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Berichte der Deutschen Chernischen Gesellschaft 1920, Nr. 8. - Abteiiung A (Vereinenschrichten) - 18. September

WALTER HEMYEL.

Am 1. Dezeinber 1916 erlag Geheimer Rat Prof. Dr. W a l t e r H e m p e I in Dresden durch einen Schlagarffall einem Hersleiden. Sein Hinscheiden bedeutete einen gleich schweren Verlust fur die chemische Wissenschaft wie fur die chemische Technik; derin in Hempel ist einer jener Manner dahingegangen, die durch ihre For- schungs- und Lehrtatigkeit unmittelbaren Anteil am Erbluheii der deutschen chemischen Industrie gehabt haben.

Walter Matthias Hempel wurde an1 5. Mai 1851 in Piilsnitz geboren, dem Sitze der seit der Mitte des 18. Jahrhunderts im Be- sitze der- Familie befindlichen, besonders die Bandweberei betrei- benden Firma C h r i s t o p h H e m p e l s Witwe und Sohn. Er ent- stammte also den Kreisen der Iudustrie. Scbon 1853 zog sich sein Vater von der Fabriktatigkeit zuruck und ubersiedelte nach-Dresden, das darnit ZU Hempels eigentlicher Vaterstadt wurde. Mit riihren- der Liebe hing er an ihr; es war kein unwesentlicher Teil seines Lebensgluckes, daD es ihm vergiinnt war, ausschliefllich in seiner Vaterstadt wirken zu konnen.

Seine Schulbildung erhielt Hempel auf der Dresdner hnnen- schule. Als jungen Studenten des damaligen Dresdner Polytech- nikums traf ihn 3er deutsch-franzosische Iirieg und fuhrte ihn als Kriegdreiwilligen ins Feld, wo er als Artillerist die Belagerung von (Paris mitmachte. Heimgeekehrt, setzte er seine Studien an der Ber- liner Universitat fort. So sehr hier auch A. 'W. H o f m a n n ihn anzog, und so eifrig er die mannisfachen Anregungen benutzte, die die Berliner Hochschulen dem jungen Chemiker bolen, wobei er auch A+ B a e y e r s Vorlesungen htirte, so vermochte doch die hicr besonders gepflegte synthetische organische Chernie ifim nicht volle Befriedigung zu gewahren. Diese fand er erst, als er 1872 nach Heidelberg ubersiedelte. Der EinfluB der Personlichkeit, der For- schungs . nnd Lehrweise B u n s e n s wurde entscheidencl fiir seine Zukunft: Hier zeigte sich, da13 die analytisrhen Arbeitsweisen

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der anorganischen Chemie. sowie iiberhaupt die von B u 11 s e II so oft idurchgefuhite Analyse cheinischer . Vorghnge nach ihrer Beeinflus- sung durch die verschiedenen auDeren Bedingungen, zutnal durch solche physikalischer Art, Hempels 1; eranlagung ganz l ~ s o n d e r s entsprach.

Mit Stolz hat er eich immer als Schiiler B u n s e n s belcannt ; gern hob er in spateren Jahren herror, in ivelchen l?ic,hlungen er be- sonders uberzeugt seine Tatigkeit, zunial seine Lehrtatigkeit, in den von seinein grofien hleister gewiesenen Bahnen entwiclrelt hat. lRuckschau und Umschau Iehren uns heute, daB linter den deutschen Chemikern keiner sich so getreu wic Hempel in diesen Bahnen bewegt hat.

Seine starke und - selbsthndige Personlichkeil wurde aber da- durch nicht phindert, zuirial in wissenschaftlicher Forschungsrich- tutig, sich durchaus eiaenartig zu entwiclieln. Ein angeborener, stark auf das Praktische gerichteter Sinn, dazu das Gefuhl einer gewissen Verantwortung, moglichst unmittelbar auf das Wirtschafts- leben einzuwirken, lenkten sein wissenschaftliches Denken ganz besonders auf die technischen Anwendungen der Chemie und die Ausbildung r o n Forscliurigsmitteln, dercn diese bedurften. Auf .wirfschnftli,cbe Xusnutzung der Ergehnisse seiner krbeiten im personlichen Interesse stand dtlbei sein Sinn nienials. Der tech- nischen Chemie entnahm cr nur die Probleine fiir sein slreng wissenschaftliches Forschcw ; dessen Ergebnisse stelltc cr stets ruck haltlas zu allgerrieiner Verfiigung.

Die BuBere (iesfaltung des bcru€licheit Lebensganges von Hempel war so schlicht und einfach wie sein ganzes Wesen. gach drciseniestrigein Studium in Heidelberg, das ihm auch die Pro. niotion brachte, iibernahni er im Herbst 1873 eine Assistenten- stelle ;u1 der Zentralstell'e fiir offentliche Gesundheitspflege in Dresden Wenn auch hier sclion ein Drang zu wissenschaf tlicher Forschung her\-ortrat,, so stellte ihn doch seine Hinneigung zu technischen Uingen in dimesen Jahren vor die Frage, ob e r nicht ill der Technik seinen Beruf erfiillen sollte. Aber seine Liebe .ZUI' \\'issensehaft siegte. Ostei.11 1876 trat er als erster 4ssistent' yon R. S c h m i t t am chemiscben Laboratorium des Dresdener Polytechnikuins ein und hahilitierte sich hier anfangs 1878. Die kurz darauf durch den Rucktritt von S t e i n in der Professur fur technische Chemi,e eintretende Vakane brachte Bempel zunhchst die vertretungsweise Ubernahine dieses Lehwtuhles und, schon ein Jahr nach seiner Habilitation, die Ernennung zuin aufierordent- lichen und im folgenden Jahre - dem Neunundzwanzig jahri- gen - zum ordentlichen Professor fur technische Chemie und

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zum Leiter des init dieser ProEessur verbundenen Laboratoriums, dern jetzt auch die anorganisch-andytischen Ubungen zQgeWie- sen wurden.

In solcherart sichergestellter HuRerer Lebendage zogerte er nicht, nun auch seinen Hausstand zu grunden. Im Jahre 1883 verheiratete er sich mit L o u i s a Monks. Sie gehbrte einer der altmgesessenen Familien von Boston an; der auDerordentlich gluck- lichen Ehe rnit ihr entstammten drei Slihne und eine Tochter. Im Jahrc 1887 wurde das stattliehe Haus auf der Zelleschen StraRe. damals an der auaersten Peripherie Dresdens, bezogen, dab Hempel sich ganz nach seinem Herzen hatte erbauen lassen, und bei dessen Einrichtung er sein ganzes praktisches Geschick betatigte. Es war ein sonniges, harmonisches Familienleben, das sicti hier entwickelte, in das nur durch den jahen 'Cod des jung- sten Sohnes im Fruhjahr 1914 ein tiefer Schatten fie]. In feinem Veratiindnis fiir die Bedingungen geistigen Schaffens wulte seine Gattin f u i Hempel das Heim zu einer Statte reinster Erholung zu gestalten, in die des Abends heimzukehren ihm eine immer new Quellc des Gliickes war. Rauschender Geselligkeit abhold, iiffnete das Ehepaar.Hempe1 um so ljeber kleineren Kreisen von Freunden und Bekannten zu schiichtem, behaglichem Verkehr sein gastliches Haus; manchen hervorragenden Familien aus den Kreisen der Wissenschaft und der Kunst, der Arzteschaft, der In- dustrie und des Handeis, den Angehorigen der Dresdner amerikani- schen Kolonie u. a. begegnete man hier. Wohl @em, der an dieser Geselligkeit teilnehmen durfte, wird es unvergeSlich sein, wie Hempel dann in behaglicher Plauderstunhe den ganzen Zauber seines geist- und humorvollen, von reiner Herzensgute erfiillten Wesens erschloI3.

