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Ober das krystallisierte Vitamin D, ; von A . Windaus, 0. Limert, 8. Luttrinqhaus und G. Weidlich.

Mit 5 Figuren im Text.

[Aus dem Allgem. Chemischen UniversitMs-Laboratorium Gottingen und dem Wissenschaftlichen Laboratorium der I. G. Farbenindustrie A.-G. in

Elberfeld.] (Eingelaufen am 7. Dezember 1931.)

In unserer Arbeitl) uber das krystallisierte Vitamin D, haben wir mitgeteilt, daB Bestrahlungsprodukte des Ergo- sterins sich leicht krystallisiert, erhalten lassen, wenn man gewisse Beimengungen, die die Krystnllisation des Materials erschweren, durch Addition an Citr3cons~ureanl~ydrid ent- fernt.2)

Die krystallisierten Verbindungen, die hierbei gewonnen werden, sind verschietlen, je nachdem ob man vor allem mit langwelligem oder mit kurzwelligem U1tra;violett arbeitet. Mit Licht, das reich ist an langwelligen Strahlen, erhalt man ein Produkt, das wir als Fitamin D, bezeichnet haben; mit dem unfiltrierten Magnesiumfunkenlicht, das seine Hauptemission bei 278-280 mp besitzt, entsteht, wie der eine von nns (Lin- ser t ) im biochemischen Laboratorium der I. G. F a r b e n - industr ie A.-G. Elbcrfeld gefunden hat, ein Stoff, der Vitamin D, genannt worden ist. D1 ist wesentlich schwerer liislich und schmilzt hiiher. als I),, ist ihm a.ber im ubrigen sehr ahnlich.

AuBer unserm krystallisierten Vitamin D1 und D, sind noch zwei weitere, antirachitisch hochwirksame Stoffe, von anderer Seite beschrieben worden.

1. Die ,CSubstcxnz L, die Ree r ink und v a n Wijk3) day- gestellt haben, ist nach unseren Versuchen ein zwar kry- stallinisches, aber unreines Vitamin D,, wie man es bekommt, wenn man Ergosterin mit dem langwelligen Licht der Quarz-

l) A. 489, 252 (1931). z, Seitdem ist es uns durch Impfen des Bestrahlungsprodukts mit

,so dargestellten Krystallen gelungen, das Material auch direkt, ohne Verwendung von Citraconsaureanhydrid, zur Krystallisation zu bringen.

Biochem. Journ. 43, 1294 (1929); 35, 1001 (1931).

quecksilberlampe bis zu etwa 25 Proc. umwandelt und die nach Entfernung des Ergosterins sich abscheidenden Krystalle absaugt. Dieses Material ist nicht frei von den leicht mit Citraconsaureanhydrid reagierenden Bestandteilen, die durch ihre Unbestandigkeit im Vakuum und ihre leichte Angreifbar- keit durch Sauerstoff ausgezeichnet sind. Seine Wirksamkeit ist nicht grol3er als diejenige der ublichen Bestrahlungs- produkte ; bei haufigem Umkrystallisieren haben wir aus solchen Produkten reines Vitamin D1 erhalten.

2. Das ,,Calciferol a1t"l) der englischen Forscher2) ist durch Hochvakuumdestillation und fraktionierte Konden- sation aus Bestrahlungsprodukten des Ergosterins gewonnen worden. Das ,,Calciferol dt" ist in seinen physikalischen und chemischen Eigenschaften unserm Vitamin D, sehr ahnlich ixnd zeigt auch ungefalir dieselbe antirachitische Wirkung wie dieses; es unterschridct sich von unserm Vitamin D1 vor allem in der optischen Drehung, clip bei dem englischen Praparat mit [01]5461 = +260° wesentlich hoher ist a18 bei iinserem, tlas fiir nur 171O ergibt. Wir haben inzwischen gefnnden, cln8 man aus dem Vitamin D1 Stoffe mit Bhnlich hoher Drehung erh%lt, wcnn man ~s zwei Stunden auf ctwa 140° in1 Vakuum erhitzt, und wir halter1 d a m n das ,,Calciferol nlt" fiir ein t h ermisches Umlagmmgsprodukt des Vitamins

In eincr Notiz in der Nature vom 31. 5. 1931 teilen die englischen Forscher Askew, Bruce, Callow, Ph i lpo t und Webs te r mit, daD ihr ,,Calciferol alt" entweder eine An- lagerungsverbindung oder eine isomorphe Mischung von vor- nehmlich zwei Stoffen sei, denen sie nunmehr die Namen Cdciferol ((1. i. ,,Calciferol neu") und Pyro-calciferol erteilen. Die Trennung dieser beiden Stoffe gelingt ihnen uber die Dinitro-benzoesiiureester, die sich in ihrer Liislichkeit weit- gehend unterscheiden. Das ,,Calciferol neu" schmilzt bei 114,5-117° und dreht fiir [ C X ] : ~ ~ bei +81° in Aceton, sein

1) Urn Verwechslungen zu vermeiden, rnussen wir zwischen dem ,,Calciferol alt" und dem ,,Calciferol neu" der englischen Forscher unter- soheiden.

z, Angus, Askew, Bourdi l lon, Bruce, Callow, Fischmann, P h i l p o t und Webster , Proceed. Roy. Sop. B. 108, 340 (1931).

