. HOMBORC

dene einzahnige Liganden angeboten, so hat man im Reaktionsgemisch mit insgesamt 5 7 verschiedenen Komplexen der allgemeinen Formel [MX,Y,Z,- , + > I , x + y = 0 -6, zu rechnen. Dabei handelt es sich urn die drei reinen Hexakomplexe, drei inal acht zweifach verschieden und 29 drei- fach verschieden substituierte Gemischtligandkomplexe, von denen all-cis- [MX,Y,Z,] zwei optisclie Isomere bildet . Alle mciglichen Koinplexe sind in Tab. 1 zusammengestellt. Die Darstellung solcher Koinplexe mit drei ver- behiedenen Halogeniden ist bisher nicht beschrieben worden.

Tabelle 1 Zusammenstellnng aller Ilomplexe der allgemeinen Formel MXxYyZ6-x-y, sTy = 0-6 (t. = trans; c. = cis; * = gleichartige Liganden trans-standig)

Bei tler Behandluiig ron Os(1V) mit eineni Gemisch aus HCl/HBr/HJ entstehen infolge der sehr ahnlichen individuellen Staloilitats konstanten alle diese Komplese in uiiterschiedlichen Mengen nebeneinander. Wegen der grol3en Anzahl der Komponent'en, die sich in ihrern physikalisch-chernischen Verhalten stark ahneln, erscheint die Isolierung auch nur einiger Vertreter aus dem Reaktionsgemisch aussichtslos. Ihre Darstellung kann nur gelingen, wenn durch stereospezifische Substitutionsreaktionen ganz gezielt jeweils nur einige wenige Koniplexe gebildet werden. Geinische mit nur einigeri Koinplexionen, die einen gewisseii Massenunterschied aufweisen, lassen sich in bewahrter Weise durch ionoplioretische Net'lioden auftrennen 4).

Als Ausgangsprodukte eignen sich zw-eifnch rerschieden gemischte Komplexe. Sie zeichnen sich durch ihr differenziertes kinetisches Verhalten aus. So sind die hijher splnmetrischen trans-Komplexe vom Typ [OsX,Y,I2- ljzw. [0sX2Y,l2- deutlicli stabiler als die entsprechenden cis-Pormen. All- gemein zeigt sich, dafl nlle gemischten Komplexe, die durch trans-Effekt gelockerte oder gefestigte Liganden enthalten, fur stereospezifische Substi - tutionsreaktionen hesonders giinstig sind. Durch geeignete Reaktionsfuhrung sollten daher Komplese des Typs [OsClsBr,.J6-,-,]2- darstellbar sein.

4 ) IT. PREETZ, Fortschr. cheni. Porsch. 11, 375 (1969).

Stereospezifische Substitution 3

Zu prufen ist, inwieweit die Austauschreaktionen stereospezifisch ver- laufen und ob die Liganden in raumlich eindeutiger Anordnung vorliegen. Das Ziel ist, Wege fur die Reindarstellung aller Isomeren aufzuzeigen. Kom- plexe dieser Art verdienen Interesse, weil sich an ihnen durch geringfugige Veranderungen der Koordinationssphare bedingte Einflusse auf das chemi- sche und physikalische Verhalt.en untersuchen lassen.

2. Substitutionsreaktionen an Komplexen mit zwei verschiedenen Liganden Von der Darstellung der einzelnen Glieder der Gemischtligandkom-

plexreihen des Typs [OSX~Y,-,]~- sind die gunstigsten Bedingungen und Geschwiridigkeiten fur Substitutionsreaktionen bekannt 5 ) 6 ) . Sie erlauben die ungefahre Abschkitzung des Zeitbedarfs fur die Substitution durch eine dritte Ligandenart.