Inzwischen hatte sich das Dresdener Polytechnikum zur Tech- nischen Hochschule entwickelt, und schon zu ihrem zweiten Rek tor wurde Hempel durch das Vertrauen seiner Kollegen gew4hlt. Im Jahre 1893 trat R S c h m i t t von seinem Lehramte zuriick. und nun ubernahrri Hempel die Vorlesungen uber anorganische Experi- mentalchemie, konnte dagegen seine chemisch-technischen Vor- lesangen auf das Gebiet der anorganischen Chemie beschranken. Fast zwanzig Jahre hat Hempel in dieser Gestalt seine Lehr- tiitigkeit an der Dresdener Hochsdhule ausgeubt. Auch mehrere an i hn herantretende Aufforderungen fremder Kochschnlen konntea ihn seiner Vaterstadt und deren Technischer Ilochschule nicht rauben.

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AIs schIieDlich ein ernstes HerzIeiden ihni groDe Schonung zur Pflicht machte, entschlo5 er sich schweren Herezns, fiir OsEern 1912 um seine Pensionierung einzukoninien. Mit den Vorlesungen iiber Experimentalchemie legte er die Leitung seines zu hoher Bliite entwickelten Laboratoriums nieder, behielt aber auch als Emeritus, im Interesse der Entlastung seines Bmtsnach- folgers, zunachst noch die chemisch-technischen Vortrage bei. Urn auch experimentell weiter tatig sein zu konnen, richtete er sich in einem Nebenraum des Laboratoriums eine kleine Arbeitsstatte ein, in der er in den Jahren nach seinem Rucktritt iioch maqcch schones wissenschaftliches Ergebnis erzielt und nach Xus- bruch des Krieges an den von mehreren Seiten an ihn heran- tretenden kriegswissenschaftlichen Aufgaben mit voller Kraft ge- arbeitet hat. Erst als im Herbst 1916 sein Herzleiden, das er durch regelmaBigen Besuch der Nauheiiner Quellen zu bannen gesucht, aber doch nur aufgehalten hatte, sehr ernste Gestalt annahni, sah sich Hempel genotigt, seiner Lehr- und Forschertatigkeit ganz zu entsagen. Aber nur wenige Wochen brauchte er diese, seinem ungebrochen frischen Geiste wenig zusagende Ruhe zu ertragen. Nocli hatte er die Freude, sgine beiden Sohne, die im Heeresdienst s'tanden, auf Urlaub in der Heimat zu begriiDen und so mit seiner Gattin, Tochter und Schwiegertochter seinen ganzen Familienkreis um sich zu sehen, dem bis zuletzt sein treuestes Sorgen galt. Da ereilte ihn ein rascher, leichter Tod. Am Schrkibtisch in seinern Studierzimmer mit dem Ausblick auf seinen Garten, in dem er jeden Baum selbst gepflanzt hatte, verschied er: ein schones Leben fand einen schonen Tod. Mit groder Fassung fiihlte er in seinen letzten Wochen sein Ende nahen. ,,Ich kann ruhig sterben, denn ich habe mein Leben in Freude und in Arbeit genossen wie wenige, das einzige, was mir das Scheiden schwer imacht, ist der Gedanke an meine Frau," sagte er mir wenige Wochen vor seinem Hinscheiden. So mudte der erst 65-jahrige von uns scheiden, an Gei'st und Korper sonst noch so jugendlich frisch, daS er danach noch lange fur seine Wissenschaft und sein Vaterland hatte wir- ken konnen.

Hempels e x p e r i m e n t e l l e A r b e i t e n erhielten ihr beson- deres Geprage durch sein von einer groDen Fertigkeit im Glas- blasen unterstutztes, hohes komtruktives Geschick und seine Nei- gung, die von ihm in Angriff genommenen Aufgaben rnit den aller- einfachsten und billigsten Mitteln zu losen. Solche Gaben be- fahigten ihn, gleich im Beginn seiner wissenschaftlichen Laufbahn Arbeiten erfolgreich durchzufuhren, in deneri er die Beseitigung

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eines besouders dringenden Bediirfnisses aller init Gasen arbei- tenden Zweige der Technik sich zur Aufgabe maehte: es galt, die Y e r f a h r e n z u r A n a l y s e de r G a s e den Erfordernissen der technischen Betriebsiiberwachung beSS0r anzapassen, d s es bisher geschehen war.

Die trefflichen B u n s e nschea Verfahren zur Gasanalyse ge- niigten diesem Zweck picht, da sie h e n mit der techoischen Betriebsiibzrwachung nicht zu vereinbarenden Aufwand an Rus- fuhrungszeit und Rechnung und zlrdem eine experhentelle und theoretische Schulung verlangen, wie sie den mit der Vornabme der laufenden Betriebsanalysen betrauten Hilfskrlften gewohnlich nicht zu eigen ist.

Dem immer dringender hervortretenden Bediirfnis der Tech- oik hatte zwar schon 1872 C1. W i n k l e r zu geniigen gesucht uiid in der Tat sehr bedeutsame Fortschritte in dieser Hichtung gemacht. Aber eine allseitig befriedigende L6sung der AuEgabe, ziiinai nach der Richtung der Einfachheit der Ausffihrung und der Handlichkeit der Apparate, war noch nicht erreicht.

In einer Iieute noch uniibertroffenen VoUkommenheit hat erst Hernpel diese Aufgabe geltist. Seine im Jahre 1877 durchgefuhrte Habilitationsarbeit enthilt fertig awgebildet die Gas bi i re t t e und die Ci a s pi p e t t e , jene beiden Appsrate, die in der Folgezeit den Kanien Walter Hempel den Chemikern des In- und Auslandes wohl- vertraut machen sollten. Denn die Aufgabe, die Henipel sich ge- stellt hatte, auch eis vorwickelt zusammengesletztes Gasgemisch in einer einzigen Operation in kiirzester Zeit und in einfachster Weise mit - einer fur die Oberwachung technischer Betriebe genii- gender1 Genauigkeit analysieren zu konnen, ist durch seine Rppa- rate, auch ohne lange Obung in ihrer Handbabung, sicher zu er- fiillen.

Der grof3e Fortschritt, den Hernpel machte, bestand darin, da&l er das Xufsarnmeln und Messen der zu analysierenden Gasprobe hnd deren Behandlung mit den Absorptionsmitteln, die die ein- zelnen Bestandteile des Gaagemisehes diesem entziehen sollen, in g e t pe n n t e n Apparaten vornahm, jaw in der Gasbiirette, diese i n Gaspipetten, deren jede nur fiir ein einziges und zwar flussiges Xbsorptionsmittel dient, und van. denen eine ganze Anzahl, iriit den fur die Bestimmung der einmlnen Gase erforderlichen LB- sungen beschickt, stets gebrawhsfertig gehalten werden. Den gas- dichlen AhschluA einer in eiher Pipette aufgenommenen Gas- rnenge erreicbte Hempel einfaeh durch einen Wasserfaden, der nacli Cbertreiben des Gases RUS der Biirette in die Pipette in

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das zwischen beiden gelegene capillare Verbindungsrohr von der Burette aus hineingebracht wird. So wird jeder Glashahn vermie- den, der ja so leicht eine gewisse Gefahrdung der Gebrauchs sicherheit von Apparaten bedeutet.

Der - Ausbildung der technischen Ciasarialyse und der S tei- gerung der Anwmdungsmoglichkeiten seiner Arbeitsweisen ge- horl der Hauptteil von Hempels wissenschaftlicher Lebensarbeit.

