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Remy: uber die Einwirkung von Salzsaure usw. 341

Slitteilung aus dem allgem. chemischen Institut der Universifat Gottingen,

tber die Einwirkung von SalzsPure uuf die Tetroxyde des Rntheniuins und cics Osmiuiiis;

von

Heinrich Remy. (Eingegangen am 6. Dezember 1920.)

Vor einigen Jahren berichtete J. Mi lbaue r in dieser Zeit- schrift’), da8 das Tetroxyd des Osmiums nach seiner Unter- suchung durch konzentrierte Salzsiiure bei Zimmertemperatur zersetzt werde, im Gegensatz zu alteren Literaturdaten; und zwar sollte diese Zersetzung zum Osmiummonoxyd bzw. zuin Dichlorid des Osmiums fiihren.

Die Unvereinbarkeit dieser letzteren Angabe mit fruher in Gemeinschaft mit B o r n e m a n n und mit R a t h s b u r g an- gestellten Versuchen veranlaBte 0. R u f f , die Beobachtung Xi1 b a n e r s nachpriifen zu lassen. Eine Bestatigung derselben konnte nach der gleichfalls in dieser Zeitschrift a) veroffentlichten Mitteilung von Ruff und S. Mugdan nicht erzielt werden; vielmehr blieb nicht nur das verwandte Osmium tetroxyd, sondern auch das Ru then ium tetroxyd, das zum Vergleich lierangezogen wurde, weil es allenfalls als Verunreinigung des von Mi lbaue r benutzten Osmiumtetroxyds hatte in Hetracht kommen konnen, bei den unter R u ffs.Leitung unternommenen Versuchen vollig uazersetzt (soweit es nicht durch den an- gewandten Gasstrom in die vorgelegte Kaliumjodidliisung hiniibergefiihrt war).

Gelegentlich einer yon mir in Angriff genommenen Unter- suchung iiber die Verbindungen des Rutheniums3) fand ich

l) Dies. Journ. [2] 96, 188 (1917‘. L, Dies. Journ. [2] 98, 143 (1918). j) Z. f. anorg. u. allgem. Chem. 113, 229 (1920).

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jedoch, daB Ruthentetroxyd zweifellos durch konzentrierte Salzsaure bereits bei Zimmertemperatur vollkommen zersetzt werden kann. Dies schien zunachst mit den Beobachtungen Ruffs und Mugdans in unvereinbarem Gegensatz zu stehen, weshalb ich mich zu einer Nachpriifung unter sorgfaltiger Beobachtung der Versuchsbedingungen entschlob. Da die Unter- suchung dieser Autoren sich vorwiegend auf das Tetroxyd des Osmiums bezieht, wandte ich mich d iesem zum genaueren Studium der in Frage kommenden Faktoren zu, wobei ich auf die Reinheit der zur Reaktion verwandten Stoffe mein beson- deres Augenmerk richtete.

D i e Un te r suchung h a t e rgeben , d a 6 d i e E i n w i r - k u n g d e r S a l z s a u r e auf d a s Osmiumte t roxyd e rheb l i ch von d e r e n Konzentration abhang ig ist . D u r c h S a l z s a u r e voin spez. Gewicht > 1,160 wird Osmiumte t roxyd be i Z i m m e r t e m p e r a t u r m i t m e r k l i c h e r Geschwindigkei t u n t e r Chlorentwicklung zerse tz t . H i e r b e i g e h t j e d o c h d a s Osmium n i c h t i n den zweiwertigen Z n s t a n d i iber , wie Mi lbaue r b e h a u p t e t , sonde rn in den vierwertigen. D i e Z e r s e t z u n g e r fo lg t a u c h be i Verwendung r e i n s t e r Ma te r i a l i en ; zudem i s t d i e Anwesenhei t a u c h groBerer Mengen d e r h a u p t s a c h l i c h in F r a g e kommenden Ver- un re in igungen ohne Einf luB auf d i e Reak t ionsge - schwindigkei t . Eine erhebliche Erhohung der Zersetzungs- geschwindigkeit liBt sich dagegen durch weitere Steigeruug der Salzsiiurekonzentration erzielen. Bei Verwendung einer Salzsaure vom spez. Gewicht 1,190 geht die Reaktion selbst bei Null Grad mit betriichtlicher Geschwindigkeit vonstatten.