Alle Umsetzungen werden in den entsprechenden konzentrierten Halogenwasserstoff- sauren, und wenn nicht anders vermerkt, bei Zimmertemperatur durchgefuhrt. Durch Probenahme in angemessenen Zeitintervallen lassen sich die Reaktionsablaufe, bei denen es sich im allgemeinen um mehrere Folge- und Parallelreaktionen handelt, gut verfolgen. Auf diese Weise werden auch die Zeiten ermittelt, nach denen bestimmte Komplexe in ihrer maximalen Konzentrat.ion im Reaktionsgemisch vorliegen, aus dem sie zweckmal3iger- weise zu isolieren sind.

Die Untersuchung der Proben erfolgt nach dem Abdampfen der Halogenwasserstoff- sauren im Vakuum durch Hochspannungsionophorese. Uber die Arbeitsweise wurde mehr- fach ausfuhrlich berichtet4). Wegen der intensiven Farben aller Komplexe lassen sich die Trennungen visuell gut verfolgen und kontrollieren. Die relativen Mengen der verschiedenen Komponenteii im Geniisch werden geschatzt und auf den schematisch wiedergegebenen Pherogrammen durch die Breite der Zonen angedeutet.

Fur die Wanderungsgeschwindigkeit im elektrischen Feld gilt die Beziehung') :

w1 /M, - _ W2 - l:K w = Wanderungsgeschwindigkeit, M = Molekulargewicht.

1st die bei der Substitution sich ergebende Massenanderung gering, z. B. beim Ersatz eines C1 durch ein Br oder eines Br durch ein J , so sind Iangere Trennzeiten erforderlich, dagegen erfolgt die Auftrennung schneller, wenn ein C1 durch J ersetzt wird oder umge- kehrt. Die Reihenfolge und relative Lage gemischter Komplexionen auf dem Pherogramm 1aBt sich erfahrungsgemaB allein aus dem Beitrag der 6 Liganden abschstzen. Die Atom- gewichte von C1, Br, J verhalten sich annahernd wie 1 : 2: 3. Aus diesen Werten bildet man die relative Gesamtmasse. So ergibt sich z. B. fur die drei Komplexe [OSC~,B~,J,]~-, [OSCI,J,]~- und [OsBr,12- jeweils die gleiche relative Gesamtmasse der Halogenide von 12. Tatsachlich bilden sie auf dem Pherogramm eine gemeinsame Zone, die geringfugig lang- samer wandert als die von [OSCI,B~,J]~- mit dem Wert 11.

5 ) W. PREETZ u. H. J. WALTER, Z. anorg. allg. Cheni. 402, 169 (1973). 6 ) W. PREETZ, H. J. WALTER u. E. W. FRIES, Z. anorg. allg. Chem. 402, 180 (1973). ') F. A. LINDEDIANN, Proc. Roy. SOC. [London] Ser. A99, 102 (1921).

1*

4 W. PREETZ u. H. HOMBORG

Zur praparativen Isolierung der neiien Komplexe werden aus einer groBeren Anzahl von Pherogrammen die einzelnen Zonen sorgfaltig ausgeschnitten. Urn den Zerfall der hydro- lyseempfindlichen Komplexe auszuschlieBen, bewahrt man die gesammelten Schnitzel in flussigem Stickstoff auf. Zu ihrer Elution dient eine kuhlbare Presse.

Aus den Pherogrammen und den teilweise schon bekannten Zwischen- produkten wird auf die Reaktionsablaufe geschlossen. Sie sind in den Abb. 1 bis 1 2 schematisch dargestellt. I n den Reaktionsschemata sind die Bindungs- striche zu durch trans-Effekt gelockerten Liganden gestrichelt, zu trans- gefestigten fett gezeichnet. I n den Formeln der dreifach verscliieden sub- stituierten Komplexe sind gleichartige Liganden in trans-Position zuein- ander mit einem * gekennzeichnet.

