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#gedaechtnis #ver.efung #theorieforschung Version vom 1. Februar 2011 Jetzt Pate werden! Für dieses Kapitel wird noch ein Pate gesucht, mehr Informa.onen unter: hDp://l3t.eu/patenschaG Multimedia und Gedächtnis Kognitionspsychologische Sicht auf das Lernen mit Technologien Tanja Jadin Cogni.ve Overload Quelle: Tanja Jadin, URL: hDp://www.flickr.com/photos/tjadin/5354332208/ [20110110] Mul.mediale Lerninhalte können mo.vierend, abwechslungsreich und anschaulich gestaltet werden. Jedoch gilt bei der Gestaltung von mul.medialen Lernmaterialien die Besonderheiten der menschlichen Informa.onsverarbeitung zu berücksich.gen um Lernen bestmöglich zu unterstützen. In diesem Beitrag werden die wich.gsten kogni.onspsychologischen Grundlagen des mul.medialen Lernens dargestellt. Zu nächst wird das DreiSpeicherModell des Gedächtnisses und die begrenzte Kapazität des Arbeitsgedächt nisses vorgestellt. Anschließend wird auf die Theorie der kogni.ven Belastung näher eingegangen, welche sich in intrinsische, extrinsische und lernförderliche Belastung unterteilen lässt. Weitere beachtenswerte Bereiche unseres Arbeitsgedächtnisses sind die modalitäts und kodalitätsspezifische Verarbeitung. Dar unter ist zu verstehen, dass die Informa.onsaufnahme visuell und/ oder audi.v erfolgen und Informa .onen bildlich oder als Text dargestellt werden können. Vor allem ist die Aufmerksamkeit beim Lernen be deutsam. Um dem Effekt der geteilten Aufmerksamkeit entgegen zu wirken sollen Lernmaterialien zusam mengehörig dargestellt werden. Neue Informa.onen müssen auch miteinander sinnvoll verknüpG werden um sie zu verstehen und langfris.g zu behalten. Dies bedeutet, dass eine kohärente mentale Wissens struktur seitens der Lernenden gebildet werden muss. Basierend auf diese Forschungsergebnisse ergeben sich verschiedene instruk.onale Maßnahmen zur Gestaltung und Darstellung von Lernmaterialien. Dabei werden die Prinzipien zum mul.medialen Lernen von Mayer (2009) vorgestellt.

Multimedia und Gedächtnis - Kognitionspsychologische Sicht auf das Lernen mit Technologien

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#gedaechtnis

#ver.efung#theorieforschung

Version  vom  1.  Februar  2011

Jetzt Pate werden! Für  dieses  Kapitel  wird  noch  ein  Pate  gesucht,mehr  Informa.onen  unter:  hDp://l3t.eu/patenschaG

Multimedia und Gedächtnis Kognitionspsychologische Sicht auf das Lernen mit Technologien

Tanja  Jadin

Cogni.ve  Overload

Quelle:  Tanja  Jadin,  URL:  hDp://www.flickr.com/photos/tjadin/5354332208/  [2011-­‐01-­‐10]