Die Angabe Mil bauers , daB Osmiumtetroxyd durch kon- zentrierte Salzsaure bei Zimmertemperatur zersetzt wird, ist also dahingehend zu priizisieren, daB die Zersetzung durch Salzsaure vom spez. Gewicht 1,160 und mehr erfolgt. Der von Mi lbaue r abweichende Befund Ruffs und N u g d a n s findet darin seine Erkliirung, dab diese, wie Herr Prof. Ruff auf meine Anfrage mir freundlicherweise brieflich mitteilte, zu ihren Versuchen eine Salzsaure vom spez. Gewicht 1,124 be- nutzt haben. Bezuglich des entstehenden Reaktionsprodukies ist die Angabe Mi lbauers in dem oben von mir angegebenen Sinne richtig zu stellen.

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Remy: Uber die Einwirkung von Salzstiure usw. 343 Noch leichter als das Osmiumte t roxyd wird dasTetroxyd

des R u t h e n i u m s durch Salzsaure zerlegtl); jedoch geht in diesem Falle die Reduktion (ebenso wie in der Hitze) bis zur d r i t t e n Ladungsstufe des' Metalls.

Expcriiiienteller Teil.

a) Appara tu r .

Die von mir benutzte Apparatur, welche sich yon der Mi lbaue r s nur durch einige zweckmaBige Abanderungen, die aber auf den Reaktionsmechanismus ohne EinfluB sind, unter- scheidet, ist in der nachstehenden Figur skizziert.

Die Drechselschen UTaschflaschen C bis F enthielten j e 50 ccm konzentrierte Salzsaure, in B befanden sich 20 ccm Wasser, in die Winklerschlangen G und H wurden je 5 ccin 5 prozentige Kaliumjodidlosung gegeben. Von L aus wurde mittels Wasserstrahlpumpe frische AuBenluft durchgesaugt, weshalb das Zuleitungsrohr A durch eine Bohrung des Fenster- rahmens hindurchgefuhrt war. Die Regulierung dcs Luftstromes erfolgte durch die Schraubenquetschhahne Q. In die Flasche B wurde zu der Salzsaure das zu untersuchende Osmiumtetroxyd gegeben. Dem Beispiele Mi lbaue r s folgend, baute ich eine

I) Hieriiber wird demniichst in anderem Zosamrnenhange berichtet werden.

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zweite Reihe- B' bis H' auf, benutzte diese aber nicht wie jener zur gleichzeitigen Ausfiihrung blinder Kontrollversuche (ohne Zusatz von Osmiumtetroxyd), sondern ich benutzte b e ide Reihen meist gleicl izei t ig fur die Untersuchung der Tetroxyd- zersetzung, nachdeni eine grogere Anzahl von b l inden Ver- suchen vorher , und zwar in beiden Reihen angestellt worden war. Natiirlich standen die Flaschenreihen, die in der Figur ubereinander gezeichnet sind, auf dem Arbeitstisch neben- einander. Um nach Belieben die eine oder die andere Reihe oder beide gleichzeitig an die Saugpumpe anschlieBen zu konnen, war bei K ein Dreiweghahn angebracht. Die leeren Flaschen J und J' dienten als Sicherheitsflaschen, urn eineu Verlust von miiglichenfalls uberspritzender Kaliumjodidliisung zu verhindern.

Die Tiersuche wurden teilweise bei Tageslicht, teilweise bei kiinstlicher Beleuchtung ausgefuhrt. Ein EinfluB des Lichtes auf die Reaktion war nicht zu konstatieren.

b) B l inde Versuche.

