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Page 1: Verfolgung von Wettbewerbsverstößen durch Zahnärztekammer

DOI: 10.1007 /s00350-006-1730-7

Verfolgung von Wettbewerbsverstößen durch Zahnärztekammer

UWG § 8 Abs. 3 Nr. 2

Eine Kammer freier Berufe ist befugt, Wettbewerbs-verstöße von Kammerangehörigen oder deren Wett-bewerbern im Zivilrechtsweg zu verfolgen. Gegen Wettbewerbsverstöße von Kammerangehörigen kann sie in dieser Weise grundsätzlich auch dann vorgehen, wenn sie berechtigt ist, zur Beseitigung berufswidriger Zustände belastende Verwaltungsakte zu erlassen. Vor ihrer Entscheidung hat die Kammer dann allerdings abzuwägen, ob das Vorgehen im Zivilrechtsweg ange-messen erscheint und nicht unverhältnismäßig in die Berufsausübungsfreiheit des betroffenen Kammerange-hörigen eingreift.BGH, Urt. v. 6. 4. 2006 – I ZR 272 /03 (OLG Düsseldorf)

Problemstellung:ärzte-undzahnärztekammernbeschreiten bei Berufsrechtsverstößen ihrer Mitgliedermeist denWegüberdasGesetz gegendenunlauterenWettbewerb,mahnenihreMitgliederkostenpflichtigabundbeantrageneinstweiligeVerfügungen.es ist frag-lich,obärztekammernalsBerufsvertretungennach§13Abs.2Nr.2uWGa.f.überhauptklagebefugtsind,weilsie nicht die gewerblichen Interessen ihrer Mitgliedergeltend machen. es ist nicht Aufgabe von ärztekam-mern,wirtschaftlicheInteressenwahrzunehmenundzufördern.

Darüber hinaus ist fraglich, ob ärztekammern je-denfallsdannüberdenWegdesuWGzueinerschnel-len einstweiligen Verfügung gelangen dürfen, wennsie – wie in Nordrhein – nach §6 HeilberufsgesetzNRWbelastendeVerwaltungsakte selbst erlassenkön-nenodernach§58Abs.4derPräsidentdasRechthat,Kammerangehörigeabzumahnen.DasOLGDüsseldorfhatdieKostenlastfürdieärzteundzahnärztedurchausgesehenunddenKammerndieKlagebefugnisabgespro-chen.NachdemzwischenzeitlichjedochdasBVerfGdenKammerndieKlagebefugnisgrundsätzlichzugestandenhat,wirdnunmehrnachderzurückverweisungdurchdenBGHdasOLG abzuwägen haben, ob dasVorge-henimzivilrechtswegangemessenistundnichtunver-hältnismäßigindieBerufsausübungsfreiheitdesArzteseingreift.

Zum Sachverhalt: Der Bekl. ist zahnarzt und Kammerange-hörigerderKl.,derzahnärztekammerNordrhein.DieKl.hatdenBriefkopfdesBekl.u.a.wegenderVerwendungdesBegriffs„zahn-ärztliche Praxisgemeinschaft“ als wettbewerbswidrig beanstandet.DieserBegriffkönne–geradeinseinerkonkretenVerwendungimBriefkopf–mitderBezeichnung„Gemeinschaftspraxis“verwechseltwerden.eine „zahnärztlichePraxisgemeinschaft“ beschränke sichjedochaufdiegemeinsameBenutzungvonRäumenund/oderGerä-tenunddengemeinsameneinsatzvonHilfspersonal.

DieKl.hatvordemLGbeantragt,denBekl.unterAndrohungvonOrdnungsmittelnzuverurteilen,eszuunterlassen,imgeschäft-lichenVerkehrzuWettbewerbszweckeninimzusammenhangmitseinerBerufsausübungbestimmtenBriefbögenfolgendezusätzezuführen:

a)„zahnärztlichePraxisgemeinschaft“b)folgendesWort-Bild-zeichenDer Bekl. hat die Gestaltung seines Brief-

kopfsalswettbewerbsgemäßverteidigt.DieKl.sei zudem nicht befugt, wettbewerbsrechtlicheAnsprüchegegenihngeltendzumachen.

DasLGhatdieKlageabgewiesen,soweitsiegegendieBenutzungderBezeichnung„zahnärztlichePraxisgemeinschaft“gerichtetwar,undihrimÜbrigenstattgegeben.

