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ANNALEN DER

IE UND PHARMACIE.

CVII. B n n d e s e w e i t e s H e f t .

Ueber die Reduclion des lridiuinchlorides (IrC12)

in niedere Chlorstufen ;

von Dr. C. Ckcus.

Tm Decemberhefte dieser Annalen, Bd. CIV, S. 368, be- findet sich eine Arbeit der Herren F. W o h l e r und Muck16 uber das Verhalten des platinhaltigen Iridiumsalmiaks gegen Cyankaliumlosung. Dieser Gegenstand hat mich urn so mehr interessirt, aIs e r eine meinem Gediichtnisse entschwundene Thatsache, welche mir bei meinen Arbeiten mit den Platin- ruckslanden entgegengetreten war , wieder in Erinnerung brachte, und welche als Ercveiterung des von den Verfas- ;ern Mitgetheilten dienen kann. Ich nehme daher Veran- lassung , alles bisher Bekannte uber Trennung des Platins vom Iridium, was sich auf Reductionswirkungen ziiruckfuhren liifst , hier zusamnien zu stellen.

Die nieisten Trennungsnrethoden des Platins voin Iridium beruhen aiif der uberaus leichten Reducirharkeit des Iridium- chlorides zu Stwpichlnriir (Ir2C13), wobei dieses ein leicht- liislichrs Doppelsalz mit Chlorkalium und Chlorammonium bildet und auf diese Weise von den schwrrloslichen Doppelsalzen des schwer reduci~baren Platinchlorides getrennt werden kann.

Annal. d. Cham. 1 1 . Pliarm. CVI1. Bd. 2. Heft. 9

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Diese Neigung zur Reduction ist so grofs, dafs die geringste reducirende Veranlassung den Reductionsprocefs einleitet, wie z. B. der Einflufs der Warme, des Lichts , j a sogar der Al- kalien, welche, was sehr rnerkwurdig ist, auf den mit gerin- gerer Kraft gebundenen Antheil des Chlors im Chloride gleichsam wie auf freies Chlor einwirken, und von der einen Seite Chlormetalle , von der anderen ein unterchlorigsaures Salz bilden. Diese leichte Reducirbarkeit steht aber nicht als isolirtes Factum da, sondern noch andere Platinmetalle zeigen dieselbe in einem noch hoheren Grade, als das Iridium, na- mentlich das Palladium, das so ungemein leicht aus der Chlorid- verbindung in Chlorur iibergeht. Auch das Rhodium mufs zu diesen Metallen geziihlt werden, obgleich es bei fluchtigem Blicke als mit ganz entgegengesetzten Eigenschaften begabt er- scheint, da wir nur eine, hochst constante Chlorstufe desselben, niimiich das rothe Rhodiumsesquichlorur kennen. Bei der grofsen Aehnlichkeit, welche das Rhodium in Beziehung seiner Ver- bindungsverhaltnisse nrit dem Iridium kund thut , ist es mit grorser Wahrscheinlichlreit anzunehmen, dafs ein dem Iridium- chloride gleicli zusammengesetztes Chlorid RhClz existirt. Wenn dennoch keinem Chemiker, noch auch mir, nach vielen vergeblichen Bemuhungen, es bisher gelungen ist , dieses Chlorid darzustellen, so mufs der Grund dieses Mifslingens i n der aufserordentlich leichten Reducirbarkeit des Rhodium- chlorides zu Sesquichlorur gesucht werden. Hinc illae lacrimae ! Von diesem Slandpunkte aus erscheint uns das scheinhar anomale Verhalten des Rhodiums dem Iridium ge- genuber als vollkonimen normal. Wenn wir niimlich das Palladium mit dern Platin in dieser Beziehung vergleichen, so firiden wir , d a t das Chlorid des ersteren unverhaltnirs- miifsig leichter reducirbar ist als das des Platins, j a es ist nicht ganz leicht , die Chloridverbindungen des Palladiums chlorurfrei darzustellen, und diese gehen schon beim Er-

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warmen glnzlich in das Chlorur uber. Nehmen wir nun an, dais das Rhodium hinsichtlich dieses Verhaltens in einem ahnlichen Verhaltnils zum Iridium steht , wie das Palladium zum Platin, so liegt die Folgerung sehr nahe, dafs , da das Iridiumchlorid schon S O leicht reducirbar ist, das des Rho- diums es in einem rioch hoheren Grade sein muL. Diese Anschauungsweise ist nicht aus der Luft gegriffen, sondern sie lafst sich durch Thatsachen beweisen. Wenn man namlich das Rhodiumsesyuioxydul bei Gegenwart von Kali durch Chlor hoher oxydirt, so lost sich das hohere Oxyd mit griiner Farbe in Salzsaure, allein die Losung reducirt sich schon bei gewohn- licher Temperatur unter Chlorentwickelung und geht in das kirschrothe Sesquichlorur uber. Dieser Reduction Einhalt zu thun, urn das Chlorid oder seine Doppelsalze zu gewinnen und sie genauer zu untersuchen, ist mir bisher nicht ge- lungen.

