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Page 1: The Biological Evolution of Religious Mind and Behaviour. Von Eckart Voland und Wulf Schiefenhövel

S O Z I O B I O LO G I E

Zweimal Evolution der Religion

Auseinandersetzungen zwischenmanchen Naturwissenschaftlern –speziell Evolutionsbiologen – undVertretern von Religionen, die denGlauben an einen ganz bestimmtenoder auch viele Götter propagie-ren, sind oft verhärtet und wirkenunversöhnlich. Abgesehen davon,dass die Existenz eines oder auchvieler Götter nicht bewiesen wer-den kann, vermag auch niemanddas Gegenteil zu verifizieren. Indieser Situation bietet die Evolutio-näre Erkenntnistheorie Gründe,Toleranz zu üben und Bescheiden-heit walten zu lassen. Wie alleanderen auf der Erde lebendenOrganismen ist auch Homo sa-piens ein Produkt der Evolutionund damit beschränkt in seinerWahrnehmung. Soweit Altbekann-tes.

In den beiden kürzlich erschie-nenen Büchern von Rüdiger Vaasund Michael Blume sowie EckartVoland und Wulf Schiefenhövelwird der Frage nachgegangen,warum und unter welchen Bedin-gungen Religionen entstanden seinkönnten und worin ihr evolutionä-rer Vorteil besteht.

Der WissenschaftsjournalistVaas und der Religionswissen-schaftler Blume sind Autoren einesBuches, dem eine Aussage des Mit-begründers der Soziobiologie E. O.Wilson als Motto vorangestelltwird: „Wir haben die entschei-dende Phase in der Geschichte derBiologie erreicht, in der die Reli-gion zum Gegenstand von natur-wissenschaftlichen Erklärungenwird.“ Für Vaas und Blume geht esum die biologischen Grundlagender Religiosität, die sie in acht fa-cettenreichen Kapiteln herausar-beiten. Der Text ist flüssig ge-schrieben, liest sich interessantund bietet eine Fülle von neuenBefunden aus Evolutionsbiologie,

Demographie, Genetik, Soziobiolo-gie, Kognitionsbiologie und Neu-roethologie.

Das englischsprachige Buch,von dem Biologen und Philoso-phen Eckart Voland und dem Hu-manethologen Wulf Schiefenhövelherausgegeben, enthält Beiträgevon über 20 Autoren, vor allem ausDeutschland und den USA, darun-ter auch den oben erwähnten Rü-diger Vaas und Michael Blume. Esist etwas umfangreicher als daserstgenannte Werk und noch facet-tenreicher als dieses.

Beide Werke empfinde ich alswegweisend und äußerst anre-gend. Immerhin gelten 80 % derWeltbevölkerung als gläubig. Reli-giosität ist also eine kulturübergrei-fende Universalie wie beispiels-weise Sprachfähigkeit und Kunst.Der Frage nach ihrer Entstehungsollte nachgegangen werden.

Gott, Gene und Gehirn. Rüdiger Vaas, Michael Blume, S. Hirzel Verlag, Stuttgart, 2009.254 S., 24,– R. ISBN 978-3-7776-1634-6.

The Biological Evolution ofReligious Mind and Behaviour. Eckart Voland, Wulf Schiefenhövel(Hrsg.), Springer Verlag, Heidel-berg, 2009. 304 S., 74,85 R. ISBN 978-3642001277.

Volker Storch, Universität Heidelberg

B I O G R A F I E

Ein Zoologe alsVorbild für 007Brian Garfield hat eine sehr gutrecherchierte und spannend ge-schriebene Biografie über einender schillerndsten Zoologen des20. Jahrhunderts publiziert, dienicht nur für Ornithologen interes-sant sein sollte.

Oberst Richard Meinertzhagen(1878–1967) zählte lange Zeit zu

M AG A Z I N | B Ü C H E R

352 | Biol. Unserer Zeit | 5/2010 (40) www.biuz.de © 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

den renommiertesten Ornitholo-gen und Taxonomen (Vögel, Mallo-phagen) Großbritanniens. Schonbald nach seinem Tod hat sich je-doch herausgestellt, dass Meinertz-hagen es mit der Wahrheit nicht sogenau nahm und viele Fakten sei-nes Lebens, aber auch wissen-schaftliche Daten offenbar frei er-funden oder gefälscht hat.

R. Meinertzhagen wurde ineine der reichsten englischen Ban-kiersfamilien hineingeboren. Väter-licherseits aus Deutschland stam-mend, war er mütterlicherseits mitvielen angesehenen Aristokratenfa-milien Englands verwandt. DieseVerbindungen hat MeinertzhagenZeit seines Lebens geschickt zu sei-nem Vorteil eingesetzt.

Da der junge Richard Meinertz-hagen kein Interesse an einer Bank-karriere hatte, ging er früh ins Mi-litär und nutzte dort seine Zeit fürTierfotografie, Jagd und vor allemfür ornithologische Beobachtungenund das Sammeln von Bälgen. Von1899 bis 1902 war er in Indien sta-tioniert, dann bis 1906 in Ost-afrika, wo er Aufstände der Einge-borenen mit großer Brutalität nie-derschlug. Berühmt und berüchtigtwar die hinterhältige Ermordungdes Nandi Koitalel und 25 seinerBegleiter am 19.10.1905. 1906wurde Meinertzhagen deshalb vomKriegsministerium aus Afrika ab-kommandiert, da auch damals sol-che Gräueltaten geächtet wurden.In seinem „Kenya diary“ (1957) hatR. Meinertzhagen stolz aufgeführt,welche Tiere und Menschen er aufseinen fast täglichen Jagdausflügenabgeschossen hat.

Im ersten Weltkrieg diente erals Geheimdienstoffizier in Ost-afrika, Ägypten und später in Paläs-tina. Wohl die meisten der Helden-taten, von denen er in seinen pu-blizierten Tagebüchern berichtet,sind offenbar ganz oder teilweiseerfunden. Damals wurden sie alswahr angesehen und Meinertzha-gen als Held verehrt und ausge-zeichnet. Der Autor Ian Fleming,der Meinertzhagen gut kannte, hat

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