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Praktiken des Identitäts- und Beziehungs-managements auf Netzwerkplattformen Dr. Jan Schmidt Senior Researcher für digitale interaktive Medien und politische Kommunikation Jena, 14.10.2008

Praktiken des Identitäts- und Beziehungsmanagements

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Vortrag beim DGS-Kongress, Jena, 7.10.2008

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Page 1: Praktiken des Identitäts- und Beziehungsmanagements

Praktiken des Identitäts- und Beziehungs-

managements auf Netzwerkplattformen

Dr. Jan Schmidt

Senior Researcher für digitale interaktive Medien und politische Kommunikation

Jena, 14.10.2008

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Worüber ich heute spreche

1. Netzwerkplattformen als prototypische „Web 2.0“-Anwendung

2. Kommunikationssoziologischer Analyserahmen: Die dreifache Rahmung von Identitäts- und

Beziehungsmanagement

3. Anwendungsbeispiel: Umgang mit Privatheit und Authentizität auf Netzwerkplattformen

(leider keine SchülerVZ-Umfrage….)

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Web 2.0 aus kommunikationssoziologischer Perspektive

Ausgangspunkt: Web 2.0 verändert Praktiken des

www.flickr.com/photos/44029537@N00/12760664/

– Identitätsmanagements (Darstellung individueller Interessen, Erlebnisse, Meinungen, Kompetenzen, etc.)

http://flickr.com/photos/mylesdgrant/495698908/

– Beziehungsmanagements (Pflege von bestehenden und Knüpfen von neuen Beziehungen)

http://www.flickr.com/photos/axels_bilder/1267008046/

– Informationsmanagements (Selektion und Weiterverbreitung von relevanten Daten, Informationen, Wissen- und Kulturgütern)

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Junge Nutzer

• Anwendungen des Web 2.0 werden unterschiedlich stark genutzt – allerdings jeweils deutlich überproportional von jungen Personen, insbesondere von Teenagern

0

20

40

60

80

100

BeruflicheNetzwerkplattformen (6%)

PrivateNetzwerkplattformen (25%)

Videoportale (51%) Wikipedia (60%)

14-19 20-29 30-39

40-49 50-59 60+

Nutzung ausgewählter Web 2.0-Anwendungen nach Altersgruppen (zumindest selten; in %)

Quelle: ARD/ZDF Onlinestudie 2008

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Was sind Netzwerkplattformen?

• Definition von Netzwerkplattform nach Boyd/Ellison (2007):

„We define social network sites as web-based services that allow individuals to (1) construct a public or semi-public profile within a bounded system, (2) articulate a list of other users with whom they share a connection, and (3) view and traverse their list of connections and those made by others within the system.“ - Namenswahl: „social NETWORK site“ statt „social networkING site“ verweist darauf, dass

Identitäts- und Beziehungsmanagement vorrangig in Bezug auf bereits existierende soziale Beziehungen / soziale Netzwerke geleistet wird

- Abgrenzung u.a. zum Online-Dating, wo der Kontakt zu bislang unbekannten Personen im Vordergrund steht, wenngleich ein zukünftiges Treffen antizipiert wird

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Analytischer Rahmen

Verwendungsregeln: Geteilte Erwartungen und Routinen über das „angemessene“ Handeln in spezifischen Situationen (incl. AGBs); bspw. in Bezug auf Authentizität oder das Akzeptieren von Kontaktanfragen

Relationen: Soziale Netzwerke, die mit Hilfe von Anwendungen artikuliert oder aufgebaut werden; subkulturell- oder altersspezifische Netzwerke bekräftigen unterschiedliche Erwartungen und Routinen in Bezug auf Identitäts- und Beziehungsmanagement

Code: Die Software einzelner Anwendungen mit ihren spezifischen Optionen und Restriktionen (z.B. Funktionen, bestimmte Profilinformationen nur für ausgewählte Mitglieder des eigenen Netzwerks sichtbar zu machen) sowie die Architektur des Social Web als ganzes (insbesondere Schnittstellen zum Austausch von Daten zwischen Anwendungen)

Handeln

Code

Regeln Relationen

Individuelles Handeln wird von drei strukturellen Dimensionen gerahmt, die im Handeln wiederum (re-)produziert werden:

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Besondere Herausforderung: Kontextabhängige Selbstpräsentation

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Differenziertes Identitäts- & Beziehungsmanagement (via Relationen)

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Differenziertes Identitäts- & Beziehungsmanagement (via Relationen)

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Leiterwartung Authentizität (15-17jährige, formal niedrige Bildung, HH)Int: Wie findet ihr das, wenn jemand so tut als wäre er jemand anderer? M_1: Is Scheiße .M_2: Is doch peinlich für ein selber. M_1: Weil jeder soll doch so sein wie er selber is, man soll sich da nich so schüchtern so man ist so wie man is, kann man nicht ändern. M_3: Man sollte sein Image einfach nicht verstellen, das is es. Int: Meint ihr dass es andere Leute tun ihr Image verstellen? M_2: Ja, die faken auch Bilder und so die machen von anderen Leuten Int: Warum machen die das wohl? M_2: Die haben kein Selbstwertgefühl M_3: Um sich wohler zu fühlen, so das is ne Möglichkeit M_2: Die wollen Leute verarschen. Int: Hm. Die wollen anders scheinen als sie sind. Und hab ich richtig verstanden, dass ihr das nicht gut findet! M_2: Gar nicht gut.

Differenziertes Identitäts- & Beziehungsmanagement (via Regeln)

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Umgang mit Privatsphäre anderer Personen (18-24jährige, formal niedrige Bildung, HH)

Int: Und kennst du jemanden, der auch schon ein bisschen Ärger mit peinlichen Fotos... oder gab's da mal Probleme?