2.1. R e a k t i o n e n d e r K o m p l e x e [OSB~,J,-~]~- m i t HC1

Die gemischten Bromo- Jodo-Komplexe sind insgesamt kinetisch am wenigsten stabi13). Ihre Darstellung ist zeitraubend, daher stehen fur die Umsetzungen nur die besser erhaltlichen Komplexe der cis-Reihe zur Ver- fugung. Mit wachsender Anzahl an Cl-Liganden nimmt &e kinetische Sta- bilitat deutlich zu. Die Folgereaktionen verlaufen trager, so daB sich einige Zwischenprodukte in guter Ausbeute bilden, was ihre Darstellung erleich- tert. Da es sich bei C1 urn den trans-inaktivsten Liganden der untersuchten Systeme handelt, verlaufen die Umsetzungen meistens ubersichtlich im Sinne reiner ,,cis-Reaktionen".

[OsBr,JI2- + HCl. Gem5113 Abb.1 entsteht als erstes Produkt in ein- deutiger Reaktion [OsC1Br:JI2-, das sich in guter Ausbeute nach 6 Std. Reaktionszeit isolieren lafit. Nach etwas langerer Reaktionsdauer kann auch [ 0~Cl,BrfJ]~- abgefangen werden, allerdings in schlechterer Ausbeute. Vermutlich bedingt durch die besondere Stabilitiit der OsBr,-Ebene in [OSCIB~:J]~- reagiert dieser Komplex z. T. nach Weg 11. Die weiterer. Folgeprodukte sind daher nicht mehr rein.

Bbb. 1. Reaktionsablauf der Umsetzung [OsBr,JI2- + HCl

Bei der Ionophorese zeigen sich a n den Vorderfronten der jeweiligen Komplexzonen gelbe Rander. Sie ruhren von uberlagerten Chloro-Bromo-Komplexen her, die geringfugig schneller wandern, sich aber nicht quantitativ abtrennen lassen.

Stereospezifische Substitution 5

~is[OsBr,J,]~- + HCl. Der Reaktionsablauf ist in Abb. 2 dargestellt. uber einen instabilen Zwischenkomplex entsteht nach 2 Stunden in guter Aus- beute [OsCl,Br,* J,]2-. Die weitere Substitution erfolgt bedeutend langsamer. Durch Ersatz eines Br bzw. J entstehen [OSC~,B~J,]~- bzw. [OsC1,*Br,*JI2-. Beide reagieren zu [OsC1,BrJI2- ab, das sich isolieren lai3t.

Abb. 2. Reaktionsablauf der Umsetzung ci~-[OsBr,J,]~- + HCI

~is[OsBr,J,]~- + HC1. Wegen des etwa gleich hiiufigen Austausches von gelockertem Br bzw. gefestigtem J kommt es zu zwei Reaktionswegen, Abb. 3 . Das nach 1 zuerst entstehende [OSCIB~,J,]~- ist nicht isolierbar, sondern bildet sofort [OSC~,B~J,]~-. Dieses wird iiberlagert durch das nach I1 entsteheude [OSC~B~,J,]~-. Auch die Reindarstellung des besonders interessanten all-cis-[OsC1,Br,J,]2- ist nicht moglich, da es gleich schnell wandert wie cis-[0sC1,J3] 2-. Nach langerer Reaktionszeit entstehen uber Weg I1 die isolierbaren Komplexe [OSC~,B~J,]~- und [OsCl,BrJ]2-.

Abb. 3. Reaktionsablauf der Umsetzung cis-[OsBr,J,]2- + HCI

cis[0sBr2JJ2- + HCI. Als wenig stabiles Zwischenprodukt bildet sich [OSC~B~J,]~-, das sich in reiner Form isolieren lafit. Als nachstes Produkt entsteht cis-[0sC1,.J4]2-, das in der normalen cis-Reihe weiterreagiert.

2.2. Reakt ionen der Komplexe [OSC~,J,-,]~- mi t HBr

Die als Ausgangsprodukte dienenden Chloro- Jodo-Komplexe sind kine- tisch am besten untersucht . Die optimalen Trennbedingungen sind genau bekannt. Wegen der relativ grofien Massenunterschiede zwischen den ein- zelnen Komponenten bereitet ihre ionophoretische Trennung keine Schwie- rigkeiten. Da Rr- in seiner trans-Wirkung zwischen C1- und J- liegt, er- geben sich komplizierte Reaktionsablaufe.

