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Hausarbeit "Chemische Kampfstoffe seit 1900" Stefan Martini Thomas Blome Marie Goedicke Alexander Hintzen Christoph Keins Kai Kornetzky Thomas Krause Jens Lange Sebastian Roden Lukas Weitekamp Lars Wyvwa 12. November 2011 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung und Evaluationsziel 3 2. Methodik 4 3. Geschichte der Kampfstoffe 5 3.1. Verwendung während dem ersten Weltkrieg ................. 5 3.2. Verwendung während dem zweiten Weltkrieg ................ 6 3.3. Verwendung während des Vietnamkrieges .................. 6 3.4. Verwendung während des Irak-Konfliktes ................... 6 3.4.1. Terroristische Verwendung durch die Aum-Sekte .......... 7 3.4.2. Verwendung im 20. Jahrhundert ................... 7 3.5. Auflistung der Stoffe .............................. 8 4. Einteilung der Stoffe in Gruppen 10 4.1. Toxikologische Grundlagenbetrachtung .................... 10 4.2. Effizienzkennwerte von chemischen Kampfstoffen .............. 12 4.2.1. Toxikologische Grenzwerte ....................... 12 4.2.2. Einteilung nach der Farbkreuz-Bezeichnung: ............. 13 4.2.3. Einteilung nach Wirkungsart ..................... 14 4.2.4. Mögliche Gegenmaßnahmen ...................... 15 4.3. Effektivitätskennwerte ............................. 15 4.3.1. Aggregatzustand ............................ 16 4.3.2. Ausbreitung von Gasen ........................ 16 4.3.3. Transportierbarkeit ........................... 17 4.4. Ausbringungsmöglichkeiten .......................... 17 1

Chemische Kampfstoffe seit 1900

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Page 1: Chemische Kampfstoffe seit 1900

Hausarbeit "Chemische Kampfstoffe seit1900"

Stefan Martini Thomas Blome Marie GoedickeAlexander Hintzen Christoph Keins Kai Kornetzky

Thomas Krause Jens Lange Sebastian RodenLukas Weitekamp Lars Wyvwa

12. November 2011

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung und Evaluationsziel 3

2. Methodik 4

3. Geschichte der Kampfstoffe 53.1. Verwendung während dem ersten Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . 53.2. Verwendung während dem zweiten Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . 63.3. Verwendung während des Vietnamkrieges . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63.4. Verwendung während des Irak-Konfliktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

3.4.1. Terroristische Verwendung durch die Aum-Sekte . . . . . . . . . . 73.4.2. Verwendung im 20. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

3.5. Auflistung der Stoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

4. Einteilung der Stoffe in Gruppen 104.1. Toxikologische Grundlagenbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104.2. Effizienzkennwerte von chemischen Kampfstoffen . . . . . . . . . . . . . . 12

4.2.1. Toxikologische Grenzwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124.2.2. Einteilung nach der Farbkreuz-Bezeichnung: . . . . . . . . . . . . . 134.2.3. Einteilung nach Wirkungsart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144.2.4. Mögliche Gegenmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

4.3. Effektivitätskennwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154.3.1. Aggregatzustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164.3.2. Ausbreitung von Gasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164.3.3. Transportierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

4.4. Ausbringungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

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4.5. Herstellung chemischer Kampfstoffe / Machbarkeit / Verfügbarkeit derGrundsubstanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

5. Auflistung der einzelnen Stoffe 20

6. Terroristische Relevanz der Stoffe - Interpretation 226.1. Zielsetzung terroristischer Verwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226.2. Gewichtung welche Stoffe/ Stoffgruppen sind wie relevant unter welchen

Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236.3. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

Anhang 27

A. Literatur 27

B. Abbildungsverzeichnis 30

C. Tabellenverzeichnis 31

D. Tabellen 32

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1. Einleitung und Evaluationsziel

Im Rahmen des Wahlfachs “Grundlagen des Terrorismus und Strategien zur Konfliktlö-sung (Prof. Dr. S. Hartwig)” sollen das Thema “Chemischekampfstoffe seit 1900” in dieserHausarbeit erarbeite werden. Ziel dieser Ausarbeitung ist die Betrachtung der Relevanzvon Chemischenkampfstoffen im Kontext terroristischen Handelns. Ausgehend von ei-ner Kommunikationsfunktion terroristischer Akte1 ist eine Gefährdung der Bevölkerungdurch chemische Kampfstoffe anzunehmen2. Die Kommunikationsfunktion eines terro-ristischen Anschlages ist vielschichtig und durch die Art der terroristischen Motivationgeprägt. Jedoch ist davon Auszugehen das die Möglichkeit besteht, das Terroristen ih-re Botschaft mittels Chemischeskampfstoffe übermitteln könnten. Diese Annahme kanndurch den Anschlag der Aun Sekte3 auf die U-Bahn Tokios bekräftigt. Hier wurde durcheine terroristische Vereinigung ein Anschlag mittels des chemischen Kampfstoffes Sarindurchgeführt.Die Betrachtung der Grundlagen aus welchem Grund und in welcher Form terroris-

tische Handlungen mittels chemischer Kampfstoffe durchgeführt werden wird in dieserHausarbeit bewusst nicht durchgeführt. Da von der Möglichkeit des Einsatzes von che-mischen Kampfstoffen ausgegangen werden kann, soll eine Betrachtung der bekanntenStoffe hinsichtlich ihrer aktuellen Relevanz erfolgen. Die Relevanz wird in dieser Arbeitdurch ihre Einsatzwahrscheinlichkeit ausgedrückt. Um eine Aussage über die Einsatz-wahrscheinlichkeit treffen zu können sollen zunächst alle historisch seit 1900 bekanntenchemischen Kampfstoffe erfasst werden und Gruppiert werden. Als Hypothese wird an-genommen, dass sich die verwendeten Stoffe bezüglich ihrer Eigenschaften unterscheiden,es also zu einer Entwicklung kam.Um die Gruppe der zu betrachtenden Stoffe einzugrenzen und zu definieren werden

in dieser Arbeit chemische Kampfstoffe über ihren Einsatz als Mittel zur Schädigungder gegnerischen Partei innerhalb eines militärischen Konfliktes definiert. Es werden alsonur solche Stoffe betrachtet, welche direkt ausgebracht werden. Hierdurch sind solcheStoffe ausgeschlossen welche durch Zerstörung von Gebäuden, Produktionsanlagen o.ä.freigesetzt wurden und dann zu einer Schädigung der “gegnerischen Partei” führten.4.

Das Evaluationsziel dieser Arbeit ist die Erarbeitung einer Aussage über die Einsatz-wahrscheinlichkeit eines bestimmten chemischen Kampfstoffes in einem terroristischenKonflikt.

1vgl. Vorlesung Wahlfach: “Grundlagen des Terrorismus und Strategien zur Konfliktlösung (Prof. Dr.S. Hartwig)”

2Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (2010).3Lit, Zeitpunkt4vgl. brennende Ölquellen innerhalb des Irakkonfliktes

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2. Methodik

Um eine Aussage über die Einsatzwahrscheinlichkeit eines bestimmten Stoffes treffen zukönnen erfolgt zunächst eine Literaturrecherche der bekannten chemischen Kampfstoffe.Es folgt eine chronologische Darstellung der Verwendung von chemischen Kampfstof-fen. Durch diesen Schritt werden die zu betrachtenden Stoffe eingegrenzt.5 Als nächsterSchritt werden Kennwerte entwickelt, welche zu einer Bewertung der Stoffe hinsichtlichihrer terroristischen Relevanz. Als Hypothese wird hier angenommen, dass die militä-risch und terroristische Relevanz eines Kampfstoffe differiert. Diese Annahme erfolgt aufder Grundlage der unterschiedlichen Zielsetzungen. Militärische Ziele differieren von ter-roristischen Zielen. Nach Erarbeitung der terroristisch relevanten Kennwerte chemischerKampfstoffe erfolgt eine Auflistung der einzelnen Kampfstoffe mit diesen Kennwerten, so-wie eine anschließende Gruppierung der Stoffe bezüglich der dargestellten Eigenschaften.Im letzten Schritt soll eine Gewichtung der einzelnen Gruppen bezüglich ihrer Wertigkeitfür einen terroristischen Einsatz erfolgen.Diese Arbeit gliedert sich in folgende Schritte:

1. Literaturrecherche, um die relevanten Stoffe zu erfassen

2. Entwicklung von Kennwerten, welche terroristisch relevant sind

3. Auflistung und Gruppierung der relevanten Stoffe bezüglich der erarbeiteten Kenn-werte

4. Gewichtung der Kennwerte und Interpretation der gebildeten Gruppen hinsichtlichdes Evaluationszieles

5Diskussionswürdig ist ob mit diesem Ansatz alle Stoffe erfasst werden können

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3. Geschichte der Kampfstoffe

