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Zur Kenntnis der Wagner’schen Umlagerung I1 l). Uber die Bildung des Santens

VOD

L. Ruzicka und Fr. Llebl. (12. 11. 23.)

A. Uber die Bildung des Ssntens bei der Wagner’schen Umlagerung.

Aus dem Fenchylalkohol (I) konnen zwei Kohlenwasserstoffe, das a- und #?-Fenchen2) (I1 und LII), gewonnen werden, die bei der Ozonisation ins a- bzw. /I-Fencho-camphoron (IV und V) ubergehen, denen weiter die Alkohole VI und VII entsprechen. Wahrend die schon

CHS

a-Fenchen 11 Fenchylelkohol I + F\ I CHZ

\CH/

PH\

CH,\ CO-CH,

CH,/ CO-CH,

a-Fencho-cernphoron IV

4

CH,I C-CH, - + 4-

a-Fencho-csmphorol VI Ssnten VlII

l ) I. Mitt. Helv. I, 110 (1918). B, An SteUe der J?’dladl’schen Bezeichnung D-1-Fenchen und D-d-Fenchen wenden

wir die obige von B. K o m p p und R. H . Roechier, C. 1917, I. 407, vorgescblrrgene en.

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- 268 - von 0. WalZachl) fur die Verbindungen 11, IV und VI angenommene Konstitution spater durch die Totalsynthesen G. Komppa'sa) bewiesen ist, beruhen die Formeln der /?-Reihe auf noch llicht vollig aufgeklarten Abbauresultaten. F. W , SemmZer*) diskutierte die Moglichkeit, dass einem der Fenchene die Formel 111 zukommen konnte und W . Quid') sowie R. H . Roschier6) erteilten diese speziell dem /?-Fenchen.

Das a-Fencho-camphor01 kann auch als Apo-borne01 bezeichnet werden und im Hinblick auf den ubergang des Borneols in Camphen untersuchten wir die Wasserabspaltung des a-Fencho-camphorols. Vor einigen Jahren hat der eine von uns auf Grund bestimmter Vor- aussetzungen gefolgerts), dass dabei Santen (VIII) entstehen sollte, was wir jetzt in der Tat nachweisen konnten. Bei der gleichen Ge- legenheits) wurde das Santen auch als Wasserabspaltungsprodukt des /?-Fencho-camphorols angenommen. Da reines') (von der a-Verbindung vollig freies) /Y-Fencho-camphor01 nicht oder doch nur aueserst miihsam zugiinglich ware, wurde ein leicht zugangliches Gemisch des @- und a-Alkohols der Wasserabspaltung mittels Kaliumbisulfat unterworfen, wobei wieder Santen gebildet wurde. Es ist so allerdings nicht sicher- gestellt, dass Santen auch aus dem /?-Alkohol entsteht. Es spricht aber doch eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafiir, da der aus dem Alkohol- gemisch entstehende Kohlenwasserstoff vollig optisch inaktiv ist, und andere aus dem /?-Fencho-camphor01 sich ableitende Kohlenwasser- stoffe8) optisch aktiv sein sollten. Dabei ist vorausgesetzt, dass bei der Wasserabspaltung keine Racernisierung eintritt, was ja auf Grund der Bildung der optisch aktiven Fenchene aus Fenchylalkohol vielleicht erlaubt ist.

Ausser dem a-Fencho-camphor01 ist noch ein ,,Ape"-borne01 bekannt, das Santenol (X), dhs auch als n-Norborneol bezeichnet wirdB).

l) A. 315, 273 (1901). $) B. 47, 933 (1914) (gemeinsam mit Hint ikh) und C. 1917, I. 751 (gemeimam

3) dtherirtohe ole IIT. 650, Leipzig 1906. ') A. 417, 278 (1919). 5, C. 1919, I. 726; A. 429, 180 (1922). @) Helv. I, 128-129 (1918). ') Wir beabeichtigen die Reaktion BA reinem (ev. sgnthetiechem) p-Fencbo-cam-

8 ) Aumr dem Bornylen, das aber hier in einjgermessen grciwerer Menge nicht

s, Vergl. deriiber Seite 274. Die Konetitution des Santenola ist nicht voll-

init Roschier).

phorol nochmab zu untersuchen.

vorliegen kann.

etiindig eichergestellt.