Mul.mediale   Lerninhalte   können   mo.vierend,   abwechslungsreich   und   anschaulich   gestaltet   werden.Jedoch  gilt  bei  der  Gestaltung  von  mul.medialen  Lernmaterialien  die  Besonderheiten  der  menschlichenInforma.onsverarbeitung   zu  berücksich.gen  um  Lernen  bestmöglich   zu  unterstützen.   In  diesem  Beitragwerden  die  wich.gsten  kogni.onspsychologischen  Grundlagen  des  mul.medialen  Lernens  dargestellt.  Zu-­‐nächst  wird  das  Drei-­‐Speicher-­‐Modell  des  Gedächtnisses  und  die  begrenzte  Kapazität  des  Arbeitsgedächt-­‐nisses  vorgestellt.  Anschließend  wird  auf  die  Theorie  der  kogni.ven  Belastung  näher  eingegangen,  welchesich   in   intrinsische,  extrinsische  und   lernförderliche  Belastung  unterteilen   lässt.  Weitere  beachtenswerteBereiche  unseres  Arbeitsgedächtnisses   sind  die  modalitäts-­‐   und   kodalitätsspezifische  Verarbeitung.  Dar-­‐unter   ist   zu   verstehen,   dass   die   Informa.onsaufnahme   visuell   und/   oder   audi.v   erfolgen   und   Informa-­‐.onen  bildlich  oder  als  Text  dargestellt  werden  können.  Vor  allem  ist  die  Aufmerksamkeit  beim  Lernen  be-­‐deutsam.  Um  dem  Effekt  der  geteilten  Aufmerksamkeit  entgegen  zu  wirken  sollen  Lernmaterialien  zusam-­‐mengehörig  dargestellt  werden.  Neue  Informa.onen  müssen  auch  miteinander  sinnvoll  verknüpG  werdenum   sie   zu   verstehen   und   langfris.g   zu   behalten.   Dies   bedeutet,   dass   eine   kohärente  mentale  Wissens-­‐struktur  seitens  der  Lernenden  gebildet  werden  muss.  Basierend  auf  diese  Forschungsergebnisse  ergebensich  verschiedene  instruk.onale  Maßnahmen  zur  Gestaltung  und  Darstellung  von  Lernmaterialien.  Dabeiwerden  die  Prinzipien  zum  mul.medialen  Lernen  von  Mayer  (2009)  vorgestellt.  

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1. Einleitung

Lerninhalte können multimedial aufbereitet und un-terschiedlich repräsentiert werden, als Text, Bild, Ani-mation oder Video, in Form von dynamischen Reprä-sentationen, Audio, oder in Tabellen, Diagrammen,Abbildungen und Simulationen. Dabei spielt die Dar-stellung und Gestaltung der Lernmaterialien für eineadäquate Informationsverarbeitung eine bedeutsameRolle. Die kognitive Psychologie beschäftigt sichunter anderem mit der Informationsaufnahme, -spei-cherung und dem Informationsabruf. Diese Prozessesind insbesondere für das Lernen relevant, da dasZiel beim Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeitendie langfristige Speicherung und auch der Abrufdieser Informationen ist. Wie gut dabei die entspre-chenden neuen Fähigkeiten abgespeichert werden un-terliegt bestimmten Bedingungen und Einschrän-kungen. Sie werden in diesem Kapitel die wichtigstenGrundlagen zum menschlichen Gedächtnis vermitteltbekommen, die begrenzten kognitiven Kapazitätendes Arbeitsgedächtnisses und die Bedeutsamkeit vonKenntnissen menschlicher Informationsverarbeitungfür die Gestaltung von Lernmaterialien kennenlernen.

2. Gedächtnisprozesse

Unser Gedächtnis unterteilt sich in verschiedene Be-reiche. Prinzipiell ist es verantwortlich für die Auf-nahme, die Enkodierung von Informationen, dieWeiterverarbeitung dieser Informationen, Spei-cherung und langfristig auch für den Abruf rele-vanter Informationen.

Wir haben ein sensorisches Gedächtnis, ein Ar-beitsgedächtnis und ein Langzeitgedächtnis. Dabeispricht man auch vom Drei-Speicher-Modell (Zim-bardo & Gerrig, 2004, siehe Abbildung 1).

Informationen aus der Umwelt nehmen wir durchunsere Sinnesorgane auf. Hierbei spielen die Wahr-nehmung dieser Informationen und Aufmerksam-

keitsprozesse eine wichtige Rolle. Diese Informa-tionen gelangen in einen kurzfristigen sensorischenSpeicher, ins sogenannte sensorische Gedächtnis,welches die physikalischen Reize von außen kurz-fristig behält. Wird diesen Informationen keine Auf-merksamkeit geschenkt, so gehen sie verloren. Daman davon ausgeht, dass wir sinnesmodalitätsspezi-fische Gedächtnissysteme haben (Baddeley, 2003),unterscheidet man zwischen ikonischem (visuellem)und echoischem (auditivem) Gedächtnis.