3) H. 203, 70 (1931).

228 Wind au s , T, in s c r t , Lii t t r i n g h au s u. We id 1 i c h ,

Dinitrobenzoesaureester schmilzt bei 145-147O und dreht fiir [a]::,, bei +104O in Aceton. Das Pyro-calciferol, das durch Erhitzen von CalciferoI entstehen soll, schmilzt bei 92-94O und dreht fur [a]: ," , , bei 608O in Alkohol. Sein Dinitrobenzoe- saureester vom Schmelzp. 167,5-169,5° dreht in Benzollosung fur [ M ] " , ~ , bei +250°. Das ,,Calciferol neu" hat sein Ab- sorptionsmaximum bei 265 mp mit einem Absorptions- koeffizienten von 1,98 fur die 0,02-proc. Losung. ,,Calciferol alt" zeigt eine doppelt so groBe, ,,Calciferol neu" eine viermal so groBe antirachitische Wirkung wie das internationale Standardpraparat . Pyro-calciferol ist antirachitisch unwirksam.

Die Notiz in der Nature hat uns veranlaBt, unser Vitamin D, mit dem ,,Calciferol neu" zu vergleichen; durch das Ent- gegenkommen der englischen Forscher, die uns Proben ihrer Verbindungen zur Verfiigung gestellt haben, sind wir in der Lage gewesen, auch Mischschmelzpunkte zu untersuchen. Es hat sich hierbei eine Identitiit des Vitamins Dz und des ,,Calci- fcrols neu" sowohl im Schmelzpunkt wie im Spektrum und in der Drehung herausgestellt. Auch die Dinitro-benzoesaureester Rind im Schmelzpunkt und in dpr Drehung identisch. Die mglischen Porscher hatten in ihrer Notiz gewisse Bedenken gegen diese Identitat geauBert, weil wir von dem Vitamin D2 geschrieben hatten, dd3 es ?nindestens so wirksam sei wic Vitamin D1, Whrend es bei einer Identitat mit ,,Calciferol ncu" nicht nur mindestens so wirksam, sondern doppett so wirksam wie D1 hatte sein miissen. Wir hatten den Ausdruck ,,mindestens so wirksam" damals gewahlt, weil es uns auf Grund der am 19. September vorliegenden physiologischen Prufungen nicht miiglich war, mehr als dies zu behaupten. Wir konnen heute sagen, daB Vitamin D2 tatsachlich annahernd doppelt so wirksam ist wie Vitamin D1 oder ,,Calciferol alt" und sind nunmehr auch hierin mit den englischen Forschern in Ubereinstimmung.l)

l) Den Umstand, dal3 dieselbe Verbindung (Vitamin D, = ,,Calci- ferol neu") nun gleichzeitig in London, Gottingen und Elberfeld unter- sucht wurde, halte ich bei der Wichtigkeit der Materie fur keinen Nachteil, zumal hierdurch rasch eine writgehende Klhrung des Vitamin D-Problems erreicht wurde. Wind a u R.

Ober das krystallisierte VVitamirz D,. 229

Der Befimd der englischen Forscher, daW ihr ,,Calciferol alt" sicah mit Dinitrobenzoylchlorid in mehrere Komponenten spalten la& hat uns bestimmt, auch unser Vitamin D, der- selben Behandlung zu unterwcrfen. Uber diese Versuche sol1 in einer besonderen Abhandlung berichtet werden und heute nur knrz bemerkt werden, dal3 das Vitamin D, eine einheit- liche Anlagerungsverbindung aus 1 Mol. Vitamin D, und einem Molekul eines isonieren Alkohols, des Lurnislerinsl), darstellt. Auf Grund der neu ermittelten Tatsachen wird cs mhrscheinlich, da13 die antirachitische Wirkung unserer Pr2- parate dureh ein eimiges T'ita.7ttin bedingt ist, das teils als Einzelindividuum, teils als Anlagerungsvrrbindung aus Be- strahlungsprodukten des Ergosterins isoliert, worden ist.

Wir wollrn vorliiufig far die Anlagerungsverbindung und fur tlas eigentlic,he Vitamin an den Namcn I), und D, iest- halten. Sollte es sich spater herausstellen, daB es brstimmt nur ein. typisches antirachitisches Vitamin gibt, werden wir d i e m einfach Vitamin D nennen und die Anlagerungs- verbindung als Vitamin D-Lumisterin bezeichnen.