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Santenol X Santsn VIII

Bei der Wasserabspaltung erhielten wir daraus gleichfalls Santen. Schliesslich sei noch erwahnt, dass G . Komppa und Hintikkul) auch aus Camphenilol2) (XI) den gleichen Kohlenwasserstoff gewonnen hatten :

/""\ GH81 CHOH

____f

Camphenilol XI VIII

Withrend nun die Bildung des Santens aus Santenol und Camphenilol - gleich der Camphen-umlagerung - in der Pinakolin-umlagerung

(CBg)gC * CHOH . C H B __+ (CH&C=C(CH&

eine Analogie findet, ist dies beim a- und p-Fencho-camphor01 nicht mehr der Fall. Im Abschnitt B dieser Abhandlung 8011 gepriift werden, wie sich alle diese Reaktionen erklaren lassena).

DarsteELung des a-Fenchens ( I I ) und a-Fencho-camphorons ( I V ) . Nach 0. WaZtachQ) ent~teht beim Erhitzen des Fenchylchlorids

mit Chinolin je nach den Eigenschaften des angewandten Chlorids ein Fenchen, dessen [a]= zwischen f21° schwankt und das danach aus einem Gsmisch von u- und p-Fenchen besteht. Sehr reines a-Fenchen, das nach 0. Wullach6) aus Fenchylamin-nitrit erhalten werden kann,

l ) B1. 141 21, 13 (1917). g, Deeeen Komtitution kt durch die Totaleynthesen VOD a. K m p p a , B. 47, 1550

(1914) und P. Lipp, B. 47, 871 (1914) fwtgelegt. s, Zuwmmenfaseend sei nocb erwabnt, d w wir ea fur mdglich helten, daee des

nach den beachriebenen Methoden gewonnene Sannten noch durch geringe Mengen anderer Kohlenwaseemtoffe verunreinigt win kann.

*) Terpene und ,Campher, S. 649, Leipdg 1909. 6, A. 382, 181 (1908).

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270 - - zeigt [.ID = - 32O. Zur Beurteilung der Reinheit des a-Fenchens dient dessen Uberfuhrbarkeit in die a-Oxyfenchensaure von Smp. 153O und weiter ins a-Fencho-camphoron vom Smp. logo, das ein Semicarbazon von Smp. 210 bis 212O und [a]= = - 1!31,5O liefert.

R. H. Row7&r1) konnte auch nach der Walluch'schen Methode aus Fenchyl-chlorid anscheinend reines a-Fenchen von a D = - 32O gewinnen, woraus durch Ozonisation a-Fencho-camphoron (Smp. des Semicarbazons 220O) erhalten wurde. Sowohl 'Roschier wie auch Komppa und Hintikkaz), die ein gleichschmelzendes u-Fencho-camphoron- semicarbazon, ausgehend von Fenchylamin-nitrit, beschreiben, geben keine Werte fur [.ID an.

Wir haben ein nach WaZlach aus Fenchylchlorid gewonnenes Fenchen von aD = - 9O in der zehnfachen Menge Kohlenstofftetra- chlorid ozonisiert, hierauf das Losungsmittel bei gewohnlicher Tem- peratur abgesaugt und den Ruckstand mehrere Stunden am Dampf- bade mit Wasser erhitzt. Das durch Destillation der nentralen Spalt- produkte erhaltene Keton wurde ins Semicarbazon ubergefuhrt , das nach mehrmaligem Umkrystallisieren aus Alkohol bei 21 1 bis 212O schmolz und entsprechend seinem [.ID = - 137O (in 5-proz. Eisessig- losung) reines a-Fencho-camphoron-semicarbazon darstellt. Die im Vergleich zu der von Wallach beobachteten etwas hoheren Drehung kann nicht vom etwa beigemengten /3-Fencho-camphorqn-semicarbazon herriihren, da dieses nach WalZachs) [.ID = + 5S0 zeigt.

Neue Metbde. Zur Darstellung des Fenchylchlorids lasst WaZZach4) auf eine Ligroinlosung von Fenchylalkohol unter Eiskiihlung Phosphor- pentachlorid einwirken. Als . wir diesen Versuch bei gelinderen Be- dingungen vornahmen, entstand als Hauptprodukt a-Fenchen. 74 gr Fenchylalkohol (aus d-Fenchon) wurden in 150 cm3 tiefsiedenden Petrolathers gelost und dazu unter guter Kuhlung mit Eis-Kochsalz im Laufe von zwei Stunden 100 gr Phosphorpentachlorid in kleinen Portionen eingetragen. Die klare Losung wurde mit Eiswasser kraftig durchgeschuttelt und das Reaktionsprodukt bei 12 mm destilliert. 40 gr sotten unter 70° und der Rest bestand aus' geringen Mengen Fenchylchlorid und Phosphorverbindungen. Nach nochmaligem Frak- tionieren uber Natrium sieden 30 gr bei 153 bis 154O (720 mm) und zeigen folgende Daten :