Nach dieser allgemeinen Betrachtung gehe ich zu den Einzelnheiten und zwar zuerst zu der von den Verfassern beobachteten Einwirkung des Cyankaliums auf den plalin- haltigen Iridiumsalmiak uber. Die Trennung des Platinsal- miaks yon dem des Iridiums griindet sich auch hier auf die bedeutendere Loslichkeit des reducirten Iridiumsalmiaks dem Ammonium-Platinchloride gegeniiber und die auch auf nassem Wege wirksame Keductionskraft des Cyanlraliums , indem durch Wasserzerlegung einerseits Cyankalium zu cyansaurem Kali, auf der anderen Seite dern Iridiumchloride Chlor durch Wasserstoff als Salzsaure entzogen wird , wobei diese aus einem anderen Antheile unzersetzten Cyankaliums Blausaure frei macht. Das Hauplniomerit bei dieser Zersetzung bleibt jedoch die leichte Reducirbarkeit des Iridiamchlorides, welches die Wirkung des Cyankaliunis fur sich in Anspruch nirnmt und so das Platinsalz vor Reduction schiitzt. Daher haben auch die Herren Verfasser keinen Ueberschuls von Cyan-

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kalirim angewendet und von der anderen Seite verdunnte Losungen empfohlen , damit sich das Iridiumsesquichlorursalz losen konne.

Uebergiefst man fein zcrriebenes Iridiumchloridsalz mit einem Ueberschufs einer sehr concentrirten Losung von Cyan- kalium und uberllfst es der Einwirkung, so ist nach 24 Stun- den das braunschwarze Chloridsalz in Sesquichlorur von gruner Farbe reducirt , und dieses grune krystallinische Palver lidst unter dem Mikroscope deutlich die Form des Kalium-Iridium- sesquichlorurs wahrnehmen. In der Flussigkeit ist, der Con- centration derselben wegen , nur wenig grunes Salz gelost. Behandelt man auf iihnliche Weise reinen Platinsalnriak, so erfolgt zwar auch hier die Reduction, aber bedeutend lang- samer ; nach 48 Stunden hat sich ein grofser Theil des Salzes in ein weifses lirystallinisches Salz urngewandelt , das unter dem Mikroscop die Form des Platocyankaliums (2 CyP'Pt +I< + 3 aq.) zeigt. Eine sehr einfache Darstellung dieses Salzes !

Aehnlich wie Cyankalium wirkt auch das Schwefelcyan- kalium, nur ist der Act der Zersetzung ein mehr complicirter. Schon vor 12 Jahren machte ich diese Beobachtung bei einer ahnlichen Veranlassung , wie die der Herren Verfasser des erwahnten Artikels ; ich beabsichtigte namlich , ein Doppel- rhodanid des Iridiums durch Erliitzen des Tridiumsalmiaks mit einer Liisung von Rhodankalium darzustellen, und erhielt da- bei ein rothes octaEdrisches Salz, das keine Spur Rhodan enthielt, sondern zu nieinem nicht geringen Erstaunen griifs- tcntheils aus Platinsalz bestand; auch ich dachte anfangs, da die Iridiumverbindung aus den Platinruckstiinden dargestellt und schwarz vonFarbe war, mir daher als re in erschicn, an eine Umwandlung des Iridiums in Platin. Da ich aber meincn Hauptzweck , die Darstellung einer krystallinischen Rhodan- verbindung, nicht erreichle , so interessirte mich der Ge-

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genstand wenig und ist in Vergessenheit gerathen, so ganz und gar, dafs ich bei Bearbeitung meiner Schrift : ,,Beitrage zur Chemie der Platinmetalle" meine friihere Erfahrung nicht benutzen konnte und daher bei der Reaction des Rhodan- kaliums auf Iridiunichloridlosungen angefuhrt habe, dafs jenes Eeagens nicht verandernd einwirke , was freilich in den er- sten Momenten bei Anwendung sehr verdunnter Liisungen ganz wahr ist , nicht aber bcim Erhitzen und bei langerer Einwirkung auf das trockene Salz. Die Arbeit der Verfasser ist die Veranlassung d a m geworden, dafs mir die Erinnerung an das einmal schori Erfahrene plotzlich wicdcr anftauchtc und dafs ich diesem Gegenstande tneine Anftnerksanikeit wie- der zugcwendet habe. Wird fein zerriebenes platinhaltiges Ammoniurn - Iridiumchlorid init einer verdiinnten Lijsung von Rhodankalium iibergossen und der Einwirkung bei gewDhn- licher Temperatur iiberlassen, so erfolgt nach und nach die Reduction; das gcbildcte Iridiumsesquichlorursalz liist sich init olivcngrkier Farbe in der Flussigkeit auf, wahrend das Platinsalz rnit rolher Farbe ungelost zariichbleibt ; zrigleich wird die Flussigkeit stark sauer von frei gewordener Rhodan- wasserstoffsaure , welche sich durch den der Essigsaure Ihn- lichen Geruch unverkennbar kundthut ; zngleich nimmt man einen schwachen Geruch nach Blausaure wahr ; auch hat sich ein geringer Antheil Schwefelsaure gebildet , welche durch Barytreaction nachgewiesen werden kann. Das ungelosle Platinsalz ist nicht ganz rein, sonderri enthalt noch etwas Iridium und ein in M'asser schwerliisliches Zersetzungsproduct der Rhodanwasserstoffsaure, namlich einen , der von WOS- k r es e n s k y analysirten Ueberschwefelblausaure = CyS3 + H ahnlichen citronengelben sauren Kiirper. Man sieht hieraus, dafs dieser Zersetzungsact ein bedeutend mehr complicirter, 81s der rnit Cyankalium ist , obgleich er in den Hanptphasen mit deinselben Cberelnstitnrnt, indem narrilich durch Wasser-