Alexander Hintzen, Thomas Krause

3.1. Verwendung während dem ersten Weltkrieg

Der Einsatz von chemischen Kampfstoffen wurde im 20 Jahrhundert erstmals im größe-ren Maße im Ersten Weltkrieg von Bedeutung. Das Problem um die Stoffe entsprechendeinzusetzen war damals noch die Beschaffung. Aus diesem Grunde musste man sich da-mals aus den Stoffen, die in der Industrie Verwendung fanden, beschränken. Gase wieArsenwasserstoff, Chlor, Cyanwasserstoff oder Phosgen waren in dieser Zeit für die da-mals noch „ junge chemische Kriegsführung“ von großer Wichtigkeit. So mussten zunächstschwerwiegende Nachteile in Kauf genommen werden. Zum einen waren sie durch wech-selnde Windrichtungen unberechenbar (so konnte eine Gaswolke auf die eigene Stellungzurückgeweht werden), und andererseits verflüchtigte sich das Gas relativ schnell.Später versuchte man diese Probleme durch die Verwendung von Flüssigkeiten zu lö-

sen. Diese wurden als Aerosole versprüht und somit den Vorteil, dass sie am Boden aberauch an Personen selbst haftenblieben. Gelangt solch ein Stoff auf die ungeschützte Hauteines Menschen diffundiert dieser durch sie hindurch in die Blutbahn und wird so schnellim ganzen Organismus verteilt. Gegen diese Stoffe konnten auch die damaligen Gasmas-ken keinen ausreichenden Schutz bieten, nur ein Ganzkörperschutzanzug stellte einenausreichenden Schutz dar.Im Laufe des Ersten Weltkriegs wurde jedoch schnell klar, dass sich der Einsatz che-

mischer Kampfstoffe von einer billigen und vergleichsweise „humanen“ Waffe zu einemWaffensystem entwickelte, dessen zunehmend grausame Wirkungen in keinem Verhältniszur Effizienz ihrer Anwendung mehr standen, wie beispielsweise die oben angesprocheneWindproblematik, was den Einsatz häufig unkalkulierbar machte.Nach Ende des Ersten Weltkriegs ist eine Aussage des damaligen englischen Kriegsmi-

nisters Winston Churchill der nach einem Giftgaseinsatz gegen die Kurden in Sulaimaniy-ya im heutigen Irak. Vorbehalte britischer Militärs wies er wie folgt zurück: „Ich verstehedie Zimperlichkeit bezüglich des Einsatzes von Gas nicht. Ich bin sehr dafür, Giftgasgegen unzivilisierte Stämme einzusetzen“, ließ er verlauten. Das eingesetzte Gas müsseja nicht tödlich sein, sondern nur „große Schmerzen hervorrufen und einen umfassendenTerror verbreiten“.6

Die Verwendung von chemischen Waffen erregte die ganze Welt. Zwar war schon vordem Ersten Weltkrieg deren Einsatz durch die Haager Landkriegsordnung geächtet, derenFormulierung bot jedoch ausreichend Spielraum zu verschiedenen Auslegungen, so dassder Einsatz von Giftgas nicht eindeutig verboten war. Angesichts der Gräuel des ErstenWeltkrieges wurde 1925 im Genfer Protokoll die Anwendung von Giftgasen und bakterio-logischen Mitteln ausdrücklich verboten. Die USA traten diesem Vertrag allerdings erstam 10.04.1975 bei.7

6Gellermann (1986).7International Committee of Red Cross.

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3.2. Verwendung während dem zweiten Weltkrieg

Während des Zweiten Weltkrieges fand dieses Protokoll, chemische und biologische Waf-fen zur Kriegsführung einzusetzen, nur auf dem europäischen Kriegsschauplatz Beach-tung. Hier versuchte man sich lediglich durch die Androhungen der Verwendung vonchemischen Waffen gegenseitig einzuschüchtern.8

Die einzige Nation die während des zweiten Weltkrieges chemische Waffen einsetzte,war das Kaiserreich Japan. Sie setzten sie zusammen mit biologischen Waffen in Chinasowohl gegen chinesische Truppen als auch zur gezielten Massentötung von Zivilistenein.9

Deutschland hatte Ende der dreißiger Jahre als erste Nation die großtechnische (in-dustrielle) Produktion von Nervengasen entwickelt, war also als einzige Kriegspartei zurHerstellung von Nervengasen im Kilogramm- und Tonnenbereich in der Lage. DieserUmstand, gekoppelt mit der Verfügbarkeit modernster Trägersysteme wie der V-2 Ra-kete, hätte die politische Führung in die Lage versetzt, einen strategischen Gaskrieg zuentfesseln, der unter Umständen von der Tragweite her ähnlich gravierend hätte seinkönnen wie die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki. Zu einem Gaskriegkam es glücklicherweise nicht, dennoch wurden in Deutschland chemische Kampfstoffemassenweise in den Gaskammern der deutschen Vernichtungslager eingesetzt. Hier wur-den viele Opfer des Holocaust mit dem blausäurehaltigen Insektizid Zyklon B und mitMotorabgasen (Kohlenstoffmonoxid) ermordet.

3.3. Verwendung während des Vietnamkrieges

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg wurden noch chemische Waffen eingesetzt. Währenddes Vietnamkrieges setzten Frankreich und die USA zunächst noch auf konventionel-le Brandbomben wie Napalm gegen die Nordvietnamesen ein. Die Regierung Kennedysetzte ab 1961 auf den systematischen Einsatz von Chemikalien gegen Nordvietnam (Ope-ration Ranch Hand). Die hierbei als Entlaubungsmittel eingesetzten Herbizide (vor allemAgent Orange) waren keine chemischen Waffen im eigentlichen Sinne, sondern sollten demGegner die Deckung durch die Vegetation nehmen sowie seine Ernte vernichten. Jedochverursachte Agent Orange durch die Verunreinigung mit 2,3,7,8-Tetrachlordibenzodioxin,schwere gesundheitliche Schäden unter der Bevölkerung und Soldaten beider Seiten.10

3.4. Verwendung während des Irak-Konfliktes

Ein paar Jahre später, 1980, setzte die irakische Armee zu Beginn des ersten Golfkriegsauf Weisung Saddam Husseins chemische Waffen gegen den Iran ein.So warf die irakischeLuftwaffe bereits 1980 speziell dafür entwickelte Kanister mit chemischen Kampfstoffenüber iranischen Stellungen ab. Bekanntheit erlangte der Giftgasangriff auf die Fernver-kehrsstraße am 9. August 1983 Rawanduz–Piranshahr.11

8Harris/Paxman (1985).9André Kunz (26.08.2002).

10Harris/Paxman (1985).11Fürtig (1992).

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Während des Golfkriegs wurden insgesamt ca. 100.000 iranische Soldaten Opfer vonGasangriffen, meist durch Senfgas. Da Giftgas während der Kämpfe auch auf Stellungenund Posten abgeworfen wurde, die sich in oder um Dörfer befanden und deren Einwohnerkeine Möglichkeit hatten sich gegen die Gase zu schützen, gab es auch unter der Zivil-bevölkerung sehr viele Opfer. Außerdem wurden durch den Einsatz verschiedener GaseGebiete mit gefährlichen chemischen Schadstoffen kontaminiert.Der Irak setzte chemische Waffen auch gezielt ein, um Zivilisten zu töten. Tausende

wurden bei Giftgasangriffen auf Dörfer, Städte und Frontkrankenhäuser getötet. Bekann-testes Beispiel ist der Giftgasangriff auf Halabdscha am 16. März 1988, bei dem etwa5000 irakische Kurden getötet und 7000 bis 10.000 so schwer verletzt wurden, dass vielevon ihnen später starben. Die irakischen Streitkräfte setzten mehrere verschiedene Gasegleichzeitig ein. Dazu gehören Nervengase wie Tabun, Sarin und möglicherweise VX aberauch Senfgas und ein Zyanidkampfstoff.

3.4.1. Terroristische Verwendung durch die Aum-Sekte

Nicht nur im Rahmen von Kriegsführung fanden Chemische Kampfstoffe ihren Einsatz,sondern auch im Terrorismus. Am 20.03.1995 kam es beim Terror-Anschlag der japani-schen Aum-Sekte zur Freisetzung des Nervengases Sarin in der U-Bahn von Tokyo. Esgab 12 Tote und über 5000 Verletzte.12

3.4.2. Verwendung im 20. Jahrhundert

Im Oktober 2002 verwendeten russische Sicherheitskräfte in Moskau vermutlich das Opio-id Carfentanyl und das Anästhetikum Halothan in Form eines Aerosol-Gas-Gemischs, umTerroristen kampfunfähig zu machen, die in einem Musical-Theater 800 Geiseln festhiel-ten. Alle Geiselnehmer und über 129 Geiseln kamen ums Leben. Die meisten aufgrunddes Gases. Viele erlagen im Krankenhaus ihren Vergiftungen, wozu möglicherweise auchdie fehlende Zusammenarbeit der Sicherheitskräfte mit den Ärzten beigetragen hat. DerEinsatz von Carfentanyl wurde offiziell nie bestätigt, möglicherweise im Hinblick auf dievon Russland ratifizierte Chemiewaffenkonvention.13

Während des Irakkrieges setzte eine Terrororganisation chemische Waffen hauptsäch-lich gegen Zivilisten ein, aber auch gegen US-Soldaten und irakische Soldaten und Polizis-ten. Bei dem eingesetzten Gas handelte es sich um Chlorgas. Da die Anschläge alle unterfreiem Himmel durchgeführt wurden, war die Zahl der Todesopfer meist gering, die Zahlder Verletzen betrug jedoch oft mehrere hundert. Zu den am meisten wahrgenommenenGiftgasanschlägen im Irak zählen der Anschlag auf eine Polizeiwache am 6. April 2007mit 27 Toten und der Anschlag auf einen Dorfmarkt in Abu Sayda am 15. Mai 2007 mit45 Toten.14

12Murakami (2002).13Reitschuster/Gudrun/Gottschling (04.11.2002).14Multi-National Force - Iraq Combined Press Information Center (2007).

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3.5. Auflistung der Stoffe

Aus dieser geschichtlichen Betrachtung ergibt sich folgende Tabelle der relevanten che-mischen Kampfstoffe.15

15Croddy/Perez-Armandariz/Hart (2001).