Mit der konstruktiven Durchbildung der Apparate allein war es nicht getan; die benutzten Absorptionsrnittel verlangten viel- fach noch die Klarstellung der Einzelheiten ihrer Wirksarnkeit und die entsprechende Anpassung ihrer Verwendung. Eine An- zahl von Mitteilungen, die zumeist in der Zeitschrift fur ana- lytische Chernie und in den Berichten der Deutschen Chemi- when Gesellschaft erschienen, zeigen, wie Hempel erfolgreich be- muht war, zumal die Analyse des Leuchtgases, als des verhall- nismaaig am verwickeltsten zusammengesetzten Iiohlengases, im- mer weiter von kleinen, zuerst unbeachtet gebliebenen Fehler- qiiellen zu befreien. Die endgiiltige Rlethode, der Gang der Ann- lyse und die einzelnen Opecationen, wie sie sich in zehnjahriger Eifahrurig bewahrt hatten, wurde dann von Hempel 1890 in seinerri Buch ,,G a s a n a l y t i s c h e 1Methoden" zusammengefaot als zweite Auflage seiner 1880 unter dem Titel ,,Neue M e t h o d e n z u r IA n a 1 y s e d e r G a s e" in erweiterter Form herausgegebenen Ha- bilitationsarbeit. in der dritten Auflage von 1900 und der 1913 erschienenen vierten Auflage dieses Buches hat llernpel auch niannigfache, von anderen Forschern ennittelte, gasanalytische -4r beitsweisen aufgenommen, jedoch stets nur soweit, als sie als einpfeblenswert fur den angestrebten Zweck von ihm nngeseheri wurden. Dieses Buch ist heute ein unentbehrlicher Ratgeber fur jeden geworden, der gasanalytisch zu arbeiten hat. Es zeigt, wie %Tempel auf dem von ihm betretenen Arbeitsgebiete nicht nur sehr bald ifn Inlaride die Fuhrung ubernommen hat, sondern aucli welchen starken und tiefgehenden EinfluB er auf die gasanalyti- schen Arbeiten des Auslandes ausgeubt 'hat.

Seine Arbeitsweisen waren urspriinglich wesentlich des Ana- lyse von solchen Gasen gewidniet, wie sie der Kohle entslarnmcn, bei ihrer mehr oder weniger vollkominenen Verbrennung oder ihrer trockenen Destillation entstehen. Dabei ist aber Hempel nichl steheu geblieben. Es wurderi Verfahren zur Analyse des techni- schen Acetylens, des technischen, zumal des elektrolytisch gewon- nenen Chlors entwickelt. Fur die Bestimmung des Kohlenstoffs im Eisen wurde durch die Ermoglichung der gasanalytischen l'esl-

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stellung des daraus eiitstehenden Kohlendioxyds eine ebenso durch Cienauigkeit wie durch Schnelligkeit der Ausfiihrung ausgezeich- hetc Xrbeifsweise ennittelt. Die schwierige analytische Bestinimung des Fluors wurde gefordert durch ein Verfahren zur quantitativen Cberfuhrung des Fluors in Siheiumfhorid nnd zum tluffangen und Messen dieses Gases. Als die Gase der Heliumgruppe in der LuIt aufgefunden waren, vervollstandigte Hempel alsbald s c h Verfahren der Luftanalyse, indem er das metallische Calcium zur Aufnahrne des Stickstof€s dienstbar macbte und einen Apparat konstruierte, in welchem die zur Snalyse einer Luftprobe (von dem hierfur iibiichen Betrage von 100 ccm) erforder- lichen kleinen Calciummengen durch elektrische Erhitzung auf die zur Stickstoffbindung giinstige Ternperatur der beginnenden WeiSglut gebracht werden, und der im wesentlichen aus Argon be- stchende Gasrest in eineni P 1 iick e r schen Kohr spektralanalykisch untersucht werden kann. Auch das fur das Studium elektrolyti- scher Oxydations - und Redukfiansvwglnge sowie der Alkali- chlorid-Elektrolyse sehr wichtig - gewordene Verfahren des Ver- gleiches von Menge und Zusammensebung der aus einer Zersetzungszelle und gleichzeitig aus einem Knallgas Coulo- meter entweichenden Gase stammt von Hempel und ist in seinem Laboratorium zuerst von Fogh ZUM Studium der Elektrodenvorghge bei der Alkalichlorid-Elektrolyse angewandt worden; Hempels Schuler F. Oe t t e l hat spater das Verfahren selbstandig weiter ausgestaitei und ihm die heute meist ge- brauchte Gestalt gegeben. Die Zugiinglichkeit grZIBerer Xengen flussiger Luft ermbglichte es Hempel, fur die Bestimmung leich- ter verdichtbarer Gaw ein Verfahren auseuatbeiten, bei wel- chem diese aach bei geringem Partialdruck mit gewissen Teilen der begleitenden fli.icbtigeren Gase verfliissigt und d a m nach die- ser Anreicherung genau ermittelt werden k8nnen. Zusammen mit 0. H e y m a n n wandte Hempel dieses Verhhren dsbald an, urn festzustellen, wieviel Stickoxydul in den Abgasen der Bleikammern entweieht; es zeigte sich, daB bei normalem Kammergange seine Menge nur einen kleinen Teil der bekannten, ja immerhin ge- ringfiigigen Stickstoffverluste des Kammerverfahrens bedingt.

WBhrend B u n se n seine Gasanalysen nur uber Quecksilber als Sperrflussigkeit und mit trockenen Absorptionsmitteln aus- fiihrte, verlangt die Benutzung der Gasanalyse in der Technik die Anwendung von Wasser als Speyrflussigkeit und von gelosten Absorptionsmitteln. Fiir teebnische Zwecke lassen sich die hier- bei durch die Loslichkeit der Gase in Wasser bedingten Fehler

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irn allgemeinen auf zii vernachlassigende Betriige einschranken. Hempel war aber von vornherein bemuht, seinen Srbeitsweisen auch solche Gestalt zu geben, daO sie von diesen Fehlern ganz frei blieben, sie also auch Zuni Arbeiten iiber Quecksilber auszu- gestalten, Schon in seiner Habilitationsschrift beschreibt er ein Verfahren, das ihm erlaubt, Quecksilber als Sperrflussigkeit nicht nur fur das Bidfangen und Messen dcr ( h e , sondern aucll in der Gaspipette zu verwenden, und so seiner Arbeitsweise auch den fur hohe wissenschaftliche Anforderungen geniigenden Ge- nauigkeitsgrad zu erteilen. Da auch fur zahlreiche 1,aboratoriurns- arbeiten der Genauigkeitsgrad der ,,technischen" Gasanalyse ge- niigt, und bei Hem pels ,,exakter" Gasanalyse gerade die groBe Einfachheit in der Handhabung zum Teil verloren geht, so ver- steht man es, wenn diese sich bei den Chemikern weniger all- gemein eingebiirgert hat als jene.

Die Anwendung seiner Gasanalyse fur die Untersuchung der niannigfachsten Feuernngsanlagen brachte Hempel eine groBe Summe von Erfahrungen uber die Art, %ie die bei der Einrich- tung von Feuerungen zu befolgenden Grundslitze mi besten ver- wirklicht werden, und welche der vielen altiiberkoinnienen MaD- nahmen unmittelbar oder mittelbar diesen Grundsatzen zuwider laufen. Unermiidlich trat er fur Abstellung solcher MiGbrauche ein und fur alle ZII sparsamer Verwertung unserer Brennstoffe urid zu niiiglichster Verhinderunp der Raucbhellstigung fiihren- den Wege Dabei versaunite er nicht, das fur die GroBfeuerun- gen der Teclinik :iIs richtig Gefundene auch auf 'den Betrieb der Hausfeuerungeri zii iihertragen urid mit Wort und Beispiel auch auf diesern Gebiet besscrnd und fiirdernd einzugreifen.

Von grd3cr Bedeutunp war cs da, daD er aueh die Uestim- mung des B e r h r r n n u n g s w e r t e s d e r H e i z s t o f f e sehr er- leichterte und vereinfachte durch die Ausgestaltung seiner calori- nietrischen Bornbe. In ihrer Grundeinrichtung die von Rer - 1 h e 1 o t konjtruierte Verbrennungsbombe, vermeidet sie die An- wcndung des kostbaren Platins und ist ganz aus Flufieisen herge- slclll, das durch Erhitzen mit Wasserdampf oherflachlich mit einer diinnen, aber doch sehr dichten Schutzschicht von Eisen- oxyduloxyd uberzogen ist, nach ihrem Anschaffungspreise der billigste, nach ihrer Einzeleinrichtung und Anwendungsart der ein- fachsle, gem benutzte Apparat zur Heizwert-Bestimmung fester Hrrnnstoffe. Um diese in die dam erforderliche Brikettform zu hriogen, konstruierte Hempel eine PreDvorrichtung, init deren I-IiLfe das Brikett gleich mit einern als Zundschnur dienenden Faden ver- c ini p t wird.

