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MAGAZIN 9Freitag, 10. Oktober 2008 – Magazin des Kölner Stadt-Anzeiger – Nr. 237

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VTIERE

Tierische MitbringselIllegale Importschlager aus dem Urlaub: tote Steinkorallen, Kobras in Alkohol – Wer erwischt wird,muss mit Bußgeld und Haftstrafe rechnen – Naturschutzbund informiert über ArtenschutzVON MIRIAM KUHLDie Abfertigungsschlangen wa-ren lang: Die Flughäfen Köln-Bonn und Düsseldorf hatten inden Herbstferien wieder rund 1,6Millionen Urlauber erwartet. Dieliebsten Ziele: Spanien, Karibik,Malediven, Türkei und USA. Dieüblichen Sicherheitsbestimmun-gen zur Mitnahme im Handge-päck, Freimengen für Tabak undAlkohol sind den meisten be-kannt. Doch wie es mit dem Gür-tel aus Krokodilleder und mit denOhrringen aus Elfenbein aus-sieht, hat sich offenbar noch nichtüberall herumgesprochen. Mitdiesen Souvenirs dürften auchjetzt wieder viele Rückkehrer aufProbleme stoßen.

Zertifikate fordernDabei ist die Regel einfach: Die-se Mitbringsel unterliegen demArtenschutz und dürfen nichteingeführt werden – es sei denn,sie stammen von einer Nach-zuchtfarm. Heike Finke vom Na-turschutzbund Nabu warnt vorunseriösen Anbietern. „Offiziellgenehmigte Anbieter händigendem Kunden beim Kauf ein Zer-tifikat aus, auf dem der Gegen-stand und Name und Adresse desAnbieters eingetragen sind.“ Aufden Märkten und Basaren lassensich tierische Schmuckstückeebenso finden wie zum Verzehrgeeignete Waren, zum BeispielKaviar und exotische Fleischpro-dukte. Besonders beliebt bei Kin-dern sind die kleinen lebendenTiere, Schildkröten, Seepferd-chen, Mini-Krokodile. Dass sieim Urlaubsland öffentlich zumVerkauf angeboten werden,sagt jedoch nichts über dieAus- und Einfuhrbestimmun-gen aus. Für lebende Tieresind die Bestimmungen ein-deutig: „Lebende Tiere dürfennicht ohne Genehmigung einge-führt werden“, so Franz Böhmervom Artenschutzvollzug desBundesamtes fürNaturschutz(BfN).

Das hat guteGründe, einer-seits wird da-durch massiv

in die Populationen vor Ort ein-gegriffen, was teilweise bis zumAussterben der Tierart führenkann. Zudem sind viele Exotennicht ohne weiteres in unserenBreiten lebensfähig. Und nocheine Gefahr besteht, wie JürgenMarschall, Abfertigungsbeamterbeim Flughafenzoll Köln-Bonnweiß: „Dieses Jahr wurden Rot-wangenschildkröten ohne Ge-nehmigung eingeführt. Diese ge-hören zwar nicht zu den gefähr-deten und besonders geschütztenTieren, sie sind aber so genannteFaunenverfälscher. Das bedeu-tet, werden sie, wie häufig beiUrlaubsmitbringseln, ausgesetzt,stellen sie eine Gefahr für unsereheimische Fauna dar.“ DieSchildkröten hatten Glück imUnglück und leben nun im Düs-seldorfer Zoo.

Nicht immer geht es für dieTiere gut aus. Wenn möglich,werden sie zwar in ihre Heimatzurückgeflogen. Neben der Fragenach der Kostenübernahme istdies für die betroffenen Tiere mitgroßen Strapazen bis zu gesund-heitlichen Beeinträchtigungenverbunden, andererseits ist dieAuswilderung vor Ort nicht im-mer erfolgversprechend: Durchden Transport geschwächte Tierewerden schnell Opfer von Fress-feindenund eine

Gewöhnung an den Menschenmindert ihre Chance auf selb-ständiges Überleben in freierWildbahn.

In seltenen Fällen bleibt denZöllnern nur die Tötung be-schlagnahmter Tiere. Die inter-nationalen Bemühungen zumSchutz der Tierwelt tragenFrüchte: Seit Einführung desWashingtoner Artenschutzüber-einkommens (WA) 1975 unddessen Verschärfung durch dieEU-Artenschutzverordnung1984 konnten neben anderenBengaltiger, große Fleckkatzen,Riesenotter und afrikanische Ele-fanten vor dem Aussterben geret-tet werden. Auch die Krokodil-Populationen haben sich welt-weit erholt und gelten als stabil,weiß Franz Böhmer.

Reptil-LederwarenOhne die Artenschutzbemühun-gen könnten nicht nur Kenia-Touristen im Tsavo-National-park heute keine Elefanten mehrsehen. Die Kolosse wären mit ei-nigen anderen stark gefährdetenTierarten unwiederbringlich vonder Erde verschwunden, wie Hei-ke Finke vom NaturschutzbundNabu warnt: „Biologische Viel-falt ist nicht wiederherstellbar.Wir sollten uns immer bewusst

machen: Das Aussterben einerArt ist endgültig.“

„Im Lebendtierbereich ver-zeichnen wir in den letzten Jah-ren eine Abnahme illegaler Ein-fuhren“, bilanziert der Arten-schutzexperte Franz Böhmer.Illegale Einfuhrschlager seienderzeit Meeresprodukte wie toteSteinkorallen, Reptil-Lederwa-ren von Waran, Schlange undKrokodil, Elfenbein und Kobrasin Alkohol.