m g = 1,4760 d i 3 = 0,870 [aID = - 38O

C. 1919, I. 726. 2, B. 47, 936 (1914). 3, A. 302, 384 (1898). 4, A. 302, 372 (1898) und 315, 280 (1901).

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- 271 - Durch Ozonisation wurde daraus das a-Fencho-camphoron herge- stellt, dessen Semicarbazon durch Umkrystallisieren aus Alkohol in zwei Fraktionen zerlegt wurde. Der schwerer losliche Anteil schmolz bei 217 bis 218O und zeigte [aJD = - 171,5O (in 5-proz. Eisessiglosung), wahrend der leichter losliche Anteil einen Smp. von 210 bis 211O und [a],, = - 141O (in 4,7-proz. Eisessiglosung) besass. Das aus dem gesamten Semicarbazon durch Erwarrnen mit Salxsaure regenerierte a-Fencho-camphoron schmolz nach dem Reinigen durch Sublimation bei 1070.

Uber die Einwirkung von Thionylchlorid auf Fenchylalkohol l).

25 gr Fenchylalkohol und 25 gr wasserfreies Pyridin wurdep in 50 cma absolutem Ather gelost und unter Kiihlung mit Eis-Kochsalz 21 gr Thionylchlorid zugetropft. Aufgearbeitet wurde durch nsch- einander erfolgendes Schutteln der atherischen Losung mit verdunnter Salzsaure, Sodalosung und Wasser. Das Reaktionsprodukt erstarrt vollstiindig und ist schwefelhaltig und chlorfrei. Die nach dem Aus- krystallisieren aus wenig Ather (bei - 20°) erhaltenen farblosen Krystalle schmelzen bei 72O

0,1187 gr Subst. gsben 0,2949 p. CO, und 0,1040 gr H,O C,H,,O,S 3er. C 07,78 H 9,60%

Gef. ,, 67,76 v r 9,80%

Das Produkt besteht also aus dem Schwefligsaure-ester des Fenchyl- slkohols, entstanden nach der Gleichung :

2 Cl&,,,O + SOCl, = (CIoR,,O),SO + 2 HCl.

# ber die Gewinnung von Sunten aus a-Fencho-cumphorol ( V I ) . Der Alkohol wurde nach der Vorschrift von WaElach2) durch Be-

handlung der atherischen Losung des a-Fencho-camphorons mit Natrium und Wasser hergestellt. Zur Wasserabspdtung wurde das a-Fencho-camphor01 mit der doppelten Gewichtsmenge wasserfreien Kaliumbisulfats im Kohlendioxydstrome auf etwa 190° erhitzt, wobei sehr rasch und in guter Ausbeute der Kohlenwasserstoff iiberdestilliert. Derselbe wurde durch Aufnehmen in Ather vom bejgemengten Wasser

l ) Auegeftihrt in der Almkht, eine Dmtellungamethode fiir Fenchglohlorid zu

2, A. 300, 316 (18Q8) und 315, 288 (1901). finden.

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- 272 - abgetrennt, mit Calciumchlorid getrocknet und uber Natrium destilliert. Der Sdp. liegt bei 140 bis 142O.

d;' = 0,8720 n g = 1,4667 a, = 0

M, = 38,74 MD ber. fiir CBH,, = 38,89.

Die friiher beobachteten Daten fur Santen verschiedener Pro-

Aue Ssndelholztil el) . 2 * ,* a*) - ,, sibir.Ficbtennadelo1Z)

,, Csmphenilols) . . -

venienz sind in folgender Tabelle zusammengestellt :