Gegendiesesurt.habenbeideParteienBerufungeingelegt.DieKl.hatdabeiihrenunterlassungsantragnurnochbeschränktaufdieBenutzungdeskonkretverwendetenBriefbogensweiterverfolgt.

AufdieBerufungdesBekl.hatdasBerufungsgerichtdieKlageunter zurückweisung der Berufung der Kl. abgewiesen. Die Re-visiongegenseinurt.hatdasBerufungsgerichtbeschränktaufdieentscheidungüberdenBerufungsantragderKl.zugelassen.

MitihrerRevisionverfolgtedieKl.ihrenBerufungsantragweiter.DerBekl.beantragte,dieRevisionzurückzuweisen.

Aus den Gründen: A.DasBerufungsgerichthatdenAntragderKlägerinabgewiesen,demBekl.zuverbieten,denkonkretbeanstandetenBriefkopfzuverwenden.DerBekl.werbezwarirreführend,wenneraufseinemBrief-bogen die Bezeichnung „zahnärztliche Praxisgemein-schaft“verwende.DieKl.seiabernichtnach§13Abs.2Nr.2 uWG (a.f.) befugt, aus diesem Grund gegen denBekl. als ihrMitglied einenwettbewerbsrechtlichenAn-spruchgeltendzumachen.esseifraglich,obderKl.nichtschondeshalbdieKlagebefugnisabzusprechensei,weilderBundesgesetzgeber nach der zuständigkeitsordnung desGrundgesetzesnichtbefugt sei,dieöffentlich-rechtlichenBeziehungenzwischeneinerzahnärztekammerundihrenAngehörigen zu regeln, soweit die allgemeinen Berufs-pflichtenbetroffen seien.DieKl. sei jedenfallsnichtkla-gebefugt,weilsiegemäߧ6Abs.1Nr.6HeilBerGNRWberufswidrigemVerhalteneinesKammerangehörigenauchohneeinschaltungderGerichtedurcheineuntersagungs-verfügungbegegnenkönne.Dementsprechendfehleesihrfür ein Vorgehen vor den zivilgerichten auch an einemRechtsschutzbedürfnis;zumindestseieinsolchesVorgehenunverhältnismäßig. Der erlass einer untersagungsverfü-gungwäreeinfachergewesenundhättedenBekl.wenigermitKostenbelastet.DieentscheidungderKl.fürdaszivil-rechtlicheVorgehenseizudemermessensfehlerhaft.

B.DiegegendieseBeurteilunggerichteteRevisionderKl.haterfolg.

I.DieKl.istentgegenderAnsichtdesBerufungsgerichtsfürdengeltendgemachten,auf§§3,5uWG(§3uWGa.f.)gestütztenwettbewerbsrechtlichenAnspruchklagebefugt.

1.DieKl.waralsberufsständischeVertretungderzahn-ärzte(§§1,6HeilBerGNRW)beiKlageerhebunggemäߧ13Abs.2Nr.2uWGa.f. befugt,Wettbewerbsverstö-ßezuverfolgen,dievonihrenKammerangehörigenoderderenWettbewerbernbegangenwerden (vgl.BGH,urt.v.9.10.2003–IzR167/01–,GRuR2004,164,165=WRP2004,221–ArztwerbungimInternet,m.w.N.).seitdemInkrafttretendesGesetzesgegendenunlauterenWett-bewerb(uWG)v.3.7.2004ergibtsichihreKlagebefugnisaus §8 Abs.3 Nr.2 uWG, der – wie zuvor §13 Abs.2Nr.2uWGa.f.–auchdieprozessualeKlagebefugnisre-gelt (BGH,urt.v.27.1.2005–IzR146/02–,GRuR2005,689f.=WRP2005,1007–sammelmitgliedschaftIII;urt.v.23.2.2006–IzR164/03–,umdrucks.7–Blutdruckmessungen,m.w.N.).DieseNeuregelungsolltenichtsanderBefugnisderKammernfreierBerufeändern,wettbewerbsrechtliche Ansprüche geltend zu machen. In§8Abs.3Nr.2uWGwurdediesdurchdieausdrücklicheBenennungvonVerbändenzurförderung„selbstständigerberuflicher Interessen“ klargestellt (vgl. Begründung desRegierungsentwurfseinesGesetzesgegendenunlauterenWettbewerb,stellungnahmedesBundesratesundGegen-äußerung der Bundesregierung, Bt-Dr. 15/1487, s.23,33und 42; vgl.weiterBGH,urt. v. 30.9.2004 – IzR

MedR2006,Heft8 477

R e C H t s P R e C H u N G

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89/02–,GRuR2005,436=WRP2005,602–steuer-berater-Hotline; Bergmann, in: Harte/Henning [Hrsg.],uWG,§8,Rdnr.275;Büscher,in:fezer[Hrsg.],uWG,§8,Rdnr.197;Köhler,in:Hefermehl/Köhler/Bornkamm,Wettbewerbsrecht,24.Aufl.,§8uWG,Rdnr.3.33;Me-ckel,in:HK/WettbR,§8uWG,Rdnr.103).

