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U e b e r d i e S k u l p t u r d e r K i e s e l s c h a l e d ~ r

G r a m m a t o p h o r a .

Von

~1[. S e h i f f in Florenz.

Hierzu 3 Holzschnitte.

Da die Beschreibung, welche im 9. Bande der Untersuchungen yon M o l e s c h o t t in meinem Aufsatz tiber Testobjecte yon der Skulptur der Grammatophora gegeben wurde, eines kleinen Nach- trags bedarf, will ich die mir durch denselben gebotene Gelegenheit benutzen, um die Abbildungen, welche mein Assistent Herr Dr. Her- zen yon der Gramm. subtilissima gefertigt hat, mit einigen Erlttu- terungen zu verSffentlichen.

Von den umstehenden Figuren zeigt Fig. 1 eine vollstSndige Grammatophora yon der :Nebenseite, d.h. yon derSeite, welche gewShn- lich als Test dient. Auf die Querlinien, ihre Ausbreitung und ihre relative Schttrfe wurde bei dieser Zeichnung vorziiglich Rticksicht genommen. Dieselben sind ganz getreu wiedergegeben. Hingegen ist der ~;ulstige quergestreifte Rand, welcher die ganze Figur umgibt, etwas, wenn auch nicht viel, zu dunkel ausgefallen und die Liings- furchen a a', und a c/ sind erst nachtrSglich und nur schematisch, ohne Festhalten ihrer Biegungen hineingezeichnet, damit man sich besser orientiren kann und damit.man besser erkenne, wie die dich- ten Querstreifen, welche auf dem Randwulste und dicht neben dem: selben (wo sie bisher allein beschrieben und abgebildet wurden), am schiirfsten und dunkelsten sind, schou bei ihrer Anntiherung an die

M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 3. 6

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t . 2. :~.

IAtngsfurche a a' feiner und blasser werden, um sich jenseits dieser Furche, immer noch zarter und blasser werdend, bis tiber die Mit- tellinien fortzusetzen und sich mit denen der anderen Hi~lfte zu verbinden. Ungefiihr parallel mit dem Rande und den L~ngsfurchen sieht man die in meiner ersten Arbeit sogenannten Liingsstriemeu s s. Obs[zhon sie die Zahl und Richtung derselben so angibt, wie sie auf dem gerade damals untersuchten grossen Exemplare yon Gr. sub- tilissima sichtbar waren, muss ich bemerken:

1) dass die Zahl derselben, besonders im Mittelfelde, aber auch oft in der Randparthie in vielen Exemplaren, namentlich den brei- teren, grSsser ist, als ich in der Abbildung und in meiner ersten Abhandlung angegeben. Die Zahl kann im Ganzen bis auf das Dop- pelte steigen und sie scheint sich mit dem Alter der Diatomee zu vermehren, denn ich sah sie am gr(issten bei solchen Exemplaren, die sich zur Theilung vorbereiteten.

2) Die Striemen zeigen in ihrem Verlauf g e w 5 h n 1 i c h einen vollstiindigen Parallelismus mit der Liingsfurche, so dass sie am obern Ende und in der Mitte der Diatomee den Biegungen dieser Furche folgen.

Bei dunkelgrundiger Beleuchtung der trockenen Grammato- phora mit einer dotted-lent yon grossem Durchmesser habe ich mich ~iberzeugt, dass diese Striemen tiefe Furchen sind, welche die Ober-

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flache der Diatomee in viele nebeneinanderliegende, halbcylindrisch erhabene L~tngsfelder theilt, yon denen bei durchfallendem Licht nichts zu sehen ist. Dass dieselben Furchen sind, geht schon d~raus hervor, das~ die ganz trockene Grammatophora, wean man sie mit dem Deckglas ein wenig misshandelt, leicht in tier Richtung dieser Striemen auseinander bricht und so in einzelne nebeneinander liegende gewSlbte Streifen zerfiillt. Ich bewahre ein Priiparat dieser Art zur Demonstration auf.