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ChlorPhosgenDiphosgenChlorpicrinEthyldichlorarsinPerfluorsiobutyleneMustard (sulfor) auch LostNitrogen MustardLewisitePhosgen OximePhenyldichlorarsineHydrogen CyanideCyanogen ChlorideArsineCarbon MonoxideHydrogen Sulfide (”Sour Gas”)Soman (GD)SarinVXTabunBelladonna, Glycolate AlkaloidsBenzilate (BZ)Lysergic Acid Diethylamide (LSD)MescalineMethaqualoneAgent OrangeCS / CNcapsaicinBromoacetateChloracetonBromeaceton (”B-Stoff”)Brommethylethyl ketoneDiphenylchlorarsineParaquat (Bipyridylium)Agent White (Picloram)Agent Blue (Bimethyl arsenic acid)Napalm

Tabelle 1: Liste der historisch Erfassten Kampfstoffe

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4. Einteilung der Stoffe in Gruppen

Jens Lange, Christoph KeinsUm eine Beachtung der genannten Kampfstoffe durchführen zu können sollen im folgen-

den terroristisch relevante Kennwerte dargestellt werden. Ausgehend von der Annahme,das Terroristen mit Anschlägen ein bestimmtes Kommunikationsziel erzielen wollen istdavon auszugehen das die verwendeten Stoffe diesem Kommunikationsziel entsprechen.Ein Ziel terroristischen Handelns ist der gezielte Angriff von relevanten Zielen16. DieWirkspezifität eines Kampfstoffes kann sich zunächst auf Menschen, Objekte oder diebelebte Natur beziehen.17. Als erster Kennwert wird ”Wirkungsziel” mit dem Möglich-keiten ”Mensch”, ”Objekt” oder ”belebte Natur” angenommen. Neben dieser Grundsätzli-chen Überlegung ist die Effizienz bzw. Effektivität des eingesetzten Stoffes zu betrachten.Als Hypothese wird an dieser Stelle angenommen das bei der Auswahl des verwendetenStoffes die Beachtung der Effektivität und Effizienz Berücksichtigung findet. Ein ersterHinweis für die Gültigkeit dieser Hypothese ist in der benötigten Planung zur Herstellungund Verwendung von chemischen Kampfstoffen zu sehen. Weitere Kennwerte ergeben sichalso aus der Effektivität und Effizienz von chemischen KampfstoffenUnter Effektivität wird das ”Nutz-Kosten-Verhältniss” verstanden. Bei Effizienz han-

delt es sich lediglich um ein ”Output” Betrachtung.18

4.1. Toxikologische Grundlagenbetrachtung

Die Toxikologie ist die wissenschaftliche Fachdisziplin, welche sich mit den gesundheits-schädlichen Auswirkungen von einzelnen chemischen Substanzen oder Substanzgemi-schen auf Lebewesen, insbesondere den Menschen beschäftigt.Begründet wurde die Toxikologie durch die Erkenntnisse von Philippus Aureolus Theo-

phrastus Bombastus von Hohenheim (1493 – 1541), auch Paracelsus genannt, welcherpostulierte, das die Giftigkeit eines Stoffes entscheidend von der aufgenommen Dosisabhängt.

"Dosis sola facit venenum"(Paracelsus)

Älle Dinge sind Gift und nichts ist ohne Gift. Alleine die Dosis macht, dassein Ding kein Gift ist"

Diese Aussage begründete die Toxikologie und behält ihre Gültigkeit bis zum heutigenTag. Eine Erweiterung dieser Aussage wurde durch Fritz Habers mit der HaberschenRegel getätigt, welche aussagt, das die toxische Wirkung eines Stoffes durch das Produktaus Giftkonzentration und Wirkdauer bestimmt wird.Befasste sich die Toxikologie in ihren Anfängen zunächst mit der Erkennung und Be-

handlung akuter Vergiftungen, rückten im Verlauf der Zeit mehr und mehr die Prä-vention und Erforschung von chronisch schädlichen Wirkungen (chronische Toxizität)

16vgl. Vortrag im Rahmen des Wahlfaches.17Weinstein/Alibek (2003).18Tricker (2005), S.4 ff..

10

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in den Brennpunkt ihres Aufgabenspektrums. Zunächst befassten sich Toxikologen mitder Aufklärung von vorsätzlichen oder versehentlichen Vergiftungen und deren Behand-lung. Aktuell ist die Erforschung des möglichen Ausmaßes von Vergiftungen und derenzugrunde liegenden schädlichen Wechselwirkungen zwischen chemischen Stoffen und Or-ganismus im Vordergrund forschender toxikologischer Bestrebungen. Die Toxikologie gehtdavon aus, das es für jeden Stoff einen individuellen Grenzwert gibt, unterhalb dessendas Risiko einer Vergiftung nicht besteht oder zumindest vernachlässigbar klein ist. EineAusnahme dieser Annahme bildet die Gruppe der krebserzeugenden Stoffe (genotoxischeKanzerogene).19

Habersche Regel Die Habersche Regel besagt, dass die toxische Wirkung (W) ge-prägt wird durch das Produkt aus Giftkonzentration (c) und Wirkdauer oder Einwirkzeit(t).Es gilt also

W = c× t

weiterhin gilt, dassc× t = konst.

ist.Eine willkürliche Wirkung mit der Intensität ”4” entsteht durch ein Gift bei einer Ein-

wirkzeit (t) und Giftkonzentration (c). Die gleiche Wirkung erzielt eine um das vierfacherhöhte Einwirkzeit (4× t ) bei Viertelung der Giftkonzentration ( 1

4c ). Analoges gilt fürWirkungen mit der Intensität ”2”, ”8” und ”16”. Für einen Stoff mit einer Schwellenkon-zentration, hier ”5” (c5) kann unterhalb der Wirkschwelle kein Effekt erzielt werden.

Abbildung 1: Habersche Regel nach Reichl (2009)

Bei giftigen Gasen ist von eine Ausbreitung des Stoffes auszugehen, so das es nichtzu einer einzigen Dosis Aufnahme, sondern zu einer kontinuierlichen Aufnahme im Sin-ne der Haberschen Regel kommt. Während dieser Wirkdauer oder Aufnahmedauer istdavon auszugehen, dass bedingt durch eine Gasausbreitung ebenfalls eine Variation derGiftkonzentration eintritt. Studien belegen das die Habersche Regel c × t = konst nicht

19Deutsche Gesellschaft für Toxikologie.

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uneingeschränkte Gültigkeit besitzt und weitere Faktoren wie z. B. die Toxikokinetik undToxikodynamik von Bedeutung sind.20

Weiterhin werden die Arten der Toxizität nach akuter und chronischer Toxizität unter-schieden. Akut toxische Wirkungen treten bald nach Verabreichung auf, zumeist nach derersten Exposition. Chronische Toxizität treten in der Regel nach mehrfacher Aufnahmegeringer Konzentration und langer Einwirkzeit auf.21

4.2. Effizienzkennwerte von chemischen Kampfstoffen

Da bei einer Effizienzbetrachtung lediglich das Ergebnis von Relevanz ist beziehen sichEffizienzkennwerte lediglich auf das erzielte ”Ergebnis”. Als ”Ergebnis” kann bei einerAuswirkung auf Menschen von der toxikologischen Eigenschaft ausgegangen werden. Alsodie mit dem Kampfstoff bei erreichbare Auswirkung bei dem entsprechenden Opfer. Einmögliches Ziel terroristischen Handelns ist das Töten von Zielen.

”[...] wohingegen das heutige Phänomen des islamischen Terrorismus mitmassiven Anschlägen auf ”weiche” Ziele mit hoher Opferzahl..."22

Die Letalität eines Stoffes wird durch die lethale Konzentration (LTx) oder lethaleDosis angegeben (LDx). Weitere Ziele terroristischen Handels können darin bestehenbestimmte Effekte oder Wirkungen bei einem Opfer hervorzurufen. Diese Wirkungsweisenfinden Berücksichtigung in militärischen Einteilungen, welche sich an den Wirkungen dereinzelnen Stoffe orientieren.Effizienzkennwerte für chemische Kampfstoffe sind:

• lethale Dosis (LDx)

• lethale Konzentration (LTx)

• Einteilung nach der Farbkreuz-Bezeichnung

• Einteilung nach Wirkungsart des U.S. Militärs

4.2.1. Toxikologische Grenzwerte

Zur toxikologischen Abschätzung akut toxischer Wirkungen bestehen endpunktorientier-te, toxikologisch belegte Grenzwerte. Diese Grenzwerte werden experimentell evaluiert.Vorhanden sind Grenzwerte bezüglich letaler Dosen (LDx) und letaler Konzentration beiInhalation (LTx). Diese Werte beschreiben den prozentualen Anteil einer Gesamtheit, beiwelchem die entsprechende Wirkung auftritt. So beschreibt die LD50 die Dosis, welchebei 50% der Population tödlich ist. Die LD100beschreibt die letale Dosis für 100% derExponierten. Gleiches gilt für die Werte der LTx Gruppe. Wichtig bei diesen Grenzwer-ten ist der Hinweis, dass sich diese Werte immer auf eine Testpopulation beziehen, also

20Mioduszewski (2002).21Reichl (2009).22Bundesministreium des Innern.

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eine Übertragung auf den Menschen meist nicht unmittelbar möglich ist, da diese Wertetierexperimentell ermittelt werden.23

4.2.2. Einteilung nach der Farbkreuz-Bezeichnung:

Nach Recherche mit verschiedenen Internetsuchmaschinen und dem Buch "Die chemi-schen Kampfstoffe - Eigenschaften, Wirkung, Schutzmöglichkeiten und Entgiftung"24

sind wir zu dem Schluss gekommen, dass man chemische Kampfstoffe nach folgendenGesichtspunkten einteilen kann:

• Chemische und physikalische Eigenschaften

• physiologische Wirkung

• taktischer Einsatzwert

Für die Übersicht über die einzelnen Stoffgruppen, haben wir uns nach dem FarbkreuzSchema der Bundeswehr, sowie nach der Einteilung der US amerikanischen Streitkräfteentschieden. Diese Einteilungen könnten auch für Terroristen interessant sein, da Sie dieStoffe nach ihrer physiologischen Wirkung, als auch nach Ihrem taktischen Einsatzwerteinteilen.Die Einteilung nach Farbkreuzen ist die deutsche Einteilung die Wirkungsart in den

Klammern entspricht der amerikanischen Einteilung:

Weißkreuz (Nasen-Rachenreizstoffe) Reizgase die die oberen Atemwege reizen.Sie sind nicht tödlich und die Wirkung klingt ab wenn die betroffene Person in frische,unverseuchte Luft kommt. Diese Stoffe werden heute bei zivilen Polizeiaktionen eingesetzt(Tränengas):

• Bromverbindungen

• Chloracetophenon

• Adamsit

Grünkreuz (Lungenkampfstoffe) Gelangen über die Atemwege in den Körper undgreifen das Gewebe der Lungenbläschen an. Es kommt zu einer vermehrten Flüssigkeits-abscheidung der betroffenen Zellen (Lungenödem). In kleinen Mengen sind die Stoffenicht tödlich, führen aber zu bleibenden Schäden. In ausreichender Menge zugeführtführen die Stoffe zum Tode durch eine Kombination aus Ersticken und Austrocknung:

• Chlorpikrin (Chlorgas)

• Phosgene23Reichl (2009).24Franke (1967), S. 61ff..