F_1: Also bei uns ist das eigentlich so, bei meinen ganzen Bekannten, wir fragen vorher, ob wir das Foto reinstellen können, oder solche Sachen. Weil ich weiß nicht, nachher fotografieren die mich, wenn ich da halbwegs irgendwie besoffen (..) in den Hafen reinfall' oder so was. Das will ich ja auch nicht, dass das im Internet ist und daher wird eigentlich bei uns immer vorher gefragt.

Differenziertes Identitäts- & Beziehungsmanagement (via Regeln)

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Kontaktaufnahmen durch Fremde (15-17jährige, formal höhere Bildung, Emsland)

F_1: Ich war auch mal in anderen Gruppen, und dann quatscht irgend jemand einen anderen an, (…) sagt, dass du sympathisch aussiehst, oder ne sympathische Frisur hast, oder deine Beschreibung sympathisch findet, als Ausrede hat, so irgendwie anquatscht. (…).

Int: Was hast du mit dem gemacht?

F_1: Nichts. Also, ich hab ihm noch nicht mal geantwortet, weil ich weiß nicht...

M_1: Es ein bisschen arm ist. F_1: Ja, ich weiß nicht.

M_1: Dating bei SchülerVZ. (lacht)

F_1: Auch, ne ich find das einfach nicht so... M_1: Nicht so stilvoll.

F_1: Einfach angequatscht zu werden, ist nicht so... (…) Nicht persönlich irgendwie. Finde ich.

F_3: Es ist ja auch nicht da, um Freunde kennenzulernen.

F_1: Ne.

Differenziertes Identitäts- & Beziehungsmanagement (via Regeln)

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Differenziertes Identitäts- & Beziehungsmanagement (via Code)

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Fazit und Ausblick

– Praxistheoretische Herangehensweise untersucht Identitäts- und Beziehungs-management auf Netzwerkplattformen entlang der Dialektik von Handeln und Struktur

– Verwendungsregeln, Relationen und Software-Code rahmen das Handeln, werden aber auch durch die Praxis reproduziert

– Offene Fragen für Diskussion– Stellen Online-Dating-Plattformen eine Unterklasse von Netzwerkplattformen dar, oder

gibt es in Regeln, Relationen und/oder Code fundamentale Unterschiede?– Spezialfall Privatsphäre: Welches Verständnis von Privatsphäre - und damit

einhergehend: von (potenziellem) Publikum – herrscht auf Dating-Plattformen, welches auf Netzwerkplattformen?

– ….

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Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Dr. Jan Schmidt

Hans-Bredow-Institut

Warburgstr. 8-10, 20354 Hamburg

[email protected]

www.hans-bredow-institut.de

www.schmidtmitdete.de

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Weiterführende Literatur

– ARD-ZDF-Onlinestudie 2008:– Van Eimeren, Birgit / Frees, Beate (2008): Internetverbreitung: Größter Zuwachs bei Silver-Surfern. In: Media-

Perspektiven, Nr. 7/2008, S. 330-344.– Fisch, Martin / Gscheidle, Christoph (2008): Mitmachnetz Web 2.0: Rege Beteiligung nur in Communitys. In: Media-

Perspektiven, Nr. 7/2008, S. 356-364.– Boyd, Danah/ Nicole Ellison (2007). Social network sites: Definition, history, and scholarship. Journal of

Computer-Mediated Communication, 13(1), article 11.http://jcmc.indiana.edu/vol13/issue1/boyd.ellison.html

– Boyd, Danah (2007): Incantations for Muggles: The role of ubiquitious Web 2.0 technologies in everyday life. Vortrag bei der O‘Reilly Emerging Technology Conference, San Diego, 28.3.2007. Online: http://www.danah.org/papers/Etech2007.html

– Ellison, Nicole / Rebecca Heino / Jennifer Gibbs (2006): Managing impressions online: Self-Presentation processes in the online dating environment. In: Journal of Computer-Mediated Communication, Jg. 11, Nr. 2, Artikel 2. Online verfügbar: http://jcmcm.indiana.edu/vol11/issue2/ellison.html

– Renz, Florian (2007): Praktiken des Social Networking. Eine kommunikationssoziologische Studie zum online-basierten Netzwerken am Beispiel von openBC (XING). Boizenburg: Verlag Werner Hülsbusch

– Schmidt, Jan (2008): Was ist neu am Social Web? Soziologische und kommunikationswissenschaftliche Grundlagen. In: Zerfaß, Ansgar; Martin Welker; Jan Schmidt (Hrsg.) (2008): Kommunikation, Partizipation und Wirkungen im Social Web. Zwei Bände. Köln: Van Halem Verlag

– Schmidt, Jan (in Vorb.): Das neue Netz. Merkmale, Praktiken und Konsequenzen des Web 2.0. Konstanz: UVK. Erscheint voraussichtlich Mai 2009.

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Verbreitung beispielhafter Netzwerkplattformen

Angebot Registrierte Nutzer Visits 08/2008 (IVW)

StudiVZ 154 Mio

SchülerVZ 8 Mio in der VZ-Familie [August 2008] 130 Mio

MeinVZ 40 Mio

Wer-kennt-wen ~ 2,1 Mio [April 2008] 107 Mio

Lokalisten ~ 2 Mio [Mai 2008] 28 Mio

Myspace ~ 235 Mio. [Juni 2007] k.A

Facebook ~70 Mio aktive Nutzer[Juni 2008] k.A

Xing ~ 4 Mio [Sep 2007] k.A