Die Einwirkung des Tetroxyds auf die konzentrierte Salz- saure wurde von mir, ebenso wie es von seiten Mi lbauers geschehen war, in der Weise untersucht, dab beobachtet wurde, ob sich in der Waschflasche D (bzw. D') Chlor bildete. Letzteres ist damn erkennbar, da6 es durch den die E'lascheabatterie passierenden Luftstrom in die Winklerschlaugen iibergefiihrt wird und dortselbst die ayuivalente Menge J o d in Freiheit setzt. Es wird jedoch auch in den blinden Versuchen etwas Jod ausgeschieden. Dies beruht offenbax darauf, dab die durch den Luftstrom mitgefuhrten Salzsauredampfe Jodwasserstoff freimachen , der dann durch den Luftsauerstoff allmahlich oxydiert wird. Wenn diese Annahme richtig ist, mu6 die Menge des in einer bestimmten Zeit ausgeschiedenen Jods von der Konzentration der vorgeschalteten Salzsaure abhangig sein. Dies ist tatsbhlich der Fall, wie die folgende Tabelle 1 zeigt, in der die jeweils von dem in Freiheit gesetzten Jod ver- brauchten Quantitaten einer 0,1002 1 normalen Natriumthio- sulfatlijsung angefuhrt sind.

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T a b e l l e 1.

:a. 40 I 4 :a. 50 ,,

32 43 1 28 I 4

1 * -

I ,

19 3,

49 6

b Ga

b

O,8 1 1,04 1,10

I 0,52 0,os

0,lO 0,70

0,13

0,09

0,04 0,21 0,63

- ~

M

Y W 5 3 - 2 g

:0 - 5s g i 2 .3

__ ~

0,20

0,20 O,l5 0.02

0,26

0,025 0,12 0,o 15

0,OR

0,Ol

0,13 0,05

Bemerkungen

~~~ - _ _ _

0910 I1 0,06 0,Ol ~ Flasche B' euthielt statt

Salzsaure konzentriei te Schwefelsaure

0,02 0,04 Wie 3 a 0,005 ' 1 In Flasche D' frische konz.

YalzsPure eingefullt 0,015 In Flasche D frische konz.

1 Salzsliure, in FIasehc B' Salzsaure wie friiher

0,005 0,Ol 1

In Flasche D' uitd E' frische konz. Salzsiiorc

Unter a nnd )J sind die mit den beiden korrespondieren- den Reihen der Apparatur erhaltenen Ergebnisse eingetragen. Soweit nichts anderes bemerkt, wurden die in den einzelnen Flaschen befindlichen Losungen zwischen den aufeinander- folgenden blinden Versuchen nicht ausgewechselt.

Aus der Tabelle ist ersichtlich, daB bei frisch eingefiillter Salzsaure (vom spez. Gemicht 1,175 bei 21° C) ganz bedeutend mehr Jod in Freiheit gesetzt wurde, als wenii die Salzsaure infolge Luftdurchleitens sich bereits verdunnt hatte. Nach un- gefahr zehnstundigem Durchleiten hat sich die Salzsaurekon- zentration so weit sermindert, da6 die Einmirkung der Saure- dampfe auf die KaliumjodidlGsung praktisch au6er acht gelassen werden kann. Auch Einschalten einer Flasche mit frischer Salzaiiure bei D h d e r t daran nichts Wesentliches (Versuch 4 b

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und 5 a), wenngleich die Einschaltung m e h r e r e r Flaschen mit frischer Salzsaure eine merkliche Steigerung der Jodausschei- dung herbeifihrt (Versuch 6 b).

Fur die Versuche mit Tetroxyd folgte hieraus, daB zur Vernieidung von erheblichen Fehlern in der Ermittlung des aus der Salzsaure in Freiheit gesetzten Chlors keine zu kon- zentrierte Siiure sich in den Flaschen C, E und F befinden durfte. Es wurde daher entweder bei jedem Versuch so lange Luft durch diese Flaschen geleitet, bis die vorgelegte Kalium- jodidlosung keine nennenswerte Jodausscheiilung mehr erkennen lie8, oder es wurde von vornherein in diese Flaschen eine so weit mit Wasser verdiinnte Salzsaure gegeben , daB eine Jod- auscheidung durch (mittelbare) Wirkung von Sauredampfen nicht in Frage kommen konnte.

c) Ve r s u c h e mi t 0 s m i u m t e t r o x y d. Versuch 7.

Annahernd 0,56 g l) mines, krystallisiertes Osmiumtetroxyd wurde iu Flasche D gegeben, 50 ccm konzentrierte Salzsaure (spez. Gewicht 1,175 bei 21" C) zugefugt und Luft durch- gelei tet.

Die Geschwindigkeit des Luftstromes betrug bei diesem und den folgenden Versuchen ca. 40-50 Blasen pro Minute.

Die Auflijsung in der Salzsaure erfolgte sehr langsam; dabei farbte sich die Flussigkeit in der Flasche D erst ganz schwach gelb, spater orange, allmahlich wurde auch die Snlz- saure in Flasche E schwach gelb, die in F dagegen wurde nich t erkennbar gefarbt.

Folgende Tabelle 2 gibt eine Ubersicht uber die in den vorgelegten Winklerschlangen ausgeschiedeuen Jodmengen 2,

I) Die Zahl bezieht sich auf die a b g e w o g e n e Menge. Wegen der Fliichtigkeit dea Tetroxyds geht bei der Ubcrfiihruiig aus dem Wlge- glas in das Reaktionsgefal ein merklicher Teil verloren, falls keine be- sonderen Einriclitungen zur Verhinderung dieses Verlustes getroffeu sind. Die wirklich in das Reaktionsgefd gebrachte Menge betrug in diesem Versuch 0,5403 g (vgl. meiter unten).

%) Wenn sich in der ersten Winklerschlauge Jodat gebildet Latte, wurde die darin befindliche L6sung vor der Titration in 50 ccm an gesherte Kaliumjodidlijsung flieBen gelassen.

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Remy: Uber die Einwirkung von salzsttwe usw. 347 bzw. die diesen enteprechenden QuantiWn der zu ihrer Titration verwandten 0,10021 normslen Thiosnlfatliiaung.

Tabel le 2.

Nach 12 stiindigem Stehen iiber Nacht

weitere 6 Stunden . . . . . , ) 4 ,, . . . . .

Verbrauchte 11 z::za!r 1 Thiosulfatl8sung Dauer des Luftdurchleitens

1 I I

Nach lo1/$ stundigem Stehen uber Nacht

. . . . . 77 3,62 77

7, 0120 I ,

weitere 6 Stunden

i , , 6 , , . . . . .

