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Virale vernetzte Effekte: Die Mechanik der Netzwerke
Dr. Jan Schmidt
Wissenschaftlicher Referent für digitale interaktive Medien und politische Kommunikation
Mainz, 28.01.2009
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Worüber ich heute spreche
1. Zum Hintergrund: Merkmale des Web 2.0
2. Persönliche Öffentlichkeiten: Entstehen, Merkmale, Kommerzialisierung
3. Was heißt das für unser Verständnis von Privatsphäre und Öffentlichkeit?
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Was geschieht? Meine Perspektive.
Im Web 2.0 sinken die Hürden für onlinebasiertes…
www.flickr.com/photos/44029537@N00/12760664/
– Identitätsmanagement (Darstellung individueller Interessen, Erlebnisse, Meinungen, Kompetenzen, etc.) z.B. Weblogs, YouTube
http://flickr.com/photos/mylesdgrant/495698908/
– Beziehungsmanagement (Pflege von bestehenden und Knüpfen von neuen Beziehungen)
z.B. studiVZ, XING
http://www.flickr.com/photos/axels_bilder/1267008046/
– Informationsmanagement (Selektion und Weiterverbreitung von relevanten Daten, Informationen, Wissen- und Kulturgütern)
z.B. Wikipedia, Social-News-Plattformen
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Junge Nutzer
• Anwendungen des Web 2.0 werden unterschiedlich stark genutzt – allerdings jeweils deutlich überproportional von jungen Personen, insbesondere von Teenagern
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60
80
100
Weblogs (6%) BeruflicheNetzwerkplattformen
(6%)
PrivateNetzwerkplattformen
(25%)
Videoportale (51%) Wikipedia (60%)
14-19 20-29 30-39
40-49 50-59 60+
Nutzung ausgewählter Web 2.0-Anwendungen nach Altersgruppen (zumindest selten; in %)
Quelle: ARD/ZDF Onlinestudie 2008
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Warum machen das Menschen?
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Warum machen das Menschen?
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Warum machen das Menschen?
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Motive für Nutzung
69%
64%
41%
37%
34%
20%
20%
18%
15%
13%
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
in Kontakt mit Freunden/Bekannten bleiben
alte Freunde wiederfinden
neue Leute kennenlernen
mit anderen Nutzern über verschiedene Themen austauschen
Langeweile vertreiben
mehr über andere Mitglieder des Online-Netzwerks erfahren
Fotos/Videos anderen Nutzern zeigen
Meinung öffentlich kundtun
andere Menschen an meinem Leben teilhaben lassen
neue Geschäftsbeziehungen knüpfen
Ausgewählte Motive für Nutzung von Netzwerkplattformen (N=1.068; Mehrfachantworten mgl.)
Quelle: Social Network Barometer 2008; N=1.068 Nutzer von Online-Communities bzw. Netzwerkplattformen
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Entstehen persönlicher Öffentlichkeiten
• Für viele Nutzer besteht ein Reiz des Web 2.0 darin, ihre sozialen Beziehungen aus dem „echten Leben“ artikulieren, pflegen und erweitern zu können
• Treten dabei überwiegend mit ihrer „echten“ Identität auf, um auffindbar zu sein und Selbst-präsentation, ggfs. auch Reputation an eigene Person zu koppeln
Web 2.0 ermöglicht es dem Einzelnen, eigene „persönliche Öffentlichkeiten“ zu schaffen
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Merkmale persönlicher Öffentlichkeiten
• Persönliche Öffentlichkeiten entstehen an denjenigen Orten im Netz, an denen Nutzer ihre Erlebnisse, Gedanken, Erfahrungen und Meinungen mit ihrem sozialen Netzwerk teilen
• Größe und Struktur von persönlichen Öffentlichkeiten kann variieren – z.B. in Bezug auf das adressierte Publikum oder auf die ‚Architektur‘ der zugrundeliegenden Software
1. Zeitlicher Aspekt: Stabilität vs. Dynamik– bestimmte Aspekte der eigenen persönlichen Öffentlichkeit sind relativ stabil (z.B. persönliche
Daten), andere sind eher flüchtig (z.B. das journalhafte Protokollieren von Aktivitäten und Erlebnissen „writing yourself into being“ (danah boyd)
2. Rollenaspekt: Produzent vs. Rezipient– Nutzer sind auch Empfänger der persönlichen Öffentlichkeiten anderer Menschen; „ambient
awareness“ für Neuigkeiten und Vorkommnisse im eigenen sozialen Netzwerk wird bei Bedarf in Anspruch genommen
3. ‚Räumlicher‘ Aspekt: An einem Ort vs. an verschiedenen Orten?– Trennung oder Aggregation unterschiedlicher Rollen-Kontexte hat Auswirkungen auf
Grenzziehungen zwischen Öffentlichkeit und Privatsphäre
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Besondere Herausforderung: Kontextabhängige Selbstpräsentation
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Kollabierende Kontexte
• Spezifische Eigenschaften der vernetzten Öffentlichkeiten im Social Web erschweren es, die Grenzen zwischen sozialen Kontexten zu ziehen (vgl. Boyd 2007):
1. Persistenz
2. Durchsuchbarkeit
3. Replizierbarkeit
4. Unsichtbares Publikum
Identitäts- und Beziehungsmanagement umfasst daher auch Strategien, wie und wo die Grenzen der eigenen Privatsphäre zu ziehen sind
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Kommerzielle Durchdringung persönlicher Öffentlichkeiten (II)
Kostenpflichtige „Premium-Dienste“; d.h. bestimmte Optionen (komplexe Suchfunktionen; mehr Speicherplatz für Fotos, o.ä.) nur gegen monatliche Zahlung nutzbar