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zersetzung die Bildung von Salzsaure und Oxydation des Schwefels, moglicher Weise auch die des Cyans, ferner die Ausscheidung der Rhodanwasserstoffsaure und Blausaure durch die Einwirkung der Salz- und Schwefelsaure und die Zer- legung dcr Rhodanwasserstoffsiiure in den gelben Korper und Blausiiure leicht erkllrlich ist. Uebergiefst man aber reines Ammonium-Iridiumchlorid mit einer conceritrirten Losung von Rhodankalium , wodurch die Losung des reducirten Iridium- salzes verhindert wird, so lost sich ein nur geringcr Theil in der Fliissigkeit, wahrend der grokere Thcil in ein gelb- griines krystallinisches Pulver , in das Sesquichlorursaiz um- gewandelt wird, das unter das Mikroscop gebracht deutlich die Krystallform dieses Salzes erkeniien liifst und das durch die Beimengung des citronengelben Zersetzungsproductes der Rhodanwasserstoffslure gelbgriiri erscheint. Behandelt man hingegen reines Ammonium-Iridiuniscsquichloriir bei gewohn- licher Temperatur mit einer Losung von Rhodankalium , so erfolgt keine Veranderung ; erst beim Erhitzen beginnt die Doppelzersetzung , welche sich durch den Uebergang der griinen Farbe in eine saffrangelbe kund thut. Dals sich hier- bei nur Iridiumsesquirhodanur, nicht durch weiter schreitende Reduction Rhodaniir bildet, ersieht man aus dem Unistande, dafs die Flussigkeit nicht sauer und weder Rhodanwasser- stoffsaure noch Blausaure frei wird. Es ist zu bedauern, dafs das gebildete Khodansesquiiridiumsalz nicht krystallisirt, und dafs es mir daher nicht gelungen ist, es von Chlorkalium und Rhodankalium vollstandig zu befreien.

Auf ahnlichen Principien beruht die von mir in Vor- schlag gebrachte Trennung des Platins vom Iridium durch die Behandlung ihrer Doppelsalze mit schwefliger Saure. Diese Methode mufs, wie sich spater ergeben wird, den besseren zugezahlt werden. Es ist die schweflige Saure das beste Reductionsmittel fur das Iridiumchlorid und es knupfen sich

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zugleich an diese Reductionsmethode theoretische Betrach- tungen, welche fur die chemische Lehre iiber die Platin- metalle von grofser Wichtigkeit sind. Hat man ein platin- haltiges Iridiumdoppelsalz des Kaliums oder Ammoniums rnit schwefliger Saure bis zur Abscheidung des Platinsalzes redu- cirt, so befindet sich in der grunen Losung neben dem Iridiurnsesquichlorursalze , der freien schwefligen , Schwefel- und Salzsaure ein Antheil des Iridiumsesquichlorurs noch weiter bis zum Chlorur reducirt. Sattigt man nun die freien Sauren mit kohlensaurem Bali, so fallt der grofsere Antheil des Sesquichloriirs in Form des bekannten Salzes 3 KCI, 1r2Cl3 + 6 aq. als olivengriines krystallinisches Pnlver heraus, wiihrend die iibrigen Salze gelost bleiben mit einem nam- haften Antheile dieses Sesquichloriirsalzes. Ertiitzt man nun die Mutterlauge, so wirkt das schwefligsaure Kali noch ener- gischer reducirend auf dieses Salz ein, so dab es ganzlich in das Chlorursalz umgemandelt wird, was sich durch den Uebergang der grunen Flussigkeit in eine gelbrothe an- kundigt.

Besser noch gelingt diese weiterschreitende Reduction, wenn man geradezu die Losung des reinen grunen Sesqui- chloriirsalzes mit saurem schwefligsaurem Kali so lange er- warmt, bis die grune Farbe in die rothe ubergegangen ist. Aus diesen Losungen kryslallisirt beim vorsichtigen Abdaro- pfen nicht ein reines rothes Chlorurdoppelsalz, sondern, da ein Antheil dcs Iridiumchlorurs bereits in schwefligsaures lridiumoxydul ubergegangen ist, ein mehr complicirtes Dop- pelsalz von mennigrother Farbe, das aus schwefligsaurem Kali-Iridiumosydul und aus Kalium-Iridiumchlorur von der Formel (2 KCI, IrCl) + (2 KO, SOz; IrO , 2 SO2) + 12 aq. besteht. Dieses Salz mit mehreren anderen ahnlicher Zusammensetzung habe ich vor mehreren Jahren in Bd. LXIII, S. 350 dieser Annalen genau beschrieben. Aber ich mochte