Nach dem sensorischen Gedächtnis gelangen dieInformationen ins Arbeitsgedächtnis, unsere zen-trale Verarbeitungsinstanz. Als Arbeitsgedächtniswird jene Gedächtnisressource bezeichnet, welche fürAufgaben wie Schlussfolgern und Sprachverstehenzuständig ist. Baddeley (2003) unterscheidet diesenGedächtnisbereich in drei weitere Bereiche, nämlichin „phonologische Schleife“ (engl. „phonologicalloop“), „visuell-räumlichen Notizblock“ (engl.„visuo-spatial sketch-pad“) und der „zentralen Exe-kutive“ (engl. „central executive“). Der „visuell-räum-liche Notizblock“ ist für die Verarbeitung visuell-räumlicher Informationen zuständig, die „zentraleExekutive“ für das Denken, Schlussfolgern, Er-innern, Steuern und die so genannte „phonologischeSchleife“ ist verantwortlich für die Verarbeitungverbal-textlicher Informationen. Das Arbeitsge-dächtnis besitzt nur begrenzte Kapazität. Unser Ar-beitsgedächtnis hat einen sehr kurzfristigen Behal-tensspeicher. Um die Informationen adäquat weiterzu verarbeiten bedarf es Maßnahmen damit diesevollständig und richtig gespeichert werden können.Solche Maßnahmen können dabei „Chunking“ (In-formationseinheiten gruppieren) und „Rehearsal“(Wiederholung) sein.

D a s Langzeitgedächtnis ist für die dauerhafteSpeicherung und für den Abruf von Informationenzuständig. Dieser Bereich ist gekennzeichnet durcheine maximale Kapazität und unbegrenzte Speicher-dauer. Hier werden alle Erfahrungen, Informationen,Emotionen und Fertigkeiten gespeichert, die über dassensorische Gedächtnis und Kurzzeitgedächtnis an-geeignet wurden. Bei der Informationsverarbeitungspielen unsere bisherigen Erfahrungen und Vor-

Das   Gedächtnis   ist   für   die   Aufnahme,   Verarbeitungsowie   für   das   Speichern   und   Abrufen   von   Informa-­‐.onen  zuständig.  

!

Abbildung  1:  Das  Drei-­‐Speicher-­‐Modell  des  menschlichen  Gedächtnisses.

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kenntnisse eine wesentliche Rolle und werden dazuverwendet um neues zu verarbeitendes Wissen im Ar-beitsgedächtnis zu verknüpfen.

3. Begrenzte  kogni:ve  Ressourcen

Wenn es zu einer Überschreitung der kognitiven Res-sourcen kommt, dann kann es zu Verstehens- undSpeicherungsproblemen kommen. Damit die Infor-mationen adäquat verarbeitet und behalten werdenkönnen, spielen eine Vielzahl an Faktoren eine Rolle.Einerseits sind da die Komplexität des zu vermit-telnden Inhalts, die mediale Darstellung und Um-gebung, die Art und Anzahl an unterschiedlichenZeichensystemen, die verwendet werden, zu nennen.Andererseits relevante Eigenschaften des Lernenden,nämlich die verfügbaren kognitiven Ressourcenseitens des/der Lernenden, und auch die zur Ver-fügung stehende Zeit zur Verarbeitung der Lernin-halte (Schwan & Hesse, 2004).