Dar s t e l lung von Vi t amin D,. 25 g Ergosterin (aus Benzol-Alkohol umkrystallisiert und

i. V. bei 80" getrocknet') werden in 500 ccm Benzol (Kahl- baum , ,K" zur Analyse und Molekulargemichtsbestimmung) gelost und in der rotierenden Quarzhohlwalze mit dem Gesamt- licht des Magnesiumfunkens bestrahlt.

Fur den Funken benutzen wir Drehstroni mit einer Spannung von 260 Volt, der auf 10000 Volt transformiert wird; die primare Strom- starke betragt etwa 4 Amphe. Wiihrend der Bestrahlung wird ein starker Luftstrom durch den Hohlraum der Walze geblasen und dadurch das gebildete Magnesiumoxyd entfernt und auBerdem die Losung kiihl ge- halten. Siehe die Skizze auf Fig. l.

Nnchdem im Laufe \.on 12 Stnnden etwa 60 Proc. des Ergosterins umgewandelt worden sind, wird die Bestrahlung imterbrochen. Die Aixfa.rbeitung geschieht ebenso wie die Be- strahlung linter vollstandigem AusschluB von Luft und er- fordert besondere Apparaturen, die hier nicht beschricberi

1) Lumisterin selbst ist antirachitisch unwirksam.

230 Winduus, Linsert, Li i t tr inghuus u. Weidlich,

werden sollen. Die bestrahlte Losung wird bei 3040O unter vermindertem Druck zur Trockne eingedampft ; der Ruckstand wird mit 500 ccm Methylalkohol, der unter Durchleiten von Kohlendioxyd ausgekocht worden ist, bei 35-40O digeriert, dann wird das Ganze in einer Eis-Kochsalzmischung auf etwa loo abgekiihlt und dadurch bei weitem der Hauptteil des schwer loslichen Ergosterins zur Abscheidung gebracht ; das

Ye

Fig. 1.

ausgefallene Ergosterin wird abfiltriert, mit gekuhltem, luft- freiem Methylalkohol ausgewaschen ; das gewonnene Filtrat wird mit einer alkoholischen Losung von 3 g Digitonin versetzt und bei 35O unter vermindertem Druck zur Trockne ein- gedampft; der Riickstand wird mit 650 ccm niedrig sieden- dem Petrolather versetzt und unter tuchtigem Durchschiitteln etwa 12 Stunden bei Zimmertemperatur stehen gelassen. Ergo- sterin-digitonid und uberschussiges Digitonin bleiben unloslich zuruck, sie werden abfiltriert und grundlich mit Petrolather ausgewaschen ; das erhaltene petrolatherische Filtrat wird auf etwa 50 ccm eingedampft ; diese konzentrierte Losung wird in ein Rohr gefullt und mit 7,5 g Citraconsaureanhydrid, die in absol. peroxydfreiem Ather gelost sind, versetzt, und zwar nimmt man soviel absol. Ather, dalS das Citraconsaureanhydrid in der Ather-Petrolather-Nischung klar gelost ist. Nunmehr

Uber das krystallisierte Vitamin D2. 23 1

wird das Rohr zugeschmolzen und 7 Tage bei Zimmertempe- ratur aufgehoben. Nach dieser Zeit wird das Rohr geoffnet, der lnhalt unter vermindertem Druck eingedampft und der Riickstand in 120 ccm 10-proc. methylalkoholischer Kalilauge bei 35O gelost. Das Harz geht rasch in Losung, die Losung wird dann sofort auf Zimmertemperatur abgekiihlt und zur voll- stiindigen Verseifung 12 Stunden stehen gelassen ; dann wird die alkalische Liisung mit dem vierfachen Volum ausgekochten, Wassers versetzt und dreimal mit reichlich Petrolather aus- geschuttelt ; dabei bleiben die Natriumsalze in der wiXl3rig- methylalkoholischen Losungl); die petrolatherische Losung, die das Vitamin enthalt, wird noch mit ausgekochtem Warser durchgeschiittelt, dann uber geschmolzenem Natriumsulfat ge- trocknet, filtriert und eingedampft. Der Ruckstand wird in moglichst wenig siedendem Aceton gelost und die konz. Losung in den Eisschrank gestellt. Hat man mit krystallisiertem Vitamin D2 impfen konnen, beginnt die Krpstallisation meist sehr schnell, im andern Falle bleibt sie manchmal zunachst aus; man 1al3t das Material dann mehrere Tage im Eisschrank stehen, bis es gut durchkrystallisiert ist, dann kuhlt man es vor dem Abfiltrieren noch einige Stunden in einer Kalte- mischung auf etwa -20° ab und saugt es auf einer eisgekuhlten Nutsche ab ; zum Nachwaschen verwendet man zunachst auf -20° gekuhltes Aceton, nachher ebenso tief gekuhlte Mi- schungen von Aceton und Methylalkohol und schliel3lich ge- kuhlten Methylalkohol. Ausbeute etwa 5 g.