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Kommerzielle Durchdringung persönlicher Öffentlichkeiten (I)
Aus Sicht der Betreiber versprechen die persönlichen Öffentlichkeiten neue Optionen der zielgruppenspezifischen Vermarktung, insbesondere durch personalisierte Werbung, bei der bestimmte Gruppen (Alter, Geschlecht, Interessen, …) auf sie angepasste Werbung zu sehen bekommen
Verbreitung von Adblockern und die Möglichkeit, das Anzeigen personalisierter Werbung zu unterdrücken, machen diesen Werbeweg allerdings nicht so erfolgreich wie erhofft
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Kommerzielle Durchdringung persönlicher Öffentlichkeiten (III)
Unternehmen machen sich den Umstand zunutze, dass Nutzer in persönlichen Öffentlichkeiten die für sie relevanten Inhalte gerne mit ihrem Netzwerk teilen
„virales Marketing“ sieht vor, Produktempfehlungen, Werbespots o.ä. von Kunden verbreiten zu lasse
Facebook bietet bspw. die Option, „Fan“ von Produkten zu werden; dies wird wiederum für Mitglieder des eigenen Netzwerks angezeigt
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Fazit und Ausblick
1. Ein Reiz des Web 2.0 besteht darin, sich mit den eigenen Interessen, Hobbies, Erlebnissen o.ä. zu präsentieren und so bereits bestehende soziale Beziehungen über einen weiteren Kanal zu pflegen
2. Die Architektur dieser persönlichen Öffentlichkeiten ist in der Software angelegt, doch der Umgang mit den technischen Merkmalen ist sozial geprägt
3. Persönliche Öffentlichkeiten sind kommerzialisierte Räume - teils gewollt, teils ungewollt
Wir befinden uns mitten in einem Prozess der gesellschaftlichen Aushandlung von Routinen, Konventionen und Erwartungen über den Umgang mit persönlichen Öffentlichkeiten, der unterschiedliche Fragen aufwirft:
- Werden persönliche Öffentlichkeiten mittelfristig auf einer zentralisierten und kommerziell betriebenen Infrastruktur aufbauen, oder wird eine dezentrale und nicht-kommerziell betriebene Alternative entstehen?
- Welche Praktiken des ‚privacy management‘ bilden sich heraus und wie gehen wir mit den verschwimmenden Grenzen zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit um?
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Das Ende der Privatsphäre?
http://www.colinupton.com/illus/images/cyberillo1.jpg
http://www.flickr.com/photos/mrlerone/2360572263/
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Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Dr. Jan Schmidt
Hans-Bredow-Institut
Warburgstr. 8-10, 20354 Hamburg
www.hans-bredow-institut.de
www.schmidtmitdete.de
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Separate persönliche Öffentlichkeiten
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Aggregation von Aktivitäten
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Monetarisierungsstrategien
58%
48%
26%
15%
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4%
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Werbung vorhanden
Bannerwerbung
Integration von Shops
Premium-Mitgliedsbeitrag
Virtuelle Währung
Basis-Mitgliedsbeitrag
Einsatz von Erlöskomponenten bei Online-Communities (N=400)
Quelle: Brain Injection/CBS 2008
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Weiterführende Literatur
– ARD-ZDF-Onlinestudie 2008:– Van Eimeren, Birgit / Frees, Beate (2008): Internetverbreitung: Größter Zuwachs bei Silver-Surfern.
In: Media-Perspektiven, Nr. 7/2008, S. 330-344.– Fisch, Martin / Gscheidle, Christoph (2008): Mitmachnetz Web 2.0: Rege Beteiligung nur in
Communitys. In: Media-Perspektiven, Nr. 7/2008, S. 356-364.– Boyd, Danah/ Nicole Ellison (2007). Social network sites: Definition, history, and scholarship. Journal of
Computer-Mediated Communication, 13(1), article 11.http://jcmc.indiana.edu/vol13/issue1/boyd.ellison.html
– Boyd, Danah (2007): Incantations for Muggles: The role of ubiquitious Web 2.0 technologies in everyday life. Vortrag bei der O‘Reilly Emerging Technology Conference, San Diego, 28.3.2007. Online: http://www.danah.org/papers/Etech2007.html
– Brain Injection / CBS (2008): Community Monitor 2008. Download nach kostenfreier Registrierung unter http://www.brain-injection.com
– Dwyer, Cathy / Hitz, Roxanne (2008): Designing Privacy into Online Communities. Vortrag bei der „Internet Research 9.0“ Konferenz, 16.-18.10.2008, Kopenhagen.
– Fuchs, Christian (2009): Social Networking Sites and the Surveillance Society. A Critical Case Study of the Usage of studiVZ, Facebook, and MySpace by Students in Salzburg in the Context of Electronic Surveillance. Salzburg/Vienna. Online: http://fuchs.icts.sbg.ac.at/SNS_Surveillance_Fuchs.pdf
– Geißler, Holger/Thomas, Carolin (2008): SNB – Social Network Barometer. Köln.– Schmidt, Jan (2008): Was ist neu am Social Web? Soziologische und kommunikationswissenschaftliche
Grundlagen. In: Zerfaß, Ansgar; Martin Welker; Jan Schmidt (Hrsg.) (2008): Kommunikation, Partizipation und Wirkungen im Social Web. Zwei Bände. Köln: Van Halem Verlag
– Schmidt, Jan (in Vorb.): Das neue Netz. Merkmale, Praktiken und Konsequenzen des Web 2.0. Konstanz: UVK. Erscheint voraussichtlich Mai 2009.