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die Aufmerksamkeit der Chemiker nochmals auf diese merk- wiirdigen Verbindungen lenken. Damals gab ich den1 Salze die mir jetzt unwahrscheinlich vorkommende Formel : (2 KO, SO2 + 2 KCl) + (2 IrO, 2 SOz) + 12 aq. Bei rneiner gegenwartigen, durch vielfallige Erfahrungen mehr gelauter- ten Ansicht iiber die Zusammensetzung der Verbindungen der Platinmetalle halte ich die jetzige Formel fur die richtige, da sie nicht allein mit den Ergebnissen der Analyse eben so gut wie die altere ubereinstimnit, den Umstand, dafs dos Salz mit Salzsaure behandelt nur die Hrilfte seiner schwefligen Saure verliert, eben so gut erklrirt und niit der Zusarnmen- setzung der daraus hcrvorgehenden Iridiumoxydulsalze besser in Einkldng gebraclit werden kann , sondern auch zugleicli die Existenz einer Siiure S204CI, welche schwer auf andere Weise zu beweisen ist, ausschliefst. Diese Ansicht iibcr die Zusamrnensetzung dieses Salzes macht es uns um so inter- essanter, als in ihm die bisher fehlende Verbindung des Iridiums mit Chlor, namlich das Iridiumchloriir IrCl als exi- stirend angenommen werden kann, und zwar niit vollem Kechte, da sowohl dieses Salz als auch die ubrigen daraus hervor- gehenden schwefligsauren Oxydulsalze mit kohlensaurem Kali in einer Atmosphare von Kohlensaure hei nicht zu starker Hilze nur das Iridiumoxydul, keine andere Oxydationsstufe des Iri- diums bilden. Was uns B e r z e 1 i u s iiber das Chlorur des Iri- diums mitgetheilt hat, ist, wie ich nachgewiesen habe, gewifs irrthumlich. Es hat also das Iridiumchlorur in seinen Poppel- salzen eine mennigrothe Farbe , keineswegs eine grunliche, wie B e r z e l i u s anfuhrt, denn diese Farbe kommt nur den Sesquichlorurverbindungen zu. Wenn man dieses rothe Salz langere Zeit mit saurern schwefligsaurem Kali erhitzt, so wird es in ein weifses schwerlosliches Salz von der Zusammen- setzung : 3 KO, SO,; IrO, 2 SO2 + 5 aq. verwandelt. Die Existenz dieses Salzes beweist die des Iridiumoxyduls , und

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dieses auf indirecte Weise die Moglichkeit des Iridium- chlorurs.

Es geht ferner das Kaliumosiniumchlorid rnit saurem schwefligsaureni Kali behandelt sehr leicht unter anbnglicher rosenrother Farbung und Reduction in ein weil'ses Salz von, mit dem oben erwiihnten ganz gleicher Zusammensetzung : 3 KO, SO, + OsO, 2 SOz f 5 aq. iiber. In diesem so wie in dem Iridiumsalze, als auch in dem aus Platinchlorid erhal- tenen, lasscn sich die 3 mit Kali verhundenen Aequivalente schwefliger Saure durch Salzsaure verdriingcn , nictit aber die mit den Oxydulen der Piatinmetalle vcrbundenen. Die- scs Factum bestiiligt das fruher von dem rothen Doppel- sake Gesagtc, und erklart, woher es lromnbt, dafs aus diesem durch Salzsaure nur die HiilTte der darin vorkommenden schwefligen Siiure ausgetricben werden ltann.

Das Platinchlorid gelit bckaiintlich ebenfalls durch Re- duction ~riittelsl .schwefliger Siiurc, wenn gleich bedeutend lang- sarner als das Iridiumchlorid, in rothbrauncs Chloriir iiber, und endlich, wenn die Saure beim Erwiirmcn langere Zeit eingewirkt hat, wird die Losung farbIos ; jetzt ist das Chloriir in schwcf- ligsaures Platinoxydul umgewandelt und giebt mit schweflig- saurem Iiali behandelt das schwerlosliche Salz 3 KO, SO,; P10, 2 SO2 + 21/2 aq., das sich iibrigens wie die oben angefiihr- ten Oxydulsalze verhllt. Die grofse Ucbereinstimmung in der Zusamniensetzung dieser Salze Iiil'st keinen Zweifel iiber die Richtiglreit ihrer Formeln auflrommen , zudem nachgewiesen ist, dafs a11e Oxydulsalze sind. Die durch schweflige Siiure bis zur Farblosigkeit reducirte Platinchloridlosung giebt mit Airmoniak behandelt, kein grunes Sab von Magnus . Ich fuhre diefs hier absichtlich an, weil im Handworterbuch der Cheinic von Lieljig und P o g g e i i d o r f f Bd. VI, S. 56i die Dar-

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stellung dieses Salzes aus jerzer farblosen Platinlosung em- pfohlen wird *).

*) Bei dieser Gelegenheit lrann ich nicht unterlassen, einige Worte iiber die Darstellung eines Salzes zu sagen, das durch die daraus hervorgegangenen Derivate, die so mcrltwiirdigen Platin- basen, von so grofsem lnteresse ist. Die bisher befolgten Rletho- den zu seiner Darstellung lassen vie1 zn wiinschen uhrig. Die eine derselhen, niiinlich die, das durch Erhitzen des Platinchlorids ge- wonnene grune Chlorhr mit Salzsaure zu ltochen und aus dieser Losung dnrch Amrnonialt das griine Salz zu Piillen, ist umstandlich, zeitraubend und giebt nur geriuge Ausbeute, weil das griine chlo- riir our wenig Ioslich in Salzsaure, ja der grofste Antheildarin un- loslich ist; es gsht daiier verhiiltnifsinatig nur wrnig Chloriir in Ldsung. Die andere, hei der man eine durch scliweflige Saure re- ducirte Platinlosung, von rnthbrauner Farbe (nicht his zar* Entrzr- bung gebracht), mit Animonisk behandelt, ist jener auf alle Pllle For- zuzieben; sie h a t aber in dieser Art der Anwendung das Rlifsliche, dafs nehen dem Platinchloriir aurh schwefligsaures Platinoxydul und freie schweflige Saure neben freier Salz- und Schwefelsaure vor- kommen , wodurch neben der Bildnng des Salzes von M a g n u s andere Zersatzungsproducte entstehen und sich jenem Salze bei- mengen Itdnnen. Icli habe daher diese illethode auf folgende Weise modificirt und liann diese Modification nicht genugsam anempfehlen. Man erhalt dabei stets ein reines tadelloses Salz und eine verhalt- nifsmafsig bedeutendere Ausbeute. Icli reducire niimlicll die Pla- tinchloridlosung in der Siedehitze bis zur Keducbion in Clrloriir, wnbei die Operation sehr beschleunigt nnd ein Ueberschnfs an schwefliger Saure vermieden wirrl ; darauf vermische ich die heifse Ldsung mit einer concentrirten S~lmialilosung, odcr ldse reinen Salmiak darin auf. Nach dern Erlialten erhalt man das reine Salz NH,CI + PtCl in schonen grofsen Krystallen, welche nach dem Eiirdampfen der lut ter lauge in noclr grofserer Menge gewonnen merden Itdnnen. Durch Umltrystallisiren airs einer Salinialilosung reinigt man das Salz; aus dieser Itrysiallisirt es besser, als aus Wasser. Dieses Salz giebt mit Salzsaure erhitzt und dann mit einem Ueberschufs von Ainrnonialt behandelt ein vollltomnren reines Salz, wahrend das auf die gewolinliche Weise dargestellte andere Zersetzuugsproducte enthalt , was zu Irrthiirnern fhhren liann. Ra- mentlich ist die Angabc von G r o s , dars das Salz beini Behandeln mit Salpetersaure, wo es in die Verbindungen der sogenannten Base