~~~ ~~~

Die nach dem Versuch hiuterbliebenen Laeungen verbrauchten noch . . . . . . . . . . .

Gesamtverbrauch . . . . . . . . . . . . . 0,15 ccm

84,84 ccm

I

i 0,'L3 ,, 0 ~ 3 ?,

84,69 ccm

Man sieht, daE in den ersten Stunden mehr als das Tausendfache der in den blinden Vemuchen ausgeschiedenec Jodmenge in Freiheit gesetzt wurde, ein Zeichen, daB sich in der Tat durch Reaktion des Tetroxyds mit der Salzsiiure Chlor gebildet hatte. I n den Flaschen D und E lieS sich nach Aus- einandernehmen der Apparatur uberhaupt kein unverandertes Tetroxyd mehr nachweiaen. Nur der Inhalt der Flasche P roch ganz schwach nach Osmiumtetroxyd und schied (nach Verdunnen) auf Zusatz von Kaliumjodidiijsung noch etwas Jod aus, 0,15 ccm der Thiosulfatlosung entsprechend.

Versuch 8.

Ds die zu dem vorangehenden Versuch verwandte Salz slure mit 10 prozent. Ammoniumrhodanidlosung eine, wenn auch iiuBerst schwache Eisenreaktion gab, wurde von jetzt an nur noch aus Kochsalz und reiner Schwefelsaure frisch her- gestellte Salzsaure benutzt. I m vorliegenden Versuche wurden

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zu 50 ccm einer solchen Saure vom spez. Gewicht 1,190 bei 18O C zwei sehr schon ausgebildete und vollkommen durch- sichtige Krystalle von Osmiumtetroxyd (= 0,14 g) gegeben. Die- selben losten sich in der hochkonzentrierten Saure schnell auf unter Bildung einer intensiv gelben Losung. Die Flaschen C, E und B enthielten die gleiche reine Salzsiinre, jedoch mit 10 ccrn destilliertem Wasser verdiinnt. ‘ijber die Zersetzung des Tetrosyds gibt folgende Tabelle 3 Auskunft, Nach dua- einandernehmen der Apparatur waren nur noch Spuren von Osmiumtetroxyd in den Fiaschen nachweisbar (weniger als 2 Tropfen der Thiosulfatlosung entsprechend).