Schon in meiner ersten Abhandlung habe ich angegeben, dass diese Striemen nicht die eigentlichen Langslinien sind. Diese sind viel feiner, zarter und nur bei etwas scharfem Licht erkennbar. Es liegen deren etwa vier und mehr zwischen zwei Striemen.

Fig. 2 zeigt bei wenig schiefer fast centraler Beleuchtung die wahren L~ingslinien durch ein vorztigliches starkes Objectiv mit hnmersion in RicinusSl gesehen. Die benutzte Vergriisserung war etwa 1800; Rapport des Objectives 65. Man sieht bier die Gramma- tophora yon der Hauptseite und erkennt, dass auch sie yon den (nut an der obern H~tlfte gezeichneten) Querlinien umgeben ist, mit welchen die in ganz gleicher Distanz yon einander abstehendeu Liingslinienblaue Quadrate bilden. Dass in der Mitre der Figur sichtbare Oval entspricht einer centralen HShlung, mit tier die L~tngsfurchen in Yerbindung stehen und deren Rand auch yon der Nebenseite, Fig. 1 bei b, gesehen wird. Ganz ~thnliche enggestellte Liingslinien, wie auf tier Hauptseite, befinden sich auch auf der Ne- benseite und bilden auch dort Quadrate, welche in

Fig. 3 nach einer 4000maligen VergrSsserung gezeichnet sind. Die Figur stellt ein Quertheil der Nebenseite einer Grammato- phora vor. M a n sieht bei schiefenl Lichte die Quadrate schach- brettartig, hell und dunkel nebeneinander. Jenseits der IAngsfurche gegen die Mittellinien zu, werden sie viel zarter und blasser. Auch hier ist, wie in Fig. 1, die L~ngsfurche blos s c h e m a t is ch hinein- gezeichnet. Kehrt man die Richtung der schiefen Beleuchtung urn, so werden die hellen Quadrate dunkel und die dunkeln hell. Hin- ---en ist nichts der Art zu bemerken, wenn man langsam die Ent- fernung des Objectes yore Objectiv ver~tndert. Dies zeigt in Verbin- dung mit ~thnlichen, bereits bei grSssern verwandten Arten genauer beobachteten und im Detail verfolgten Erscheinungen an, dass je ein dunkles und ein belles Feld zusammengeh(irt, und dass sie die beiden dutch die obere Kante getrennten Seitenfelder eines liegemen

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Prisma aus Kieselsubstanz darstellen. Die dem Lichte zugekehrte Seite ist immer dunkel, die yore Licht abgewendete hell.

Ein Blick auf die Figur lehrt, wie man bei wenigen zureichen.- den optischen Mitteln, in den schief aneinander stossenden dunkeln Quadraten, die nicht einzeln unterschieden werden konnten, und deren kleine winkelige Vorragungen dem Auge verschwanden, schiefe sich rechtwinklig durchkreuzende Linien sehen konnte. Man sieht aber auch, dass die Analogie, welche man, auf diesen Anschein ge- sttttzt, zwischen der Randzeichnung der Grammatophor~ und der Oberfi~tche der Pleurosigmenschale zu finden glaubte, durchaus nicht vorhanden ist. Hingegen haben wir in diesen Quadraten der Gram- matophor~ ganz die Zeichnung der Gyrosigma und insbesondere der Gyrosigma formosum, bei der man auch fiilschlich schiefe Linien angenommen hat.

