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Biomechanik Vorlesungen
Einführung in die Biomechanik, Bionik, Ähnlichkeitsanalyse,Allometrie, Elastizität, Knochen/Skelett
Zytomechanik (Kuznetsow)
Muskeln, Viskosität, Blutkreislauf, Zytomechanik
Strömungen, Schwimmen und Fliegen
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Wozu Biomechanik?Grundlagenforschung:zelluläre Bewegungen, molekulare Motoren, Muskelmechanik, Mechanorezeptoren
Medizin:Hämodynamik, Chirurgie, Orthopädie, Bewegungsabläufe, künstliche Organe, Hörschäden, Ultraschalluntersuchungen
Sportwissenschaft:Optimierung von Bewegungsabläufen, Leistungsvergleich und Körpergröße
Arbeitsmedizin: Vibrationen Schall-Schäden, Heben, Tragen, Transportieren, ArbeitsplatzgestaltungIndustrie: Vibrationen in Fahrzeugen, Verkehrssicherheit, AirbagUmweltschutz:Wind-Stabilität von Pflanzen, Leben in strömendem Wasser
Luft- und RaumfahrtSchwerelosigkeit, erhöhte Beschleunigung
BionikFlug- und Schwimmbewegungen, freitragende Konstruktionen, Robotertechnik
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Vorläufer der BiomechanikLeonardo da Vinci 1452-1519 Blut-Bewegung, Flugmaschine
Galileo Galilei 1564-1642 Betrachtungen zu tierischen Bewegungen
Rene Descardes 1596-1650 "Traite de l'homme et de la formation du foetus„
Giovanni Alfonso Borelii 1608-1679 "Di vi percusionis" "De motiobus naturalibus a gravitatependentibus" "De motu animalium„
Harvey 1628 Entdeckung des Blutkreislaufes
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Vorläufer der BiomechanikGiovanni Alfonso Borelii "De motu animalium„ Rom 1680
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Bionik
Lernen aus der Natur für die Technik
Bindeglied zwischen Biologie und Technik
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Bionik Beispiele I
SutzkäferEingeklappte Beinabschnitte
TaschenmesserKlappteile
GelbbrandkäferKleine Saugnäpfe am Vorderfuß
SeifenhalterungSaugnäpfe
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Bionik Bsp. II Lotuseffekt
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Bionik Beispiele III
Weitere Bsp:
Tigerzahn => Haken
Haifischhaut => Flugzeug-außenhaut
LL-Skischuppen
...
Wabenstruktur Klettverschluss
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Ähnlichkeitsanalyse
Euklid 300 v. u.Z. Geometrische Ähnlichkeiten
Archimedes 287 -212 v.u.Z. Relationen Oberfläche – Volumen (O/V ≈ L2/L3)
Galileo Galilei 1564- 1642 Muskelkraft - Querschnittsfläche Sprunghöhe unabh. von Körpergröße
G. A. Borelli 1608 - 1679 Menschlicher Körper als mech. Maschine
Isaac Newton 1642 – 1727 Mechanische Ähnlichkeit
J. C. Maxwell 1831 - 1879 Ähnlichkeit in Physik und Technik
D'Arcy Thompson 1917, 1973 "On Growth and Form"
August Püttner 1917-1920: "Studien über physiologische Ähnlichkeit" in PflügersArchiv Bände 168, 172, 180
Bruno Günther,Walter R. Stahl Publikationen zur Ähnlichkeitsanalyse in Biophysik
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Biologische Ähnlichkeitsüberlegungen I
Geschwindigkeitsbegrenzung: Luftwiderstand = F ≈ A * v2 ≅ L2 v2
Leistung == F * s / t =F*v ≅ L2 v3
Leistung des Organismus ist proportional der Muskelquerschnittsfläche und damit proportional L2.
=> Geschwindigkeit auf ebener Fläche ist nicht von Körpergröße abhängig!
332
2
v1
vLeistung cheerforderlitungKörperleis
=≅LL
Daraus:
l. Beispiel: Lauf auf ebener Fläche von Körpergröße abhängig?
