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Thesenpapier Thesenpapier zur Dissertation „Pfade des Bedeutungswandels im deutschen Verbwortschatz. Eine Untersuchung zur Parameterstruktur von Wortbedeutungen aus gebrauchstheoretischer Sicht“ Vorgelegt dem Dekanat der Philosophischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf von Sascha Bechmann Prüfungskommission: Univ.-Prof. Dr. Rudi Keller (Erstgutachter) Univ.-Prof. Dr. Dietrich Busse (Zweitgutachter) Univ.-Prof. Dr. Gerhard Vowe Prof. Dr. Sebastian Löbner Tag der Disputation: Mittwoch, 05. Dezember 2012

Thesenpapier Bedeutungswandel deutscher Verben

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Thesenpapier

zur Dissertation

„Pfade des Bedeutungswandels im deutschen Verbwortschatz. Eine Untersuchung zur Parameterstruktur von

Wortbedeutungen aus gebrauchstheoretischer Sicht“

Vorgelegt dem Dekanat der Philosophischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

von Sascha Bechmann Prüfungskommission: Univ.-Prof. Dr. Rudi Keller (Erstgutachter) Univ.-Prof. Dr. Dietrich Busse (Zweitgutachter) Univ.-Prof. Dr. Gerhard Vowe Prof. Dr. Sebastian Löbner Tag der Disputation: Mittwoch, 05. Dezember 2012

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I. Inhalt Bedeutungswandel ist ein Phänomen, mit dem sich die linguistische Forschung seit vielen Jahrzehnten beschäftigt. Dabei liegen bis heute erstaunlich wenige Untersuchungen vor, die ihre Befunde aus der konkreten Sprecherwirklichkeit schöpfen und dabei semantische Verfahren auf der einen Seite mit pragmatischen Strategien auf der anderen Seite verknüpfen. Die vorliegende Arbeit hat sich genau dies zum Ziel gesetzt: Mithilfe einer gebrauchstheoretischen Theorie zur Beschreibung von Wortbedeutungen im Allgemeinen werden die vielfältigen Veränderungen im deutschen Verbwortschatz aufgedeckt und zudem Hypothesen darüber entwickelt, welche Veränderungen auf der Ebene der Wortbedeutung – also der Gebrauchsregel – zu semantischem Wandel führen können. Als gebrauchstheoretisch fixierte Untersuchung geht es in der Arbeit um die Frage, wie Wortbedeutungen über den absichtsvollen Gebrauch verändert werden und welche strukturellen Veränderungen auf der Ebene der Gebrauchsregel eines Wortes dabei festzustellen sind. Die Herausarbeitung von sogenannten Bedeutungsparametern, die in der Gebrauchsregel eines Wortes (hier speziell: eines Verbs) semantisch wirksam sind und die wichtige Frage, wie die innere Struktur einer Wortbedeutung durch den zweckrationalen Wortgebrauch verändert wird, sind Desiderate in der linguistischen Forschung und stehen im Zentrum der Arbeit. Die Herausarbeitung einer Binnenstruktur für Regelformulierungen steht im Fokus der Betrachtung. Es wird gezeigt, dass insbesondere außersprachliche Bedeutungsparameter für den semantischen Wandel von entscheidender Bedeutung sind. Über diesen Ansatz lässt sich die sogenannte Gebrauchstheorie der Bedeutung in WITTGENSTEINscher Tradition erweitern, präzisieren und zur empirischen Analyse und Systematisierung von Wandelphänomenen in der deutschen Verbsemantik nutzen. Neben der Herausarbeitung von kommunikativ bedeutsamen Parametern der Gebrauchsregel (die auch wortartübergreifend von Nutzen sind) und der dadurch leistbaren Klassifizierung von Verben nach ihren pragmatischen Nutzungsmöglichkeiten, werden auch grammatisch-syntaktische Veränderungen in einen Bezug zu semantischem Wandel gestellt. Daneben widmet sich ein eigenes Kapitel der Frage, inwieweit kulturelle und/oder soziale Veränderungen am Bedeutungswandel bei Verben beteiligt sind und welchen Zusammenhang man zwischen der Verwendungsfrequenz eines Wortes und der Fähigkeit zu semantischem Wandel vermuten kann. Als Quintessenz der Arbeit werden mögliche Entwicklungspfade für deutsche Verben nachgezeichnet und als sprachliche Realisierungen von zweckrational bestimmten Sprecherabsichten aufgedeckt. Dabei zeigt sich, dass die Ebene der Wortbedeutung mit der Ebene der Sprecherabsichten semantisch gekoppelt ist und dass diese Kopplung über die Wirkung semantischer Parameter bestimmt wird. Die Befunde der Arbeit leiten sich aus einer empirischen Analyse mithilfe einer Korpusuntersuchung ab und orientieren sich damit an Beispielen aus der konkreten sprachlichen Wirklichkeit im Deutschen.