des lridiumchlorides it ledere Chlorstufen. 139

Auch das Rhodiumsesquichloriir - Chlorkalium geht bei dieser Reduction mit schwefliger Saure in ein weifses schwer- losliches Salz iiber , das ich dargestellt, jedoch rioch nicht analysirt habe. Auch B e r z e l i u s (Lehrbuch, Bd. 111, dritte Auflage, S. 658) erhielt auf Bhnliche Weise dieses Salz. Er hat demselben die sehr unwahrscheinliche, durch keine Ana- lyse begrundete Formel : 3 K O , SO, + R 2 0 3 , 3 SO3 gege- ben. Der Analogie nach mufs es zu jenen schwefligsauren Oxydulsalzen gerechnet 'wcrden, und seine Formel wird wahr- scheinlich ebenfalls 3 KO, SOz -/- RO, 2 SO2 $- 5 aq. sein, wofur auch das vorliiufig gepriil'te Yerhalten spricht. Es giebt namlich beim schwachen Erhitzcn und mit Salzsaure behandelt freie schweflige Saure , mit Aetzkali hehandelt kein gelbes Sesyuiovydulhydrat , sondern ein schneeweifses Hydrat, das sich in Salzssure farblos auflost, aber in Folge von Oxydation sich schwach rosenroth farbt. Dieses Salz

vnn G r n s iibergeht, die HalRe seines Platins abscheidet, ein Irr- thuni. Das was sich ausscheidet ist ein graues, in demSalze schon vorhandenes secundares, platinhaltips Zersetzringsproduct. R a e w s k y lronnte nur sehr selteu die Ausscheidung dieses grarren Korpers be- merlten und mein Salz giebt lteine Spur davon, man mag das Salz mit wenig oder viel, mit schwacher oder starker Sal- petersaure Balt oder warm behandeln. Es geht ohne sonstige Erscheinung geradezu in das Gros 'sche salpetersaure Salz iiher, was auch vollliommen rnit der theoretischen Betrachtung seiner Bildnngsweise und Zusanimensetzung nach meiner Anschauungs- weise uboreinstimmt. Man hat bei dieser Mctliode noch zudem den Vortheil, aus der Rlutterlauge, welche vom Salze von P a g n u s zu- ruclihleibt, durch Concentration und langsames Erlralten dersel- ben die Chlorverbindung der ersten R e i s e t'schen Base 2 NH,"Pt + C1 zu gewinnen, und zwar so schbn uud rein, als ich sic auf andere Weise nicht habe erhalten Itbnnen, in schiinen langeu Pris- men von blendendweiher Farhe. Dnrch Hinzuthun von starliem Weingeist zu der jetzt zuriiclibleibenden Muiierlauge wird fast die letzte Spur von Piatin in dieser Verbindung, doch nur in kleinen Nadeln, gewonnen. Die Ausbeute an diesem Salze ist der des gro- nen balzes an Quantitat fast gleieh.

140 C l a u s , iiber die Reductioti

ist fiir die Vervollstandigung der KerintniD der Oxydations- stiifen des Rliodiums besonders wichtig , und dieses Oxyd, wie das hohere, welches sich mit griiner Farbc i n Salzsaure lost , stellt die vollkominene Uebereinstimmung der Verbin- dungsverhaltnisse des Rliodiums rnit dem ihm so nahe ver- wandtcn Iridium in Aussicht, namlich Rho, KhzOs rind RllOz mit IrO, Irz03: IrOz.

Die Wirkung der schwefligen Saure dient le rner auch zur weiteren Erlaaterung des analogen Verhaltens des 0s- miurns dem Ruthenium gegeniiber. Diese Saure farbt be- hanritlich die leicht redncirbare Osmiunisaure blau. Diese Erscheinung ist den Cheinikern bislier ein unerlilartes Pro- blem geblieben, obgleich dieselbe, wenn man sie init andcren bekanntcn Tbatsachcn zusammenhalt, sehr nahc liegen kiinnte. Meines Eraclitens ist diese Erscheinung abhangig yon der Reduction der Osmiiimsiiure in Osmiumoxydul , das hochst wahrscheinlich blaii von Farbe ist und sich in der gebildetcn Schwefelsaure zu schwefelsaurem Osmiurrioxydul auflost. ALIS dieser Liisung fallt Kali ein blaues Hydrat, das sich in Salzsaure zu blauem Chloriir aufliist. F i r diese Ansicht spricht noch der Unistand, dafs andere Rcdnctionsmittel, wie z, B. die Gerbsdure, nicht allein die Osmiumsaure, sondern auch das Osmirnmchlorid und auch das Rutheniumsesquichlo- riir blau farben. Es wird daher das reine Osmiurnchloriir gleich dem Rutheniumchloriir blau sein. W e aber wird es sich mit dern dunkelgriinen Chloriir des Osniiums von B e r - z e l i u s verhalten ? vielleichl ebenso, wie es sich mit dem gru- nen Platiricirloriir zu dern rothen , wie sich das *grune Salz von Mag n u s zu den gleich zusamniengesetzten rothen und gelben Salzen von P e y r o n e vcrhilt. Von einer anderen Seile kiinnte auch das blaue Chlorur von einem Anlheile gel- ben Chloriirs g r in gefarbt sein. Die Uebereinstimmung der Verbindungsverhaltnisse des Rutheniums mil dcnen des 0s-