Eigenschaften des Vi t amins D2. Das wiederholt aus wenig Aceton umkrystallisierte Vita-

min D2 wurde in langen Prismen erhalten, die auf Fig. 2 ____

I ) Um zu bestimmen, wieviel von dem Bestrahlungsprodukt sich mit dem Citraconsaureanhydrid verbunden hat, dampft man die wadrig- alkoholische Losung so lange ein, bis die Hauptmenge des Methylalkohols ubergegangen ist; dann ladt man abkiihlen und versetzt die Losung mit verdiinnter Salzsaure; hierdurch wird das Anlagerungsprodukt in groben Flocken ausgefallt ; es laat sich leicht abfiltrieren und auswaschen, dann wird es getrocknet und gewogen. Beim Elwarmen mit Essigsaure- anhydrid geht es in ein schon krystallisiertes Acetylprodukt iiber.

wiedergegeben sincl. Der S c l ~ m r l z p ~ ~ r ~ l i t la5 bei 115-1lP; es gab niit etmas Vitamin D, verinisclit eine Sc1imelzpiml;ts- depression1), ebenso niit ,,Calciferol illt" ; init dcin ,,C:;ilciferol

Fig. '7. Vitainin D,.

iieii" gab es clagege~i 1;eine S c h r i i e ~ z p i i i ~ l ; t s ~ ~ ~ i ~ i ~ ~ d r i ~ i ~ i i ~ . Dns Vitilri1in D, ist. in orgiinisc11t.ii LiisunysniittPlii leic,liter Idslich als D,. So liist bci 7 O 1 cciii Acct,uii O,OG95 g 1'itii.iniii D,. Die opt,ische Drcliiing ist nidr iger als tliejenigc! vtrn Viti1niin D1; wlir i\ilff:Lllend ist, der grofle Vnterscliierl fur die optisclw 1)reliiing in A1l;oliol untl in Nolmalbcnziii.

Optisrhp UreJ~ung: 6.6 ing Subst., '7 ccin Alkohol, 1 = 1 din, C(D = $- 0,34", CZgl(i1 = f 0,41.

[a]:' = + 103; = + 1%" in Akohol .

15.0 ing Subst., 2 ccin Acet,on, I = 1 dm, CCD = + 0,62", a5461 =

+ 0,71. [cz]~," 1 + 8 2 , ~ " : [a]2:, , = + (18.6" in Acctoir.

15,O nig Subst., 2 ccni Normalhenzin, I = 1 dni, U D = + 0,25", = + 0,295".

[CC];,' = + 33.3"; = + 39.3" in Nornzalber~ziw.

13,lfi nig Subst., 2 win Ather, 1 = 1 din. CZD = + 0,6O0, c(ga61 =

+ 0,70°. [a];,' = + 91,2"; [a]:: , , = 4- lO6,3O in A'ther.

l ) In einigen Fallen, in denen unserni Vitainin D, etwas Vitamin D, heigemengt war, haben mir die von den euglischen Forscliern gefundene Methode der Reinigung uber den Dinitro-benzoesaureester verwendet.

&er das krystallisierte Vitamin D,. 233

Das Absorptionsspektrum zeigt wie dasjenige von D1 ein charakteristisches Maximum bei 265 mp, doch betragt der Absorptionskoeffizient fur die 0,02-proc. Losung in Normal- benzin 2,l gegeniiber einem Werte von 1,56 beim Vitamin D1. Das Absorptionsspektrum von Vitamin Dz ist auf Fig. 3 wiedergegeben.

3,276 mg Subst.: 10,158 CO,, 3,180 mg H,O. C,,H,,O Ber. C 84,74 H 11,07

Gef. ,, 84,52 ,, 10,86. 6,8 mg Subst., 63,l mg Campher, A = 11,5O.

C,,H,,O Molgew. Ber. 382 Gef. 374.

Die Titration mit Benzopersaure bei +6O ergab, da13 Vitamin Dz nach 21 Stunden 2,68 Atome, nach 46 Stunden 2,76 Atome und nach 99 Stunden 3,14 Atome Sauerstoff ver- braucht hatte. Vitamin Dz ist also wahrscheinlich dreifach ungesattigt .