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• Karbonylchlorid

Blaukreuz (Blutkampfstoffe) Diese Stoffe blockieren den Sauerstofftransport imBlut. Die Moleküle lagern sich anstatt des Sauerstoffes in das Hämoglobin ein. Damit wirddie Sauerstoffzufuhr und der Kohlendioxidabtransport im Körper blockiert. Es kommtzu einem physiologischen Ersticken, die innere Atmung bricht zusammen. Die betroffenePerson kann dies selbst durch Frischluftzufuhr nicht verhindern. Eine gleiche Wirkungkann bei Personen beobachtet werden die bei einem Brand zu viel Kohlenmonoxid ein-atmen.

• Arsine

• Cynchloride / Cyanide

Gelbkreuz (Hautkampfstoffe) Auch bekannt als "Bläschengas"Die Stoffe verursa-chen Bläschen, Verbrennungen und tiefe, schwerheilende Verätzungen. Es treten schwers-te Gewebeschäden auf. Die natürlichen Abwehrfunktionen der Haut werden aufgehoben,sodass eine Zellheilung nicht oder nur sehr schlecht stattfindet, was zu schwersten Ent-stellungen führt.

• Senfgas

• Lewisit

Nervengase (Nervenkampfstoffe) Aufnahme kann über die Atemwege und/oderdie Haut erfolgen. Führen in hohen Konzentrationen binnen weniger Minuten zum Tod.Nervengase blockieren das Enzym Acetylcholinesterase, dadurch verlieren die Nerven-bahnen die Fähigkeit Informationen von einem Teil des Körpers zum anderen zu senden.So können komplexe Systemabläufe im Organismus durcheinander gebracht werden, waszu Atemlähmung, Übelkeit und Erbrechen, Muskelkrämpfen und dem Tod führen kann.

Sonstige "Kampfstoffe" Weiter können noch Stoffe aufgeführt werden die nicht pri-mär für den Einsatz gegen Menschen entwickelt wurden, aufgrund ihrer hohen Giftigkeitjedoch zu schweren organischen Schäden führen können. Als bestes Beispiel dient hierdas Entlaubungsmittel Agent Orange, das im Vietnamkrieg von den US-Streitkräftenbenutzt wurde, um die dichte Bewaldung zu lichten. Aufgrund des hohen Dioxingehal-tes vergiftete das Mittel jedoch den Boden, was noch nach Jahrzenten zu schwerstenErbfolgeschäden an Neugeborenen führt.

4.2.3. Einteilung nach Wirkungsart

Eine weitere Möglichkeit der Einteilung ist die Einteilung nach Wirkungsart, wie sievon den US-Amerikanischen Streitkräften verwendet wird. Die US-Armee teilt chemischeKampfstoffe wie folgt ein:25

25Tuorinsky (2008), Kapitel 4 S. 134.

14

Page 15: Chemische Kampfstoffe seit 1900

1. Choking Agents (Erstickende Stoffe)

2. Nerve Agents (Nervenkampfstoffe)

3. Blister Agents (Ätzende Stoffe)

4. Incapacitating Agents (Kampfstoffe die den Gegner außer Kraft setzten)

5. Riot Control/Vomiting Compounds (Rachenreizstoffe)

6. Tear Producing Compounds (Tränengas)

4.2.4. Mögliche Gegenmaßnahmen

Ein Hemmnis der Erreichung des gewünschten Effektes sind möglichen Gegenmaßnah-men. Bei der Überlegung, welche Gegenmaßnahmen in unmittelbarer zeitlicher Näheergriffen werden können soll sich an dieser Stelle am Vorgehen in Deutschland orien-tiert werden. Es wir ohne dies näher zu untersuchen davon ausgegangen, das es eingrundsätzliches weltweit gleiches Vorgehen bei der Schandensbekämpfung von chemi-schen Kampfstoffen gibt. Die Untersuchung erfolgt daraufhin, was erste Maßnahmen derGefahrenabwehr sind und wie diese den Kampfstoff inaktivieren oder abschwächen könn-ten.In Deutschland ist die Feuerwehr-Dienstvorschrift 500 ”Einheiten im ABC-Einsatz”

(FwDV 500) einschlägig.Nach der FwDV 500 ist die Dekontamination die einzige Möglichkeit eine Verschlep-

pung des Gefahrenstoffes vom Ort des Geschehens zu anderen, noch nicht betroffenen,Gebieten zu verhindern. Jedoch kann vor Ort nur eine sogenannte "Grobreinigung"26

durchgeführt werden. Maßnahmen zum genauen Ablauf einer Dekontamination vor Ortfinden sich im Abschnitt "1.5.3.6 Dekontamination"(Seiten 28 ff.).In der FwDV 500 wird Wasser, als Dekontaminationsmittel der Wahl, nicht explizit

genannt, jedoch lässt sie diese Annahme zu.27

4.3. Effektivitätskennwerte

Die Effektivität wird ausgedrück durch das erzielte Ergebnis. In diesem Abschnitt sollbetrachtet werden welche Faktoren Einfluss auf die Effektivität eines Kampfstoffes haben.Nach toxikologischen Überlegungen spielt die aufgenommene Dosis einen zentrale Rolle.Die aufnehmbare Dosis wird bestimmt durch die Menge des Stoffes, welche Transportiertund freigesetzt und verteilt werden kann.

• Aggregatzustand

• relatives Gewicht des Kampfstoffes zur Umgebung

• Aerosolbildung26VfdB.27VfdB, S. 31 ff.

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• Transportierbarkeit

• Ausbringungsmöglichkeit

4.3.1. Aggregatzustand

Die wichtigste physikalische Eigenschaft eines chemischen Kampfstoffs ist der Aggre-gatzustand. Man unterscheidet zwischen fest, flüssig und gasförmig. Der Aggregazustandbestimmt zu nächst die Art der möglichen Ausbreitungen. Feststoffe müssen mittels einerExplosion oder kenetischer Energie verteilt werden. Gase breiten sich aus eigenem Antriebaus. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden vor allem gasförmige Kampfstoffedie schwerer als Luft waren eingesetzt. Diese wurden in Windrichtung freigesetzt und„fielen“ in die gegnerischen Schützengräben.28

4.3.2. Ausbreitung von Gasen

Abhängig von der Ausbringungshöhe erfolgt eine Freisetzung von Kampfstoffen meist inden unteren Schichten der Atmosphäre. In diesen Schichten sind für eine Verbreitungfolgende physikalische Eigenschaften des Stoffes essenziell: Quellstärke und Strömungs-vorgänge, hier insbesondere turbulente Diffusionen.29

Die Ausbreitung von Gaswolken in nicht umschlossenen Räumen unterliegt grundsätz-lich drei zu betrachtenden Verhalten. Diese sind abhängig vom Gewicht des Gases inRelation zum Gewicht der Umgebungsluft. Die Verhalten können in die Gruppen derLeichtgase, Neutralgase und Schwergase unterteilt werden. Gase mit dem Verhalten vonSchwergasen haben in Abhängigkeit von jeweiliger Temperatur des Gases und Druckesder umgebenden Atmosphäre eine Dichte von mehr als 1.3 kg

m3 . Leichtgase haben eineDichte von weniger als 1.2 kg

m3 . Neutrale habe dieselbe Dichte wie die umgebenden Atmo-sphäre. Diese Gruppen zeichnen sich durch unterschiedliches Ausbreitungsverhalten aus,welche auch bei der Berechnung durch ein Ausbreitungsmodell zu berücksichtigen sind.Bei einem Stoffaustritt kann je nach Stoffkonfiguration der Stoff allen Ausbreitungsmerk-malen unterliegen.30 31

Bei Austritten von Gasen, welche in flüssiger Form gelagert sind und gasförmig austre-ten, kommt es zur Aerosolbildung, also einer Zerstäubung der austretenden Flüssigkeit.Die Bildung von Aerosolen ist abhängig von Viskosität, Oberflächenspannung, Lage-rungsbedingungen und der Größe des Öffnungsquerschnittes der Austrittsstelle. Häufigzu beobachten ist die Aerosolbildung bei Freisetzungen von druckverflüssigten Gasen.Eine auftretende Aerosolbildung ist für die weitere Ausbreitung des freigesetzten Gasesvon fundamentaler Bedeutung, da eine Aerosolbildung mit anschließender Verdampfungder Aerosoltröpfchen einen maßgeblichen Einfluss auf die Temperatur der Gaswolke hat.

28Keegan/Nicolai/Nicolai (2001).29Pischinger (2000).30Rhea Kakko.31Ausbreitungsbild

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Einsatz flüchtig: Einsatz sesshaft:Die Partikelgröße ist sehr klein. Der Stoffkann sehr schnell verdampfen. Es liegenetwa 50% als Dampf und 50% als feinstesAerosol vor. Der Kampfstoff verflüchtigtsich sehr schnell wieder.