Dauer des Luft- durchleitens - ~

Versuchs- I Verbrauchte teinperatur Thiosulfatliisung I

Wie aus diesem Versuch hervorgeht,, tritt die Zersetzuiig auch bei Vermendung reinsten Materials ein. Deutlich ist sogar eine S t e i ge r un g d e r Re ak t io n s g e s c hw i nd ig be i t gegeniiber dem vorhergehenden Versuch eingetreten. Es 1 ag nahe , d iese au f d i e groi3ere Konzen t r a t ion d e r Sa lz - s a u r e z ur u c kz ufii h r e n.

Versuche Y und 10.

Um diese hnnahme auf ihre Richtigkeit zu priifen, wurcle nunmehr auch die Einwirkung von Osmiumtetroxyd auf Salz- saure vom spez. Gewicht 1,160 uud 1,140 untersucht. Die- selbe war aus frisch bereiteter reiner Salzsaure durch ent- sprechendes Verdiinnen mit Wasser hergestellt. Die Wasch- fiaschen C, E und E’ bzw. C‘, E’ und F’ enthielten in diesem Falle Salzsaure der gleichen Konzentration wie D bzw. D’.

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Remy: o b e r die Einwirkuiig voii Salzsaure usw. 349

Spez. Gew. der Salz- ?Sure = 1,160 (bei 18O)

V e r s u c h 10.

Angewandt 0118 g OsO, Spez. Gew. der Salz-

saure = 1,140 (bei 18O)

Verbrauchte Thio- sulfatlijsung

~

___ - ~~

~ - .

Die T a b e l l e und i h r Verg le i ch m i t den T a b e l l e n 2 und 3 e rwe i s t k l a r d i e Abhang igke i t d e r Ze r se t zungs - geschwind igke i t von d e r Sa lz sau rekonzen t r a t ion . W a h - r e n d d i e Z e r s e t z u n g des T e t r o x y d s d u r c h S a l z s a u r e vom spez. Gewicht 1,190 n a c h 6 S t u n d e n p r a k t i s c h b e - e n d e t i s t , e r f o r d e r t d i e Ze r se t zung d u r c h S a l z s a u r e vom spez. Gewicht 1.175 m e h r a l s d a s Doppe l t e d ieser Z e i t ; d u r c h S a l z s a u r e vom spez. Gewicht 1,160 i s t n a c h 12 S t u n d e n noch n i c h t d i e H&lf te l ) d e s T e t r o x y d s zer - s e t z t u n d d u r c h S a l z s a u r e vom spez. Gewicht 1,140 t r i t t i n n e r h a l b d e r g le ichen Z e i t ke ine merk l i che Z e r - s e t z u n g m e h r ein.

Versuch 11.

Obgleich auf moglichste Reinheit der in den Versuchen 8 bis 10 verwandten Substanzen besonderes Augenmerk gerichtet war, murden doch noch Versuche angestellt, urn zu ermitteln, ob etwn die Salze des Eisens oder des Ammoniums (von denen minimale Spuren als Verunreinigungen selbst der frisch her- gestellten Salzsgure hiitten in Betracht kommen konnen, ob- gleich sie analytisch nicht nachweisbar waren) katnlytisch be- schleunigend auf den in Frage stehenden ProzeB einwirken.

l) Der Zereetzung von 0,24 g Osmiumtetroxyd wurde, da das Os- mium in die vierte Ladungsstufc ubergeht (vgl. weiter uuten), ein Ver- brauch von 37,6 ccrn ThiosulfatlBsung entsprechen , wZihrend insgesamt erst 14,82 ccm vcrbraucht sind.