Als Testobject wird gewShnlich die sogenannte Grammatophora subtitissima der Gramm. marina mit Recht bei weitem vorgezogen, weil die Seitenparthien der in Balsam liegenden Schale bei ersterer so sehr viel schwieriger ))gelSst(( werdeu. In praktischer Beziehung, in Bezug auf die Priifung des Mikroskops, mag daher die Unter- scheidung zwischen den angenommenen beiden Arten ihre Geltung behalten. Ich muss aber hervorheben, dass es mir trotz vielfachen Mtihens unmSglich war, einen constanten, charakteristischen und durchgreifenden Unterschied zwischen den beidea genannten Formen zu finden, tier sie wirklich als zwei verschiedene Species kennzeich- nete. In jeder Beziehung, in der Form, GrSsse der Zahl und der Feinheit der Streifen finden sich zahlreiche Ueberg~inge. Man kann, wenn man viele Individuen e i n e r und d e r s e 1 b e n Colonie der marin~ aus deln Mittehneer untersucht, einzelne Formen finden, welche sich ganz an die macilenta yon Smith und an die subtilissima yon Bailey anschliessen. Die Gr. parallela yon Ehrenberg (Micro- geolog. Tb. XXI. f. 26) aus dem adriatischen Meere (auch an der Westkfiste yon Italien und um Genua yon mir, und bei Frankreich yon einem meiner Bekannten gefunden) ist eine marina mit sehr feinen Streifen, die sich schon tier subtilissima n~hert. Die mexicana Ehrenb. (auch bei Neapel gefunden) ist der Gestalt nach eine subti- lissima, o f t mit den griiberen Streifen der marina. Wenn ich an- dererseits viele Subtilissima verglich, die yon Bailey selbst als ameri- kanische Originalexemplare ausgegeben worden sind, erk~mnte ich darunter manche gut charakterisirte marina, und noch mehr ist

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dies der Fall, wenn man die unter dem Namen tubtilissima yon den Hi~ndlern in Paris und London verkauften Exemplare mustert. Ftir unsern Zweck niag man, wie gesagt, allerdings diejenigen Exemplare als subtilissima festhalten, welche die langgestreckte Form haben, wie tie Schacht zeichnet, und die ausserdem den gerade verlaufen- den (tier Mitre n~hern) Theil tier Litngsfurche m e h r als 11/2mal so lang haben , als der gebogene Endtheil der Furche ist. Bei diesen sind im Allgemeinen die Querlinien des Rarities viel tchwerer zu erkennen, wenn die Diatomee gehSrig mit Balsam behandelt ist, als bei den ebento zubereiteten kttrzeren und breiteren Formen derselben Species. Die Gr. serpentina hingegen ist eine gute Art, welche eine viel griibere Skulptur hat, und die sich darum zur ersten Orientirung empfiehlt.

Die oben erw~thnte VergrSsterung yon 4000 wurde wegen des starken Oculars, dessert Achromasie unzureichend w-~r, auch bei monochromatitchem Lichte controllirt; da das Lampenlicht, wie es Brewster zuertt anwendete, hierzu nicht stark und auch nicht mo- nochromatisch genug ist, wurde nach dem Vorschlag yon Amici hierzu eine der Sonne ausgetetzte ))dunkle Kammer(( eingerichtet. Im Fensterladen befand sich in der engen Spalte ein drehbares Prisma aus Flintglas, welches die zerlegten Strahlen auf das Be- leuchtungsprisma des Mikroskopes waf t . -Es waren to ohne alle Chromasie die h (i ch t ten VergrSsserungen zu erreichen und die For- men zeigten wunderbare Klarheit. Man konnte auf diese Weise noch zu manchen Zweeken eine LinearvergrSsserung yon 8000 benutzen.

Die von mir bei dieser U~tersuchung benutzten Objective ge- hSren zu den besten, welche Amici ftir seine eigenen Arbeiten fiir sich reservirt hatte. Nur wenige sind ftir hnmersion mitWasser, die meisten ftir Oel. Sie ertragen bei gehiiriger Mischung der Immer- sionsfitissigkeit zum Theil noch die stttrksten Oculare.