2. Die Anwendung des §8 Abs.3 Nr.2 uWG (§13Abs.2Nr.2uWGa.f.)aufKammernfreierBerufeschei-tert – entgegen den Bedenken des Berufungsgerichts –nichtdaran,dassderBundesgesetzgeberfürdasRechtderHeilberufenureinebegrenzteGesetzgebungszuständigkeithat.DerBundhatnachArt.73Nr.9GGdieausschließ-licheGesetzgebungüberdengewerblichenRechtsschutz,zudemdasRechtdesunlauterenWettbewerbsgehört,undgemäßArt.74Abs.1Nr.1GGdiekonkurrierendeGesetz-gebungfürdasgerichtlicheVerfahren.Diesezuständigkei-tenumfassendasRecht,dieallgemeinenVoraussetzungenderKlagebefugnisfürwettbewerbsrechtlicheAnsprüchezuregeln.DiesesRecht hat derBundesgesetzgeber u.a. da-durchausgeübt,dasserin§8Abs.3Nr.2uWG„rechtsfä-higenVerbändenzurförderunggewerblicheroderselbst-ständigerberuflicherInteressen“dieBefugnisgegebenhat,wettbewerbsrechtlicheAnsprüchegeltendzumachen.Diezuständigkeit, die rechtlichen Voraussetzungen dafür zuschaffen,dassbestimmteKammernfreierBerufeindiesemsinnrechtsfähigeVerbändezurförderungselbstständigerberuflicher Interessen sind, steht dem Landesgesetzgeberzu. IndieseBefugnisgreiftdieallgemeineRegelungdes§8Abs.3Nr.2uWGnicht ein. sie erweitert nicht diematerielle Überwachungsbefugnis der Kammern gegen-überihrenKammerangehörigen,sonderneröffnetnurdenWegeinerunterlassungsklagezurDurchsetzungderBe-rufspflichten(vgl.BVerfGe111,366,375=WRP2005,83,85).

3.DieBefugnisderKl.aus§8Abs.3Nr.2uWG(§13Abs.2Nr.2uWGa.f.),wettbewerbsrechtlicheAnsprücheauchgegenihreKammerangehörigengeltendzumachen,istentgegenderAnsichtdesBerufungsgerichtsnichtvonvornhereindadurch ausgeschlossen, dass dieKl. nach§6Abs.1Nr.6HeilBerGNRWberechtigt ist,dienotwen-digenMaßnahmenzurBeseitigungberufswidrigerzustän-dezutreffenundhierzuauchbelastendeVerwaltungsaktezu erlassen (vgl. dazu BVerwG, DVBl. 2003, 729, 730).DieMöglichkeit, imzivilrechtsweggegenberufswidrigeWerbung von Kammerangehörigen vorzugehen, stehtgrundsätzlichnebendenBefugnissen,diederKl.alsKam-mer gegenüber ihrenKammerangehörigen zustehen.eindurchgreifenderGrund,warumsichdieKl.grundsätzlichvorrangigfürdeneinenoderdenanderenWegentscheidenmüsste, besteht nicht. Die Kl. kann schon deshalb nichtohne weiteres auf das ergreifen berufsrechtlicher Maß-nahmenverwiesenwerden,weilihrmitderzuerkennungwettbewerbsrechtlicher unterlassungsansprüche, die keinVerschulden voraussetzen, ein vergleichsweise einfacherundschnellerWegzurunterbindungberufswidrigenVer-haltenszurVerfügunggestelltist.VorihrerentscheidunghatdieKl.allerdingsabzuwägen,obdasVorgehenimzi-vilrechtsweg angemessen erscheint und nicht unverhält-nismäßig in die Berufsausübungsfreiheit des betroffenenKammerangehörigeneingreift(vgl.BVerfGe111,366,377=WRP2005,83,86;BGH,urt.v.25.10.2001–IzR29/99–,GRuR2002,717,718=WRP2002,679–Ver-tretungderAnwalts-GmbH).