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0,13 g Osmiumtetroxyd wurden zu 50 ccm frisch her- gestellter Salzsiiure vom spez. Gewicht 1,165 (bei IS0) gegeben und in der gleichen Anordnung wie sonst Luft durchgeleitet.

Nach 2 Stunden wurden verbraucht (Versuchstemperatur = 18O): 0,56 ccm Thiosulfatlosung. Jetzt wurde eine Prise Ammoniumchlorid zu der Losung in Flasche D hinzugefiigt.

Verbrauch nach weiteren 2 Stunden (Versuchstemperatur = 18 O): 1,06 ccm Thiosulfatlosung. Dann wurde 9l/, Stunden iiber Nacht ruhig stehen gelassen, darauf wieder Luft durch- geleitet.

Verbrauch nsch weiteren 6 Stunden (Versuchstemperstar = 18 O): 4,65 ccrn ThiosulfstlSsung. 6 9 , ( 77 = 190): 1,98 ,, ,7

2 > 7 ( 7 9 = 19"): 0753 ,, 9 ,

Auch hier ist, selbst nach 27 Stunden, noch nicht die Halfte des Tetroxyds zersetzt I) und eine Beschleunigung der Reaktion durch das zugesetzte Ammoniumchlor id , wie der Vergleich mit Versuch 9 lehrt, nicht zu konstatieren.

Versuch 12.

Ebensowenig konnte eine Salzsaure vom spez. Gew. 1,140, die mit Osmiumtetroxyd nicht reagierte (nach dreistiindigem Luftdurchleiten bei 18 O: Verbrauch 0,OO ccm Thiosulfatlosung), durch Zusatz von E i sench lo r id zur Reaktion angeregt werden (nach Zusatz von Eisenchlorid und weiter dreistiindigem Luft- durchleiten bei 18 O : Verbrauch 0,OO ccm Thiosulfatlosung).

Versuch 13.

Ein anderer Teil der im Anfang von Versuch 12 ver- wandten Salzsaure wurde nicht mit Eisenchlorid versetzt, sondern mit SalzGiuregas gesattigt. Als darauf wieder Luft durchgeleitet wurde, gab die Losung eine bedeutende Menge Chlor ab. Bei diesem Versuch wurde folgenderma6en ver- hhren :

In die etwa 0,07 g Osmiumtetroxyd enthaltende Salzsaure der Flasche D (vom spez. Gewicht 1,140), die auch nach fiinf-

I) lnsgesamt sind 8,78 ccm ThiosuifatiBsung verbraucht. Der vBlligen Zersetzung der verwandten Substanzmenge wurden 20 ccm entsprechcn (vgl. die vorige Anm.).

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stundigem Luftdurchleiten (bei 18-19 noch keine Jodaus- scheidung hervorgerufen hatte, wurde aus Kochsalz und reiner Schwefelsaure bereitetes Salzsauregas eingeleitet , das eine Waschflasche mit reiner konzentrierter Schwefelsaure passiert hatte. Die Flaschen E und P blieben hierbei vorgeschaltet, ebenso eine Winklerschlange. Die Flaschen D, E und B wurden durch Eiswasser gekuhlt. Nach '/, stundigem Einleiten eines ziemlich kraftigen Chlorwasserstoffstromes wurde die in der vor- geschalteten Schlange befindliche Kaliumjodidlosung titriert: Verbrauch 0,06 ccm Thiosulfatlosung. Nun wurde , wahrend die Apparatur genau wie bei den friiheren Un tersuchungen zusammengesetzt war, nur daB die Flaschen D, E und F in Eiswasser standen, 3 Stunden lang Luft durchgeleitet. Alsbald nach Einschalten dcs Luftstromes erfolgte erhebliche Jodaus- scheidung. Nach Verlauf der 3 Stunden betrug die zur Ent- farbung benotigte Thiosulfatmenge 10,22 ccm der rerwandten Losung. Nach elfstiindigem Stehen iiber Nacht und weiter noch sechsstundigem Luftdurchsaugen (bei 18 a) wurde noch eine 0,47 ccm Thiosulfatliisung entsprechende Jodmenge in Freiheit gesetzt. Die Salzsaure in den Waschflaschen E und F enthielt nach dem Auseinandernehmen der Apparatur nur noch Spuren unzersetzten Osmiumtetroxyds, in Flasche D war solches iiberhaupt nicht mehr nachweisbar.

