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V. Zur Wi;lrmeZehre, besondcrs in Hinsicht auf CEas Lcitnrigsoernriigen rles Plutiru;

ron N. IX F i s c h e r in Breslau. (Vorgelesen in der sclrlesischen Gesellschaft f6r vaterlSndirche Kultur,

den 6. October 1830.)

Es giebt Qualititen, die wir nieinals an den KBrpern in ihrer absoluten Vollkommenlreit , sondern nur in eiiiein relativen Grade antreffen, oder, und eigentlicher, wir ge- langen zu dem reinen Begriff der Qualitlt nur durch Ab- straction der verschiedenen Grade derselben , lnit denen lvir die K6rper begabt finden. Zu cliesen Qualittiten ge- h&-t auch die Eigenschaft’ der Karper, die Wiarme - so \vie die Elektricitlit - zu leiten. Wenn wir demnach die Ktjrper in Leiter und Nichtleiter eintheilen, so ist dieses, \vie bekannt, nur in einem sehr relativen Sime zu verste- hen, und weit richtiger und allgetneiner ist die Einthei- lung in gute und schlec1:te Leiter, obgleich auclr hier keine streiige Scheidiing statt findet. Nach dem Begriff eines Wsnneleiters in1 absoluten Sinne iniifste dieser die ihln mitgetheilte Warine tinmittelbar vou einer Stelle zur an- dern fortleiten, so dab zu keiiier Zeit ein Unterschied in der Temperatur zwischon der Stelle, welche unmittef- bar erhitzt wird und jeder entfernteri wahrgenommei: wer? den kann, - vorausgesetzt, dafs die wgebenclen Kiirper, mie die Luft etc., entireder kein oder ein an allell Thei- len gleiches Entziehen der Winne bewirken, - da hin- gegen bei den besten Leitern unter den Metallen eine bedeutende Zeit verstreicht, ehe die an dein einen Ende erregte Wanne an einer eutfernten Stello wahrgenorninen mird. Ebenso findet immer eine bedeutende Verschie- denheit zwischen cler Temperatur .dieses, init der Qiiello dcr Warme iu Deriihrung stehciidcu Endes uud deli ent-

508 fernten Stellen statt, und zwar ist dieser Unkrschied uiii so bedeutender, je cntferntei eben diese Stellen von dem erhitzten Ende sind, was freilich von der umgebenden Luft, aber docli nicht ausschliefslicli von ihr allein , herriihrt. Der verschiedene Grad der Warmeleitung bei den ver- schiedenen Korpern ist daher durch die Entfernung von dem auf gleiche Art erhitzten Ende bes t imt worden, in welcher ein und dieselbe Temperatur erzeugt worden ist, und diese ist entweder durch eiii and dieselbe Wirkung der Wiinne,, wie z. B. durch das Schmelzen des Wach- ses, womit die Metallstabe iiberzogen worden sind, oder durch das Thermometer wahrgenommen worden. Dcr Grad der Leitung wird in gradem Verhaltnifs init dieser Entfernung von dem erhitzten Ende gesetzt, bei welcher dieselbe Temperatar wahrgenominen wird, oder in gradem Verhaltnifs mit der Winne , welche bei gleicher Entfer- nuiig statt findet. Nach der letztern Bestimmung hat D e sp r e t z das Leitungsvenniigen rnehrerer Kiirper, be- sonders der Metalle, bestimmt, doch nicht, indem er das Vennilgen, die Warme zu leiten, mit der in eiiier glei- chen Entfernung von dem erhitzten Ende erregten War- megrade geradezu in Proportion setzt , sondern niit der Zahl (dem Quotienten), welche erhalten wird, wenu die Ueberschiisse der WIrme - iiber die Temperatur der Luft, - welche zwei Thennometer zeigen, mit dem Warmeiiberschuk des zwischen ihnen liegenden dividirt werden.