Wenn wir mit Informationen überfrachtet werden,diese nur schwer oder nicht mehr aufnehmen undverarbeiten können, unterliegen wir der so genanntenkognitiven Belastung. Die Theorie der kognitivenBelastung (engl. „cognitive load theory“) beziehtsich auf die beschränkten Ressourcen unseres Ar-beitsgedächtnisses (Chandler & Sweller, 1991). Beieiner Überschreitung der zur Verfügung stehendenRessourcen kommt es zu Verstehens- und Speiche-rungsproblemen. Diese Belastung ist abhängig vonder individuellen Informationsverarbeitungskapazitätund der Gestaltung der Lernmaterialien. Die kog-nitive Belastung wird in drei Unterbereiche ge-gliedert, in eine intrinsische, extrinsische und in einelernförderliche kognitive Belastung. ▸ Intrinsische kognitive Belastung (engl. „int-

rinsic cognitive load“) Diese ist abhängig vomLerninhalt. Je komplexer und schwieriger derLerninhalt für die Lernenden ist, desto mehrmüssen kognitive Ressourcen in Anspruch ge-

nommen werden. Ein wesentlicher Einflussfaktorstellt hierbei die Element-Interaktivität dar. Dar-unter versteht man die Anzahl der unterschied-lichen zusammenhängenden Lerninhalte, die er-fasst werden müssen um den ganzen Sachverhaltverstehen zu können (zum Beispiel das Ökosystemder Erde). Das Vorwissen der Lernenden spieltauch eine wichtige Rolle. Je höher der Kenntnis-stand im jeweiligen Inhaltsbereich und umso ver-trauter der Lernende mit den Inhalten ist, destoleichter kann die Wissensverarbeitung stattfinden.

▸ Extrinsische kognitive Belastung (engl. „extra-neous cognitive load“) Eine weitere Rolle bei derBeanspruchung der kognitiven Ressourcen spielendie ungünstige Darstellung der Lerninhalte unddie mediale Präsentation. Diese Belastungsformbezieht sich auf irrelevante, unnötige Aktionen,die nichts mit den Lerninhalten zu tun haben. Sokann zum Beispiel ein zusammenhängendes Bildzu weit vom Text getrennt sein. Stattdessen sollendie zusammengehörigen Informationen integriertpräsentiert werden.

▸ Lernförderliche kognitive Belastung (engl.„germane cognitive load“) Die lernförderliche ko-gnitive Belastung kann bei noch verbleibenden ko-gnitiven Ressourcen für eine tiefergehende Verar-beitung des Medieninhalts aufgewendet werden.Hier spielen insbesondere Lernstrategien eineRolle, die dazu verwendet werden, um beispiels-weise neue Informationen mit bestehenden zuverknüpfen, diese zu elaborieren und zu organi-sieren (Chandler & Sweller, 1991).

In Abbildung 2 auf der folgenden Seite sind das Ar-beitsgedächtnis und zwei Varianten der kognitivenBelastung dargestellt. Einmal führt die ungünstigemediale Präsentation zu einer kognitiven Belastungund lenkt somit vom eigentlichen Lerninhalt ab. Imzweiten Fall führen die schwer zu erlernenden Inhalte

In der Praxis : „Chunking“Folgende  Situa.on  kommt  sehr  oG  vor.  Bei  einem  Telefonge-­‐spräch  teilt  Ihnen  Ihr  Gesprächspartner  eine  Telefonnummermit.   Wie   merken   Sie   sich   diese   Telefonnummer?   Ihr   Ge-­‐sprächspartner  am  anderen  Ende  liest  Ihnen  folgende  Ziffernvor:   06507939567845.   Wie   gehen   Sie   vor,   damit   Sie   sichdiese   Nummer  merken   können?   Jede   Zahl   einzeln   oder   je-­‐weils   zwei   oder   drei   Zahlen   zusammen?   Probieren   Sie   fol-­‐gendes :   Gruppieren   S ie   d ie   Z iffern   s innvol l   inInforma.onseinheiten.  Also  zum  Beispiel:  Die  Vorwahl  lautet

0650.  Da  erinnern  Sie   sich  vielleicht  an  den  Telefonanbieterund   können   diese   Informa.on   schon   einmal   sehr   gut   mitIhrem  Vorwissen  verknüpfen.  Weitere  Strategien  können  un-­‐terschiedlich   sein,   ob   Sie   sich   die   Ziffern  wie   folgt   793   956784  oder  als  79  39  56  784  merken.  Auf  alle  Fälle  gruppierenSie  die  Ziffern  und  reduzieren  dadurch  die   Informa.onen   insogenannte   „Chunks“,   in   Informa.onseinheiten.   So   könnenSie  sich  die  Nummer  besser  merken:  Sie  haben  die  Informa.-­‐onseinheiten  von  14  auf  4  bzw.  5  Einheiten  reduziert.