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Biologische Ähnlichkeitsüberlegungen II
Begrenzung: Erhöhung der potentiellen Energie ∼ Masse ∼ L3
=> Leistung bei Bergauflauf ist umgekehrt proportional der Körpergröße!
2. Beispiel: Lauf bergauf
LLL 1
Arbeit cheerforderlitungKörperleis
3
2
=≅Damit gilt:
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Allometrie I
Empirische Korrelation verschiedener physiologischer Parameter mit der
Potenzfunktion der Masse
3
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Allometrie II6,03
2
3
23n2 )(Masse)tung(Körperleis LL
LLLL ==≈≅
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Allometrie III
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Gehirn-AllometrieDer Begriff der Gehirn-Allometrie bezeichnet das Verhältnis der Gehirnmasse zur Körpermasse (Bild: Vergleich bei Primaten).
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Festkörpereigenschaften biologischer Systeme
Übersicht über VerformungsartenElastizität und Reißfestigkeit
....
Viskoelastisches Verhalten biologischer Materialien Viskoelastizität des Knochens
MethodenbeispielMessung der Knochenfestigkeit
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Mechanische Deformation und
Brüche
Beim Torsionsbruch liegt die Bruchpunkt-belastung besonders niedrig:
Ein Drehmoment von ca. 120Nm bricht bereits den Femur. Dieser Wert wird erreicht, wenn etwa 100Nauf die Skispitze einwirken und der Fuß fixiert ist.
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Übersicht über Verformungsarten
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Mechanische Eigenschaften deformierbarer Festkörper
Ein Zugversuch zeigt folgendes Bild:
Definition:
l0
∆l = l - l0
A
0ll∆
=εRelative Längenänderung:
σ > 0 Zugspannung
σ < 0 DruckspannungSpannung: AF
=σ 20
Spannungs-Dehnungs-
Kurve
III III
Bruch
Rm
Dehnung ε
Spannung σ
Verformungen irreversibel
I: elastischer Bereich σ ist proportional zu ε, die Verformungen sind reversibel
II: viskoelastischer Bereich
III: Fliessbereich
Rm: Zugfestigkeit
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ElastizitätDie elastischen Eigenschaften lassen sich am leichtesten an der Dehnung langgestreckter Körper studieren. Man definiert:
Elastisches Verhalten mit konstantem Anstieg der Kurve bis zur Proportionalitätsgrenze. In diesem Bereich gilt das Hooksche Gesetz:
o
2-
ll :Dehnung
Nmin :Spannung
∆=
=
ε
σAF
(F = Kraft; A = Fläche, l0 = Ausgangslänge, ∆l = Längenänderung)
Nichtlineare, jedoch reversible Verformung im Bereich zwischen Proportionalitäts- und Elastizitäts-grenze.
Viskoelastisches Verhalten bei weiterer Dehnung bis zur Reißgrenze.
2-0 Nmin l
lAFY
∆⋅==
εσ
(Y = Elastizitätsmodul oder YoungschesModul)
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Spannungs-Dehnungsdiagramm
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Beispiele Spannungs-Dehnungs-Kurven
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Elastizitätseigenschaften
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Wechselwirkungspotential
Atome befinden sich in einem Festkörper in einem gebundenen Zustand. DieBindung zwischen zwei benachbarten Atomen lässt sich durch die potentielleEnergie Ep in Abhängigkeit von der Distanz zwischen den Atomen beschreiben.
abstoßende Kraft anziehende Kraft
Eb
0r0 r
Materie existiert in vier Aggregatzuständen als:
Festkörper, Flüssigkeit, Gas, Plasma
Die Wechselwirkung zwischen den Atomen und Molekülen sowie äußere Parameter wie Temperatur, Druck, elektromagnetische Felder u.a. bestimmen, in welchem Aggregatzustand ein Stoff vorliegt.