4. Die Ausübung der Klagebefugnis einer KammerfreierBerufeaus§8Abs.3Nr.2uWGistgrundsätzlichnicht unverhältnismäßig, wenn sie darauf abzielt, einenachAnsichtderKammerunlautereWerbungeinesKam-merangehörigen zuunterbinden (vgl.BVerfGe111,366,378=WRP2005,83,86f.).DiesgiltinbesondererWeisebei irreführendenWerbeangaben,dadiesegeeignet sind,

den lauterenWettbewerbzumNachteilderMitbewerberund Verbraucher zu beeinträchtigen (§§3, 5 uWG) unddasAnsehenderBerufsgruppezuschädigen,unddeshalbmöglichstraschundwirksamunterbundenwerdenmüssen.NurunterbesonderenumständenkönnteeinVorgehenimzivilrechtswegwegeneinessolchenWettbewerbsverstoßesalsunverhältnismäßigzubeurteilenunddementsprechenddasRechtsschutzbedürfniszuverneinensein.

II.Dersenatistaneinereigenensachentscheidungge-hindert.DasBerufungsgerichthatdersachenacheinPro-zessurteilerlassen,weilesdieKlagebefugnisderKl.unddasRechtsschutzbedürfnisfürdieKlageverneinthat.DiezurBegründetheitderKlagegemachtenAusführungengeltendeshalbalsnichtgeschriebenundsindvomRevisionsge-richtnichtzubeachten(vgl.BGHz11,222,223f.;46,281,284f.;BGH,urt.v.29.9.1993–VIIIzR107/93–,WM1994,76,77;Gummer,in:zöller,zPO,25.Aufl.,§563,Rdnr.11,jew.m.w.N.).

(Eingesandt und bearbeitet von Rechtsanwalt Uwe H. Hohmann, Richmodstraße 10, D-50667 Köln)

Haftung des Arztes für fehlerhafte Hilfe am Unfallort

BGB §§ 276 Abs. 2, 662, 823

1. Offenbart ein Arzt, der zufällig am Unglücksort anwesend ist und einem Unfallopfer Erste Hilfe leistet, seinen Beruf, lässt dies noch nicht den Rückschluss auf den Abschluss eines Behandlungsvertrages mit dem Unfallopfer oder anwesenden Angehörigen zu.

2. Dem Arzt kommt in dieser Situation – ebenso wie jedem Dritten – das Haftungsprivileg des § 680 BGB zugute. Die im Arzthaftungsrecht entwickelten Grund-sätze zur Beweislastumkehr bei groben Behandlungs- oder Diagnosefehlern finden keine Anwendung.OLG München, Urt. v. 6. 4. 2006 – 1 U 4142 /05 (LG Traunstein)

Problemstellung: Nach einem allgemeinenRechtsgedanken soll der entschluß, einem Mitbürgeraus dringender Gefahr zu helfen, u.a. dadurch geför-dert werden, dass der Nothelfer in gewissemumfangvon der Haftung für schädigungen des Hilfebedürf-tigen aus seinem spontanen, nicht abgewogenen ein-greifenfreigestelltwird:abweichendvondergenerelleneinstandspflichtfürjede,auchnurleichtefahrlässigkeithatergemäߧ680BGBvertraglichwiedeliktsrechtlichnurVorsatzundgrobefahrlässigkeitzuvertreten.AufHelfer,derenBerufdieRettungausNotlagenist–Po-lizei,feuerwehr,Rettungssanitäter,auch:NotärzteimRettungseinsatz–,passtderderHaftungsfreistellungzu-grundeliegendeschutzgedankenicht;siesindfürsolcheeinsätzegeschultundmüssendiesituationprofessionellangehen. für sie legt deshalb derBGHden allgemei-nensorgfaltsmaßstaban,angepasstnatürlichandiebe-schränktenBedingungenvorOrt.undausdemselbenGrundkannsichkeinArzt,derseinenPatientenfalschbehandelt,durch§680BGBentlastenalleinmitderBe-rufungdarauf,dassseinPatientschwerkrankwarundesumseineerrettungausLebensgefahrging.

AbergiltdasauchfüreinenArzt,derwieimstreit-fall beruflich auf die Wiederbelebung von ins WassergefallenenKindernnichtvorbereitetseinmußundnurzufällig andieunfallstellekommt,der sichalso inso-weit von dem hilfreichen Jedermann nur durch seinmedizinischesGrundwissenunterscheidet,dasabermit

Rechtsprechung478  MedR2006,Heft8


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