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zu einer Überlastung des Arbeitsgedächtnisses. DieTheorie der kognitiven Belastung spielt daher einewichtige Rolle bei der Gestaltung von Lernmate-rialien und zwar nicht nur bezüglich des Lerninhalts,sondern auch bei der Präsentation in multimedialenLernumgebungen.

Eine kognitive Belastung findet auch beim Effektder geteilten Aufmerksamkeit (engl. „split at-tention“) statt (Chandler & Sweller, 1992). Und zwardann, wenn zusammenhängende Abbildungen undText räumlich und zeitlich voneinander getrennt dar-gestellt werden, so dass ein Teil der Informationwährend des Suchprozesses im Arbeitsgedächtnisbleiben muss bis die relevante Information gefundenund verknüpft werden kann. Durch diese geteilteAufmerksamkeit entsteht eine unnötige kognitive Be-lastung.

Weitere zentrale Kernpunkte bei der Informati-onsverarbeitung stellen die Doppelcodierungstheoriedar sowie die Annahme der modalitätsspezifischenVerarbeitung in unserem Arbeitsgedächtnis.

Die Doppelcodierungstheorie von Paivio (1986)besagt, dass verbale (sei es als Text oder gesprocheneSprache) und nicht verbale, also bildliche Informati-onsmaterialien unterschiedlich, aber parallel ver-laufend verarbeitet, interpretiert und mental repräsen-tiert werden. Außerdem wird von einer modalitäts-pezifischen Verarbeitung des Arbeitsgedächt-nisses ausgegangen (Baddeley, 2003). Sowohl dassensorische als auch das Arbeitsgedächtnis weiseneine modalitätsspezifische Verarbeitung neuer Infor-mationen auf. Würde man beispielsweise einen Lern-inhalt als Text und Bild darstellen, würde man zwargemäß der Doppelcodierungstheorie beide Kodie-rungsformen berücksichtigen, aber nur den visuellenKanal ausschöpfen, jedoch nicht den „Audio-Kanal“.Unter Umständen kann es hier wiederum zu einerRessourcenüberschreitung und somit zu einer kogni-tiven Belastung kommen. Gibt man jedoch statt desbegleitenden Textes eine auditive Erklärung zu demBild gelingt die Informationsverarbeitung effektiver.Dieser Effekt ist in der Literatur auch als „Modali-tätseffekt“ (engl. „modality effect“ bekannt; Mayer,2009; siehe Tabelle 1 auf der folgenden Seite).

Lernende müssen aufgrund diverser Repräsen-tationen eine kohärente mentale Wissensstrukturbilden. Die zu lernenden Informationen, die dabeizum Beispiel in Text und Bild dargestellt werden,müssen als Gesamtsachverhalt richtig interpretiertund miteinander verknüpft werden, so dass der Lern-inhalt kohärent repräsentiert ist (Brünken et al.,2005). Dabei sollen die Informationen zusammenhängen, sich aufeinander beziehen und sich logischergänzen. Es gibt jedoch keine explizite Kohärenzbil-dungstheorie. Die bisherigen Arbeiten greifen auf dieStrukturabbildungstheorie von Gentner (1983)zurück. Die unterschiedlichen Repräsentationen wieetwa Text und Bild müssen zunächst getrennt vonein-ander analysiert und verarbeitet werden. So werdenetwa im Bild relevante Elemente identifiziert, mitein-ander verknüpft und in Beziehung gesetzt. Auf dieserEbene findet eine lokale Kohärenzbildung statt. Ineinem nächsten Schritt müssen Text und Bild kombi-niert werden, sozusagen der Zusammenhang zwi-schen beiden hergestellt werden. Dieser Prozess wirdbei Gentner (1983) Strukturabbildung (engl.„structure mapping“) genannt beziehungsweise auchals globale Kohärenzbildung bezeichnet (Brünken etal., 2005).