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Aush fur die Heizwert-Bestimmung von Gasen hat er eine einfache Anordnung ausgearheitet, die - im Gegensatz zu den hente diesern Zweck meist dienenden Me0vorrichtungen - es gestattet, auch niit kleineren Gasmengen zu befriedigenden EFgeb- nissen zu kommen.

Zeitlebens hat Hempel auch den schgdigenden Wirkungen der Industriegase u d der Beka rnpfung d e r von diesen =ran- lal3ten R a u c h s c h a d en voilste Auherkswkei t gewidmet, SO daR auch auf diesem Gebiete, ebenso wie auf dem der Beseitigung d r r I~aacliplage, sein sschverstiIndiger Rat gern gesncht wurde. In seinen letzten 3ahren waren die VOP einer bei Schneeberg ge- bgenen Ziegelei veranlabten Rauchscklden, denen bereits C l. W i n 1; 1 e r entgegenzutreten bemiiht gewesen war, auf Veranlw- sung der siichsischen Regierung Gegenstand einer Reihe von Ver suchen, welche Hempe l , C. S c h i f f n e r und H. W i s l i c e n u s dort ausfiihrten, und durch die sie nicht nur zu einer befriedigenden Beseitigung der Raucbschtiden im vorliegenden Falle gelangten, sondern iiberhaupt allgemein die Mafinahmen ffir die technische Absorption der in kleinen Konzentrationen auftretenden und Rauch- schaden verorsachenden Gase klarstellten.

?Vie auf diesen groDen Gebieten so war Hempel auch auf xahlreichen .E i n z e 1 g e b i e t e n de r t e c h n i s c h e n C hem i e be- muht, die von der Technik. oft nur empirisch gehdenen *4r- beitsweisen wissenschafttieh zu durchdringen. Oft waren es auch hier Aufgaben, fiir deren Durchforschung die Gasanalyse ein wich- tigab Hilfsmittel bildet.

Durch Versuche in sehr grohm Laboratmidmsmal3stabe legte er die- Griinde klar, welche die Technik dazu notigen, das 2 i n k riicht im Schachtofen, also bei unmittelbarer Berubrung des Re- aktionsgutes mit dem Heizstoffe, sondern in der von au0en zu hei- zenden Muffel darzustellen. Er erkannte, da13 der verhaltnismaBig hohe Dampfdruck, den das Zink schon bei seinem Schmeizpunkte besitzt, es verbietet, diesen Danpf mi€ grol3en Mengen von Heiz- gxseri zii verdiinnen, wenn daraus g6schrndizenes Zink und nicht lediglich Zinkstaub sich niederschlagen 9011.

Gerade diese Fragen aus Einzelgebieten der technischen Che- uric w a r m es, die Hempel vorwiegend gemeinsam mit seinen Schiilerii bewbeitete, wobei er selbst die Anleitung zur Herstel. hung der dpparatur gewdhnlich in alien Einaelheiten gab. Sein Grundfjatz. jeden zerbrochenen, aber noch irgendwie brauchbar srscheinenden Apparat oder Apparittenteil aufzuheben, zeigte hier oft seine grofh Niitzlichkeit. >lit Bewunderimg sahen da seine Schiiler, aus den aus der ,,Schatzkamrner hervorkonirnenden,

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svheinbar wertlosen Resten friiherer Apparate unter den geschick- ten Hiinden des Meisters dic V ersuchsanordnungen oder wenig- stens deren Vorbilder entstehen, rnit denen sie ihre Untersuchun- gen durchfiihrten.

Zu diesen Arbeiten gehiirt die schone, init K. MiiI ler dnrch- gefuhrte Untersuehung iiber die ti e w i n 11 u ng d e s P h o s p h o r s ,. durch wclche zuin ersten Male eiii klarer Einblick in die Be- dingungeri der fruher inil tiefeni Geheininis umgebenen techni- schen Phosphor-l)arstellurig, insbesondere uber die dazu erforder- lichen Ternperaturen; den Chelnikern erschlossen \\i urde. Ferner- waren die yiel umstrittenen 'Vorgiinge bei der S c h w e f e 1 s a u r e - B i l d u n g i n d e r B l e i k a m m e r Gegenstand wertvoller Arbeiten niit 0. H e y m a n n , J. R i c h t e r , G. H e r i n g . Mit F. L i e r g . tvurde die Natur des Ve r k o k u n g s v o r g a n g e s studiert, zusam- men mit H. Ted e s c o if) wurde wichtiges Beobachtungsinaterial Uber die fur die X in 1x1 o n i a B - s o d a G e w i n 11 u n g grundlcgende Umsetzung zwischen Anirnoniuiiibicarboiiat uncl Chlornatrium und iiber die dabei uiiter wcchseln'den Temperitur- un'd Konzen'trations- bedingungen zu erzielenden Ausbeuten an Natriurnbicarbonat bei-- gebracht .

Auch darf nicht vergessen werden, da8 von lienipel aus dem Jahr 1889 die erstc wissenschaftliche Veroffeiitlichunq dariiber berrjihrt, daB nian die E l e k t r o l y s e v o n C h l o r n a t r i u n i - L ii s u n g e n zur praktischen Darstellung von Alkali uiid Chloi- verwerten kann; er benutzte ein Asbest-Diaphragma und brachte das Alkali durch Einleiten von Kohlensaure in den Kathodenraum a1s krystallisierte Soda zur Ausscheidung. Mit hohein Interesse wurde danials der Bericht 'iiber diese Mitteilung in der Sitznng cler Deutschen Chernischen Gesellschaft aufgenomnien.

Seine eingehende Beschaftigung niit den Verbrennungsvor- gangeiz- fiihrte Henipel auch dam, der sachgeniaDen Verwertung. der Verbrennungswarnie des Leuchtgases zur I3 r.z i e 1.u n g ni ii g - 1 i c h s t h o h e r Tern p e r a t u I. e n im Lsboratoriuni seine Xuf - ~iierksainkeit zuzuwenden. Der- H e m p e 1 s c h e 0 f e n , der es er- laubt, mit den1 einfachen B u n s e n Brenrier zu Temperatureii LII

gelangen, die anders nur mit der Gebliiseflamme erreicht werden,. fehlt heute wohl in keinern Laboratorium.

duch der Herstellung mijglichst einfacher, elektiischer LR- boratoriumsofen mit Kohlewiderstanden hat Hempel vie1 Miihe urid Zeit gewidmet and seine hierbei gesarriinelten Erfahrungen ixi einer Abhandlung veroffentlicht, die den auf diesem Gebiete Arbeitenden viele wertvolle Winke zu geben vermag. &lit Hilfe eines diesem Zwecke angepaaten elektrischen Widerstandsofens

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hat Hempel zuerst die Schuielzpunkte einer Reihe sehr hoch schmelzender Stoffe annghernd bestimmt. Die genauere Ermitt- Lung wurde spater rnit sehr vie1 griiBeren Mitteln von Ruff durch- gefiihrt.

Zu grob angenaherter Bestimmung hoher Temperaturen be nutzte er die Tatsache, daR mit steigender Temperatur eine gliihende Flache imnier mehr der stiirker brechbaren Strahlen aussendet, ihr sichtbares Spektrum also immer mehr sich nach dem Violett verlangert. 1st ein mit, einer Skala versehenes Spek- troskop fur das Auge eines Beobaehters auf bekannte Tempera- turen einmal eingestellt, so hat dieser ein sehr einfaches .Mittel, um durch einen einzigen Blick in einen auf hoher Temperatur belindlicben Ofen annahernd diese Temperatur festzustellen und den Grad ihrer GleichmaDigkeit an verschiedenen Stellen dea Ofens zu beurteilen. Wenngleich dieses Verfahren durch die neue- ren Strahlungsmesser weit iiberholt ist, 50 kennzeichnet es doc6 Hempels Srbeitsart, auch schwieripn Fragen mit einfachen Mit- teln nlherzutreten.