Die Farbreaktionen sind weniger ausgepragt als beim Ergosterin. Die Schmelze mit Chloralhydrat farbt sich nur hellbraun, wahrend das Ergosterin und die Suprasterine eine

Fig. 3. Vitamin D,. 0,02-proo. L6sung in Normalbenzin.

sehr intensive und charakteristische Farbung mit diesem Reagens geben. Die Farbreaktion mit Brom nach Tortelli- Jaff6 ist schwach; erst bei einer Konzentration von 2,5 mg

Annalen der Chemie. 492. Band. 16

234 Windaecs, Linsert, Luttringhaus ec. Weidlich,

Vitamin in I ccm ist eine smaragdgriine Parbung deutlich er- kennbar. Ergosterin farbt sich in einer funfmal gro8eren Ver- dunnung noch moosgrun. Die kolorimetrisch ermittelte Inten- sitat bei der Liebermann-Burchardschen Reaktion be- tragt nach Versuchen von Herrn Dr. Dithmar nur ein Viertel von derjenigen des Ergosterins.

Bei niedriger Temperatur ist das reine Vitamin D2 un- verandert haltbar. Bei der Sublimation im Hochvakuum von 0,0006 mm Quecksilber geht es unzersetzt iiber. Mit Citraconsaureanhydrid verbindet sich das Vitamin D2 bei Zimmertemperatur langsam ; innerhalb 12 Tagen bei 16-17O betrug die in Reaktion getretene Menge nur 6,5 Proc. Von Sauerstoff wird es nur sehr langsam angegriffen. Bei der Uber- bestrahlung liefert es, wie Herr Setz gefunden hat, sowohl Suprasterin I wie auch Suprasterin I1 in wohlausgebildeten Kr y s tallen.

Physiologisches Verhalten. Wir fanden das Vitamin D2 in Tagesdosen zu 0,02 und

0,015 y an der Ratte im Schutzversuch voll wirksam, wahrend die Dosis von 0,Ol y nicht mehr ausreichend war. Die gleich- zeitig fur das internationale Standardpraparat ermittelte Grenzdosis betrug 0,06--0,07 y . Das Vitamin D2 ist also vier- bis funfmal so wirksam wie der internationale Standard.

Die an der Maus geprufte toxische Grenzdosis lag zwischen 0,05 und 0,075 mg.

Derivate des Vitamins D2. Dinitrobenzoesdizlreester: I g Vitamin D2 und I g m-Di-

nitro-benzoylchlorid wurden in I0 ccm Pyridin gelost und Stunde auf dem Wasserbad erwarmt; dam wurde die

Losung in kaltes Wasser gegossen, das organische Material in Ather gelost und die atherische Losung mit verdunnter Sodalosung, mit verdunnter Essigsaure und wieder mit Soda- losung gewaschen, getrocknet und verdampft. Der Ruck- stand wurde in Aceton gelost; auf vorsichtigen Zusatz von Methylalkohol schied die Losung derbe, dunkelgelbe Prismen ab , die nach mehmaligem Umlnystallisieren aus Aceton und Chloroform-Alkohol bei 148-149O schmolzen ; sie gaben

Uber &as bystallisierte Vitamin D2. 235

mit dem m-Dinitrobenzoat des ,,Calciferols neu" keine Schmelzpunktsdepression. Sie sind leicht loslich in Chloro- form und Benzol, etwas schwerer loslich in Essigester, fast unloslich in Methylalkohol; I ccm Aceton lost bei +20° etwa 12 mg.

4,932 mg Subst.: 12,840 mg CO,, 3,490 mg H,O. -5,760 mg Subst.: 0,240 ccm Ns (ZOO, 742 mm).

C84H440BN2 Ber. C 70,79 H 7,70 N 4,86 Gef. ,, 71,OO ,, 7,92 ,, 4,74.

0p&QCk Drehung: 7,6 mg Subst., 2 ocm Benzol, 1 = 1 dm, CCD = + 0,21°, a6461 = 0,27O.

[a],!,O = + 55O; [a]a5:61 = + 71° in Benzol

4,4 mg Subst., 2 ccm Aceton, 2 = 1 dm, CLD = + O,175O, M~~~~ = + 0,225O. [a]A8 = + 79,5O; [a];:,, = + 1020 in Aceton.

Verseifung : 3 g reiner Dinitrobenzoesaureester wurden in 150 ccm 90-proc. Alkohol, die 7 g Kaliumhydroxyd gelost enthielten, in einer Stickstoffatmosphare aufgekocht ; das Ge- fa13 wurde dann verschlossen und 10 Stunden bei Zimmer- temperatur geschuttelt. Nach Zugabe von Wasser wurde das Verseifungsprodukt mit Petrolather ausgesehuttelt ; der Ruck- stand der petrolatherischen Losung wurde aus 95-proc. Methyl- alkohol und einmal aus wenig Aceton umkrystallisiert und erwies sich als reines Vitamin D2. Ausbeute: 1,7 g, das sind 85,5 Roc . der Theorie.