Abbildung  2:  Kognitive  Belastung  des  Arbeitsgedächt-­‐nisses:  inhaltsbedingt  und  medienbedingt

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Dieser Strukturabbildungsprozess gelingt nichtimmer. Zum einen kann es durch die Überschreitungder Ressourcen des Arbeitsgedächtnisses und zumanderen aufgrund des geringen Vorwissens zu Pro-

blemen bei der Strukturabbildung kommen. Maß-nahmen zur Förderung der Strukturabbildung stellenjene dar, die zu einer Reduzierung der extrinsischenBelastung und Erhöhung der lernförderlichen kogni-tiven Belastung führen. Nachfolgend sollen einigewichtige instruktionale Maßnahmen vorgestelltwerden. Die Prinzipien von Mayer (2009) gehen aufseine kognitive Theorie des multimedialen Lernenszurück, die auf der Annahme basiert, dass es einenverbalen und einen auditiven Verarbeitungskanal imArbeitsgedächtnis mit beschränkten Ressourcen gibt.Lernen bedeutet dabei aktives Selektieren, Organi-sieren und Integrieren von Informationen.

Prinzipien  zur  Entlastung  der  extrinsischen  Belastung

Konsequenz  für  die  Gestaltung  und  Darstellung  von  Lernmaterialien

Kohärenzprinzip Irrelevante  Wörter,  Bilder  und  Töne  sollen  vermieden  werden.

Signalprinzip Hinweise,  die  die  Organisa.on  wesentlicher  Lernelemente  hervorheben,  sind  hilf-­‐reich.

Redundanzprinzip Wenn  Grafiken,  Abbildungen  mit  einer  verbalen  Schilderung  präsen.ert  werden,wird  kein  simultaner  Text  dazu  benö.gt.  

Räumliches  Kon.guitätsprinzip   Zusammengehöriger  Text  und  Bild  sollen  räumlich  zusammen  und  nicht  weit  ausein-­‐ander  präsen.ert  werden.  

Zeitliches  Kon.guitätsprinzip   Zusammengehöriger  Text  und  Bild  sollen  simultan  und  nicht  sukzessive  dargestelltwerden.

Prinzipien  zur  Unterstützung  wesentlicher  mentaler  Prozesse

Konsequenz  für  die  Gestaltung  und  Darstellung  von  Lernmaterialien

Segmen.erungsprinzip Lerneinheiten  sollen  in  Teileinheiten  aufgeteilt  und  nicht  als  eine  Gesamteinheit  an-­‐geboten  werden.  Lernende  sollen  in  ihrer  eigenen  Geschwindigkeit  die  Einheiten  be-­‐arbeiten  können.

Prinzip  des  Vorwissens Bessere  Lerneffekte  werden  erzielt,  wenn  vor  der  Bearbeitung  des  mul.medialenLernmaterials  wesentliche  Konzepte,  Begriffe  und  Bezeichnungen  der  Lerninhaltebekannt  sind.  

Modalitätsprinzip StaD  einem  erklärenden  Text  zu  einer  Abbildung  oder  Grafik  soll  ein  gesprochenerText  angeboten  werden.

Prinzipien  zur  Förderung  genera:ver  Prozesse

Konsequenz  für  die  Gestaltung  und  Darstellung  von  Lernmaterialien

Mul.mediaprinzip StaD  nur  Lerntexte  anzubieten,  sollen  Texte  und  dazugehörige  Bilder  verwendetwerden.