So wenig nun auch die fruhern Versuche voii In g en- h o u r s , U r e u. a., durch welche das Leitungsvenniigen durch die Entfernung voin erhitzten Endc bestiinmt mor- den ist, iu welcher das Waclis, womit die Metalle iiber- zogen waren, zum Schmelzen kam, irgend eineii Vergleich init den von D e s p r e t z angestellten in Hicsicht der Sorg- falt , Genauigkeit und noch vielweniger in Hinsicht eines wirklichen Zahlenverhaltnisses aushalten liiinnen, so luufste dennoch dic Ordnung der Mctalle dieselbe blciben, day

509 so verschieden anch diese Metboden, dennoch das Pri& cip, worauf sie beruhen, dasselbe ist, und unmaglich nach diesen friiheren Versuchen das Kupfer, Zinn, Eisen u. s. W. dem Platin vorangehen, welches nach D e s p r e t z unmit- telbar ded Golde folgt, allen iibrigen hingegen, selbst dem Silber voransteht. Aber auch abgesehen von diesen frli- hem Versuchen widerspricht die D e s p r e tz'sche Angabe iiber die Stellc des Platins in der Metallreihe so sehr den gewahnlichen Erfahrungen iiber das Verhalten des Platins beim Erhitzen, dafs es mir von vorn herein klar war, daC nur durch verschiedene Umstlnde, welchc bei den Versuchen obgewaltet haben, so ganz widersprechende Resultate erhalten worden sind. Vorziiglich sind es fol- gende Umstiinde, welche hier einen wesentlichen Einflut ausiiben: 1) die Dicke des angewandten Metalls und 2) die Temperatur, bis zu welcher das eine Ende erhitzt worden ist. D e s p r e t z hat Prismen von mehr als 019 ZoU (21 mm.) angewandt, und das eine Ende durch eine A r g a n d'sche Lalnpe erhitzt (bis zu welcher Teinperatur ist zwar niclit angegeben, j a aus dem, was von seiner Ar- beit bekaiint gewor'den ist, durch' den Bericht von Gay- L u s s a c , Ann. de Chirn. et Phys. Tom. XIX. 97. uud die von ihin mitgetheilten Restiltate Aznal. de Ch'm. et Phys. Tom. XXXVI. 422, denu seine Abhandlung selbst ist, so vie1 ich vieifs, noch nicht erscbienen? geht nicht einmal wit Bestimmtheit hervor, ob alle Metalle gleich erhitzt wordeii sind, da er die Erhitzung nur so weit vorzunehmen schien [die Lampe regulirte] bis das erste Thermometer eine constante W;iruie zeigte). I n genhours hingegen wandte Metalldrahte an, deren Durchinesser frei- Iich nicht angegeben ist, uud setzte sie eiuer gleichen niedrigen Teinperatur aus, indem er sie in heifses Oebl tauch t e.

Von melchein bedeutenden Einflut aber diese TJm- s t l ~ d e auf den Erfolg sind, werden nacbstchende Be&- achtungen zeigen, mit deren Mittheilung ich zilniichst n u

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den Zweck verbinde, das verschiedene Leitungsvermilgen des Platins nach diesen verschiedenen Urnstsnden im AIL- gemeinen danuthim, dann aber auch den, urn diejenigen Naturforscher, welche sich eines geeignetern Apparals be- dieiien klinnen, als mir zii Gebote stand, aufzufordem, das eigenthiimliche Verhaltnifs dieses verschiedenen Lei- tungsvermsgens nlher auszumitteln.

1) Gleich diinne Streifen von Silber, Gold, Kupfer, Platin und PaIladiuln wurdeu, unter zicrnlt'ch gleichcn Urn- stlnden, an dem einen Ende der schwachen Flainme ei- ner gewiiholicheu Weiugeistlampe aasgesetzt, und in glei- cher Entfemurig voii dem erhitzten Ende mit der Hand gehalten. Die Wiirme theilte sich iiacli der angegebenen Ordnung bei den ersten drei Metallen schnell der gehal- tenen Stelle mit, und erhitzte sie dergestalt, dafs sie kauin mehr gehalten werden konnte; bei den letztern beiden wurde erst selbst nach liinngerer Zeit nur eine sehr ge- rioge Warme wahrgcnommen; obgleich das der Flainiiio ausgesetzte Ende derselben sofort hellroth gliihte, was wieder bei heinem der ersten der Fall war; d. 11. Silbcr, Gold, Kupfer konnten, selbst an einer von dein erhitzten Ende weit eiitfernteren Stclle, nicht so lange mit der Hand gehalten werden, bis sie gluhend wurden, was beim Pla- tin und Palladium in wenigen Sekunden der Fall ist.