Es werden größere Tropfen versprüht. Essind etwa 20% Dampf und 80% Tropfenvorhanden. Der Stoff erreicht in größerenMenden den Boden und kontaminiert dasGebiet und vorhandene Truppen

Eine Abschätzung der Aerosolbildung ist aufgrund der widersprüchlichen Literaturlagenur in Form eines groben Richtwertes für den Aerosolanteil möglich.32

4.3.3. Transportierbarkeit

Binär-Kampfstoff Binär-Kampfstoff Zwei oder mehrere weniger giftige Stoffe werdengetrennt zueinander gelagert (verschiedene Kammern in einer Granate), auch ungiftigeStoffe können beiliegen um evtl. als Katalysator bei der Reaktion zu dienen. Die Stoffevermischen sich erst beim Einsatz zu dem gefährlichen Giftstoff (z.B. Sarin oder VX)

”Klassischer”-Kampfstoff Der Stoff ist von alleine hochgiftig und muss nur noch insZielgebiet gebracht werden, wo er sofort seine Wirkung entfaltet (Chlorgas).

4.4. Ausbringungsmöglichkeiten

Eine Grundlegende Theorie der Toxikologie ist Relation zwischen aufgenommener Do-sis und Wirkung.33 Die maximal Dosis wird begrenzt durch die ausgebrachte Menge anKampfstoffen. Aus diesem Grund sind die Ausbringungsmöglichkeiten eines Stoffes alsKennwert relevant, da sie die mögliche Wirkung beeinflusst. Unter Ausbringung einesKampfstoffes wird in dieser Arbeit die Immision eines Stoffes verstanden. Die Immissionist bestimmt durch den Aggregatzustand des Kampfstoffes. "Die Art der Ausbringungeines Kampfstoffes oder eine Kampfstoffgemisches (z.B. Sarin/Cylosarin, S-Lost/Lewisit)richtet sich nach taktischen und meteorologischen Überlegungen. Mögliche Einsatzmittelsind Handgranaten, Minen, Artilleriegeschosse, Raketen, Bomben, Sprühtanks, ballisti-sche Flugkörper oder unbemannte Luftfahrzeuge."34

Trotz ähnlichem Verhalten ist ein Aerosol von einem Gas zu unterscheiden. Es handeltsich hierbei um einen Feststoff oder eine Flüssigkeit, die recht fein in der Luft verteiltist. Ein nicht unerheblicher Teil des Aerosols ist in der Gasphase. Man unterscheidet 2Einsatzarten.

32Secrétariat d’Etat auprés du Premier ministre chargé de l’Environnement et de laPréyention des risques technologiques et naturels (1990).

33Reichl (2009).34Lampalzer (2003).

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4.5. Herstellung chemischer Kampfstoffe / Machbarkeit / Verfügbarkeitder Grundsubstanzen

„Chemical weapons labs use two methods of production; the development ofnew chemical agents through standard production methods and the synthesisof existing materials. The development of new chemical agent is the moredifficult of the two processes and is nearly impossible except for someonewith a chemistry background and access to some chemistry equipment.”35

Um auf diese Weise „neue“ chemische Kampfstoffe herzustellen benötigt man, ein „Re-zept“, ein entsprechend ausgestattetes Labor, Zugang zu diverse Ausgangsmaterialienund entsprechend ausgebildetes „Personal“.

„The following sections provide some information about terrorism agentsthat currently exist. Some are unique ideas and thoughts, and some resentpossible scenarios. There exists some thought within the fire service that thistype of information should not be published. All of this information is readilyavailable in the public domain and in training programs and texts throughoutthe United States. Most of the exact recipes and “how-to” instructions forthese and any other devices are easily obtained throughout printed texts andthe Internet.”36

Die Herstellung von chemischen Kampfstoffen ist recht komplex, und nahezu unmöglichfür Personen ohne gute Chemiekentnisse.

„The recipes for chemical weapons are fairly sophisticated and require ac-cess to many raw materials that are hot listed. “37

“1. The first of the five qualifiers involves the potential terrorist’s educationability to make a device or agent that, unlike explosives or ricin, is verydifficult to attain. To truly make a biological pathogen agent, in most cases,one needs an advanced knowledge of biology.”38

Ein wichtiger Faktor zur Herstellung chemischer Kampfstoffe ist die Verfügbarkeit derAusgangsmaterialien mit denen man besagte Substanzen herstellt:

“2. The next qualifier is a person’s ability to obtain the raw materials ne-cessary to make the agents. Many of the materials necessary to make chemicalwarfare agents are banned for sale. Others appear on hot lists, which meansthey are only sold to legitimate businesses. This would not preclude someonefrom buying the raw materials on the black market or stealing them fromlegitimate business.”39

35Hawley/Walter (2008), Chapter 7.36Hawley/Walter (2008), Chapter 7.37Hawley/Walter (2008), Chapter 7.38Hawley/Walter (2008), Chapter 7.39Hawley/Walter (2008), Chapter 7.

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Ein nicht unerheblicher Faktor der zur Herstellung chemischer Kampfstoffe beiträgtist ein eingerichtetes Labor.

”3. The third qualifier is the ability to manufacture the devices or machi-nery required to make the agent. (. . . ) There are some agents that couldbe produced in a bathtub using backyard chemistry, but these are not thehigh-end agents that attract much attention. (. . . )”40

Um „high-end“ Kampfstoffe herzustellen benötigt man dann wiederum mehr Labo-rausstattung als eine Badewanne. Es ist aber davon auszugehen, dass es (wie bei derDrogenherstellung) möglich ist ein illegales Labor einzurichten.

„Criminals are using more weapons than just guns today, and the use ofclandestine labs for illicit production is on the rise.”41

“There are several types of clandestine labs that emergency responders arelikely to encounter. The most common is the drug lab, but other possible labsinclude explosive labs, chemical labs, and biological weapons labs.”42

“These are the least likely labs to be encountered in emergency response,but responders must be aware of their existence and some of the uniquefeatures of these types of labs. The two types of terrorist agent or weapons ofmass destruction (WMD), labs are chemical weapons or biological weaponslabs.”43

Desweiteren werden Apparate zum Ausbringen der Stoffe benötigt. Sind diese nicht„ausgereift“ wird kein maximaler Effekt erzielt.

„4. One qualifier that is often overlooked is the ability to disseminate theseagents. (. . . ) The Aum Shinrikyo cult in Japan is a perfect example, as theywere a group with millions of dollars in assets and full chemical and biologicallab and production facilities. (. . . ) They used sarin nerve agent twice, the firsttime in Matsumoto, Japan, in which seven people were killed and 200 injured.The dissemination method used in Matsumoto attack was much more effectivethan the one used in Tokyo subway attack.”44

“The most probable scenario for the development of chemical warfare agentis the synthesis of a chemical warfare agent is the synthesis of an existingproduct. The criminal would take existing materials, which are usually indiluted form, and synthesize them or reduce them down to a concentratedproduct. Luckily most, if not all, of the existing products do not present muchrisk to humans, as strictly engineered to harm only insects.”45

40Hawley/Walter (2008), Chapter 7.41Hawley/Walter (2008), Chapter 7.42Hawley/Walter (2008), Chapter 7.43Hawley/Walter (2008), Chapter 7.44Hawley/Walter (2008), Chapter 7.45Hawley/Walter (2008), Chapter 7.

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5. Auflistung der einzelnen Stoffe

Thomas Blome, Marie Goedicke, Sebastian RodenIn diesem Abschnitt sollen die in Kapitel 3 selektierten chemischen Kampfstoffe mit

den eruierten Kennwerten aus Kapitel 4 verknüpft werden. Hierzu wird zunächst eineListe aller Kampstoffe mit dem Kennwert „Wirkungsziele“ aufgestellt. Die Wirkungszie-le beschränken sich auf die Einordnung Mensch und Umwelt. Die daraus resultierendeEinordnung ist der Tabelle 6 zu entnehmen.Nachdem die Wirkungsziele feststehen, erfolgt die Einordnung der chemischen Kampf-

stoffe in das bereits in Kapitel 4 angesprochene Farbkreuzscheme. Dies ist insoweit vonBedeutung um eine grobe Einordnung nach Wirkungsort im bzw. am menschlichen Kör-per festzustellen. Hierbei wird den Farben Weiß, Blau, Grün und Gelb verschiedeneHauptwirkziele zugeordnet. So steht das Weißkreuz für Augenkampfstoffe, das Blaukreuzfür Nasen- und Rachenkampfstoffe, das Grünkreuz für Lungenkampfstoffe und das Gelb-kreuz für Hautkampfstoffe. Des Weiteren gibt es noch die Gruppen der Nervenkampf-stoffe, der Psychokampfstoffe, der Blutkampfstoffe, der Herbizide, der Brandkampfstoffeund der Nebelkampfstoffe. Für die selektierten chemischen Kampfstoffe ergibt sich die inTabelle 3 erstellte Einteilung.Als nächstes gilt es die Aufnahmewege der chemischen Kampfstoffe in den menschlichen

Körper festzulegen. Dies ist insofern interessant, da es Ansätze für mögliche Schutzmaß-nahmen liefert. Es gilt folgende Aufnahmewege zu unterscheiden: die dermale Aufnahme(über die Haut), die inhalative Aufnahme (über die Lunge) und die orale Aufnahme (überdie Schleimhäute). Die Ergebnisse sind der Tabelle 4 zu entnehmen.Die nächste zu betrachtende Stoffeigenschaft ist die, der letalen Dosis (kurz: LDx) bzw.