Personalisierungsprinzip Bessere  Lernergebnisse  werden  erzielt,  wenn  der  Text  nicht  in  einer  formalen  Spra-­‐che,  sondern  in  einen  dialogorien.erten  S.l  formuliert  ist  (direkte  Anrede;  zum  Bei-­‐spiel  „Achten  Sie  auf“).

S.mmeprinzip Menschliche  S.mmen  sind  computergenerierten  S.mmen  vorzuziehen.

Bildprinzip Es  wird  nicht  besser  gelernt,  wenn  der/die  Sprecher/in  einer  mul.medialen  Präsen-­‐ta.on  auch  zu  sehen  ist.  

Tabelle  1:  Die  zwölf  Multimedia-­‐Prinzipien  von  Mayer  (2009)

Welche  Arten  von  kogni.ver  Belastung  können  bei  derBearbeitung   von   mul.medialen   Lernmaterialien   auf-­‐treten?

?

Fassen   Sie   die   wich.gsten   Annahmen   bezüglich   derbegrenzten   Informa.onsverarbeitungskapazität   un-­‐seres  Gedächtnisses  zusammen  und  gestalten  Sie  einentsprechendes  Plakat,  dass  diese  Effekte  visualisiert!

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4. Instruk:onale  Prinzipien  zum  mul:medialen  Lernen

Aus den verschiedenen kognitionspsychologischenGrundlagen zum Wissenserwerb ergeben sich direkteImplikationen für die Darstellung und Gestaltungvon Lernmaterialien. Die zwölf Prinzipien zum mul-timedialen Lernen nach Mayer (2009) mit den jewei-ligen zentralen Aussagen werden in Tabelle 1 darge-stellt. Diese Prinzipien wurden in diversen Untersu-chungen von Mayer und Kollegen, aber auch zumTeil von anderen Forscher/innen bestätigt. In derlinken Spalte sind die Prinzipien aufgelistet undrechts die jeweilige abzuleitende instruktionale Maß-nahme für multimediale Lernumgebungen.

Weitere Gestaltungsmaßnahmen bezeichnet Mayer(2009) als Randbedingungen, da es bezüglich desEinsatzes der instruktionalen Prinzipien Einschrän-kungen gibt. So gilt es das Vorwissen der Lernendenzu berücksichtigen, da je nach Kenntnisstand diversePrinzipien unterstützend aber auch lernhinderlichsein können. Nach einer Studie von Kalyuga et al.(2000) profitierten erfahrene Lerner von einer redu-zierten Darstellung der Materialien, während für dieunerfahrenen eine komplexere Präsentation vonVorteil war. Für die Erfahrenen waren einige der prä-sentierten Informationen redundant. Mayer (2009)fasst zusammen, dass der Multimedia- und Kontigui-tätseffekt für Lernende mit geringem Vorwissen hilf-reich ist, jedoch nicht für Lernende mit hohem Vor-wissen. Er bezeichnet dies als „individual differencesprinciple“ (Mayer, 2009, 271). Kalyuga et al. (2003)benennen das Phänomen als „Expertise-Umkehr-Effekt“ (engl. „expertise reversal effect“).

Weitere Randbedingungen stellen die Komplexitätdes Inhalts und die Geschwindigkeit, mit der einemultimediale Präsentation abläuft, dar. So wirken diePrinzipien vor allem dann, wenn die Komplexität derLerninhalte hoch und die Geschwindigkeit in der dieInhalte bearbeitet werden für die Lernenden alsschnell wahrgenommen wird (Mayer, 2001).

Eine weitere Maßnahme stellen intertextuelleHyperlinks (Brünken et al., 2005) dar und die aktiveZuordnung durch die Lernenden von separat darge-

stellten Information in dynamischen und interaktivenLernumgebungen (Bodemer et al., 2004). GezielteKohärenzbildungshilfen wie etwa textbezogene(durch Überprüfungsfragen, die sich auf den Textbeziehen), bildbezogene (Zuweisungsaufgaben rele-vanter Bildelemente) oder globale Kohärenzhilfen(durch integrierte Hyperlinks) können die Informati-onsverarbeitung unterstützen und verbessern somitden Wissenserwerb (Brünken et al., 2005). Wobei hieranzumerken gilt, dass textbezogene und bildbezogeneHilfen auch nur die entsprechenden Text- bzw. Bild-leistungen unterstützen. Lediglich eine gezielte inte-grationsanleitende Kohärenzbildungsmaßnahmekann sowohl die Text- als auch die Bildverarbeitungunterstützen.