2) Bei - fernerer Einwirkung der Mitze pflanzt sich die WYrme bei den ersten drei Metallen immer weiter fort, so dafs sie riur imuner entfemter von dem erhitzten Eude gehaltcn iverden klinnen ; bei den letttern beiden bingegen fiiidet dieses sehr unbedcutend statt, so dal's z. B. nach 10 Minuten Iangem Gliihen der Silberstreifeii kaum noch in der Eiitfernung von 6 Zoll vom gluhendcn Ende gehalten werden kann, wRhrend das Platin in einer Entfernung von 2 Zoll weit weniger erIiitzt ist.

3) Ganz dieser Wahrnebmiing durch das Gefuhl ist auch das Schnielzen des Wachses, womit die-Mctallstrei- fen ubenogen waren, entsprcchend, und bier kann schon

511 ein nsheres VerhaltniEs des Leitungsvennagens beobachtet werden, nachdein die Ordnung der Metalle folgende kt: Silber, Kupfer, Gold *), Palladium und Platin.

4) So wie die Fortpflanzyng der WIrrne, wshrend des fortgesetzten Erbitzens an dem einen Ende, so er- folgt sie aucb, wie naturlich, in der ersten Zeit, wenn der Streifen aus der Flamme genommen wird, so dafs bei ei- ner bestimmten Edernung, bei welcher man wahrend des Erhitzens keine W m n e mahrgenommen hat, sie jetzt sehr deutlich und nach dem Verhiiltnifs dieser Entfernung eben- falls unertraglich werden kann. Auch bier findct der dop pelte Unterschied zwischen den ersten dreien und den letzten beiden Metallen statt, indem diese letztern a) heim Erhitzen bis zuin hellen Rotbgluhen die Wlrrne kaum bis zur Halfte der Entfernung zeigen, bis zu welcher sie beim Silber etc, selbst wenn es nur kune Zeit der Flamnie ausgesetzt war, wahrgenommen wird, und b) meit schnel- ler die Warme fortpflanzen, wenn das gliihende Ende aus der 'Flamme genominen wird, als so lange es in der Flamme bleibt.

5) Der Unterschied in der Fortpflanzung der Warme findet in weit geringerem Grade bei Anwendung einer iiiedrigern Temperatur statt, so z. B., wenn das Ende in kochendes Wasscr gesteckt wird, indem beim Silber e t c die Stelle, bis zu welcher das Wachs schmilzt, bei wei-. tern mehr von der abstcht, bei welcher es, wenn das Ende der Flamme ausgesctzt wurde, geschmolzen ist, als diefs beiin Platin der Fall ist, oder mit andern Worten, bei Anwendung dieses niedrigern Warmegrades findet ein weit geringerer Unterschied in Hinsicht der Fortpflanziing der *) Ich hnbe bereits oben angedeutet, dafs die Urnsrhdr, unter wel-

chen diese Versuche aogestellr worden sind, nicht ganz gleich wa- ren, so nnrncntlich war der Goldstreifen nieht von reinern Netall, snndern von gewiihnliclr legirtem Golde, w a s viellcicht der Grund der Abweichung' zwischen dicser und dcr von D CS-

p r e t t angegebencn Ordnung, nacli welcher dieses Metal1 den biichsten Grad dcr Wirmeleitung besitzt, seyn mag.

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Warme zwischen S i e r und Platin, als bei Anwendung der Gluhhitze statt.

Wenn diesemnach das Platin den andern Metallen in dem Leitungsvennbgen dergestalt sehr nachsteht, als es bei gleiclien Urnstanden die an dem einen Ende einstrii- nende Warme weder so weit noch in dem Grade fort- pflanzt, wie Silber, Kupfer und Gold, so zeigt es hinge- gen in sofern gleichsam eine sehr grofse Anziehung zur Warme, als es sehr schnell unter denselbeu Urnstlinden hellgliihend wird, unter denen Silber etc. es in einem weit geringeren Grade und nach langerer Zeit zu werden im Stande ist, was freilich mit von dcm verschiedenen Grade der Fortpflanzung abhrngt, worin aber der Grund allein nicht liegen kann, weil bei den dunnen Streifen, mit denen ich die Versuche anstellte, das Maximum der Warme an dein entgegengesetzten Ende schuell erreiclit ist, ohne dafs beim Silber das Ergluhen nach langerer Zeit erfolgt.