Wie dem chemischen Arbeiten bei hohen Temperaturen, So wandte Hempel auch vielfach den unter erhohtem Drwk verlaufen- den Vorgangen seine Aufmerksalllkeit EU. In einem eisernen, in- nen rnit P€atin iiberzogenen, kleinen Autoklaven wurde zumal das Ergebnis tron Verbrennungsmorgttngt?n unter gesteigertem Sauer- stoffdruck untersucht. Unter den hierfiber veroffentlichten Erfah- rungen interessiert insbesondere die Tatsache, da3 der S c h w e - f e I in komprimierten Sauerstoff in erheblichem Mabe, bei Po- 50 Atm. z. B. etwa zur Kiilfte, zu S c h w e f e l s a u r e - A n h y - d r i d verbrannt werden kapn.

Nur selten und dann meist im Zusammenhange rnit anderen groBeren Fragen hat sich Hempel rnit priiparativen Aufgaben beschaftigt. So war es der Wunsch, uber das Auftreten des S c h w e f e 1 w a s s e r s t o f f s in vulkanischen Gesteinen oder sein Freiwerden aus den Schlacken gewisser Hlittanprozesse Aufkla- rung zu erlangen, welcher die init H. v o n H a a s y ausgefuhrte Arbeit iiber die DarsteIlung von S i 1 i c i urn, Siliciumsulfid, Sili- ciumchlorid und von Sulfo-silicaten veranlagte.

Aus dem Streben nach rnaglichst vollkommenem Vertraut- sein mit allen bei gewuhdicher Temperatur gasformigen Ver- bindungen entstand die Untersnchung rnit G. Weber uber die Darstellung von S e l e n - und van T e € l u r w a s s e r s t o f f , wohi besonders das elektrolytische Ver-fabren zur Gewinnung des letz - teren Gases sehr verbessert wurde.

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Von groBem Wert war Hempels Bestiinmung des A tom - g e w i c h t s d e s K o b a l t s , fur welche er in H. T h i e l e einen ausgezeichneten Mitarbeiter fand. Sie entschied einerseits fiir die damals (1895.) in Zweifel gezogcne Einheitlichkeit des ICobalts ; andererseits lieferte sie einen Wert fur dessen Atomgewicht h8,91 (0 = 16,00), welcher dem houte gultigen 58,97 sehr nahe liegt und bestatigte, da8 die Stellung des Kobalts gegenuber dem Nickel im periodischen System mit der Lage ihrer Atomgewichte nicht iibereinstimmt.

Die analytische Chemie hat Hempel - auBer durch seine Gasanalyse - durch sein wertvolles Verfahren zur B e s t i m -

3~ u n g d e r S u 1 f a t e i m Wa s s e r (seine Erstlingsarbeit), durch den Hinweis auf die groBe Bedeutung des N a t r i u m s u p e r - ox y d s als AufschlieBmittel sehwer aufschlieRbarer Stoffe, wie Chrom-eisenstein, Titan-eisenstein, und manches andere bereichert. An Apparaten fur analytische Operationen verdanken wir ihm - neben seinem schon erwahnten Gluhofen - u. a. eine Abdampf- einrichtung, bei welcher Flussigkeiten in Platintiegeln mit freier Flamme sehr rnsch und ohne Gefahr des StoRens abgedampft werden, indem das Erhitzen von oben her geschieht.

Hempels Bestreben, alle ihm entgegentretenden Erscheinun- gen des Alltagslebens, die zur Chemie Beziehungen hatten, wis- senschaftlich zu durchdringen, fuhrte ihn mehrfach auf Fragen der Ernahrung. Eingehend hat ihn die K o n s e r v i e r u n g v o n N a h r u n g s m i t t e 1 n beschutigt, insbesondere die Frage der Ge- winnung haltbarer Mi l c h. Eine groBe Reihe von Untersuchun- gen, welche seine medizinisehen Freunde, Prof. J u 1 i u s L e h - m a n n und Dr. Wal t e r H e s s e , an den ihnen von Heinpel in seinem Laboratorium eingeraumten Arbeitsstatten uber die Milch ausgefuhrt haben, hatten Hempel tieferen Einblick auch in die Einzelheiten dieser Frage, zumal im Hinblick auf die Sauglings- ernahrung, verschafft. Auf dem mit dem Familienbesitz in P-uls- nitz zusammenhangenden Gute Ohorn ist Hempel an die Aufgabe herangetreten, durch Anwendung BuDerster Sauberkeit beim Mel- ken der Kuh eine Milch zu gewinnen, welche die Keimfreiheit, die sie im Euter der gesunden Kuh besitzt, auch auoerhalb des- selben nahezu beibehalt, so da8 sie ohne jedes spatere Erhitzen, welches stets die feinsten, fur die Ausnutzung der Milch im Sauglingsorganismus besonders wichtigen Enzyme zerstoren muB, iiber Tage, womoglich uber Wochen hinaus einwandfrei bleibt. Es bedurfte seiner ganzen Energie und Ausdauer, urn die diesel1 Bestrebungen entgegentretenden Hemninisse zu uberwinden, und in mehrfacher Hinsicht seines konstruktivcn Scharfsinnes, urn

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Aufbewahrungs-, Beforderungs- und Entnahme-Einrichtungen fiir die Milch so zii gestaltea, daD die bei der Gewinnung errekhte Keimarmut auch erhalten blieb. Diese ,,Ohorn-Milch" wurde bis in die ersten Kriegsjahre in Dresden verkauft und auch viel nach auswarts versandt.

In das Gebiet der J$rn&hrungsfragen gehort much der nach- driickliche Hinweis Bempels darauf, wie wichtig es ist, das menwhliche Tr f n k w a s s e r ni&t ausA den an Safiea armen Ober- fliichenwassern zu eatneben, sondefn tunlickst durch Tiefboh- rungen zu gewinnen, urn Gn Wasser, das aus vieien Erdschichten SaIze moglichst vieler chemisehen Elemente aufgenomrnen 'hat, dem Organismus zuz$iihren.

Auch geologische Fragen haban Hempel oft beschaftigt, ins- besondere - in Anfehnung an seine Untersuchungen iiher die dem Erdboden entstromenden Gase - solche iiber den Ursprung der K o h 1 e n s a u r e in den tieferen Schiehten der Erdkruste. Noch in seiner letzten Zeit untersuehte er die Gase, die er bei seinem Badeaufenthalt in Nauheirn den dortigen Quellen entnom- men hatte. Er fand si es&.%ch aus KahIendioxyd liestehend und vor allem vollig von Methan, dessen Gegenwart auf einen etwa auf Sumpfgas-Gtirung beruhenden Ursgrung hatte schlieben, lassen.

Sein groDer Wunsch war, es, Proben der Gase zu gewin- nen, die den Bratem tgtiger Vulkane entsteigen, Um die Ver- wirklichung dieses Gedankens zu -veisuchen, unternahrn Henipel im Herbste 1913 mit seiaem Sobne E b e r h a r d und seinem Schiiler R. Z iinc ke l eine Reise nach den Liparischen Inseln und bestieg, mit mannigfachem Gerat versehen, das er sich in der Heimat fiir seine. Zwecke hqgwtellt hatte, den Stromboli. Ein Ungliicksfall eines Tragerg st9rzte aber das ganze Gerat in den Krater, noeh ehe er selbst an diesem Lanlangte und sich iiberzeugte, daS die Gewalt des dauernd vom Stromboli be- tiatigten Ansbruches viel zlt groB war, als daD Menschen zwecks Benutzung feinerer Apparate iiber. dem Krater diesem geniigend nahe kommen konnten. Immerhin regten diese Erfahrun, oen zu neuen Vorschlagen an, um Gase aus weniger energisch tatipn Vulkanen, wie dem Veauv, zu gewinnen. Greifbare wissenschaft- liche Erfolge aber zeitigte diese Keise dadurch, daS sie Hempel zu Versuchen mit R. Zi inckel anfegte uber die Einwirkung hoch erhitzten, gespannten Dampfers auf Silicste. Sie zeigten die Art, in welcher aus der Lava O b s i d i a n und B i m s s t e i n entstehen, und €iihrten zu einem Verfahren der kiiastlichen Darstellung bei-

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der Gesteinsarten. Von ihnen konnte nach seinem Vorschlage der Bimsstein, in geniigender Menge billig erzeugt, durch seine ge- ringe chemische Angreifbarkeit, sein kleines Volumengewicht und seine hohe Porositat sicherlich ein zweckmafiiges Fullinakerial fur Saure-Absorptionstiirme abgeben

Hempels wissenschaftliche Verijffentlichungen, von clenen hier nur die wichtigsten angedeutet sindl) , liegen also auE sehr ver- schiedenen Gebieten und sind denientsprechend in mannigfachen Zeitschriften zerstreut. Alle sind durch eine sehr knappe, zugleich aber aul3erordentlich klare Ausdrucksweise ausgezeichnet.