nach der letalen Konzentration (kurz: LCx). Diese beiden Kennwerte zeigen die jeweiligevon einem Stoff benötigte Menge an, die auf ein Lebewesen tödlich wirkt. In Tabelle ??und Tabelle ?? wird jeweils die Kenngröße 50 zitiert. Diese beschreibt die mittlere letaleDosis bzw. letale Konzentration, also diejenige di sich auf 50% der Population bezieht.Auf Grund der vorherigen Festlegung der letalen Dosis bzw. Konzentration stellt

sich die Frage, ob es nach einem terroristischen Anschlag mit chemischen Kampfstof-fen die Möglichkeit einer effizienten Behandlung der betroffenen Opfer mit Antidotengibt. Dementsprechend behandelt die Tabelle Antidot diese Fragestellung und gibt zuden jeweiligen chemischen Kampfstoffen Auskunft.Anschließend wird eine der wohl von bedeutendsten Fragen behandelt. Es gilt zu klären

inwieweit die Grundsubstanzen verfügbar sind. Hierzu wurde bei verschiedenen Chemie-großhändlern in deren Onlinekatalog nach den beschriebenen Substanzen gesucht. DieErgebnisse sind der Tabelle 8 zu entnehmen.Nachdem die Verfügbarkeit geklärt ist, stellt sich die Frage der Aggregatzustände der

einzelnen Stoffe. Dies ist besonders für den Transport und die Lagerung bzw. die Vor-bereitung eines Anschlages von großer Bedeutung. Die Resultate sind der Tabelle 9 zuentnehmen. Einher mit dieser Fragestellung muss di Transportierbarkeit geklärt werden.Dazu werden die Stoffe in die zwei Gruppen binär und klassisch eingeteilt. Binär bedeutetin diesem Zusammenhang, dass der chemische Kampfstoff aus mehreren an sich ungefähr-lichen chemischen Stoffen gebildet wird, wo hingegen klassisch für einen sofort existenten

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chemischen Kampfstoff steht. Die Ergebnisse sind in der Tabelle 10 zusammengefasst.Die Zuordnung der jeweiligen Werte erfolgte anhand einschlägiger Literatur.4647

46Hommel.47Römpp/Falbe/Amelingmeier.

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6. Terroristische Relevanz der Stoffe - Interpretation

Kai Kornetzky, Lukas Weitekamp, Lars Wyvwa

6.1. Zielsetzung terroristischer Verwendung

Was zeichnet den optimalen Kampfstoff für Terroristen aus?Im militärischen Sprachkontext versteht man unter chemischen Kampfstoffen all die

chemischen Substanzen, die aufgrund ihrer toxischen Wirkung gegen Menschen, Tiereoder Pflanzen eingesetzt werden können. Dabei ist es unerheblich, ob sie nur vorüberge-hend, nachhaltig oder sogar direkt tödlich wirken. Erst durch diese Zweckbestimmungwird eine Substanz zu einem Kampfstoff.48

Für den militärischen Gebrauch werden folgende Anforderungen an einen Kampfstoffgestellt49:

Abbildung 2: Anforderungen an Kampfstoffe

Diese Definition und die Anforderungen können auch auf den terroristischen Gebrauchbezogen werden, wobei hier die Auswahl an Kampfstoffen durch verschiedene Faktorenlimitiert wird.

48Höfer (2002).49Franke (1967).

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Zunächst ist die Auswahl des optimalen Kampfstoffes für Terroristen eingeschränktdurch die Auswahl des Zieles. Da ein Ziel terroristischen Handelns der gezielte Angriffvon relevanten Zielen ist und damit die Kommunikationsfunktion der terroristischen Aktehervorgerufen werden soll.50

Abhängig von dem Ziel der Terroristen ändern sich auch die Anforderungen an denKampfstoff. Soll eine große Menge Personen getötet werden oder soll eine noch medien-wirksamere Tötung und Verletzung von den Opfern erzielt werden.Somit limitiert sichdie Auswahl der Kampfstoffe durch das Ziel.Zum einen werden hier die Verfügbarkeit, sei es durch Herstellung oder Diebstahl51

als auch die Transportfähigkeit der Kampfstoffe eine zentrale Rolle spielen. Ein hoch-wirksamer Kampfstoff, der in seiner Herstellung sehr aufwändig ist ( Kosten – Nutzenund Aufmerksamkeit durch Sicherheitsbehörden) und zudem noch schwierig zu trans-portieren ist, scheidet für einen terroristischen Anschlag aus, da diese von dem Über-raschungsmoment partizipieren. Ein kleines Paket ist unauffälliger zu transportieren alsein Tanklastwagen. In diesem Punkt unterscheiden sich auch die terroristischen von denmilitärischen Anforderungen an einen Kampfstoff.Ebenso scheiden Kampfstoffe aus welche gut zugänglich aber ineffizient sind, also ein

große Mengen freigesetzt werden müsste, um eine letale Dosis zu erreichen. Auch dieZielsetzung des terrosristischen Anschlages ist entscheidend für die Auswahl des Kampf-stoffes. Soll eine möglichst große Anzahl an Personen getötet werden wählt man einGiftgas wie z.B Sarin aus mit einer niedrigen LD. Will man hingegen eine ”medienträch-tige Inszenierung” schaffen, bei der sowohl Menschen getötet als auch verätzten Körperin den Medien zu sehen sind, so wählt man eher einen Kampfstoff wie Senfgas.Als Beispiele seien hier das Nervengas Sarin ( U- Bahn Anschlag 1995 Tokio) und

Senfgas ( Verwendung durch irakische Truppen im Golfkrieg) genannt.52

6.2. Gewichtung welche Stoffe/ Stoffgruppen sind wie relevant unterwelchen Voraussetzungen

Nachdem in vorigen Verlauf dieser Arbeit sowohl die einzelnen Stoffe53, als auch dieStoffgruppen54 näher betrachtet wurden, stellt sich nun die Frage, wann diese Stoffeoder Stoffgruppen für terroristische Anschläge interessant sind bzw. in Frage kommenein terroristisches Ziel zu erreichen.Hierzu vorab ein Zitat von Bin Laden bezüglich der Attentate vom 11. September 2001:

„[...]wir berechneten im Vorhinein die Zahl der Opfer unter den Feinden,wie viel nach der Position der Türme getötet werden würden. Wir kalkulier-ten, dass die Zahl der Stockwerke, die getroffen werden würden drei oder viersein würden. Es war eine ganz optimistische Kalkulation. [...] Ich bin davon

50vgl. Wahlfach : „Grundlagen des Terrorismus und Strategien zur Konfliktlösung (Prof. Dr. Hartwig)“51Siehe auch ”Ausblick (Kapitel 6.3 )”52vgl. Anhang D53vgl. ”Auflistung der einzelnen Stoffe (Kapitel 5)”54vgl ”Einteilung der Stoffe in Gruppen (Kapitel 4)”

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ausgegangen, dass das Feuer nach der Explosion des Treibstoffes das Stahl-gerüst des Gebäudes schmelzen und die Türme an der Einschlagstelle undoberhalb zum Einsturz bringen würde. Das war alles, was wir erhofft hatten.“

Zwar handelt es sich bei den Anschlägen nicht um chemische Kampfstoffe, dennochwird die Denkweise deutlich, die hinter einem terroristischen Anschlag steckt. Dass es umdie gezielte Tötung einer bestimmten Gruppe geht sei unbestritten, dass es aber auch inden Vorüberlegungen einer solchen Tat um die (relativ genaue) Anzahl der getöteten gehtmag für den ein oder anderen neu sein. In Kapitel ”Toxikologische Grundlagenbetrachtung(Kapitel 4.1 )”, ist eine Formel genannt, die es mittels einiger weiter Daten emöglicht einesolche Menge abzuschätzen.Eine terroristische Überlegung bezieht demnach die Giftkonzentration, die Wirkdauer

und die Einwirkzeit mit ein und führt nach der erwähnten Regel zur toxischen Wirkung.Bei chemischen Kampfstoffen kann im Gegensatz zu biologischen Kampfstoffen von einerbegrenzten Schädigungsdauer ausgegangen werden, allerdings ermöglicht die in Kapitel5 erwähnte Stoffaufzählung eine breite Anschlagsmöglichkeit.Stellt man sich sie Frage nach der Relevanz der einzelnen Stoffe, so muss man diese Fra-

ge immer in Zusammenhang mit der Zahl der Opfer oder der Größe des Areals bringen,welches dem Terroristischen Anschlag zugrunde liegen soll. Da chemische Kampfstofferelativ häufig als Gas oder Flüssigkeit vorliegen ergibt sich eine Fülle von Einsatzmög-lichkeiten, die in Kap. 4.4 (”Ausbringungsmöglichkeiten”) schon hinreichend erläutertwurden (Ausbringung als Bombe, Flüssigkeit, Gas, ”saurer Regen”, Aerosol, etc.).Zur Verdeutlichung sei hier Napalm der ganze Landstriche niederbrennen lies genannt,

oder Chlorgas welches als Bombe einen relativ geringen Wirkungsradius hat.Abschließend ist zu sagen, dass eine Gewichtung, wann welcher Stoff als terroristischer

Kampfstoff in Frage kommt nicht eindeutig zu klären ist, da zu viele Faktoren die Wahleines solchen beeinflussen. Manchmal wird die Wirkung eines vergleichsweise harmlosenStoffes unterschätzt und führt zu ungeahnten Auswirkungen 55

6.3. Ausblick

Zugang zu chemischen Kampfstoffen dürfte für Terroristen kein unüberwindbares Pro-blem darstellen. Chemische Verbindungen wie z.B. Senfgas wurden schon zur Zeit desErsten Weltkrieges eingesetzt, chemische Formeln sind allgemein bekannt, die notwendi-gen Vorprodukte beschaffbar. Die japanische Aum-Sekte hat das Nervengas Sarin bereits1995 hergestellt und zu terroristischen Anschlägen verwendet.56

Auch ist es denkbar, dass die Terroristen sich über Staaten, die derartige Kampfmittelbesitzen, chemische Kampfstoffe besorgen. Beispielsweise ist der Irak noch immer in derLage chemische Kampfmittel herzustellen. Besorgniserregend so auch die Situation inRussland, hier sollen ca. 40 000 Tonnen chemischer Kampfstoffe lagern. Anders als inAmerika sind diese C-Waffen-Lager nicht immer ausreichend gesichert bzw. kann kein

55vgl. Kapitel 3.356Hielscher (2002).