Sdp. O D I nD

140--141° - 10' d,, = 0,809 ng = 1,4043

1400 - a',, = 0,8708 nZ5= 1,4088

1400 0 dl, = 0,8098 n2'= 1,4696

140-142O - d:' = 0,8700 m g = 1,4670

Das so gewonnene Santen wurde in der zehnfachen Menge Kohlen- stofftetrachlorid gelost und mit Ozon behandelt. Die Losung wurde darauf rnit etwas Wawer versetzt, das Kohlenstofftetrachlorid am Dampfbade abdestilliert und der Ruckstand einige Stunden weiter erhitzt. Nach dem Erkalten wurd'e mit Ammoniumsulfat gesattigt, mit Soda alkalisch gemacht und rnit Ather mehrmals ausgezogen. Das entstandene 1,3-Diacetyl-cyclopentan (Santen-diketon) (IX) siedet als farbloses 81 bei lSOo (12 mm) und liefert in alkoholischer Losung, mit Semicarbazidchlorhydrat und Natriumacetat versetzt, das von F. W. Semmler und K. Bartelt 4, beschriebene Disemicarbazon, das nach dem Umkrystallisieren aus Alkohol bei 216O schmilzt. Die Mischprobe rnit dem gleichschmelzenden Disemicarbazon des Diketons, das durch Ozonisation von Santen aus Sandelholzo15) nach F. W. SemmZer und K. BurteW) hergestellt war, ergab keine Depression.

2,458 mgr Subst. gaben 4,460 mgr COz und 1,70 mgr H,O CllHzoOzN, Ber. C 49,23 H 7.50%

Gef. ,, 49,50 ,, 7,74%

1) Schimmel & Go., Bull. semestr. octobre 1810, 118. e, 0. Asehan, B. 40, 4918 (1907). 5 ) Kwrnppa und Hintikka, B1. [4] 21, 13 (1917). *) B. 40, 4595 (1907). 6) Diesee verdanken wir der Liebenswiirdigkeit der Firms Schdmmel & Co. in

') B. 40, 4595 (1907). Miltitz.

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Uber die Gewinaung von Santen aus einem Gemisch vow B- und a-Fencho- ca7nphoroZ ( V I I und VI ) .

G. Komppa und R. H. Roschierl) zeigten, dass bei der Wasser- abspaltung aus Fenchylalkohol mit Kalium- oder Natriumbisulfat /?-Fenchen entsteht. R. H. Roschier*) wies dann spater nach, dass demselben a-Fenchen beigemengt ist.

Ein von uns nach diesem Verfahren gewonnenes Fenchen-gemisch wurde in der beim a-Fenchen beschriebenen Weise ozonisiert und die bei 80 bis 100° (12 mm) siedende Ketonfraktion (Gemiscb yon p- und a-Fencho-camphoron) ins Semicarbazon verwandelt. Dieses schmilzt nach dem Umkrystallisieren aus Alkohol bei 204 bis 206O entsprechend den Angaben von 0. WaZlncha) fur das Semicarbazon des /3-Fencho- camphorons. Aus dem Semicarbazon wurde durch Erwarmen mit Salzsaure das Keton regeneriert und nach der oben fur die RBduktion des a-Fencho-camphorons erwahnten Vorschrift in den Alkohol iiber- gefuhrt, der naturgemass aus einem Gernisch von /?- und a-Fencho- c a m p h ~ r o l ~ ) bestehen muss und nicht naher untersucht wurde.

Das daraus durch Erhitzen mit Kdiumbisulfat im Kohlendioxyd- strom auf 1900 gewonnene Destillat wurde in Ather aufgenommen, mit Calciumchlorid getrocknet und uber Natrium destilliert. Es er- wies sich nach allen Eigenschaften ale Santen. Sdp. 140 bis 142O.

aD = 0 d i e = 0,8664 = 1,4676

3fD = 39,12 dl ber. f. C9Hl, = 38,BP

0,1216 gr Subst. geben 0,3932 gr CO, und 0,1270 gr H,O C,H,, Ber. C 88,51 K 11,49%

Gef. ,, 88,ZZ ,. 11.69%

Diesee Santen wurde durch Ozonisation ins Disemicarbazon des 1,3-Diacetyl-cycIopentans iibergefilhrt, das nach dem Umkrystalli- sieren aus Alkohol bei 2160 schmolz. Die Mischprobe rnit dem ent- sprechenden Disemicarbazon aus dem Santen des Sandelholz6ls schmilzt bei der gleichen Temperatur.

3,378 rngr Subst. geben 6,125 mgr CO, und 2,30 mgr H,O C,,H,,O,N, Ber. C 49,23 H 7,50%

Gef. ,, 48,49 I , 7,ez.,0

l ) C. 1917, I. 407.

3) A. 302, 384 (18V8). Wir mochten jedoch dsmit nicht beheupten, dass bier

6 ) Reinee B-Fencho-oamphorol ist noch nicbt bekannt.

8 ) c. 1319, I. 729.

reinw B-Fencho-camphoron-eemicerbccon vnrliegt.