Sehr kennzeichnend fur Hem pels Forschernatur ist es, dal3 init seinen Verdfentlichungen der Uinfang seiner wissenschaft- lichen Arbeit bei weitem nicht erschiipft ist. Zahlreich und man riigfach waren die Fragen, init denen chemisclie Fabriken sich an ihn wandten, oder die einer oder der andere Arzt auf chemischein Gcbiete an ihn stcllte. Mit gro13er Rereitwilligkeit griff Hempel werlvolle Anregungen dieser Aut auf und wurde, auch wenn sich laiigwierige und muhevolle ITntersuchungen daraus entwickelten, nicht miide, bis er zn einer hefriedigcnden Liisung der A ufgabe gelangt war

Auch wenn von anderen Forscliern neue wichtige Gehiete crschlossen ware+ lie13 er es sich nicht verdrieDen, zumal wenn cs .sich dabei uni das Verhalten der Gase handelte, aus eigener h w h a u u n g auch hier Erfahrungen zu sammeln. -41s das L i n d e sche Verfahren der Imftverflussigung bekannt wurde, war Heni- pol selbst schon langere Zeit mit Arbeiten zur E r z e u g u n J" t i e f e r T e in p e r a t u r e n , insbesondere mit der Bereitung griil3erer Men- gen fliissigen Athylens hierfiir, beschaftigt. Es kennzeichnet ihn, dab er nun nicht etwa eine L i n d e sche Maschine kaufte, sondern \iclmehr sich selbst Apparate baute. in denen das L i n d e sche Prinzip zur Anwendung kani, und durch die es ihrn nach inancher Miihe gelang, mit den vorhandenen niaschinellen Rlitteln seines Laboratoriums die Lrrftverfluwigung in seiner Vmlesung vorzu fuhren. Das Streben, die fur die konstruktive Durchbildung der Apparatur zur Luftverfliissigung maagebenden Einzelheiten beim Vorgange der Kondensation dcr Luft aus eigenen Erfahrungen liennen und uberwinden zu lernen, und so zu vollster Beherr- schung des Apparates zu gelangen, leitete ihn hierbei und lie6

l) Ein vollstiindiges Verzeichnis aller wissenschaftlichen Veroffentlichungen H e m p e l s findet sich in den Becichten der Konigl. Siichs. Ges. d. Wissensch. zu Leipzig, math.-phys. IC1. 69, 580ff. [1917].

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ihn keine BIiihe wid keinen Zeitverlust sclieeuen. Der Offentlich keit ha4 er von den bei diesen Ar%eiten gesammelten Erfahrun- gen nur eine vergleichende Bestimmung der Wkme-Isolations flhigkeit 1-erschiedener Warme-Schutzmittel iibergeben.

rlnerkennunq fur seine wissenschaftlichen Leistungen ist Hem- pel in inannigfacher Form zuteil geworden. Besondere Freude ge- wghrle es ihni, dalj die medizinische Fakultiit der Universitat Leipzig ihn 1897 zu ihrem Ehrendoktor und die Technische Hochschule Karlsruhe ihn 1912 zum Roktor-Ingenieur ehrenhalber ernannte Die Deutsche Chemische Gesellschaft wahlte ihn 1912 zu ihrern Vizepriisidenten; dem Vorstand des Vereins Deutscher Cheitiiker gehorte er seit 1908, a h stellvertretender Vorsitzeiider seit 1916 an Die Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Brzte nahni ihn 1913 als Prasidenten ihrer Versammlung fur 1916 in Aussicht

Bei allen seinen wissenschaftlichen Erfolgen und ihrer auDe Fen knerkennung bewahrte. Hempel stets eine tiefe Bescheiden- heil Die fiir manchen Naturforscher g6fflihrliche Uberhebung des Wissens blieb ihni vollig fremd. In Ehafurcht stand ei. der All gewalt der Natur gegeriiiber und blieb sich bewufit, wie wenig von ihren groReii Geheimnissen menschlicher Scharfsirin bisher zu entriitseln vermocxt hat.

Mit feuriger Begeisterung liebte er seine Wissenschaft und freule sich jeden bedeutsamen Fortschritts, stets beniiiht, sich in neu erschlossene Gebiete bald .experimentell einzuarbeiten; auch m i t zunehrnendem Alter bewahrte er seine frische Aufnahme- fjhigkeii C erhielt er sich auch gegen lnanche Neuerscheinungen ‘der cheniischen Theorie anfangs zuriickhaltend, so erwarmte er sich doch sofort fur sie, sobald er sich uberzeugt hatte, da5 sie wert \rolle Fortschritte . zu vermitteln vermochten.

Seine Ehrfurcht vor der Natur verband sich niit groDer Liebe zu ihr, die besonders in seiner starken Wanderlust hervor- trat. Es war ein hoher GenuB, ihn auf seinen sonrrtaglic4en Wan- ‘derungen durch die landschaftlichen Schijnheiten seiner Heiniat begleiten zu durfen, in der er Weg und Steg kannte wie wenige; feine Fiille von Kenntnissen und eigenen Gedanken iiber die ver- schiedensten Naturerscheinungen offenbarte er bei solchen ilus- Elugen. Schonste Erholung war es fiir ihn, die gewaltigen Ein- drucke der Natur des Hochgebirges auf sich wirken zu lassen; gar nianchen Gipfel, zumal der osterreichischen Alpen, wie den GroBglockner, hat er erstiegen.

So groB auch Hempels Begeisterung fiir die Natur und ihre wissenschaftliche ErforsEhung war unx es bis in seine letzten

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Lebenstage blieb, beste Teil seiner a k a d e m i s c h e r

so gehorte doch, wie cr es oft bekannte, der Kraft seinen Studenten: er war i n erster 1,inie L e h re r .

Wer Hempels ganze Personlichkeit kennen lernen wollte, .muate ihn im Laboratorium unter seinen Studenten sehen, wie er, gleich seineni Lehrmeister B u n s e n , von morgens bis abends fur jeden zu sprechen, seine wissenschaftliche Begeisternng auf seine Schuler zu iibertragen wuDte, jeden fur seine jeweilige Aufgabe zu ent- flarnmen, ihm uber Schwierigkeiten hinwegzdhelfen, ihn bei M i R - crfolgen aufzumuntern wuDte. Der giitige Blick seines strahlenden blauen-Auges, die schlichte und herzliche Art, in der er mit den Studenten umging, sein nie versagender, kerniger Humor geu an nen ihm die Herzen der akademischen Jngend, die voll Ver rhrung und Vertrauen an ihm hing.