Hydrierung des Vitamins D2. Dih ydro-vitamin D2. l)

Wird reines Vitamin D2 mit Natrium und Athylalkohol (oder Propylalkohol) behandelt, entsteht ein Reaktionsprodukt, das keine Absorptionsbande bei 265 m,u mehr zeigt; das Rohprodukt krystalIisiert ziemlich schwierig, la13t sich aber mittels Cyansaure in einen schon krystallisierten Allophan- saureester uberfuhren, der die Zusammensetzung eines Di- hydro-allophansaureesters besitzt und durch methylalko-

~~

1) An der Untereuchung des Dihydro-vitamins D, hat sich auch Herr cand. chem. Fernholz beteiligt.

16*

holische Kalilauge zu dem krystallisierten Dihydro-vitamin D2 verseift wird.l)

Zur Darstellung dieser Verbindung sind wir folgender- maBen verfahren: In die siedende Losung von 2 g Vit- amin D2 in 20 ccm Propylalkohol wurden 2 g Natrium ein- getragen, im Laufe von 2 Stunden wurden weitere Mengen Natrium und Propylalkohol hinzugegeben, bn ganzen 30 g Na- trium. Dann wurde das Reaktionsgemisch mit Wasser ver- dunnt und das gebildete Dihydro-vitamin Dz mit Petrolather extrahiert. Der Petrolatherauszug hinterlie0 nach dem Trocknen und Verdampfen einen Ruckstand, der in Benzol gelost und mit gasformiger Cyansaure behandelt wurde. Die Allophanierung erfolgte in derselben Weise wie seinerzeit bei den Suprasterinen.2) Bei der Aufarbeitung wurde das Allo- phanat zunachst in Form von Kugelchen erhalten. Nach mehrmaligem Umkrystallisieren aus Benzol oder Essigester entstanden wohlausgebildete Nadeln ; sie waren in Methyl- alkohol und Ather ziemlich schwer loslich, sie schmolzen bei 184-186O. Ausbeute 52 Proc. der Theorie.

0,0184 g Subst., 2 ccm Chloroform, I = 1 dm, a = + 0,13O, [a]io= + 14,IO.

l) Schon bevor wir das krystallisierte Vitamin D, und D, und die krystallisierten Suprasterine I und I1 aufgefunden hatten, war es uns gelungen, aus rohen Bestrahlungsprodukten des Ergosterins durch Be- handeln mit Natrium und Alkohol ein Dihydro-derivat in Form des schon krystallisierten Allophansaureesters darzustellen; er ist mit dem oben erwahnten Allophansaureester von Dihydrovitamin D, identisch. Wir hatten diesen Allophansaureester aus allen antirachitisch gut wirk- samen Bestrahlungsprodukten erhalten, wahrend er sich aus Uber- bestrahlungsprodukten nicht gewinnen lied, und hatten bereits damals gefunden, da13 die Ausbeute an Ester der antirachitischen Wirkung des Ausgangsmaterials einigermaden proportional verlaufe ; wir hatten darum der Vermutung Ausdruck gegeben, dad es sich in dem Allophansaureester um ein Dihydro-derivat des antirachitischen Vitamins handeln diirfte. Diese Vermutung hat sich also bestiltigt. Die Menge Dihydro-allophan- siiureester, die sich aus einem Bestrahlungsprodukt isolieren la&, gibt vielleicht einen ersten Anhaltspunkt fiir die Menge des darin vorhandenen Vitamins. (Nachr. Ges. Wiss., Gottingen 1929, 57; 1930, 48.)

2, A. 483, 20 (1930).

5,541 mg Subst.: 14,990 mg CO,, 4,74 mg H,O.

C,,H,,N,O, Ber. C 74,04 H 9,79 Gef. ,, 73,78 9 , 9957

Dihydrovitamin Dz : 1,3 g Allophanat marden mit einer Losung von 8 g Kaliumhydroxyd und 80 ccm Methylalkohol 4 Stunden erwarint; dann wurde die Losung mit Wasser ver- setzt und mit Ather ausgeschuttelt; der Ruckstand der atherischen Losung wurde in moglichst wenig Aceton gelost und die Losung in einer Kaltemischung auf -20° abgekuhlt. Hierbei schieden sich glanzende Blattchen ab, die auf einer vorgekiihlten Nutsche abgesaugt wurden ; sie wurden noch mehrmals in derselben Weise umkrystallisiert und besafien dann den konstanten Schmelzp. von 65O. Ausbeute nur 0,65 g.

3,290 mg Subst.: 10,190 mg CO,, 3,440 mg H,O.

C!a,H440 Ber. C 84,30 H 11,54 Gef. ,, 84,47 ,, 11,70.