D i e s e r Ver such zeigt besonde r s deu t l i ch , daB e8 f u r d i e Osmiumte t roxydze r se t zung n u r auf d i e Kon- z e n t r a t i o n d e r S a l z s a u r e ankommt. I n de r se lben Losung , d i e zunachs t ke ine S p u r von T e t r o x y d z e r - s e t zung aufweis t , wi rd n a c h S a t t i g e n m i t Sa lzs i iuregas (das i n se inem R e i n h e i t s g r a d vol lkommen dem r o r h e r z u r D a r s t e l l u n g d e r b e r e i t s i n d e r A p p n r a t u r bef ind- l i c h e n Sa lzsBure lbsungen ve rwand ten e n t s p r i c h t ) das Te t roxyd im Verlauf weniger S t u n d e n , s e ibs t be i d e r T e m p e r a t u r des schmelzenden Eises, vo l l s t and ig ze r - se tz t .

Die Oxydat ionss tufe , in die das Osmium bei der Re- aktion des Tetroxyds mit der Salzsaure ubergefuhrt wird, ergibt sich aus der bei diesem ProzeB durch ein bestimmtes Quantum Osmiumtetroxyd in Freiheit gesetzte Chlormenge. E m das

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Verhaltnis der letzteren zu jenem zu ermitteln, wurde der Retrag des in Versuch 7 tatsachlich angewandten l) Osmium- tetroxyds dadurch genauer bestimmt, daB aus der nach diesem Versuch hinterbliebenen salzsauren Lijsung das Osmium durch Zusatz von Kalilauge als Hydroxyd gefallt und letzteres nach dem von Ruf f und Bornemann2) ausgettrbeiteten Verfahren rnit Kaliumpermanganat titriert wurde. Hieraus ergab sich das Quantum hes zu dem Versuch vemandten Tetroxyds zu 0,5403g. Diese Menge mugto beim Ubergang in die f i inf te Ladungsstufe eine 133~45 cam der verwandten (1,002 1 normalen) Thiosulfatlosung aquivalente Chlormenge aus der Salzsaure in Freiheit setzen ; ein Verbrauch von 84,65 ccm Thiosulfatlosung entsprache dem Ubergang des Osmiums in die v i e r t e und ein solcher von 105,s ccm dem i n die d r i t t e Ladungsstufe. Der Verbrauch von 84$4 ccm Thiosulfatlasung in Versuch 7 (wovon noch ein Geringes fur die Oxydation der Kaliumjodidlosung durch den Luftsauerstoff gerniil3 den Versuchen 1-6 in Abzug zu bringen ist) zeigt demnach, da8 das Osmium durch die Salzsaure in die v ie r t e Ladungsstufe iibergefiihrt wurde. Dieser Ladungsanderung entsprechen innerhalb der Versuchsfehler audi die im 8. und 13. Versuch verbrauchten Thiosulfatmengen. Die anderen Versuche, die nicht bis zur vollstandigen Zer- setzung des Tetroxyds durchgefiihrt wurden? lassen sich zur Berechnung der Ladungdnderung naturgemaB nicht heran- ziehen. Ich beabsichtige, den %rliegenden Befund bezuglich der Oxydationsstufe, in welche das Osmium bei der Reaktion des Tetroxyds mit der Salzsaure iibergeht, noch durch eine cingehendere Untersuchung des hierbei gebildeten Produktes, das wohl als eine wasserlijsliche Form des Osmechlorids oder wahrscheinlicher als eine komplexe Chloroosmesiiure an- znsprechen sein wird, sicherzustellen.

l) Vgl. die Anm. 1 S. 346. 2, Z. f. anorg. Chem. 6, 439 (1910).


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