6 W. PREETZ u. H. HOMBORG

[OSC~,J]~- bzw. tran~-[OsCl,J,]~- -I- HBr. Nach 48stiindiger Reaktions- zeit hat sich aus beiden Komplexen fast quantitativ [OsC1:BrJI2- gebildet, Abb. 4. Die weitere Substitution erfolgt erst bei deutlich hoheren Tempera- turen.

3 2 1 a b

6 5 3 L

Abb. 4 Abb. 5

Abb. 4. Reaktionsablauf der Umsetzung [OSC~,J]~- bzw. trans-[O~Cl,J,]~-+HBr Abb. 5. Pherogramme und Reaktionsablauf der Umsetzung ~is-[0sCl,J,]~-+HBr. a) Pherogramm nach 4 Std. Reaktionszeit bei Zimmertemperatur b) Pherogramm nach 48 Std. Reaktionszeit bei 40°C

~is[OsCl,J,]~- + HBr. Abb. 5 gibt die Pherogramme der Umsetzung nach 4 Stunden Reaktionszeit bei Zimmertemperatur bzw. nach 48 Stunden bei 40 "C wieder. In 1 werden die beiden stark trans-gelockerten C1 schritt- weise und schnell durch Br ersetzt. Bei Unterbrechung nach kurzer Reak- tionszeit lassen sich 2, [OSC~:B~J,]~- und 3, [OSCI,*B~,J,]~- bequem iso- lieren. In Komplex 3 liegen eine stabile C1-0s-C1-Achse und zwei trans- gefestigte J-Liganden vor. Dieser Komplex wirkt als kinetische Barriere. Er entsteht beinahe in quantitativer Ausbeute und reagiert erst bei Temperatur- erhohung auf 40°C merklich weiter. An der Stelle von Zone 2 tritt jetzt im Pherogramm der gleich schnell wandernde Komplex 4, [ OsCl,*Br:J]2- auf, der sich rein isolieren IaiBt. Er bildet sich nach Weg I1 durch Ersatz eines gefestigten J . Parallel dam wird gemafi I auch die C1-0s -C1-Achse ange- griffen. Uber ein instabiles Zwischenprodukt entsteht zuerst 6, danach 5, die spektrophotometrisch als ci~-[OsBr,J,]~- bzw. [ OsBr,JI2- erkannt werden. Zone 3 ist bei der Umsetzung bei hoherer Temperatur nicht mehr rein. Sie zeigt eine blauviolette Ruckfront von [OsCl,* Br2J,I2- und eine braune Vor- derfront von [ OsBr,l2-, dem gleich schnell wandernden Endprodukt dieser Umsetzung.

trans- [OSC~,J,]~- bzw. tran~-[OsCl,J,]~- 4- HBr. Die Umsetzung ver- lauft einheitlich unter Bildung von [0sCl,*BrJ,*]2- und [OsCl,*Br,JJ-,

Stereospezifische Substitution 7

Abb.6. Beide Komplexe lassen sich in guter Ausbeute isolieren, da die Reaktionsgeschwindigkeit mit zunehmender Anzahl der Br-Liganden ab- nimmt.

Abb. 6 Abb. 7

Abb. 6. Reaktionsablauf der Umsetzung t ran~-[ .OsCl~J~]~- bzw. trans-[0sC1,J4]2- + HBr Abb. 7. Reaktionsablauf der Umsetzung ~is-[OsCl,J,]~- + HBr

cis- [OSC~,J,]~- + HBr. Da stark gelockerte C1-Liganden zu ersetzen sind, verliiuft die Reaktion schnell bis ci~-[OsBr,J,]~-, das nur sehr langsam weiter reagiert, Abb. 7. Nach kurzer Reaktionsdauer lassen sich [OSC~B~,J,]~- und [OsCl,BrJ.J- abfangen. I n der Ausgangssubstanz vorhandene kleine Mengen von ~is-[OsCl,J,]~- storen niclit.

cis- [ 0sC1,J4]2- + HBr. Bei Zimmertemperatur bildet sich schnell cis-[ OsBr,JJ-. Als Zwischenprodukt 1aBt sich [ OsClBrJJ2- abfangen. In dem Ausgangsprodukt vorhandenes [0sJJ2- und [OSCIJ,]~- storen die Dar- stellung nicht.