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Zugang von unautorisierten Personen ausgeschlossen werden.57

Laut der Chemiewaffenkonvention ( CWK oder CWÜ ) hat Russland die Chemiewaf-fen bis April 2012 vollständig zu vernichten.58 Zehn Jahre nach Unterzeichnung dieserKonvention sollte dies geschehen sein. Die Russische Föderation befindet sich bereits seit1993 unter den Mitgliedern des Abkommens.59

Es sprechen aber auch einige Tatsachen gegen die Benutzung von chemischen Kampf-mitteln durch terroristische Gruppierungen. In der Vergangenheit gab es selten terro-ristische Anschläge mit chemischen oder gar biologischen Kampfmitteln.60 Warum? Eskönnte der komplizierte Umgang mit den chemischen Kampfstoffen sein, aber auch dieProduktion. Nicht vergessen darf man, dass konventionelle Methoden durch Sprengstoffausreichen, um großen Schaden anzurichten, wie z.B zuletzt der Anschlag im November2010 auf die Sajjidat-al-Nadscha-Kirche in Bagdad.61

Wahrscheinlichkeitsaussagen zu treffen über terroristische Anschläge mit chemischenKampfstoffen sind nicht möglich. Kennzeichnend für terroristische Aktivitäten ist dieUnvorhersehbarkeit bzw. der Überraschungsmoment. Der 11. September 2001 und dieAnschläge der japanischen Aum-Sekte haben gezeigt, dass derartige Ereignisse schwerabzusehen sind. Diese Taten haben nicht nur überrascht, sondern auch die Skrupellosig-keit terroristischer Gruppierungen nachhaltig unter Beweis gestellt. Die Geschehnisse inAmerika am 11. September 2001 haben gezeigt, dass auch ohne „Massenvernichtungswaf-fen“ auf einen Schlag viele Menschen zu töteten sind.Den Terroristen kam es aber dabei auch auf eine große öffentliche Wirkung an, welche

durch chemische Waffen genauso erzielt werden können. Unwägbarkeiten und Schwierig-keiten verbunden mit den chemischen Kampfstoffen sind keine Garantie, dass Terroristensie nicht künftig anwenden. Dabei kommt ihnen die zunehmende moderne Industriege-sellschaft entgegen, die durch diese Art von Terroranschlägen in kurzer Zeit nachhaltigbeeinträchtigt werden kann.Im ersten Golfkrieg zwischen dem Irak und dem Iran wurde deutlich, welche Wirkung

und Angst Angriffe mit chemischen Kampfmitteln verursachen. Die iranische Infanteriewar zahlenmäßig überlegen und auf Saddam Husseins Weisung antwortete die irakischeLuftwaffe mit Angriffswellen von chemischen Kampfmitteln wie z.B. Senfgas im Novem-ber 1983 ,welches 3000 iranische Angreifer tötete oder verwundete.62

Besonders der Besitz und die Anwendung der Nervengase Tubun, Sarin und VX sorgtenfür Besorgnis und Angst auf der Gegenseite. Auch die Amerikaner, als Koalitionstruppe,fürchteten diese Kampfmittel.63

Es ist auch die Eigenschaft und Wirkung der chemischen Mittel, weshalb chemischeTerrorangriffe so gefürchtet sind.

”Wer die unsichtbaren Tröpfchen einatmet oder auf die Haut bekommt, hat57Thränert (2000).58Auswärtiges Amt (2001).59Organisation for the prohibition of chemical Weapons.60vgl. http://www.start.umd.edu/gtd/61Reuters (01.11.2010).62Harris et al. (2002), (S.370 ff).63Harris et al. (2002), S.374.

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nicht mehr lange zu leben. Zunächst verengt sich die Regenbogenhaut, bis diePupillen nur noch stecknadelkopfgroß sind, Schweiß bricht aus, krampfartigwird der Mageninhalt erbrochen. Dann entleeren sich Darm und Blase, zu-ckend verlieren die Opfer das Bewusstsein (. . . ) Nervengase wie Sarin, Tabunoder VX entfalten ihre tödliche Wirkung innerhalb von 8 bis 21 Minuten. Siestören die Übermittlung von Nervenimpulsen im Gehirn und an den Muskelndurch die Blockierung eines lebenswichtigen Enzyms, die Folge ist eine totaleVerkrampfung der Muskulatur.“64

64Rainer (1997).

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Anhang

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VfdB: Feuerwehrdienstvorschrift 500 (FwDV) - Einheiten im ABC Einsatz. No ad-dress in 〈URL: http://www.idf.nrw.de/projekte/pg_fwdv/pdf/fwdv500.pdf〉 –Zugriff am 01.02.2011.

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29

Page 30: Chemische Kampfstoffe seit 1900

B. Abbildungsverzeichnis

1. Habersche Regel nach65 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112. Anforderungen an Kampfstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

65Reichl (2009).

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Page 31: Chemische Kampfstoffe seit 1900

C. Tabellenverzeichnis

1. Liste der historisch Erfassten Kampfstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92. Wirkungsziel der chemischen Kampfstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323. Farbkreuzeinteilung der Kampfstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334. Aufnahmewege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345. LD50-Aufstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356. Wirkungsziel der chemischen Kampfstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367. Antidote chemischer Kampfstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378. Verfügbarkeit der Grundsubstanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389. Aggregatzustände bei Normalbed. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3910. Einteilung klassischer / binärer Kampfstoff . . . . . . . . . . . . . . . . . 4011. Aerosolbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4112. Dampfdruck der relevanten Kampstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4213. Dichte der Kampfstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4314. Schmelzpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4415. Siedepunkte der chemischen Kampfstoffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

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Page 32: Chemische Kampfstoffe seit 1900

D. Tabellen

Stoffname Wirkungsziel

Chlor MenschPhosgen MenschDiphosgen MenschChlorpikrin MenschEthyldichlorarsin MenschPhosgenoxim MenschBromaceton MenschBrommethylethylketon MenschDiphenylchlorarsin (Adamsit) Mensch, UmweltAgent White Umwelt (Entlaubung)Perfluorisobutylen MenschSenfgas ("LOST") MenschTris(2-chlorethyl)amin (Stickstofflost) MenschLewisite MenschLysergsäurediethylamid (LSD) MenschPhenylarsindichlorid (Clark 1) Mensch, UmweltArsin Mensch, UmweltKohlenmonoxid MenschMescaline MenschMethaqualone MenschAgent Orange Umwelt (Entlaubung)CS MenschCN MenschCapsaicin MenschBromoacetate MenschChloraceton MenschHydrogen Cyanide MenschCyanogen Chloride MenschNapalm Mensch

Tabelle 2: Wirkungsziel der chemischen Kampfstoffe

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Page 33: Chemische Kampfstoffe seit 1900

Stoffname Farbkreuz

Chlor grünPhosgen grünChlorpikrin grünPhosgenoxim grünBromaceton weißDiphenylchlorarsin (Adamsit) blauAgent White HerbizidPerfluorisobutylen grünSenfgas ("LOST") gelbTris(2-chlorethyl)amin (Stickstofflost) gelbLewisite gelbLysergs%�urediethylamid (LSD) PsychokampfstoffPhenylarsindichlorid (Clark 1) blauArsin grünKohlenmonoxid BlutkampfstoffMescaline PsychokampfstoffMethaqualone PsychokampfstoffAgent Orange HerbizidCS weißCN weißBromoacetate weißChloraceton weißHydrogen Cyanide BlutkampfstoffCyanogen Chloride BlutkampfstoffNapalm Brandkampfstoff

Tabelle 3: Farbkreuzeinteilung der Kampfstoffe

auto schuppenhund auto

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Page 34: Chemische Kampfstoffe seit 1900

Stoffname Aufnahmeweg

Chlor inhalativ, dermal, oralPhosgen inhalativDiphosgen inhalativChlorpikrin inhalativ, oralBromaceton inhalativPerfluorisobutylen inhalativ, andere Aufnahme unwahrscheinlichSenfgas ("LOST") dermal, inhalativ, oralTris(2-chlorethyl)amin (Stickstofflost) inhalativ, oral, dermalLewisite inhalaliv, dermalLysergsäurediethylamid (LSD) oral, inhalativPhenylarsindichlorid (Clark 1) inhalativ, dermalArsin inhalativKohlenmonoxid inhalativMescaline oralMethaqualone oralAgent Orange dermalCS dermal, inhalativ, oralCN dermal, inhalativ, oralCapsaicin dermal, inhalativ, oralBromoacetate dermal, inhalativ, oralChloraceton dermal, inhalativ, oralHydrogencyanide dermal, inhalativ, oralCyanogenchloride dermal, inhalativ, oralNapalm dermal

Tabelle 4: Aufnahmewege

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Page 35: Chemische Kampfstoffe seit 1900

Stoffname LD50

Chlorpikrin oral Ratte 250 mgkg

Perfluorisobutylen oral Ratte: 17 ppm·10 min-1Senfgas (”LOST”) oral Ratte: 17 mg

kg ,dermal Ratte/Kaninchen: 40 mg

kg

Tris(2-chlorethyl)amin (Stickstofflost) oral Ratte: 5 mg/kgperkutan: 60 mg

kg

Lewisite LD50 oral Ratte: 50 mgkg ;

dermal Ratte / Kanninchen : 4 mgkg

perkutan : 100.000mgm3

Arsin 250 ppm über 30 min.Mescaline Maus p.o. 880mg

kg

Methaqualone Maus i.v. 120mgkg

Maus oral 400mgkg

Agent Orange 4-D: (Ratte oral) 375mgkg

2,4,5-T: Ratte oral: 500 mgkg

CS 8 mgkg (Kaninchen)

CN Ratte oral 127mgkg

Capsaicin 47,2 mgkg (Maus)

Chloraceton oral Ratte: 100 mgkg ;

dermal Ratte: 141 mgkg

Hydrogen Cyanide 1 mgkg (per os)

Tabelle 5: LD50-Aufstellung

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Page 36: Chemische Kampfstoffe seit 1900