des Iridiumchlorides in niedere Chlorstufen. 141

miums scheinen anch durch D e v i I le’s Versnche iiber das Verhalten der Platinmetallc in sehr grofser Hitze sich zu be- wahrheiten. Osmium verdampft dabei vollstandig, unzweifel- haft in Form von Osmiunrsaure , Ruthenium ehenfalls und zwar in Form von einer ahnlichen Saure. Dicse Saurc ist zwar noch nicht dargestellt, allein ihre Existenz ist von mir schon seit langerer %pit vermuthet, aber ungeachtet aller Bc- niiihungen nicht aufgefunden worden. Diese Vermuthung hat ihren Grund in dein Umstande, dafs rnir bei der Dar- stellung dcr RulheniuinprdparAte , welche nur diirch starke Oxydationsprocessc gewonncn werden kijnnen, das Material untes den Handen, bei allcr Vorsicht und Sparsamkeit, gleich- sam verschwindct, und niir dabei nic gelungen ist, ein fliich- tiges Product zu sammeln. Nur einrnal, als ich vollkomrrien von Osmium reincs Ruthenium mit Kali urid Salpetcr ge- schmolzen, diese Masse in Wasser gelijst und durch Salpeter- saure zerlegt hatte, nahm ich einen eigenthunilichcn Geruch wahr, welchcr ganx verschieden von dem der Osmiumslure und dcr salpetrigen Sdarc war ; als icli das Becherglas, mit Talg an den Randern beschmiert mit einer Glasplatte be- deckte, bemerktc ich splter eine schwarze Farbung des TaI- ges, durch eirie fliichtige reducirte Metallverbindung veran- lafst, unverkennbar auftreten.

Man sieht aus diescn hier mitgetheilten Facten, zu wel- chen fur die chemische Gescliichte der Platinmetalle erfolg- reiclien Belrachturigen die stark reducirende Wirkung der schwcfligen Sdure bercchligt, m d das mag mir zur Entschu1- digung dienen, wenn ich so iange bei diesein Gegenstande verweilt habe.

Am leichtesten gclingt die Reduction des Iridiumsalmiaks mit Scliwelelhydrogcn, und diese Methodc eigriet sich beson- ders zur Trennung des l’latins vom Iridium fiir Arbeiten irn kleinen Rlafsstabe. Man braucht nur das platinhitltige Iridium-

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salz mit wenigem Wasser zu ubergiefsen, zu erhitzen und nach und nach so vie1 Wasser, welches mit Schwefelhydrogen gesattigt ist, hinzuzufiigen, bis allcs gelost ist. Die Reduction erfolgt aufserordentlich rasch, und man erhalt eine oliven- grune, triibe, rnilchige Flussigkeit , deren Trubung ihren Grund in dem sich ausscheidenden Schwefel hat. War vie1 Platin vorhanden, so farbt sicb dieser Schwefel von mit aus- geschiedenem Sciiwefelplatin braun. Reines Iridium giebt nur Schwefel und verhllt sich in dieser Beziehung wie eine Eisen- oxydiosung. Niir bei einem grolsen Ueberschufs von Schwefel- hydrogen fallt zugleich Schwefeliridium heraus. Der schwe- felhallige Niederschlag piebt beim Gliihen Platin , wenn er platinhaltig ist. Aber es bleibt noch vie1 Platin in Losung, und dieses gewinnt man als Platinsalmiak , wenn man die Losung stark concentrirt und nach dem Erkalten Salmiak- pulver darin auflust.

Uebergielst man feingepulverten platinlialtigen Salmiak mit verdunnter Knlilauge, so erfolgt ebenfalls Reduction und Losung des Iridiumsalzes mit gruner Farbo, wahrend ein rothes Ammonium-Platinchlorid ungelust zuriickbleibt. Diese Methode ist jedoch unter allen die am wcnigsten zu empfeh- lende, da ein grofser Theil des Platins in Llisung geht, zu- gleich auch das ruckstiindige Platinsalz mehr Iridium enthalt, als das, welclics nach den fruher angefirhrten Methoden ge- wonnen wird.