2.3. R e a k t i o n e n d e r K o m p l e x e [OSCI,B~,-,]~- m i t HJ Die Chloro-Bromo-Osmate(1V) sind von allen untersuchten gemischten

Komplexen die kinetisch stabilsten. Mit der Zunahme der Anzahl der Br- Liganden geht eine Stabilitatsabnahme einlzer. Dieser Effekt wird durch Einbau von J verstarkt. Es treten vielfacli schnelle Folgereaktionen ein, die die Isolierung von Zwischenprodukten erschweren.

[OsC1,BrI2- bzw. trans-[O~Cl,Br,]~- 1 HJ. Bei der Auswertung der Fherogramme ergibt sich der Reaktionsablauf wie in Abb. 8 gezeigt. I m trans-[OsC1,Br,12- wird die Br -0s -Br-Achse angegriffen, im [0~Cl,Br]~- das durch Br gelockerte C1 substituiert. I n beiden Fallen entsteht zunachst [OsC1ZBrJl2-, das schnell zu tran~-[OsCl,J,]~- weiterreagiert. Danach ver- lauft die Reaktion in der bekannten Weise2) uber trans-Komplexe als Zwischenprodukte zu [OsJJ-. [OsC1:BrJl2- bildet sich als labiles Zwischen- produkt nur in sehr geringen Mengen, so da13 diese Umsetzung zur Dar- stellung kaum geeigiiet ist.

~is-[OsCl,Br,]~- + HJ. Nach 24 Stunden Reaktionszeit ergibt sich das schematisch dargestellte Pherogramm, dem ein komplizierter Reaktions- ablauf zugrunde liegt, Abb. 9.

S 77'. PREETZ u. H. HOMBORG

Uberwiegend erfolgt die Substitution uber den erwarteten Weg I, bei dern durch trans-Effekt gelockerte Liganden ersetzt werden. Aus 1 bilden

Abb.8 Abb. 9

Abb. 8. Reaktionsablauf der Umsetzung [0~Cl,Br]~- bzv . trans-[OsCI,Er,]~-+HJ Abh. 9. Pherogramm und Reaktionsablauf der Umsetzung ~~S-[OSCI,B~,]~-+HJ

sich die unterschiedlich stabilen Zwischenprodukte 3a, 4, 6 und 7a und schlieBlich uber das auBerst labile [OsClJJ- als Endprodukt [OsJ,J2-, 9. Die Komplexe 3 a und 6 mit wenig stabilen Br - 0s - J-Achsen reagieren schnell weiter und sind daher im Gemisch nur in kleinen Anteilen vertreten.

Wegen der Ahnlichkeit von C1 und Br und des nicht so ausgepragten Unterschieds in der trans-Wirkung dieser beiden Liganden kann in geringem Umfang auch Weg I1 beschritten werden, bei dem ein trans-gefestigtes Br ersetzt wird. Die Zone 2 ist allerdings sehr sciimal, w-as auch durch die schnelle Weit.erreaktion zu 4 bedingt ist.

Der Angriff an der C1-Os-C1-Achse erfolgt nach Weg 111. Uber 3b entsteht als relat'iv stabiles Zwischenprodukt der Komplex 5. Der Komplex 7 b ist wenig stabil und reagiert weiter zu 8.

Der angenommene Reaktionsablauf wird gestutzt durch die genaue Untersuchung der Zone 3. Sie zeigt nsch IIngerer Trennzeit eine gelbe Vorder- und eine schmutzgigrune Ruckfront. Wahrend Komplexe mit einer J-Os-C1-Achse im allgemeinen grune Farb- tone aufweisen, sind solche mit J- Os-Br-Gruppierungen braun bis beige. Offenbar setzt sich die Zone aus den Isomeren 3a und 3b zusammen, die sich auf Grund geringer W'anderungsunterschiede partiell entmischen. Wie bei Ihnlichen Systemen wandert die cis- geringfugig schneller als die trans-Komponente.