I8

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Uber die Gewinnung des Santens aus Santenol ( X ) . F. W . Semmler und K. Burteltl) erhielten aus x-Norisoborneol

(= Is~santenol)~) mit Phosphorpentachlorid das bei 59 bis 61O schmel- zende n-Norisobornglchlorid, das mit alkoholischem Kali Santen liefert. Ebenso konnte 0. A s c h d ) aus dem Santenchlorhydrat (Smp. 80 bis 81°) mittels Anilin das Santen regenerieren. Die Wasserab- spaltung aus Santenol oder aus Isosantenol (= n-Norisoborneol) ist noch nicht untersucht worden.

Wir haben aus dem Santenon4) des ostindischen Sandelholzols durch Reduktion mit Natrium und Wasser in atherischer Losung das Gantenol5) hergestellt und dasselbe zur Wasserabspaltung mit der doppelten Menge Kaliumbisulfat im Kohlendioxydstrome auf 1900 erhitzt. Der ubergehende Kohlenwasserstoff konnte, wie oben beim a- und p-Fencho-camphor01 beschrieben wurde, als Santen identifiziert werden. Sdp. 140 bis 142O.

aD = 0 di4 = 0.8680 n g = 1,4710

M , = 39,30 M , ber. f. C,H,,F = 38,89

Auch daraus konnte uber die Ozonisation das Disemicarbazon des 1,s-Diacetpl-cyclopentans von Smp. und Mischprobe 216O er- halten werden. Es sei noch erwahnt, daes allgemein aus dem neutralen Ozonidspaltprodukt des Srsntens vor der Destillation kein krystalli- siertes Semicarbazon erhalten wirdf es liegt in diesem Produkt wohl ein Peroxyd des Diacetyl-cyclopentans vor, das vielleicht erst bej der Destillation ins freie Diketon ubergeht.

B. Uber den Mecbrnismus der Wagner'schen Umlagerung. Unter der Bezeichnung der Wagner'schen Umlagerung fasste

L. Ruzicka') die Gruppe der fur das bicyclische Pentoceansystem chrtrakteristischen Umlagerungsreaktionen vom Typus der Camphen- umlagerung zusammen. Urn den Mechanismus des Ubergangs von Borneo1 ( X I a ) bzw. Isoborneol (XI b) in Camphen (XVI a bzw. b) zu erklaren, wurden bisher vier verschiedene Annahmen uber das

l) B. 41, 128 (1908). z, Schimmel & Co., Bull. semeetr., octobre 1910, 121. s, B. 40, 4918 (1907). ') Auch diesee lieferte une die Firm& Schimmel & Co. Dae Santenon eohmolc bei

5, Vergl. Semmkr und Bwtelt, B. 40, 4468 (1907). O) Helv. I, 110 (1918).

48-60° und daa Semicerbctzon bei 224O.

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mutmassliche Zwischenprodukt der Reaktion gemacht, die im folgenden Formelschema zusammengestellt sind.

Nachdem es beim Ubergang von Borneo1 in Camphen') noch nicht gelungen ist, ein Zwischenprodukt zu famen, so scheint uns 'vom Standpunkte der experimentellen Chemie die Diskussion hypothetischer Zwischenprodukte nur dann eine Berechtigung zu besitzen, wenn durch die Konstitution d i e m Zwischenproduktes der Umlagerungsmechanis- mus so charakterisiert wird, dass die Ubertragung desselben auf andere

XI L XI b I J

J l

XI1 XI11 XIV xv

Tj I\\ 4- identisch @; v HS

XVI L XVIb

Beispiele der Wagner'schen Umlagerung den Verlauf der Reaktion vorawzusehen erlaubt.

I ) Degegen ist dies bei enderen Beispielen der Wagner'schen Urnlagerung ge- lungen, B. S. 280.

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Schon fruher (1. c.) wurden die beiden Zwischenprodukte XI1 und XI11 eingehend diskutiert und experimentell nachgewiesen, dass die Bildung der Verbindung XI11 (Vorschlag von Meerwein')) nicht in Betracht kommt, da auch bei den tertiaren Alkoholen Methyl- borneol (XVII) und Methyl-fenchylalkohol (XVIII) - wo ein der- artiges Zwischenprodukt mit zweiwertigem Kohlenstoff nicht moglich ist - die Wugner'sche Umlagerung verwirklicht werden konnte. Die bei dieser Gelegenheit von uns als geeignet fur die Erklarung der Re- aktion herangezogene Semmler'sche Annahme der Zwischenbildung des Tricyclens (XII) wurde dann spater von P. Lipp , ) und H. Meerwein und K , v. Emster3) verworfen. Diese Forscher haben das Tricyclen nach zwei verschiedenen Methoden hergestellt und gezeigt, dass es unter den Reaktionsbedingungen, die den Ubergang des Borneols in Camphen bewirken, recht bestandig ist und danach nicht als Zwischen- produkt auftreten konne.