Diese hier angefiihrten funf Melhoden, mit Ausschlufs der letzten, eignen sich zur Trennung des Platins vom Iridium, wenn dieses seiner Qaantitkt nach vorwaltet , also zur Ge- winnung des Platins aus den Plalinrdcltstiinden; aber auch die Darstellung des rcinen Platirrs aus den Plalinerzen , in wel- chen das Verhiiltnirs dcs Platins zum Iridium ein umgekchr- tes gegen das ist , wie es in den Ruckstiinden vorlrommt, basirt sich wiederum auf die leiciite Reducirbarkeit des Iri-

des Iridiurnchlorides in niedere Clalorstufen. 143

diumchlorides. F u r die Darstellung des Platinmetalls im Grofsen ziir Anfertigung chemischer Gerathschaften ist die vollstandige Trennung des Platins vom Iridium von minderer Wichtigkcit ; anders aber verhalt e s sich fur die Anwendung des Platins i n der Chemie, hier braucht man reines Platin, und um es ohne grofse Miihe aus den Erzen zu gewinnen, bedient man sicli des Reductionsverfahrens, und zwar in ganz anderer Art, als die hier mitgetheilten. Lost man Platinerz in Konigswasser, so erlialt man eine Platinlosung, gernengt mit allen im Erze vorkomrnenden Nebenmetallen ; unter diesen ist keines der Darstellung des re inen Platins so hinderlich, als das Iridium, weil es isomorph mit demPlatin ein eben SO

schwer losliches Doppelsalz mit Chlorarrinioniam bildet , als dieses, und beini Fallen des Platins mit dieseiii Salze zugleich herausfallt und das gelbe Ammonium-Platinchlorid roth f i rht . Die iibrigen Platinmetalle, obgleich sie ebenfalls rnit dem Platin isomorph sind und ahnliche Doppelsalze bilden konnen, bleiben in der Losung , theils weil die isomorphen Salze leichter loslich sind und zudem die heteromorphen sich nicht mit dem Platinsalmiak verbinden. Es hilft da kein Zuthun von freier Saure , wie von einigen Cliemikern der Vorschlag gemacht worden, um das Iridiumsalz in Losung zu erlialten; nur die Reduction Lilft , weil sie das Iridium in ein leicht- liisliches, dern Platinsalmiak heteromorphes Salz umwandelt. Diese ist unbewufst von Vielen in Anwendung gebracht wor- den. Das einfachste Verfahren dabei is t , dafs man die Pla- tinlosung his zur Trockene abraucht ; die etwas erhitzte Masse wird dann in Wasser geliist urid nach den1 Ablilaren mit Sal- miak geflillt. Man erhklt einen ganz lichlgelben, citronen- farbenen Platinsalmiak, welcher nur Spuren von Iridium ent- halten kann. Noch scbiiner und reiner fallt der Miederschlag aus , wenn man die so behandelte Platinlosung vor der Fal- lung ein Paar Tage an das directe Sonnenlicht stellt und

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erst darauf mit Salmiak fallt. Die Reduction wird durch das Licht noch vervollstiindigt. Dieser reducirende Einflirfs des Sonnenlichtes lafst sieh durch einen einfachen Versuch sehr leicht nachweisen. Stellt man nlinlich eine iridiunihaltige Platinliisung , welche mit Saliniak einen rothen Nieder- schlag giebt, auf einige Tage an die Sonne, so wird durch Salniak nun ein bcdeutend hellerer Niedersclilag er- halten, als fruher. Das Ganse beruht darauf, dnfs beim Er- hitzen des Platinchlorids das Tridiuinchlorid vorzugswrise reducirt und in Sesquichlorur iibergefuhrt wird; eine ahnliche Reduction b ew ir k t d as L ich t .

Ein andere, die lllethode von D o e b e r e i n e r mit Kalk- milch, griindet sich weniger auf Fiillung dcs Iridiums als Oxyd, sowie der iibripen Metalie, als vielinehr auf die reducirende Wirkung des Kalkes. Natron leistet dasselbe. Aber diese Methode ist nicht vortheilhaft , weil mit der grol'sen Menge von Eisen- und Kupferoxyd, welche aus der Liisung gefiillt wird, ein bedeutender Anlheil von Platin als Oxyd mit her- ausfdlt.

Schliefslich habe ich noch Folgendes zu bemerken. Da die Herren Verfasser in ihrer Arbeit darauf hingedeutet ha- ben , dafs ihre Entdeckung vielleicht nutzbar werden kiinnte zur Verwerlhung des bisher nur in wissenschafllicher Hin- sicht benutzten, uhrigens werthlosen Platinriickstandes, indem man den ansehnlichen Platingehalt desselben daraus mit Ge- winn ausziehen kiinnte, so erlaube ich mir liier die Wichiig- keit der Bearbeituiig dcr Platinriickstdnde in einer noch an- deren Beziehung in Erwagung zu ziehen. Es ist mir n#m- lich die Gewinnung des Iridiuins aus den I'latinriirkstiinden als der Hauptqaelle dieses interessantrn Metalles f3r ~ i n e vielleicht in der Zukunfl erst aufzufindvnde Anwendung des- selben von Interesse. Wenn sich die sogenannte katalylische Krafl der Plalinmetalle, mehr als es bisher der Fall gewesen