Aus den relativen Mengenverhaltnissen 1aBt sich abschatzen, daB der Reaktionsweg I zu etwa 213, I11 zu etwa 113 zum Gesamtumsatz beitragt. Aus dem geringen Anteil an 2 muB man schlieBen, daB der Reaktionsweg I1 iiur von ganz untergeordneter Bedeutung ist.

Stereospezifische Substitution 9

Nach 24 Stunden Reaktionsdauer lassen sich die Komplexe 4 und 5, d. h. [OsC1;BrJ:l2- und [ O S C ~ , B ~ , J ~ ] ~ - in reiner Form aus dem Gemisch isolieren.

[OsC1Br512- + HJ. Nach 12stiindiger Umsetzung ergibt sich das Phero- gramm der Abb. 10. Um die Zuordnung der Zonen zu erleichtern, sind auf der unteren Halfte des Streifens die Bromo-Jodo-Komplexe mit getrennt worden (8 = [OsBr,12-, 9 = [OsBr5JI2-, 4 = tran~-[OsBr,J,]~-, 6 = trans- [OSB~,J,]~--, 7 = [0sJ,l2-).

7 6 5 L 3 2 1

7 6 L 9 8

Abb. 10. Pherogramm und Reaktionsablauf der Umsetzung [OsC1BrJ2- + HJ

Nach Weg I bilden sich vor allem die relativ stabilen Komplexe 4 und 6 der Bromo-Jodo-Reihe. Abweichend von der Erwartung wird aber auch Weg I1 beschritten, bei dem eine Br -0s -Br-Achse substituiert wird. Die relativen Mengen der Zonen 3 und 4 weisen auf die Bevorzugung von Weg I1 hin. Das Hauptprodukt 3, der Komplex [OsC1Br:JZl2- lal3t sich in prapars- tiven Mengen isolieren. Er ist geringfiigig (etwa 1%) durch das bei der iono- phoretischen Trennung an der gleichen Stelle liegende [OsBr5J]2- verun- reinigt .

ci~-[OsCl,Br,]~- + HJ. Die Umsetzung verlauft eindeutig gemafi dem in Abb. 11 dargestellten Reaktionsweg.

Abb. 11. Reaktionsablauf der Umsetzung cis-[OsC1,Br3]*- + HJ

Nach 12Stunden enthalt das Gemisch 30% (OSC~,B~,J,*]~- und 15% [OsClBrJ:]2-. Die bezuglich der J-Liganden unsymmetrischen Zwischen- komplexe sind nicht fal3bar.

10 W. PREETZ u. H. HOMBORG

cis-[OsCl,Br,]*- + HJ. Nach 1 2 Stunden erhalt man das Pherogramm der Abb. 12. Nach Weg I wird ein trans-gelockertes Cl substituiert. Durch Weiterreaktion bildet sich schnell 4, das sich uber instabile Zwischenpro- dukte zu 6 und 7 umsetzt. Nach Weg I1 wird die Br-0s-Br-Achse ange- griffen. FaIJbare Zwischenprodukte sind 3 und 5. Die beiden Reaktionswege sind etwa gleich wahrscheinlich, wie die gleichartigen Mengenverhaltnisse der Zonen 3 und 4 bzw. 5 und 6 anzeigen.

Sbb. 12. Pherogramm nnd Reaktionsablauf der Umsetzung cis-[OsCI,BrJ-+HJ

Aus dem Gemisch 1al3t sich 4, [OsC1Br,*J,*I2- vollig rein isolieren. Die Komplexe 3 bzw. 5, [0~Cl,Br,Jz]~- bzw. [OsClBrJ~lZ- sind in geringem Umfang niit den gleich schnell wandernden, absr wenig stabilen Zwischen- produkten [OsClBr: J12- bzw. trans-[OsBr3J312- verunreinigt.