P. L i p p empfiehlt statt dessen den alteren Erklarungsversuch Rredts4), der die Verbindung XIV und ahnliche mit zwei freien Valenzen vorgeschlagen hatte. H. Meerwein und K . v. Ems& halten dagegen Methyl-camphenilol (XV) fur das Zwischenprodukt der Camphen- umlagerung.

Diese beiden Vorschlage sind jedoch als Arbeitshypothesen un- zureichend. Die Bredt'sche Hypothese sagt uber den Verlauf der Re- aktion zu wenig aus, da sie nur die erste Vorstufe andeutet. Der Mange1 der Annahme von H . Meerwein und K . v. E m t e ~ scheint uns in entgegengesetzter Richtung zu liegen, denn mit der Bildung des Methyl-camphenilols, das das gleiche Kohlenstoffgerust wie Camphen besitzt, ist die Wagner'sche Umlagerung schon erledigt ; das Methyl- camphenilol ist nach seiner Konstitution ein charakteristisches End- produkt dieser Reaktionsart. H. Meerwein an K . v. Emster bezeichnen demzufolge auch die Camphen-umlagerung als ,,wahre intramolekulare Atomverschiebung".

Das Unzureichende der Zwischenprodukte vom Typus XIV und XV tritt besonders auffallend zutage, wenn man dieselben auf die im Abschnitte A beschriebene Bildung des Santens aus a- und B-Fencho- camphor01 zu ubertragen versucht6). Bei Annahme einer Tricyclen-

A. 405, 140 (1914). *) B. 53, 769 (1920). 3, B. 53, 1816 (1920). 4, Wiillner-Festschrift, Leipzig 1905, S. 123. 6, Man miieata hier zur Erkliirung sehr gezwungene Annahmen machchen.

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277 - - zwischenbildung lassen sich dagegen alle Bildungen des Santens klar und einheitlich erklaren.

Am einfachsten liegen die Verhaltnisse bei der Wasserabspaltung aus Santenol, da hier schon beim Ausgangskorper die beiden Methyl- p p p e n an verschiedenen Kohlenstoffatomen gebunden sind :

Tricyclen &us Santenol Santen

Die auf den ersten Blick merkwurdige und scheinbar unregel- massige Wanderung der Methylgruppen bei der Wasserabspaltung aus den drei anderen Alkoholen wird in iiberaus durchsichtiger Weise

Tncyclen unbestilndrg

aufs gleiche Prinzip zuriickgefiihrt, da sich aus allen drei Alkoholen nach den Raumformeln das gleiche Tricyclen ableiten lasst. Der weitere Verlauf der Umlagerung entspricht vollstandig der vom einen von unsl) aufgestellten Regel, wonach eine der Bindungen a in obigem Tricyclen aufgespalten wird. Der zunachst entstehende Kohlenwasser- stoff besitzt eine Doppelbindung an einem Bruckenkohlenstoff atom2)

I ) Helv. I , 126 (1918). 2, Vergl. dtutiber Ruzicb und Trebkr, Helv. 4, 607 (1921).

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- 278 - und derartige Verbindungen isomerisieren sich erfahrungsgemass unter Wanderung der Doppelbindung, was hier nur bei gleichzeitiger Ver- schiebung einer MethyIgruppe moglich ist.

Wir besitzen also in der Annahme der Zwischenbildung eines Tricyclens bei der Wagner’schen Umlagerung eine experimentell wert- volle Arbeitshypothese, die uns sowohl bei der Santenbildung wie auch friiher (1. c.) bei der Wasserabspaltung aus Methylborneol und Methyl-fenchylalkohol erlaubte, den Verlauf der Reaktion vor’aus- zusehen. Auch alle anderen bekannten Falle der Wagner’schen Um- lagerung entsprechen genau der oben angefuhrten Regelmassigkeit, indem jeweils bei der Wasserabspaltung aus dlkoholen, von denen sich das gleiche Tricyclen ableiten lasst, identische Reaktionsprodukte ent- stehen l).

Nach den schon erwahnten Untersuchungen von P. Lipp und H . Meerwein und K . v. Emster ist jedoch die Annahme eines Tricyclens bei der Wagner’schen Umlagerung nicht erlaubt. Wie sol1 man nun den Mechanismus dieser Reaktion erklaren ?