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II. Aufbau Teil I: ALLGEMEINER TEIL

1. Einleitung und Motivation Relevanz des Themas / Problembereich, Das Verbum als Untersuchungsgegenstand, Verbaler

Bedeutungswandel in Analogie zum adjektivischen Bedeutungswandel, Theoretisches Konzept,

Fragestellungen und Ziele der Arbeit, Bedeutung vs. Sinn, Gebrauchstheoretische Fixierung,

Methodisches Vorgehen und Präzisierung der Fragestellungen

1.1. Forschungsstand, Forschungsinteresse und Quellenlage

Pragmatische Strategie vs. semantisches Verfahren

1.2. Methodisches Vorgehen

1.3. Formale Bemerkungen

2. Bedeutungswandel - Eine Begriffsbestimmung 2.1. Der Bedeutungsbegriff

Repräsentationistische Bedeutungstheorien, Referenz- und Vorstellungstheorie, Die Schwierigkeiten

einer repräsentationistischen Bedeutungstheorie, Zur (Un-)Angemessenheit eines

repräsentationistischen Bedeutungsbegriffs für die Bedeutungsbeschreibung bei Verben, Wahrhaftige

und unwahrhaftige Verben, WITTGENSTEINs Gebrauchstheorie der Bedeutung, Zur Vereinbarkeit

repräsentationistischer und gebrauchstheoretischer Bedeutungskonzeptionen

2.2. Zum Wandel in der Sprache

RUDI KELLERs „invisible-hand“-Theorie, Überlegungen zum Bedeutungswandel im Speziellen

2.3. Fazit

3. Zur Konstitution der Gebrauchsregel bei Verben 3.1. Parameter der Gebrauchsregel

Allgemeiner Kommunikationsbegriff, Bedeutungsausdifferenzierung mit Hilfe von Parametern der

Gebrauchsregel, Die bekannten Parameter der Gebrauchsregel, Parameter der Gebrauchsregel bei

Verben, Versuch einer neuen Taxonomie der Bedeutungsparameter, Verben und ihre

Nebenbedeutungen – Kommunikative Nutzungserweiterung durch Parameter der Gebrauchsregel

3.2. Kategorisierung von Verben anhand außersprachlicher Bedeutungsparameter

Deskriptive Verben, Emotive Verben, Evaluative Verben, Mentale Verben, Expressive Verben,

Soziale und diskursive Verben, Überblick

3.3. Parameterverschiebungen als Motor für den Bedeutungswandel – ein Fazit

4. Zur (Über-)Generalisierung semantischen Wandels bei Verben 4.1. Generalisierung aufgrund rekurrenter Muster und allgemeingültiger Prinzipien

Gesetze des Bedeutungswandels, Zur Angemessenheit des Regularitätenbegriffs, HARMs Begriff der

Regularität im verbalen Bedeutungswandel, Zum Status sozialer und kommunikativer Regeln beim

verbalen Bedeutungswandel, LÜDTKEs universales Sprachwandelgesetz – Ein Modell für die

Erklärung semantischen Wandels?, Die semantische Drift als Erklärungsmodell, Sozialtheoretische

Fixierung vs. Natürliche Gesetzmäßigkeiten

4.2. Zur Frage der Unidirektionalität konkret > abstrakt

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Abstrahierung als semantischer Effekt, Semantische Exkorporierung, Das Prinzip konkret > abstrakt

4.3. Die pragmasemantische Dimension des Bedeutungswandels – ein Fazit

TEIL II: SPEZIELLER TEIL

5. Verbaler Bedeutungswandel im kulturellen und kommunikativen Kontext 5.1. Innovation und kultureller Fortschritt als Motor des Bedeutungswandels?

Bedeutungsentleerung durch kulturellen Wandel, Metaphorisierung als kulturhistorischer Effekt,

Bedeutungswandel als Spiegel des Kulturwandels? – Ein Zwischenfazit

5.2. Bedeutungswandel und Frequenz

Qualitativer vs. quantitativer Aspekt

5.3. Kulturelle und kommunikative Prinzipien des Bedeutungswandels – ein Fazit

6. Verfahren des Bedeutungswandels bei Verben 6.1. Semantische Verfahren – eine Begriffsbestimmung

6.2. Figurative Rede: Metapher und Metonymie

Verbale Metaphern, Metaphorisierung und Evaluation, Polysemie im Verbwortschatz, Metaphorische

Verwendung von Präfixverben – zur Funktion innersprachlicher Bedeutungsparameter, Verbale

Metonymien, Semantischer Wandel von PHYS-Verben zu Psychverben,

Parameterdominanzverschiebung bei Psychverben, Zweifache figurative Operation beim