Stoffname LC50 in ppm

Chlor 20.000; dermal nicht tödlichPhosgen 3.200; dermal nicht tödlichDiphosgen 3.200; dermal nicht tödlichChlorpikrin 0,0968Bromaceton 3.000 - 4.000; dermal nicht tödlichDiphenylchlorarsin (Adamsit) 11.000 - 13.000; dermal nicht tödlichPerfluorisobutylen 320; dermal nicht tödlichSenfgas (”LOST”) 1500Tris(2-chlorethyl)amin (Stickstofflost) 500 - 1500Lewisite 1.250Arsin 5.000CS 10000

Tabelle 6: Wirkungsziel der chemischen Kampfstoffe

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Page 37: Chemische Kampfstoffe seit 1900

Stoffname Antidot

Chlor Kein Spezifisches nur SympthomatischPhosgen Kein Spezifisches nur SympthomatischDiphosgen Kein Spezifisches nur SympthomatischChlorpikrin Kein Spezifisches nur SympthomatischEthyldichlorarsin Kein Spezifisches nur SympthomatischPhosgenoxim Kein Spezifisches nur SympthomatischBromaceton Kein Spezifisches nur SympthomatischBrommethylethylketon Kein Spezifisches nur SympthomatischPerfluorisobutylen Kein Spezifisches nur SympthomatischSenfgas ("LOST") NatriumthiosulfatTris(2-chlorethyl)amin (Stickstofflost) NatriumthiosulfatLewisite DimercaprolLysergsäurediethylamid (LSD) Kein Spezifisches nur SympthomatischPhenylarsindichlorid (Clark 1) DimercaptopropansulfonatArsin DimercaptopropansulfonatKohlenmonoxid 100%iger SauerstoffMescaline Kein Spezifisches nur SympthomatischMethaqualone Kein Spezifisches nur SympthomatischAgent Orange Kein Spezifisches nur SympthomatischCS Kein Spezifisches nur SympthomatischCN Kein Spezifisches nur SympthomatischCapsaicin Kein Spezifisches nur SympthomatischBromoacetate Kein Spezifisches nur SympthomatischChloraceton Kein Spezifisches nur SympthomatischHydrogen Cyanide 4-Dimethylaminophenol (4-DMAP)Cyanogen Chloride Kein Spezifisches nur SympthomatischNapalm Kein Spezifisches nur Sympthomatisch

Tabelle 7: Antidote chemischer Kampfstoffe

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Page 38: Chemische Kampfstoffe seit 1900

Stoffname Verfügbarkeit der Grundsubstanz

Chlor frei verfübar (Schwimmbadtechnik)Phosgen neinBromaceton nicht frei verfügbarPerfluorisobutylen nein (Verboten durch Chemiewaffenkonvention)Senfgas ("LOST") nein (Verboten durch Chemiewaffenkonvention)Lewisite nein (Verboten durch Chemiewaffenkonvention)Lysergsäurediethylamid (LSD) unterliegt dem BtMGKohlenmonoxid frei verfügbarMescaline unterliegt dem BtMGMethaqualone unterliegt dem BtMGAgent Orange neinCS zum TeilCN zum TeilCapsaicin frei verfügbarBromoacetate frei verfügbarChloraceton frei verfügbarHydrogen Cyanide frei verfügbarCyanogen Chloride frei verfügbarNapalm frei verfügbar

Tabelle 8: Verfügbarkeit der Grundsubstanzen

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Page 39: Chemische Kampfstoffe seit 1900

Stoffname Aggregatzustand

Chlor gasförmigPhosgen gasförmig, flüssig transportiertDiphosgen flüssigChlorpikrin flüssigBromaceton flüssigDiphenylchlorarsin (Adamsit) festPerfluorisobutylen farbloses GasSenfgas ("LOST") flüssigTris(2-chlorethyl)amin (Stickstofflost) flüssigLewisite festLysergs%�urediethylamid (LSD) fest, flüssig,Phenylarsindichlorid (Clark 1) flüssigArsin gasförmigKohlenmonoxid gasförmigMescaline festMethaqualone festAgent Orange flüssigCS festCN festCapsaicin festBromoacetate flüssigChloraceton flüssigHydrogen Cyanide flüssigCyanogen Chloride gasförmigNapalm flüssig

Tabelle 9: Aggregatzustände bei Normalbed.

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Page 40: Chemische Kampfstoffe seit 1900

Stoffname Transportierbarkeit

Chlor klassischPhosgen klassischDiphosgen klassischChlorpikrin klassischEthyldichlorarsin klassischPhosgenoxim klassischBromaceton klassischBrommethylethylketon klassischDiphenylchlorarsin (Adamsit) klassischAgent White binärPerfluorisobutylen klassischSenfgas ("LOST") klassischTris(2-chlorethyl)amin (Stickstofflost) klassischLewisite klassischLysergsäurediethylamid (LSD) klassischPhenylarsindichlorid (Clark 1) klassischArsin klassischKohlenmonoxid klassischMescaline klassischMethaqualone klassischAgent Orange binärCS klassischCN klassischCapsaicin klassischBromoacetate klassischChloraceton klassischHydrogen Cyanide klassischCyanogen Chloride klassischNapalm binär

Tabelle 10: Einteilung klassischer / binärer Kampfstoff

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Page 41: Chemische Kampfstoffe seit 1900

Stoffname Aerosolbildung

Chlor neinPhosgen kalter Nebel bei großen MengenDiphosgen neinChlorpikrin neinEthyldichlorarsin neinPhosgenoxim neinBromaceton neinBrommethylethylketon neinDiphenylchlorarsin (Adamsit) neinAgent White neinPerfluorisobutylen neinSenfgas ("LOST") neinTris(2-chlorethyl)amin (Stickstofflost) neinLewisite jaLysergsäurediethylamid (LSD) jaPhenylarsindichlorid (Clark 1) neinArsin neinKohlenmonoxid nein

Tabelle 11: Aerosolbildung

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Page 42: Chemische Kampfstoffe seit 1900

Stoffname Dampfdruck

Chlor bei 20◦C: 6,776 bar,bei 30◦C: 8,8 bar

Phosgen bei 20◦C: 1,586 bar,bei 30◦C: 2,2 bar

Diphosgen bei 20◦C:13,73 mbar,bei 30◦C: 24 mbar

Chlorpikrin bei 20◦C: 22,53mbar,bei 30◦C: 44 mbar

Bromaceton bei 20◦C: 12 mbar,bei 30◦C: 18 mbar

Senfgas ("LOST") bei 20◦C 0,087 mbar ,bei (30◦C) 0,2 mbar ,

Tris(2-chlorethyl)amin (Stickstofflost) bei (20◦C): 0,0093 mbar,bei (30◦C) 0,0223 mbar

Lewisite bei (20◦C): 0,0527 mbar,bei (30◦C) 1,0 mbar

Phenylarsindichlorid (Clark 1) bei (20◦C): 0,15 mbar,bei (30◦C) 0,3 mbar

Arsin bei (20◦C): 16,0 bar,bei (30◦C): 26,0 bar

Bromoacetate bei (20◦C): 12 mbarChloraceton bei (20◦C): 16 mbarHydrogen Cyanide bei (20◦C): 816 mbarCyanogen Chloride bei (20◦C): 1,34 bar

Tabelle 12: Dampfdruck der relevanten Kampstoffe

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Stoffname Dichte in kgm3

Chlor 3,2149Phosgen 4,531Diphosgen 1,6365Chlorpikrin 1,6566Bromaceton 1,634Diphenylchlorarsin (Adamsit) 1,65Senfgas ("LOST") 1,2741Tris(2-chlorethyl)amin (Stickstofflost) 1,2348Lewisite 1,888Phenylarsindichlorid (Clark 1) 1,6561Arsin 3,5198Kohlenmonoxid 1,2506CN 1,32Bromoacetate 1,634Chloraceton 1,15Hydrogen Cyanide 0,69Cyanogen Chloride 1,25

Tabelle 13: Dichte der Kampfstoffe

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Page 44: Chemische Kampfstoffe seit 1900

Stoffname Schmelzpunkt

Chlor -100,98◦CPhosgen -127,76◦CDiphosgen -57◦CChlorpikrin -64,5◦CBromaceton -54◦CDiphenylchlorarsin (Adamsit) 195◦CSenfgas ("LOST") 13 - 14◦CTris(2-chlorethyl)amin (Stickstofflost) -3,7◦CLewisite -44,7◦CLysergs%�urediethylamid (LSD) 82 - 85◦CPhenylarsindichlorid (Clark 1) -15,6◦CArsin -116,9◦CKohlenmonoxid -205,07◦CMescaline 35 -36◦CMethaqualone 255 - 256◦CCS 95 - 96◦CCN 245◦CCapsaicin 65 - 66◦CBromoacetate -38◦CChloraceton -44◦CHydrogen Cyanide -13◦CCyanogen Chloride -6,9◦C

Tabelle 14: Schmelzpunkte

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Page 45: Chemische Kampfstoffe seit 1900

Stoffname Siedepunkt

Chlor -34,0◦CPhosgen 7,44◦CDiphosgen 127, 5◦CChlorpikrin 111, 9◦CBromaceton (136,5◦C Zersetzungstemp.)Diphenylchlorarsin (Adamsit) (410◦C Zersetzungstemp.)Perfluorisobutylen 7,00◦CSenfgas ("LOST") 216,◦CTris(2-chlorethyl)amin (Stickstofflost) 256◦CLewisite 169,8◦CPhenylarsindichlorid (Clark 1) 254,4 - 257,6◦CArsin -62,48◦CKohlenmonoxid -191,55◦CMescaline 180◦CCS 310 - 315◦CCN 54 - 59◦CCapsaicin 210 - 220◦CBromoacetate 136,5◦CChloraceton 119◦CHydrogen Cyanide 26◦CCyanogen Chloride 12,9◦C

Tabelle 15: Siedepunkte der chemischen Kampfstoffen

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