des lridiumchlorides in niedere Chlorstufen. 145

ist , fur industriell-chemische Zwecke Bahn brerhen konnte, dann wurde man seine Zuflucht zu diesen werthlosen Ruck- standen nehmen konnen, um ein Surrogat fur das kostbare Platin zu gewinnen, das ganz gleiche Dienste zu leisten i i n Stande ist , ja in mancher Beziehung diesem noch vorgezogen wer- den konntc. Als Beispiel einer solchen Contactwirkung will ich hier eine Beobachtung mittheilen, welche ich zufallig bei der Analyse der Chlorverbindungen der Platinmetalle zu machen Gelegenheit hatte. Ich pflege diese Salze auf die Weise zu zerlegeri , dafs ich sie in einern Platinschiffchen, welches in eine Glasrohre gethan wird, diircli Wasserstoffgas reducire. Oft sah ich die Rohre sich mit einem weirsen An- fluge iiberziehen , der aus Salmiak bestand; gleichzeitig trat auch Wasser auf , obgleich das Salz vollkommen wasserleer und das Wasserstoffgns gut getrocknet war. Wenn ich je- doch vor dem Erhitzen der Rohre langere Zeit das Wasser- stoffgas hatte hindurchstromen lassen, bis alle atmosphiirische Luft des Entwicklungsapparats verdrangt war, so zeigte sich diese Erscheinung nicht. Kalium-Iridiumchlorid und Kalium- Rutheniunichlorid geben besonders vie1 von dem Anfluge. Die Erklarung dieses Factums liegt sehr nahe. War noch ein Rest von atmospharischer Luft im Wasserstoflgasapparate vorhan- den , SO bildete sich aus dein Stickstoff dieser Luft und dem Wasserstoff bei Gegenwart von Salzsaure Amrnoniak und daraus Saltniak, aus dem Sauerstoff und Wasscrstofl Wasser durch die Contactwirkung des reducirten Metallpulvers. Welche Folgerungen sich aus dergleichen Erscheinungen ziehen las- sen, wird vielleicht die Zukunft lehren. Wenn von der einen Seite der Stickstoff' bei Gegenwart cines Factors zur Salmiak- bildung , narnlich der Salzsliure, sich mit dem Wasserstoff zu Anitnoniak verbinden kann, sollte von der anderen Seite sich der Stickstoff nicht auch mit Sauerstoff zu Salpetersiiure ver- cinigen lriinnen , wenn cin Factor dPr Salpelerbildung , eine

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Base, z. B. Kalk, mit fein zertheiltem Platinmetall gemischt auf erhitzte Luft einwirkt ? Doch auch abgesehen von dieser Contactwirkung : man stelle diese Metalle nur in grofserer Menge ddr, und zwar auf eine moglichst vortheilhafte, wenig kostspielige Weise, und ubergebe sie der Metallindustrie, sie werden sich schon selbst Bahn brechen, und Rufsland birgt noch einen grofsen Schatz dieses Materials. Hat der Ent- decker der Schwefelsaure, der des Phosphors wolil ahnen konnen, dafs seine Entdeckung eine so grofse Rolle spielen wurde ? Hatte D e v i l l e zufallig zur Pariser Ausstellung an Stelle des Aluminiurns in grofsen Quantitaten Iridium darge- stellt und auf die Untersuchung desselben eben so vie1 Muhe und Kosten verwendet, als auf das Aluminium, wer ob das Iridium nicht jetzt schon zu einer unerwartet nutzlichen Anwendung gekonimen ware.

Im Hinblick auf eine Zukunft, welche dern Iridium und dainit auch den Platinruckstanden rnoglicher Weise bevor- stehen konnte, ist nicht allein die Gewinnung des darin vor- kommenden Platins, sondern auch die des Iridiums zu beach- ten. Betrachtet man nun die zur Trennung beider Metalle hier angefuhrten Methoden, so ist nur die erste, von W o h - 1 e r und M tic k 16 in Vorschlag gebrachte, und die dritte durch Reduction rnitlelst schwefliger Saure fur die Anwendung beirn Arbeiten im Grofsen anzuempfehlen , wahrend die ubrigen theils ihres ansehnlichen Kostenaufwandes , namentlich die zweite mit Rhodankalium , theils ihrer schwierigen practi- schen Anwendung im Grol'sen wegen, wie die vierte mit Schwe- felhydrogen, sich dazii nicht eignen. Vergleichen wir aber die beiden brauchbaren Methoden mit einander, SO stellt sich fur den vorgezeichneten Zweck die dritte als minder kost- spielig und eben so leicht ausfuhrbar heraus, als die erste. Die Kosten der Darstellung der schwefligen Saure, dern Cyan- kalium gegenuber, sind verhaltnil'srnakig bedelitend geringer ;

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besonders aber ist diese Methode der andern deswegen vor- zuziehen , weil die Losung des Iridiumsalzes, welches man dabei gewinnt , beim Abdampfen und Gluhen der trockenen Masse ohne anderweitige Operationen das Iridiurn rnetallisch gewinnen Ial'st, wlhrend aus der Losung einer Cyanverbin- dung die Darstellung des Iridiums eine zeitraubende und weitlauftige Operation erfordern wurde. Aber mit der Tren- nung des Platins vom Iridium aus dem Iridiumsalrniak ist die Aufgabe , diese Metalle aus den Platinruckstanden rnit Opium auszuziehen, keineswegs gelost. Die Hauptsache da- bei bleibt offenbar die moglichst vortheilhafte Aufschliefsiing der Platinruckstande selbst , denn die bisher im Kleinen in Anwendung gekommenen Methoden sind theils fur die Aus- fuhrung im Grorsen nicht geeignet , theils noch zu kostspie- lig. Das Rosten der Ruckstande rnit Pottasche in einern Flamrnenofen rnit Zusatz von etwas Salpeter und nachheriges Ausziehen mit Salzsaure zur Gewinnung des Kalium-Iridium- chlorids, des Salzes, das sich besonders cur Reduction rnit schwefliger Saure eignet , kiinnte eine der einfachsten und am wenigsten kostspieligen Methoden sein.

Unt#ersuchungen uber die Aminsauren j von A. Cahozcrs*).

In einer fruheren Abhandlung**) zeigte ich, dafs zwischen der Benzaminsaure und ihren €Iomologen einerseits und dem

*) Compt. reiid. XLVI, 1044. **) Diese Annalen CIII, 87.