Seine U n t e r r i c h t s w e i s e i m L a b o r a t o r i u m war durcliaus individuell. Jeden seiner Schuler hatte er schnell nach seiner Ei- genart erkannt; war auch der linterricht im Laboratorium irn we- seiitlichen festgelegt, so wul3te er ihn doch fur den Einzelnen so zu gestalten, wie dieser am schnellsten und sichersteii geftirdert werden konnte. Wenn er jemand an einer Sufgabe allzu lange sich abmiihen sah, gab er ihm zunachst eine ganz andersartige, l,eichtere, deren glattes Gelingen das Selbstvertrauen wieder hob, so da8 dann das fruher vergeblich Erstrebte auf einmal fast inuhelos gelang. Immer leitete er die Studierenden an, init ein fachsten Mitteln auf sparsamste Weise sich selbst zu helfen, selbstandig auch iiber die physikalischen und mechanischen Be- dingungen ihres Arbeitens nachzudenken und danach die experi- mentellen Vorkehrungen einzurichten.

In den Vor l e sungen i iber E x p e r i i n e n t a l c h e i n i e , die im Sommersemester taglich stattfanden, und die er in Iruher, ja friihe- sier Morgenstunde mit einem Assistenten und einem Diener per- siinlich vorbereitete, gab Hempel, auch hier getreu dem Vorbilde B 11 n Y e n s , einen v o 1 1 s t B n d i g e n Uberblick uber die anorganische Chemie Hier trat auch seine Experimentierkunst in helles Licht. Dadurch und indem er vor allem die groDen Ziige der chemischen Erkenntnis hervorhob und daneben keine Gelegenheit voruber- gehen lie8, bei der er auch die yvichtigsten Nutzanwendungen der Chemie auf die Vorgange in der Technik wie im Blltagsleben erlautern konnte, wuDte er auch die Nichtchemiker so zu fes- seln, daS diese sich noch in spaterer Zeit mit Freude der Hem- pelschen Vorlesungen erinnerten.

Besonders reizvoll waren Hempels t e c h n i s c h e Vo r 1 e s u n - gen , die er im Wintersemester abhielt. In seltener Weise verstand

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e r es, die technischen Probleme auch in ihren Einzelheiten klar herauszuschalen und die nach Zeit und wirtschaftlichen Umstan- den wechselnden, zu ihrer Losung eingeschlagenen Wege ihrem Wesen nach zu schildern und kritisch zu beleuchten. In der Hauptsache war es SeIbstgeschautes und Selbsterlebtes, zum Teil Miterarbeitetes, was er hier vortrug, und womit er den nach- haltigsten EinfluB auf seine Schuler ausiibte. Gar mancher von ihnen hat spater schBne Erfolge in der Technik erreicht, dann aber gern betont, wie vieles er dafiir aus den Hempelschen Vor- lesungen rnitgenommen hatte.

Hempel hatfe 'ungemein vie1 von der chemischen Technik gesehen. Schon bevor er seine Professur fiir technische Chemie antrat, unternahm er eine wochenlange Reise durch die deutschen und osterreichischen Industriezentren. In den beiden folgenden Jahren hat er diem Reise wiederhott und erweitert. Fast keine akademischen Ferien vergingen, ohne daS er, oft im AnschluB an Erholungsreisen, langere Zeit den Besuchen chemischer Fabri - ken widmete. Mit seiner bezwingenden Liebenswiirdigkeit wuDte er hier nianche Tur sich zu offnen, die allzu angstlich um ihre Geheimnisse besorgte Fabrikleiter lieber geschlossen zu halten gewiinscht hatten. Mehrmals ging er nach England, und in den Vereinigten Staaten, wo er zum Besuch der Verwandten seiner Gattin fiinfmal seine groBen Ferien zubrachte, hat er jedesmal diese Zeit stets auch zum Besuche metallurgischer una chemischer Werke benutzt. Der hieraus gewonnene Vergleich des heimischen mit dem amerikanischen technischen Arbeiten war in Ilempels VoPlesungen besonders lehrreich.

ung von Fabriken f i r den technischen Unterricht leitete er auch alljiihrlich zusammen mit seinen Abteilungskollegen grodere Ex- kursionen mit den Studierenden in technische Betriebe. Gewohn- lich umfaBten diese Besichtigungsfahrten 3-4 Tage; alle 4-5 3ahre aber wurden 8-10 - tPgige Exkursionen abwechselnd nach dem oberschlesischen oder in die rheinischen Industriebezirke unternommen. Hempel war stets die Seele dieser rnanchnial recht umfangreichen Unternehmungen; % a m genug Stunden konnte ihm dann der Tag bieten. In friihester Morgenstunde wurde aufge- brochen, und nicht selten waren wir 20 Stunden spater noch auf den Beinen, und Hempel war bis zuletzt stets einer der Frische! sten dabei. In den Fabrilien war er unermiidlich, Fragende zu be- lehren und von den Technikern selbst zu lernen. Wer solche EX- kursionen rnit ihm mitgemacht hat, der hatte beste Gelegenheit,

In der Erkenntnis des groDen Wertes unmittelbarer Anschau- ,

Berichte d. D. Chem. Gesellsehaft. Jahrg.UI1. A 13

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seine heitere, bezwingende Personlichkeit auf sich wirken zu lassen. Hierbei lie13 er keine Gelegenheit vorubergehen, den Stu- denten auch den GenuB von Naturschonheiten oder von Denk- malern der Kunst zu verschaffen; er sorgte dafur, daB stets reich- liche Zeit auch fur solche Besichtigungen zur Verfugung Stand. Mancher Studierende hat im Laufe solcher Exkursionen und den daran sich oft anschliefienden Ausflugen ein scbones Stuck des Vaterlandes kbnnen gelernt und frohen Herzens genossen.

So hat Hempel Hunderte von jungen Chemikern herange- bildet, die zeitlebens begeistert ihres begeisternden Lehrers gedacht haben und gedenken. Ehenso wie ,durch sein wissen- schaftliches Arbeiten ist Hempel auch durch sein Lehren einer Qer Marqer geworden, die von den Technischen Hochschulen itus die Bliite der deutschen chemischen Industrie vorbereiteten und ihre Entfaltung fordern halfen.

Auch an die Qteren Fachgenossen, zumal an die in der Technik stehenden, hat Hempel sich gern mit lebendigem Worte belehrend gewendet. Tiefen Eindruck erzielte er stets, wenn e r aus seiner umfassenden und eindringenden Kenntnis der chemischen Industrie heraus in seiner gdstvollen und doch iiberaus an- spruchslosen Art weitumfassend und vergleichend groBere Ge- biete der Technik in ihrem Fortschreiten uberschaute und dabei Ausblicke fur die Entwickelung auf anderen Gebieten gewann oder dazu anregte, die in e i n e m Teile der Technik gewonnenen Erfahrungen auch in anderen, scheinbar ganz ferdiegenden an- zuwenden. In wie grofiziigiger Weise er sich solchen dufgaben zu unterziehen wuDte, dafur legen die wenigen derartigen Vor- Irage, die im Druck erschienen sind, Zeugnis ab, insbesondere die beiden Vortrage, die er in seinen letzten Jahren auf Hauptver- sammlungen des Vereins Deutscher Chemiker hielt: der 1912 in Freiburg i. B. zur Feier des 26-jahrigen Bestehens dieses Vereins gehaltene Festvortrag uber ,,AlIgemeine Gesichtspunkte der che- mischen Technik" und sein letzter Vortrag 1916 in Leipzig uber ,,Die Technik der Absorption der Gase", den er freilich nicht mehr personlich halten konnte, da der tags zuvor eingetretene, den Ernst seines Herzleidens offenbarende Ohnmachtsanfall ihn daran verhinderte.

Die Schilderung von Hempels Tatigkeit als akademischer Lehrer ware unvollstandig, wiirde nicht auch der groBen Bedeu- tung seiner Einwirkung auf die ganze O r g a n i s a t i o n d e s c h e - m i s c h e n U n t e r r i c h t s a n d e n T e c h n i s c h e n H o c h s c h u l e n gedacht. Diese hat sich aus der der Universitaten entwickelt derart, daD zunachst einem Lehrstuhl fur die gesamte reine

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Chemie, wie er hier ublich ist, ein Lehrstuhl fur die gesamte chemische Technologie hinzugefugt wurde ; nur ausnahmsweise wurden statt des ersteren deren zwei errichtet: einer fur die reine anorganische und einer fur die reine organische Chemie; die che- mische Technologie biieb auch dann ein eigenes, gesondertes Lehrb gebiet.