Die bisherigen Befunde beziehen sich auf multi-mediale Lernmaterialien, in denen der Lernende nurbegrenzt eingreifen kann. In einer Studie von Gerjetset al., 2009) wurde untersucht inwieweit die gefun-denen Prinzipien auf andere Bereiche wie etwa Hy-permedia, die durch eine höhere Lernerkontrolle ge-kennzeichnet sind, anwendbar sind. Die Ergebnissezeigen, dass die Prinzipien nicht ohne weiteres aufandere Lernbereiche übertragbar sind. In einer Un-tersuchung von Jadin et al. (2009), in der zwei unter-schiedlich aufbereitete E-Lectures eingesetzt wurden,zeigte sich, dass Lernstrategien einen wesentlichenEinfluss auf das Lernergebnis haben und nicht nurallein die Darstellung der Lernmaterialien. Dieses Er-gebnis kann als Beleg für die lernförderlichen Aktivi-täten seitens der Lernenden gesehen werden, welchezur Reduzierung der kognitiven Belastung führt.Einige der Effekte wie der Modalitätseffekt sindhäufig repliziert worden. Die dargestellten instruktio-nalen Prinzipien sollten daher in der Gestaltung undDarstellung von Lernmaterialien berücksichtigtwerden.

Empfohlene  weiterführende  Literatur

▸ Clark, R. C. & Mayer, R.E. (2008). e-Learning and the Scienceof Instruction: Proven Guidelines for Consumers and Desi-gners of Multimedia Learning. San Francisco: Pfeiffer.

▸ Mayer, R. E. (2009). Multimedia Learning. Cambridge: Cam-bridge University Press.

Literatur

▸ Baddeley, A. (2003). Human Memory. Theory and Practice.Hove, East Sussex (UK): Psychology Press Ltd.

▸ Bodemer, D.; Plötzner, R.; Feuerlein, I. & Spada, H. (2004).The active integration of information during learning with dy-namic and interactive visualisations. Learning and Instruction,14, 325-341.

Überlegen  Sie   sich  wie  Sie   in  mul.medialen  Lernum-­‐gebungen   die   Kohärenzbildung   unterstützen   könnenund  schreiben  Sie  konkrete  Maßnahmen  auf.

?

Meist   haben   Lernende   ein   unterschiedliches   Vor-­‐wissen.   Wie   können   die   Lernmaterialen   dargestelltwerden,   damit   Personen   mit   unterschiedlichem   Vor-­‐wissen  unterstützt  werden?

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▸ Chandler, P. & Sweller, J. (1991). Cognitive load theory and theformat of instruction. In: Cognition and Instruction, 8, 293-332.

▸ Chandler, P. & Sweller, J. (1992). The split-attention effect as afactor in the design of instruction. British Journal of Educa-tional Psychology, 62, 233-246.

▸ Gentner, D. (1983). Structure-mapping: A theoretical fra-mework for analogy. In: Cognitive Science, 7, 155-170.

▸ Gerjets, P.; Scheiter, K.; Opfermann, M.; Hesse, F.W. & Eysink,T.H.S. (2009). Learning with hypermedia: The influence of re-presentational formats and different levels of learner controlon performance and learning behavior. Computers in HumanBehavior, 25, 360-370.

▸ Kalyuga, S.; Chandler, P. & Sweller, J. (2000). IncorporatingLearner Experience into the Design of Multimedia Instruction.Journal of Educational Psychology, 92(1), 126-136.

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