r0: Gleichgewichtslage
Eb: Bindungsenergie
)0( =−=drdE
F p
Ep(r)
drdE
F p−=Kraft zwischen den Atomen:
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Kautschukelastizität
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Zeitliches Verhalten Dehnungsfunktion
elastisch
plastisch
Voigt-Element
Maxwell-Element
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Biegung Rln α=Länge neutrale Faser
α in Bogenmaß
Längendehnung bezogen auf ln:
)( xRRl ii +== αα
Rx
lll
ll
n
ni =−
=∆
=εDehnung:
RxYY == εσSpannung:
dARYxdAxdFxdM
2
=== σKraftmoment:
FIRYdAx
RYM == ∫ 2Biegemoment: dAxIF ∫= 2mit Flächenträg-
heitsmoment:
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Flächenträgheitsmomente
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Schwerpunktbestimmung
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Kompressionsmodul
Unter einem allseitigen Druck nimmt das Volumen eines Festkörpers ab
VVKp ∆
−=∆
K: Kompressionsmodul , [ N ] = Pa , 1 = κ : Kompressibilität , [κ]=Pa-1
m2 K
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Schubmodul (Torsionsmodul)Eine Kraft, die tangential zu einer Körperebene angreift, heißt Schubkraft oder Scherkraft
Definition:
Schubspannung σ = F/A
Für den Scherwinkel α und die Schubspannung σ gilt:
σ = Y α
Y: Schub- oder Torsionsmodul, Einheit: 1 N/ m2
α
A F
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Torsionsbelastung eines Zylinders
α
ϕ M
L
dr
r
ϕϕπ
ϕπ
ϕπ
ϕπϕπ
ϕασ
⋅=⋅⋅
=
⋅⋅==
⋅⋅⋅⋅=
⋅⋅⋅⋅=⋅
⋅=
⋅⋅=
⋅=⋅==
∫∫
Torsion
R
DRLYM
drrL
YdMM
LYdrrdM
LYdrr
LrYdAdF
drrdAL
rYYdAdF
4
0
3
3
2
2
2
2
2
2
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Torsionssteifigkeit von Zylindern
R1=0.1m
R2=1mWandstärke 5mm
Das Rohr ist rund 200mal steifer bezüglich der Torsionsbeanspruchung als der Vollzylinder!
5.198
1.0)005.01(1)(
1
2
4
44
41
42
42
1
2
=
−−=
−−=
DD
RdRR
DD
Vergleich der Torsionssteifigkeit zweier Geometrien mit gleicher Materialmenge
4
2R
LYDTorsion⋅
=π
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Anisotrope Materialien
Obige Beziehungen gelten in dieser Form nur für isotrope Materialien, d.h. dieMaterialeigenschaften sind unabhängig von der Richtung.
Beispiele:
isotrope Materialien: Metalle, (Glas)
anisotrope Materialien: Holz, Knochen, Verbundwerkstoffe (faser-verstärkte Materialien)
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Biostatik
Pflanzen mechanisch stabilisierende Zellwand
Tierischer KörperbauExoskelett (z.B. bei Insekten)
mechanischer Schutz sowie StabilisierungWachstums- und Gewichtsprobleme
Endoskelett (bei Wirbeltieren)Kombination von zugfesten Muskeln/Sehnen sowiebiegungs- und stauchungsstabilen KnochenMaterialökonomiemechanischer Schutz nur beim Gehirn hohe Anpassungsfähigkeit
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Belastungsarten bei Pflanzen
Kompression σ (Kraft pro Fläche)
durch Eigengewicht
))(()(
1)( ∫+= dhhAgFhA
h StammT ρσ
A(h) = Querschnittsfläche in der Höhe h
FT = Gewicht der Zweige und Blätter
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Plot of the relative section modulus against the cross-sectional area for some important stele types. Cross-sections of stele types (anatomical nomenclature in parentheses):1 ellipse (haplostele),2 circle (protostele) and star-shaped formation (actinostele),3 star-shaped ring (plectostele),4 circles arranged in several concentric circles (polycyclical polystele).5 circular ring (medullated protostele or siphonostele)6 star-shaped ring (medullated actinostele)7 circles arranged in several concentric circles (atactostele without medullation)8 circles arranged in a single circle(monocyclical) eustele or monocyclical polystele)9 circles arranged in several concentric circles (medullated atactostele)
Biegung Pflanzenstängel
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Flächenträgheitsmomente bei Pflanzen
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Stabilisier-ungs-
elementebei
Pflanzen
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Wirbeltierskelett
Zuggurtung
42
Kniegelenk
8
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Gelenk und Knorpel
44
Knorpel-aufbau
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Reibung im Gelenk
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Elastin und Kollagen
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Spannungslinien Ferse
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Spannungslinien im Hüftknochen
Querschnitt des Hüft-knochens
Spannungslinien entsprechendem Aufbau des Knochens
Aus ökonomischen Gründen sind die Röhrenknochen nicht voll, sondern mit einem Geflecht feinster Knochenbälkchen (Substantia spongiosa) gefüllt. In ihnen verlaufen die Spannungslinien.