Finden Jürgen Marschall undseine Kollegen diese und andereProdukte, ist das Urlaubsgefühlschlagartig passe: „Neben einerBeschlagnahmung der Warewird ein Bußgeld bis 50 000 Euround bei Erfüllung des Straftatbe-standes sogar eine Haftstrafe fäl-lig“, warnt Franz Böhmer.

Das im Urlaub gekaufte illega-le Andenken sieht der Urlaubernicht wieder, es verbleibt beimZoll. „Zwar ist theoretisch mög-lich, für bestimmte Dinge je nachSchutzstatus Genehmigungen zubeantragen. Für Touristen ist diesin der Regel kein praktikablerWeg.“

Geflügel verbotenVon Spontan-Entscheidungen räter dringend ab. Wer zum Beispieleinen Tauchurlaub auf den Male-diven unternimmt und sich von

den Schnorchelgängen Souve-nirs mitbringen möchte, ist

gut beraten, sich vor Rei-seantritt ausführlich zu

informieren. Einigetierische Produkte

sind aus gesund-heitlichen Grün-den von der Ein-fuhr nachDeutschlandausgeschlossenoder unterlie-gen strengenKontrollen.Zum Schutz vorGeflügelpestund Vogelgrip-pe ist die Ein-

fuhr von Geflügelund Geflügelfleisch,

Eiern sowie Produkten vonGeflügel, Federn, unbehan-delte Jagdtrophäen aus ver-

schiedenen Ländern verboten.Bei Milch und daraus herge-

stellten Erzeugnissen dürfen nurdiejenigen bedenkenlos mitge-bracht werden, deren Milch- undSahneanteil sehr gering ist, wiezum Beispiel Schokolade oderKekse. Aus bestimmten Länderndürfen Fleisch, Milch und derenErzeugnisse beschränkt (maxi-mal fünf Kilogramm pro Person),aus anderen, zum Beispiel Dritt-ländern, das heißt, außerhalb derEU, muss für diese Ware ein offi-zielles Begleitdokument vorlie-gen, und es darf nur dort einge-reist werden, wo ein Veterinäranwesend ist.

Höchstgrenze für HonigHonig darf bis zu einem Kilo-gramm pro Person allen Orts ein-geführt werden. Fischereipro-dukte dürfen eine Höchstgrenzevon einem Kilogramm nichtübersteigen, ansonsten ist auchhier die Einfuhr nur über Kon-trollstellen möglich.

Auch Reiseproviant unterliegtdiesen Bestimmungen. Deshalbsollten keine Lebensmittel spon-tan aus dem Urlaub mitgebrachtwerden. Vorher sollte sich jederüber die Bestimmungen erkundi-gen. Unter www.artenschutz-on-line.de haben Zoll und BfN eineDatenbank zusammengestellt, inder man länderspezifisch aufge-listet erhält, welche Beschrän-

kungen je nachTier- und Pflan-zenart vorliegen.Weitere Informatio-nen gibt es beim Zoll-amt oder Bundesamt fürNaturschutz.

„Tierschutz beginnt nicht beigeschützten Arten. Auch dienicht geschützten Tiere sind ambesten in ihrem natürlichen Le-bensraum aufgehoben“, gibtHeike Finke zu be-denken, denn„wenn jederdie Freimen-gen aus-schöpft,sind auchdiesebald be-droht.“Gut in-formiertund be-dachthandelndalso, fasstder Nabu zu-sammen, drohtbei der Rückkehrkein böses Erwachen.Die Urlaubserinnerun-gen auf Fotos erfüllennicht nur ihrenZweck, so die Natur-schützer, sonderntragen ganz be-stimmt auch zur Er-haltung des Arten-reichtums bei.E I N F U H R E R L A U B T

Folgende Produkte dürfen nurzum persönlichen Gebrauch(Kein Geschenk!) und im per-sönlichen Gepäck ohne Geneh-migung eingeführt werden:V125g Kaviar vom Stör, jedochnur mit dem offiziellen Label,auf dem Art, Herkunft, Gewin-nungsdatum etc. vermerkt sindVbis zu 3 Gehäuse von Fech-terschneckenVbis zu 4 Gehäuse von See-pferdchenVbis zu 3 Schalen von Riesen-muscheln mit einem maximalenGesamtgewicht von 3 Kilo-grammV Lederwaren, Freimenge jenach Tierart

Z O L L - T I P P S

Der Zoll rät in seiner aktu-ellen Reisebroschüre:VFinger weg von lebendenUrlaubssouvenirs!VFinger weg von Erzeugnissenaus artengeschützten Tierenund PflanzenVErkundigen Sie sich vor IhremUrlaub beim zuständigen Zoll-amt, dem Bundesamt für Natur-schutz oder der Stadt- bzw. derKreisverwaltung nach geschütz-ten Arten in Ihrem Urlaubsge-biet.VKaufen Sie im Zweifelsfallelieber gar keine Souvenirs, zuderen Herstellung Tiere oderPflanzen oder Teile davon ver-wendet wurden.

Von diesen Souvenirs solltenUrlauber die Finger lassen. Foto-erinnerungen, so meinen Natur-schützern, tun es doch auch. BILDER: JUPITERIMAGES

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