Auch an der Dresdener Technischen Hochschule bestand diese Arbeitsteilung, als Hempel seine Lehrtatigkeit begann. Wie schon er- wahnt, umfafite diese anfangs die ganze chemische Technologie. Hierbei gelangte er aber zu der Oberaeugung, daR es unmoglich ist, fur alle so verschiedenartigen Teile dieses gewd tigen Gebietes, W i e beispielsweise die rrietallurgischen Verfahren, die Garungsgewerbe, die Teerfarben Erzeugung, die gleiche Sachkunde und theoretische Vertiefung zu erwerben und dauernd mit den wesentlichen Fort- schritten aus eigener Anschauu>g, wie es unbedingt erforderlich ist, in enger Fuhlung zu bleiben.

Dadurch wurde er, als der Lehrstuhl fur die gesamte Ex- perimentaIchemie frei wurde, dazu gefuhrt, in Gemeinschaft rnit seinem, die Oberzeugungen Hempels voll teilenden Mitarbeiter E r n s t von Meyer , den Unterricht an der Chemischen Ab- teilung der Dresdener Technischen Hochschule auf verandertec Grundlage neu zu organisieren.

Jeder Hauptzweig der wissenschaftlichen und experimentel- Bn Chemie erhielt danach eine besondere Professur rnit eigenem, selbstandigem Laboratorium, und jeder dieser Professwen wur- den auch die Vortrage uber die teehnisehen Anwendungsgebiete des ihr zugehorigen Teiles der reinen Chemie iiberwiesen. So wurdc damals (1893) in Dresden das gesamte chemische Lehr- gebiet zwischen einer Professur fur anorganische Chemie und an- organisch-chemische Technologie einerseits und einer solchen fur organische Chemie und organisch-chemische Technologie anderer - seits geteilt. Einer besonileren Professur 'fiir chemische Techno. logie bedurfte es dann nicht mehr. In folgerichtiger Ausgestaltung dieser Organisation kam sehr bald hierzu noch eine dem dritten Hauptgebiete der Chemie gewidmete Professur fur physikalische 'Chemie und fur theoretische und angewandte Elektrochemie. Diese allgemeine Organisation wird ergkzt durch einige ordentliche und auBerordentliche Professuren, denen solche Gebiete, die eine Sonderbehandlung erwunscht machen, wie z. B. Farbenchemie, Nah- rungsmithlchemie, Technologie der Silicate, zugewiesen sind.

Dem Dresdener Beispiele sind im Laufe 3er Zeit bereits mehrere technische Hochschulen gefolgt, wahrend an anderen die

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alte Organisation noch mehr oder weniger unverandert beibehal- ten wird.

Bei der Schaffung dieser Organisation des chemischen Unter- richts waren aufier dem schon erwahnten Grunde fur Hempel vor allem die Gesichtspunkte bestimmend, daD einerseits die gegen- seitige Durchdringung und Befruchtung der Erfahrungsschatze der theoretischen und der angewandten Chemie die chemische Techno- logie in Forschung und Lehre auf den denkbar hochsten wissen- schaftlichen Standpunkt hebt, und daS es andererseits fur die zukunftigen technischen Chemiker von groBter Bedeutung ist, wem sie die Erfahrungen und Denkmittel der reinen Chemie und die Denk- und Arbeitsweise, in der sie jene im spateren Berufsleben xerwerten sollen, von vornherein aIs etwas von Natur Einheit liohes kennen lernen und unter $em Einflusse innigster Wechsel- wirkung von wissenschaftlicher Vertiefung und praktischem Den- ken i n das Gesamtgebiet der Chemie hineinwaqhsen.

DaD der wissenschaftliche und technische Rat eines Mannes von den Erfahrungen und dem Weitblick Hempels nicht nur von seinen ehemaligen Schulern, sondern von den verschiedensten Zweigen der Industrie, wie von Behorden gesucht wurde, ist selbstverstandlich. In der Technischen Deputation des sachsischen Ministerium des Innern hat er Jahrzehnte hindurch an der Be- rtatung der meisten auf chemische Betriebe, wie aller auf Feue- rung oder auf Abwasser b6zuglichen Fragen fuhrend mitgewirkt. Mancher Leiter chemischer Fabriken war stolz, Neuanlagen von seinein geschulten Urteil gebilligt und anerkannt zu wissen. In den letzten Jahren gehorte er dem Bevollmachtigten-Kollegium der Sachsischen Privatblaufarbenwerke an, und nach dem Tode E r n s t von Meyer s trat er an dessen Stelle in den Aufsichtsrat der Chemischen Fabrik v o n Hey d e n ein. Auch von der Art, wie er fur diese Pflichtkreise seine Kraft einsetzte, muDte man sagen: was er tat, das tat er ganz.

So steht Walter Hem pels eigenartige, kraftvolle und schlichte Personlichkeit in der Erinnerung vor qns: ein Mann der Wissen- schaft, eiri Mann der Tat. Wie er in seiner Arbeit immer gern prak- tisch und gedanklich die einfachsten Wege suchte, 80 war er in seinem ganzen Denken und Fiihlen einfach, klar und lauter, ein Mann von kindguter Sinnesart, von tiefem, reinem Gemut, von echter Frommigkeit. In einer seiner Kektoratsreden bezeichnete e r die Pflege der Religion, der Wissenschaft und der Kunst als den wichtigsten Hebel zum Fortschritt der Menschheit. Feines Ver- standnis brachte er den Kunsten entgegen; gern kleidete er in Gelegenheitsansprachen wie auch in seinen personlichen Aufzeich-

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nungen einen Gedanken in poesievolle Form. Seine Gradheit und anspruchslose Einfachheit, seine Frohnatur und goldene Herzens- gute, seine stete Hilfsljereitschaft und reine Menschenliebe ge- wannen ihm allenthalben die Herzen, Sein klares, durch nicht- sachliche Nebenrucksichten unter keinen Umstbden zu beein- flussendes Wollen wie sein wannhaftes Eintreten fur das von ihm als richtig Erkannte sicherten ihrn unbedingtes Vertrrtuen; sein feuriges und doch iiberaus liebenswiirdig sich auSerndes Temperament wuBte, auch die Weiterstrebenden mitzurei5en. Hoch- gemutes Denken lie6 ihn jede KleinIichkeit weit hinter sich las- sen; bei aller Impulsivitat seines Temperamentes war er eine durchaus versohnliche Natur. Ein unbeirrbarer, aber mit schar- fem Wirklichkeitssinn gepaarter Optimismus half ihrn auch iiber ernste Zeiten hinweg. Heilige Liebe zu seinem Vaterlande und Volke durchgliihte ihn ; aber politischer Parteihader drang nicht zu ihm hinauf. Mit frohem Stolze erftillte ihn der Gedanke an Deutschlands Stellung in der Welt und sein gewaltiges Empor- bluhen, was er in jungen Jahren miterstritten hatte und um dessen Erhaltung er am Abend seines Lebens seine S6hne kampfen sah. Voll lebhafter Anteilnahme aber verfolgte er auch alle crnsten Be- strebungen nach sozialem Ausgleich; seinen Freiburger Pestvor- trag lie5 er ausklingen in die Wor'te: ,,Die Technik wird sich ins Ungemessene weiter entwickeln, wenn wir verstehen, die sozialen Fragen zu 16sen." Den tiefen Fall Deutschlands mitzuerleben, ist ibm erspart geblieben; tief erschuttert hatte auch ihn diese furcht- bare Tragik. Aber aus dem Beispiel, das er durch sein ganzes Leben und Denken uns gegeben hat, fiihlen wir heraus, daS er mit einem stolzen, glaubensstarken ,,Dennoch I'' der dunklen Zu- kunft mutig entgegengeschritten whe.

Lassen wir dies ein Vermgchtnis seines edlen, hohen Geistes, seiner unwandelbaren Pflichttreue sein I

Ehre seinem Angedenken ! F. Foerster.


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