0,0202 g Subst., 2 ocm Chloroform, 1 = 1 dm, cc = + 0,081°,

0,021 g Subst., 2 corn Ather, I = 1 dm, (x = O,125O, [IX];,~= + 11,9O. [a]:'= + 8,02O.

Das Dihydrovitamin D2 ist in fast allen organischen Losungsmitteln auflerordentlich leicht loslich, etwas schwerer loslich ist es in Methylalkohol. Bei Oo lost 1 ccm Aceton etwa 0,1 g, I ccm Methylalkohol etwa 0,OZ g.

Ultraviolettabsorption tritt oberhalb 240mp nicht mehr auf.

An der Luft verandert das Dihydro-vitamin Dz seine physikalischen Eigenschaften nicht , beim Erhitzen auf 200° bleibt es unverandert ; beim Behandeln rnit Cyansaure liefert es den oben beschriebenen Allophansaureester mit un- veranderten Eigenschaf ten zuriick.

Benzoesuureester : 0,ZO g Dihydro-vitamin Dz wurde mit 4 ccm Pyridin und 0,3 g Benzoylchlorid 20 Stunden bei etwa 20° stehen gelassen; dann wurde die Mischung mit vie1 Wasser behandelt und das hierbei ausfallende Material mit Ather

238 Wilzdaus, Linsert, Liittrilzghaus u. Weid l i ch ,

aufgenommen ; beim Eindampfen der atherischen Losung hinterblieb ein Ruckstand, der sich aus Ather-Methylalkohol umkrystallisieren lieS. Es entstanden gut ausgebildete Nadeln, die nach weiterem Umkrystallisieren konstant bei 72O schmolzen und in Ather leicht, in Methylalkohol schwer los- lich waren.

0,0193 g Subst., 2 ccm Athylalkohol, 2 = 1 dm, a = + 0,275, = + 28,5O.

4,635 mg Subst.: 14,180 mg CO,, 4,09 mg H,O.

Ca4H4,0a Ber. C 83,54 H 9,90 Gef. ,, 83,44 ,, 9 8 7 .

Perhydro-derivat des Dih ydro-vitamin D,-ullophunats. 2 g des Allophansaureesters wurden in Eisessig gelost, die

Losung wurde zunachst I Tag bei Zimmertemperatur und dann noch je 1 Tag bei 40° und 60° mit Platinmohr und Wasserstoff behandelt. Nach dem Abfiltrieren des Platins wurde die Losung eingedampft und der Ruckstand, der keine Salkowski-Reaktion mehr gab, aus Essigester, Eisessig, Benzol zu krystallisieren versucht ; aus Essigester-Methylalkohol wurden nadelformige Krystalle erhalten, die zunachst bei 195-196O schmolzen und nach weiterem Umkrystallisieren ihren Schmelzpunkt auf 211O erhohten.

Optkche Drehung: 11,7,11,4 mg Subst., 2 ccm Chloroform, I = 1 dm, tc = + 0,22O, $- 0,21°; [.ID = + 37,6O, + 36,9O.

3,049 mg Subst.: 8,190 mg COz, 3,04 mg H,O. Ber. C 73,35 H 10,62 Gef. ,, 73,26 ,, 11,16.

Das in feinen Nadeln krystallisierte Allophanat ist leicht loslich in Ather und Benzol, etwas schwerer loslich in Eis- essig, Essigester, Alkohol, schwer loslich in Methylalkohol. Das bei der Verseifung des Allophanats entstehende IEexa- hydrovitamin haben wir noch hicht zur Krystallisation ge- bracht.

t.%er daS krystaZl.isiep.b Vitamin D,.

Thermisches Verhalten des Vitamins D,. Das thermische Verhalten des Vitamins D, haben wir

noch nicht griindlich untersucht und uns nur iiberzeugt, daB beim Erhitzen auf 190° Isomere entstehen, unter denen sich auch das von den englischen Forschern beschriebene Pyro-calci- ferol, Schmelzp. 92-94O befindet. Ob die Isomeren bereits in reinem Zustande vorliegen, konnen wir noch nicht entscheiden.

860 mg Vitamin Dz wurden im Vakuum eingeschmolzen und ohne Losungsmittel 41i2 Stunden im Dekalindampf auf 188O erhitzt. Das Erhitzungsprodukt zeigte einen starken Anstieg der optischen Drehungl) :

239

636 mg Subst., 2 ccm Alkohol, I = 1 dm, CCD = + 1,30°, aBIBl = + 1,61°. [a]:' = + 380O; [ a ] ; i 6 , = + 470O.

Das Absorptionsspektrum, das auf Fig. 4 wiedergegeben ist, ahnelt demjenigen des Ergosterins.

Fig. 4. Vitamin D2 auf 1900 gig. 6. Erhitzungsprodukt vom erhitzt. O,O2-proc. Lijeung Schmelzp. 93-96O. 0,02-proc.

in Normalbenzin. Losung in Normalbenzin.