Um abet die hier mitgetheilten Thatsaehen zu controlliren, kommt es weniger auf die strenge und sorgf~tltige Auswahl der Ob- jective an, als auf die gehiirige Priiparation und Beleuchtung der I)iatomee. Man withle die grSsseren Exemplare und gl(the dieselben vor der Untersuchung. Die erste Prtifung nehme man an der trockenen Diatomee vor, dann untersuche man solche, die in Wasser oder in Wasser und Weingeist aufgeschwemmt sind. Die so be- feuchtete Diatomee liefert oft noch klarere Bilder als die trockene.

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Man nehme entweder fast centrales Lampenlicht oder bei schwach schiefer Beleuchtung abgeblendetes Sonnenlicht, am besten yon einer leuchtenden Wolke. So wird man bei ganz genauer Einstellung auf nut eine beschriinkte Stelle der Grammatophora am leichtesten in den Randpartien, schwerer gegen die Mitte zu die Vierecke erkennen. Am leiehtesten sieht man sie in der Mitte bei solchen Individuen, welche der Theilung nahe sind. Die Mitre erfordert immer eine tiefere Einstetlung als der Rand, und nicht bei allen sieht man Rand und Mitte gleich gut. Sehr schiefe Beleuchtung erzeugt durch die bekannten Aberrationen und Verzerrungen verworrene Bilder. Am h~ufigsten sind hier, besonders bei unvollkommeneren Objectiv- systemen zwei Irrth~imer. Schiefe Beleuchtung in der Richtung der LSngsachse erzeugt den Anschein yon Reehtecken, indem die Qua- drate einseitig verlitngert werden. Eine mehr quer geriehtete schiefe Beleuchtung erzeugt den Anschein yon Sechsecken, wie bei der Pleurosigma angulatum. Drehung des Objectes zeigt aber schon ohne Verbesserung der 'Beleuchtung, dass die Sechsecke hier Trug- bilder sind. Auch unvollkommene Einstellung kann entweder Sechs- ecke oder schwarze Punktreihen erzeugen. Sehr kleine zartstreifige Grammatophoren oder die sogenannte ))Gr. subtilissima(( in Balsam eingeschmolzen, zeigten mir die Vierecke nicht mehr plastisch, wohl aber sah ich tiberall die L~tngs- und Querlinien, welche in recht- winkligen Maschen sich kreuzend, die Vierecke umgr~inzen, so dass auch hier durch das Liniennetz die Gleichheit tier Skulptur bestii- tigt wird. Die beschriebenen Formen sind keineswegs so zart, dass sie nut mit den bes t e n Objectiven zu erkennen wiiren, aber die plastischen Bilder lieferten mir die Objective yon Amici, welche mit den st~trkeren Ocularen sehr scharf die Gestalt der Vierecke erkennen liessen. Wer sich indessen, ohne sehr starke gute Linsen zu besitzen, im Allgemeinen yon der Richtigkeit meiner Darstellung iiberzeugen will, der w~hle die in nSrdlichen Meeren so gemeine Gram. serpentina, bei welcher die hellen und dunkeln Quadrate ziemlich gross sind, und deren Bau selbst unter Canadabalsam leicht erkannt wird. Man wird dann einsehen, dass alle Abbil- dungen, welche bis jetzt yon derselben gegeben worden, einer un- vollst~tndigen Correction des Objectivs oder einer unvollkommenen Einstellung ihren Ursprung verdanken, und dass die dicken schiefen Linien, welche mauchmal auf derselben gezeiehnet werden, nichts sind als die ineinander verschwommenen Quadrate.

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Fiir diejenigen, welche den gangbaren Diagnosen gem~iss glau- ben, die Gramm. marina und subtilissima durch die Form der vittae (tier grossen, einer innern durchbohrten Scheidewaad entsprechen- den Seitenfurchen) unterscheiden zu kSnnen, ftige ich die Bemer- kung hinzu, dass ich jetzt auf einer Reise in Sicilien ~tchte Gramm. marina erhalten habe, von denen viele Exemplare die vitta auf der einen Seite yon normaler Form haben, wi~hrend sie auf der andern Seite ganz so ist, wie sie bei ))Gr. subtilissima(r beschrieben wird.