2.4. S u b s t i t u t i o n s r e a k t i o n e n a n d r e i f a c h g e m i s c h t e n K o m - plexen

Die Umsetzungen mit dreifach verschieden substituierten Kornplexen dienen zur Absicherung der vorher beschriebenen Reaktionsablkufe, die wegen der Parallelreaktionen teilweise unubersichtlich erscheinen. Zur praparativen Herstellung neuer Verbindungen mit anderen Liganden sind die dreifach geinischten Kornplexe zwar grundsatzlich geeignet, sie stehen jedoch nicht in ausreichender Menge zur Verfugung.

Viele der angefuhrten Substitutionsschritte sind reversibel, d. h. die Umsetzung eines isolierten Zwischenprodukts mit der entsprechenden Halo- genwasserstoffsaure fuhrt in glatter Reaktion zu dem vorhergehenden Pro- dukt zuruck. So erhalt man aus [OsC1,*Br2J2]2- bei der Umsetzung mit HC1 gema13 Abb. 5 [0~ClzBrJ,]~-, mit HJ entsprechend Abb. 6 [OsC1,*BrJt12-.

Gemische von ionophoretisch nicht oder nur andeutungsweise trennbaren Komplexen lassen sich durch F o l g e r e a k t i o n e n naher charakterisieren:

Stereospezifische Substitution 11

Die nach Weg I und I1 der Abb. 3 entstehenden Komplexe cis-[O~Cl,J,]~- und all-cis- [OsC1,Br,J,]Z- sind annahernd massegleich und bilden daher bei der Ionophorese eine ge- meinsame Zone. Wird diese rein isoliert und anschlieoend erneut mit HC1 behandelt, so reagieren die beiden Komplexe auf Grund der verschiedenen kinetischen Stabilitat unter- schiedlich. Aus dem all-cis-Komplex entsteht durch raschen Ersatz des gelockerten Br das wenig schneller wandernde [OsC1,BrJ2]2-, dagegen bildet sich aus ~is-[OsCl,J,]~- durch Substitution eines der gefestigten J nur sehr langsam cis-[OsCI,J,]2-, das eine deutlich groBere Wanderungsgeschwindigkeit besitzt. Aus d-r Intensitat der Zonen 1LBt sich die Zusammensetzung des Gemisches abschatzen.

3. Diskussion Wahrend die Bildung der zweifach verschieden substituierten Halogeno-

komplexe genau vorausgesagt werden kann, ergeben sich bei der Einfuhrung des dritten Liganden in vielen Fallen komplizierte und mehrgleisige Reak- tionsablaufe. Dennoch lassen sich durch die beschriebenen gezielten Um- setzungen etwa 1 7 der 29 moglichen dreifach substituierten Gemischtligand- koinplexe in reiner Form isolieren.

Die Identitat und Reinheit der neuen Komplexe laIjt sich durch ihre Darstellung aus ganz verschiedenen Ausgangsprodukten auf unabhangigen Wegen und durch Analyse der Absorptionsspektren beweisen. So erhalt man [0~ClzBrJ]~- sowohl bei der Umsetzung von [0sCl5J]2- bzw. trans- [OsC1,J2]2- mit HBr, Abb. 4, als auch bei der Reaktion von [0~Cl,Br]~- bzw. trans-[O~Cl,Br,]~- mit HJ, Abb. 8. Der d a m isomere Komplex [OSC~,B~J]~- laBt sich aus ~is-[OsBr,J,]~-, Abb. 2, bzw. aus ~is-[OsBr,J,]~-, Abb. 3, dar- stellen. Man erhalt ihn aber auch, wenn [OSC~;B~J,*]~-, Abb.9, mit HC1 behandelt wird.

Die Richtigkeit der Vorstellungen uber die Reaktionsablaufe wird durch den planmaBigen Verlauf von Folge- bzw. durch Ruckreaktionen bestatigt. Zudem sind von allen Verbindungen die IR-Spektren aufgenommen worden. Die Gestalt bzw. Aufspaltung der Osmium-Halogen-Valenzschwingungen lassen sich init der angenommenen sterischen Ligandenverteilung in Ein- klang bringen.