Um einen Beitrag zur Beantwortung dieser Frage zu gewinnen, wollen wir von dem zweiten Widerspruch gegen die Tricyclenhypothese ausgehen. Es wird namlich gegen die Annahme des Tricyclens als Zwischenprodukt beim fjbergang des Borneols in Camphen oft der Umstand ins Feld gefuhrt, dass das Tricyclen nach der ublichen Formulierung als symmetrisch2) gebauter Korper optisch inaktiv sein musse und daraus kein aktives Camphen (wie es in manchen Fallen beobachtet wird) entstehen konne. Diese sonst allgemein gultige stereo- chemische Regel, dass BUS einem optisch aktiven Ausgangskorper bei Passage einer symmetrischen Zwischenstufe ein optisch inaktives Endprodukt entstehen muss, besitzt gerade in der Terpenreihe eine interessante Ausnahme, auf die F. W. Semmler aufmerksam gemacht

l) Vergl. die Tabellen Helv. I, 128- 129 (1918). Ausser den Hauptprodukten der Reaktion wurden manchmal davon ableitbare Nebenprodukte isoliert und werden sich wohl auch in anderen Fiillen beim Arbeiten mit grosseren Materialmengen noch isolieren lassen.

e, Es sei dahingestellt, ob sich nicht intermediiir auch eine instabile clsymmetrische Modifikation des Tricyclens bilden kann. Dagegen ist die Anachauung von Semmler. B. 44, 463 (1911) iiber die hymmetrie der Tricyclen-carbonsiiure Bredts sowie die danach vom einen von uns (1. c.) gefolgerte Asymmetrie des gewohnlichen Tricyclens unrichtig. Die geringe von H. Meerwein und K. v. Emater (1. c . ) beobachtete optische AktiViW des Tricyclens wird, wie diese Autoren vermuten, aicherlich auf einer Ver- unreinigung beruhen.

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279 - - hat'). Beim ubergang des optisch aktiven Linalools in Terpineol wird letzteres immer in optkch aktiver Form (von dem Linalool entgegen- geeetzter Drehung) gewonnen, trotzdem alle denkbaren Zwischen- produkte der Reaktion (z. B. Terpin) nach der ublichen Formulierung symmetrisch gebaut sind.

CHS CHS CE3

i'CH,

;<OH ;A;\"" ,&\OH CH,m C'H, CE, CHa CH, C

hHs AH3 --f L , O H - & ) & + I t CHI CH, I \CH \CHa \a/ \I/

L O H &OH L O H

CQCH,

II C

A CH, CH,

A CHS CH,

A CH, W s

Terpin. Terpineol. Linalool.

Da die optische Aktivitat des Linalools und Terpineols auf der Asymmetrie zweier verschiedener Kohlenstoffatome beruht, mues bei der Entstehung der Asymmetrie des Terpineols noch das asymmetrische Kohlenstoffatom des Linalools beteiligt sein, was jedoch nach der Formulierung nicht moglich ist. Um diesen Widerspruch zu erklaren, nimmt Semmler an, dass der Ringschluss (und somit Entstehung des neuen asymmetrischen Kohlenstoffs) und die Abspal tung des Linalool- hydroxyls (gleichbedeutend nit dem Verschwinden des urspriinglichen asymmetrischen Zentrums) g le ichze i t ig verlaufen. Auch wenn man irgendeinen ttnderen Reaktionsmechanismus zur Erklarung der optischen Aktivitat des Terpineols annimmta), so bleibt doch die Tatsache be- stehen, dass die Passage durch ein nach gew6hnlicher Formulierung symmetrisches Zwischenprodukt nicht immer zum Verlust der opti- schen Aktivitst fiihren muss.

Ubertriigt man diese Erfahrungen auf die Camphen-umlagerung, so kann man folgern, dam die Eigenschaften des Tricyclens (sym- metrischer Bau, relative Bestandigkeit gegen Sauren und anderes)

1) Atherkche ole, Leipzig 1906, Rd. I, 533.. Die Lehrbilcher der Stereochemie iibergehen lelder d iwn Fall.

a ) Die Miiglichkeit einer katalytkh durch noch unveriindertee Line1001 beein- flueaten aaymmetriachen Syntheae ist unwahmheinlioh, da in enderen anslogen Fallen kein aaymmetrbcher Reaktionsverlsuf konshtiert werden konnte. Vergl. Wulden, B. 32, 1848 (1899); 8. u. B. Wcdckind, B. 41, 456 (1908); Brcdig und B a l m , B. 41, 740 (1908). Nimmt m m hier dennoch eine katalytisohe Aktiviemng an, 80 konnte man dim mtlirlich auoh bei der Cemphen-umlagerung tun.