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Spannungslinien im Hüftknochen II
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Mechanische Deformation und
Brüche
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Messungen an Knochen
Druckbelastung Zugbelastung
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Messung von
Knochen-eigen-
schaftenmit
Ultra-schall
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Biomechanische Eigenschaften von Knochen I
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Biomechanische Eigenschaften von Knochen II
10
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Kräftezerlegung im Hüftgelenk
Die Gewichtskraft G0 des Rumpfes wirdin zwei halb so grosse Stützkräfte kompensiert.
Die Stützkräfte bewirken am Oberschenkelhals eine Druck- undDrehmomentbelastung.
→
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Kräfte und Drehmomente der Kaumuskulatur
Durch die Kaumuskulatur werden dieKaukräfte erzeugt. Die Muskeln M1 und M2erzeugen Drehmomente der Kräfte F1 und F2 um den Drehpunkt A des Unterkiefers.Befindet sich Kaugut im Abstand r vomDrehpunkt A, so ist die Kaukraft dort:
Je kleiner r desto größer die Kaukräfte.Deshalb wirken die größten Kaukräfteim Bereich der Backenzähne.
( )22111 FrFrr
FKau +=
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Biegungsbelastung Unterarm
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Wirbelsäulenbelastung I
Bsp. Hebelwirkung:
x1 = 1m x2= 5,8cm F1(Gewicht ges.) = 220N
NmNm 3793
058,02201F )Wirbels.(2 =⋅
=
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Wirbelsäulenbelastung II
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Bewegungsanalysen
11
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Bewegungsanalysen und elektromechanische Systeme
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Arten von Gleichgewichtgr
1. Stabiles Gleichgewicht
x
0Fdr
Gleichgewichtslage x=0→
Auslenkung um dx bewirkt eine rücktreibende Kraft F
dxdF ⋅−= α
2. indifferentes Gleichgewichtx
00=Fd
r
Es existieren unendlich viele Gleichgewichtslagen.Eine Auslenkung um ∆x bewirkt keine Kraftwirkung.
3. labiles Gleichgewicht
x
0
Fdr
Gleichgewichtslage x=0 Auslenkung um dx bewirkt eine Kraft in Richung dx
dxFd ⋅= αr
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Standfestigkeit
Der Gesamtschwerpunkt sollte über der Standfläche liegen, um ein Umkippen zu verhindern. 64
Schwerpunkt des Menschen
Der Schwerpunkt eines Menschen kann mittels der Momentenmethode bestimmt werden.Aus der Federkraft R im Abstand L kann auf die Position x des Schwerpunktes geschlossenwerden, wenn die Gewichtskraft G bekannt ist.
Die Drehmomente müssen sich aufheben!Das gleiche Vorgehen gilt für alle 3 Raumrichtungen (x,y,z).
GLRx ⋅
=
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Anwendung Schwerpunktanalyse
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Wichtig zu Biomechanik I:
Was versteht man unter Bionik (mit Beispielen)?
Beispiele Ähnlichkeitsüberlegungen und Allometrie
Verformungsarten von Festkörpern
Interpretation Spannungs-Dehnungs-Kurve
Zusammenhang Elastizitätsmodul und Dehnung
Messverfahren für Knochen-Belastung
Biostatik (Realisierungen bei Pflanzen und Skeletten)