Der vielfach mehrdeutige Reaktionsverlauf darf nicht als Widerspruch zu den Vorstellungen uber den trans-Effekt bei Ligandensubstitutions- prozessen gewertet werden. Allerdings werden durch Abnahme des Unter- schieds in der Bindungsfestigkeit die Geschwindigkeitskonstanten fur die Substitution ahnlicher, was Parallelreaktionen ermoglicht. Es zeigt sich, daIj die dritte Ligandenart im allgemeinen einen derartigen nivellierenden EinfluIj ausiibt. Ober den EinfluB der eintretenden Gruppe lassen sich keine Angaben machen. Bestimmte Gruppierungen im Oktaeder sind besonders inert, z. B. die planaren OsC1,- und OsBr,-Ebenen. Fur die kinetische Stabilitat symmetrischer Achsen gilt die Reihenfolge C1- 0 s -C1 >

1 2 W. PREETZ u. H. HOMBORQ

Rr -0s -Br > J-0s -J. Die Austauschgeschwindigkeit der durch trans- Effekt gelockerten Liganden wird erheblich durch die ubrigen Substituenten im Oktaeder beeinfluljt. Wie sich am Chloro-Jodo-System zeigen lielj, sinkt sie mit wachsender Anzahl der C1-Liganden. Aus Mange1 an kinetischen Daten fur die meisten Austauschprozesse lassen sich die Reaktionsablaufe schwer voraussagen. Die aus den Experimenten gewonnene Erfahrung kann man in die folgenden qualitativ zu verstehenden R e g e l n zusammen- fassen :

1. Die Umsetzung der Chloro-Bromo-Osmate(1V) mit dem am starksten trans-aktiven Liganden J tragen Charakter reiner , ,trans-Reaktionen". Im ersten Reaktionsschritt kann zwar sowohl ein Br als auch ein C1 ausge- tauscht werden, danach erfolgt jedoch stets Substitution in der trans-Posi- tion zum J. Wahrend bei den chloridreicheren Komplexen iiberwiegend die weniger transaktiven Cl-Liganden ersetzt werden, wird mit fortschreitender Umsetzung die simultan ablaufende Substitution von Br immer haufiger.

2. Die Umsetzung der Bromo-Jodo-Osmate(1V) mit HC1 laljt sich als , ,cis-Reaktion" interpretieren. Die Substitution erfolgt zunachst an den trans-gelockerten Liganden. Danach werden auch J -0s - J-Achsen ange- griffen. Das kann als gegenseitige Lockerung der trans-aktivsten Partner aufgefaBt werden. Dieser ProzeO verliiuft sehr oft gleichzeitig mit anderen Reaktionen, vor allem wenn jodidreiche Komplexe vorliegen. Die Substi- tutionsgeschwindigkeiten der verschiedenen Austauschreaktionen sind offenbar von gleicher GroBenordnung. Die Substitution der letzten beiden trans-gefestigten J-Liganden erfolgt nach aller Erfahrung sehr langsam.

3. Die Umsetzung der Chloro-Jodo-Komplexe mit HBr tragt den Charakter einer Mischreaktion der beiden vorhergehenden. Fur J ist Br der trans-inaktivere, fur C1 der trans-aktivere Substituent. Da cis-Reaktionen an jodidreichen Komplexen im allgemeinen sehr schnell ablaufen und auch alle transgelockerten Liganden leicht reagieren, ist mit vielen Simultan- reaktionen zu rechnen.

Der Deutschen Forschungsgemeinschaft danken wir fur die Unterstutzung unserer Arbeit.

Bei der Redaktion eingegangen am 11. Oktober 1973.

Anschr. d. Verf.: Prof. Dr. W. PREETZ und Dr. H. HOMBORQ, Inst. f. anorg. Chemie d. Univ. Kiel, BRD-23 Kiel, Olshausenstr. 40- 60


Recommended