Page 14: Zur Kenntnis der Wagner'schen Umlagerung II. Über die Bildung des Santens

280 - - nicht nnbedingt dessen Rolle als Zwischenprodukt bei dieser') Re- aktion ausschliessen. Es ist moglich, dass gleichzeitig mit der Bildung des Dreiringes des Tricyclens auch dessen Aufspaltung stattfindet, indem durch die Umlagerungsreaktion die Atome soweit aus ihrer Gleichgewichtslage herauskommen, dass ein en e rg i s c h wirkendes Reagens, welchem das fertig gebildete Tricyclen gerade noch stand- halten kann, dieses wahrend des status nascendi zum ungesattigten Endprodukte isomerisiert. Bei Anwendung ge l inder wirkender (im Prinzip gleichartiger) Reagenzien ist es bei einer Gruppe Wagner'scher Umlagerungen ubrigens gelungen, die Tricyclenzwischenstufe zu fassen.

Der eine von uns hatte bei der Behandlung von Methylborneol (XVII) und Methyl-fenchylalkohol (XVIII) mit N a t r i u m bisul f a t im Reaktionsprodukte die Kohlenwasserstoffe Methyl-a-fenchen (XX) und Methylcamphen (XXI) in gleichen Mengenverhaltnissen erhalten und diese Reaktion mit dem Hinweis zu erklaren versucht, dass sich von beiden Alkoholen das gleiche Tricyclen ableitetz). J . BredP) konnte

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tatsachlich kurz darauf zeigen, dass sowohl atis XVII (mit Methyl- magnesiumjodid) wie aus XVIII (mit E s s i g s a u r e - a n h y d r i d ) der- selbe tricyclische Kohlenwasserstoff entsteht. Es ware auch nicht einzusehen, warum ein schwacher (Essigsaureanhydrid) und ein stiirker

I ) Dae gleiche gdt auch fur die Umkehrung der Camphen-umlwerung. den Uber- gang des Camphens in Isoborneol.

e, Helv. I, 116, 123 (1918). 3, J. pr. [Z] 98 (1918).

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281 - - saures Reagens (Natriumbisulfat) verschiedenartige Reaktionsarten zur Folge haben sollten.

Zusammenfassend moohten wir dnher hervorheben, dass, iuenn man awh die Wagner'sche Umlagerung als ,,wahre intramlekulare Atom- verschiebung" betyachten kann, diese sich dennoch wahrscheinlich ins S h e der Tricyclenstufe abspielt. Jedenfalls bildet die Tricyclenhypothese einen wertvollen Wegiueiser experiwnteller Arbeit.

Zurich, Chem. Institut der Eidg. Techn. Hochschule.

Les propribtes basiques du groupe nitro P"

Emile Cherbuliez. (14. 11. 23.)

Le nitrobenzhe et l'acide sulfurique se combinent en proportion Bquirnol~culaire pour donner naissance 8. un produit d'addition par- faitement stable, rbpondant zt la formule CBH,N0,.H,S04. On obtient cette substance en refroidissant un melange 6quimolBculaire des deux composants. A Oo, ce * melange n'est pas sursature par rapport aux deux corps 8. partir desquels il a bte pr6pm6; on ne peut pas y provoquer de cristallisation par addition soit de nitrobenzhe, soit d'acide sul- furique cristallis6s. L'introduction d'un fragment du nouveau corps pax contre determine immediatement une cristallisation assez rapide du liquide qui finit par se solidifier compl~tement lmsqu'on a travail16 avec des corps purs en proportion theorique. C'est donc bien un nouvel individu chimique auquel on a affaire. On ohtient ainsi de belles aiguilles incolores qui fondent 8. 1l0. En presence d'eau, ce corps est trans- forme quantitativement en ses constituants, nitrobenzbne et acide sulfurique. Cette reaction prouve qu'il s'agit d'un produit d'addition et non de substitution. A ]'&at liquide, le nouveau corps doit &re dissoci6 en rnajeure partie en ctdide et nitrobenzbne, car en presence de dissolvants non aqueux auxquels I'acide sulfurique n'est pas miscible, on observe toujours la formation de deux couches, I'une essentielle- ment organique, l'autre sulfurique.


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