Das Erhitzungsprodukt krystallisierte beim Anspritzen mit Aceton; es wurde mehrfach aus Aceton umbrystallisiert und ergab so Nadeldrusen vom Schmelzp. 122-124O, die in Aceton und Methylalkohol schwer, in Chloroform leicht los- lich waren. Die Ausbeute an diesem schwerloslichen Produkt betrug 12 Proc.

1) Nachr. Ges. Wise., Gottingen 1980, 60;, H. 166, 113 (1931).

240 Windaus, Linsert , Li i t t r inghaus u. W e i d l i c h ,

Op&che Drehung: 2,5 mg Subst., 2 ccm Chloroform, 1 = 1 dm, a D = + 0,32', a6461 = + 0,4O0*

[ct]EO = + 256O; [a]:!,, = + 320'.

C,,H420 Ber. C 84,74 H 11,07 3,542 mg Subst.: 10,950 mg CO,, 3,410 mg H,O.

Gef. ,, 84,31 ,, 10,77. 2,65 mg Subst.: 21,6 mg Campher; Gefrierpunktserniedrigung =

12,5O. C,,H,,O Molgew. Ber. 382 Gef. 393 .

Dieses Produkt ist eine Anlagerungsverbindung des Pyro-calciferols mit einem isomeren Alkohol. Wir berichten daruber spater.

Die Mutterlaugen, die ein bichter losliches Erhitmngs- produkt enthielten, wurden eingedarnpft und rnit 0,6 g Di- nitro-benzoylchlorid in Pyridin nach der bereits beschriebenen Methode verestert. Nach wiederholtem Umkrystallisieren aus Aceton-Alkohol und Chloroform-Alkohol wurden dunkelgelbe Prismen erhalten, die bei 170-171° schmolzen; der Ester ist leicht loslich in Chloroform und Benzol, wenig loslich in Aceton, schwer loslich in Alkohol. Er scheint seinen Eigen- schaften nach rnit dem 3,5 - Dinitrobenzoesaureester der englischen Porscherl) identisch zu sein.

Optische Drehung: 10,55 mg Subst., 2 ccm Benzol, 1 = 1 dm, ED = + 1,125, a6461 = + 1,42O.

[a]:,' = + 213O; [ ~ ( ] t : ~ , = 4- 269O in Benzol. 3,172 mg Subst.: 8,265 mg GO,, 2,33 mg H,O. - 3,628 ing Subst.:

0,157 com N, 20O, 761 mm. C,4H,,0,N2 Ber. C 70,79 H 7,70 N 4,86

Gef. ,, 71,06 ,, 8,22 ,, 4,95. Verseifung : I10 mg des Dinitrobenzoesaureesters wurden

2 Stunden unter Durchleiten von reinem Stickstoff mit 50 ccm 5-proc. athylalkoholischer Kalilauge gekocht. Nach dem Einengen und nach Zugabe von ausgekochtem Wasser wurde mit Petrolather ausgeschuttelt. Der Ruckstand der Petrol- atherlosung wurde aus 95-proc. Methylalkohol umkrystalli- siert und ergab so prachtige lange Nadeln, die bei 93-94O schmolzen. Bei der Farbreaktion nach Salkowski fgrbte

1) Ntiture, &. &. 0.

ther dm krystallisimte Vitamin D2. 241

sich die Schwefelsaure goldgelb, die Chloroformschicht blieb faxblos.

Die LSslichkeit ist etwas geringer als die des Vitamins D2. Der Alkohol ist offenbar identisch mit dem ,,Pyrocalciferol" der englischen Forscher. Nach Analyse und Molekulargewichts- bestimmung ist er, wie auch die englischen Forscher bereits festgestellt haben, dem Vitamin isomer; wir werden spater ausfuhrlicher uber diese Versuche berichten.

Optische flrehung: 3,15 mg Subst., 2 ccm Alkohol, I = 1 dm, GCU = + 0,80°, c ( ~ ~ ~ ~ = + 0,985'.

[x]il = + 508O; [cc];:,, = + 625O in Alkohol.

3,370 mg Subst.: 10,440 mg CO,, 3,460 mg H,O. ~,,H420 Ber. C 84,74 H 11,07

Gef. ) ) 84,49 ,, 11,49.

2,35 mg Subst.: 24,6 mg Campher; Gefrierpunktserniedrigung =9,5O C,,H,,O Molgew. Ber. 382 Gef. 402.

Das Absorptionsspektrum ist auf Fig. 5 wiedergegeben.

Der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft sowie der I . G. Farbenindustrie A . G. Werk Elberfeld und der Firma E . Herck-Dam- stadt, die unsere Untersuchungen weitgehend unterstutzt haben, spreche ich meinen Dank aus. Windaus.


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