Das Ergebnifs dieser Versuche ist demnach, dafs, un- ter den angegebeiien Urnstanden, das Platin ein ganz an- deres Verhtiltnifs zur IViirme zeigt, als unter denen D c s- p r e t z seine Untersuchungen angestellt hat, untl dafs na- mentlich unter den bier aufgestellten die Stelle, melche das Platin in der Metallreihe in Hinsicht der Wkiielei- tung einnhmt, eine gain andere ist, als ihm D e s p r e t z einraumt.

Noch verdient folgendes eine nahere Errvahiiung: 6 ) Es ist nicht ohne Einflufs auf die Schnelligkeit

der Fortpflanzung der Warme, wenn das Metal1 aus der Flamnie genonimen wid , in melcher Richtung man es halt; namentlich pflanzt sich die Wsrme bei senkrechter Richtung weit schnellcr fort, menn das erhitzte Ende nach unten, als wenn es umgekehrt nach oben gehalten nird. Man kann dieses bei Ann-cndung cines bestiinuiten Hitze- grades sehr leicht wahruehcn, wenn mau schnell mit

dicscii

513 diesen Richtungen abwechselt, indem man, sobald das er- hitzte Ende nach unten zu gekehrt ist, eine bedeutendc Vermehrung der W6rNC wahrnimmt, die beim Umkehren nach oben nicht oder sehr unbedeutend zuniinmt, was hingegen mieder bei der ersten liichtung statt findet. Es versteht sich von selbst, dafs dieses nur so lange erfol- gen tvird, als die WSrrne uberhaupt den1 Leitungsvermo- gen der Metalle und der angewandten Hitze gcmet noch nicht gleichmtifsig vertheilt ist, daher iiur in den ersten Zeitmomenten. Nacli dem Angegebenen ist voniiglich das Platin geeignet, diese Erscheinung zu zcigen *).

7 ) Die Fortpflanzung der Warme von dern erhitz- ten Ende aus nach den entfernten Stellen erfolgt bei wei- tern schneller, wenn dieses Ende, statt in der Luft, durch eine Fliissigkeit, besonders durch Wasser abgekiihh wird. Man kann diese iiberrascheride Erscheinung sehr leicht wahrnehmen, wenn eiii Platin - oder Silberlijffel so lange crhitzt wird, bis der in der Hand gehaltene Stiel eben warm zu werden anfiingt, und in den Lijffel dann Was- ser gegossen wird. Die Hilze theilt sich schnell mit, so dafs der Loffel nicht lnehr gehalten werden kann. Da- bei verdient noch besonders bemerkt zu werden , dais diese Fortpflanzung nur dann durch das Wasser beschleu- nigt wird, wenn die Hitze des Liiffels nicht den Grad er- reicht hat, bei welcher das Wasser nicht eigentlich verdun- stet, sondern das L e i d e n f r o s t 'sche Phznomen darstellt.

) Dieses Verhalten, zugleich mit dern besonders beim Platin An- gegebenen, nach welcliem es beim Hellglirhen des ainen Endes wei t wenigcr und langsan~er die WSrzrie iortpflanzt, so lange es der Flornrue ausgesrtzt I lc ib t , als wrnn es ilir enlzogen wird, erregt die Vcrmuthung, als wenn die WLrmestrahlen, welch6 in dos Metall einstrijmen, die Tendenz hitten, in die Hiihe zu stei- gen; eine Neinung. die auch A l e x . v o n H u m b o l d t , als ich ilim die unter No. 4. angefiihrte Erscheinung zu zeigen die Ehre hattc, gleich aussprech, ob ich gleich die unter No. 6. angefihrte Ersclreinung nicht erwshnt hatte.

i1nnal.d. Physili. Bd. 95. St.4. J. 1830.St. 8. Kk


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