Bedeutungswandel

6.3. Fazit

7. Grammatisch-syntaktische Aspekte beim verbalen Bedeutungswandel 7.1. Einbeziehung von Theoremen der Valenz- und Kasusgrammatik

Zirkuläre Bedeutungsentwicklung

7.2. Diathesenwandel: Zur Geschichte der semantischen Entwicklung der

Verben entschuldigen und erschrecken

Zur Semantik des Entschuldigens, Zur Semantik des Erschreckens

7.3. Grammatische Paradigmatisierung von brauchen zum Modalverb

Die semantische Funktion von brauchen innerhalb des Modalverbparadigmas – Besetzung einer

Leerstelle, Funktionale Bedeutungsparameterkongruenz, Grammatische Paradigmatisierung als

semantischer Effekt

7.4. Grammatisch-syntaktischer Wandel im Schatten des Bedeutungswandels – ein Fazit

8. Die Pfade des Bedeutungswandels bei Verben 8.1. Bedeutungswandel aus handlungstheoretischer Sicht

2-Ebenen-Modell der Bedeutung und Semantische Kopplung, Mittel-Zweck-Relation beim verbalen

Bedeutungswandel, Sprachliche Realisierung, Das Modell der semantischen Pfade bei

KELLER/KIRSCHBAUM

8.2. Wandelpfade als strukturelle Parameterverschiebungen

Der expressiv-evaluative Pfad (Pfad 1), Der abschwächende Pfad (Pfad 2), Der evaluative Pfad (Pfad

3), Der expressive Pfad (Pfad 4), Der abstrahierende Pfad (Pfad 5), Der konkretisierende Pfad (Pfad

6), Die emotiven Pfade (Pfad 7a, 7b und 7c), Der illokutionäre Pfad (Pfad 8), Der sozial-diskursive

Pfad (Pfad 9), Der Nullpfad (Pfad 10)

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8.3. Die Karte der semantischen Wandelpfade bei Verben – ein Fazit

9. Fazit und Ausblick

10. Bibliographie

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III. Ergebnisse / Thesen Als zentrale Ergebnisse der Arbeit lassen sich insbesondere festhalten:

1. Verbaler Bedeutungswandel ist kein chaotisches Phänomen, er lässt sich als Mittel-Zweck-Relation auf vielfältige Weise abbilden.

2. Man gelangt darüber zu einer strukturellen Kategorisierung semantischen

Wandels bei Verben; Mittel-Zweck-Relationen führen auf einer Abstraktionsebene zu semantischen Wandelpfaden.

3. Semantische Wandelpfade sind keine reinen Einbahnstraßen. In manchen Fällen

ist Bedeutungswandel umkehrbar. In einem Fall kann sogar eine zirkuläre Bedeutungsentwicklung nachgewiesen werden.

4. Für die Herleitung von Pfaden des Bedeutungswandels ist ein

gebrauchstheoretischer Ansatz zu wählen.

5. Bedeutungswandel manifestiert sich gebrauchstheoretisch als eine Veränderung der Dominanz von Bedeutungsparametern.

6. Bedeutungsparameter können als semantische wirksame Elemente

Gebrauchsregeln strukturell abbilden.

7. Sprecherabsichten und die sprachliche Realisierung dieser Absichten sind über die Veränderungen der Parameterstruktur eines Wortes aneinander gekoppelt (Semantische Kopplung).

8. Als sprachliches Makrophänomen folgt Bedeutungswandel einem kumulativen

Auswahlprozess (invisible-hand-Prozess).

9. Verben lassen sich mit Hilfe der entwickelten Bedeutungsparameter klar kategorisieren; die pragmatische Nutzungsfähigkeit eines Wortes wird entscheidend durch die semantische Struktur der Bedeutungsparameter bestimmt.

10. Assoziative Verfahren spielen beim Bedeutungswandel eine Rolle, können

diesen aber nicht ausreichend erklären; sie liefern in erster Linie deskriptive Befunde.

11. Die Karte der semantischen Wandelpfade im Deutschen kann mit Hilfe der

entwickelten Parameter als semantisch wirksame Elemente entscheidend erweitert werden: Besonders der oftmals als generelles Prinzip beschriebene Wandel vom Konkreten zum Abstrakten findet hier eine mögliche und erklärungsadäquate Abbildung.

12. Bedeutungswandel ist kein abgeschlossener Prozess und findet fortlaufend statt.

Frequenz der Wortverwendung ist hier ein ebenso entscheidender Faktor wie Veränderungen der Sprecherabsichten.

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13. Bedeutungswandel ist daher nicht vorhersagbar, erlaubt über die Betrachtung von semantischen Pfaden allenfalls gewisse Trendextrapolationen.

Daraus folgt als Kernthese: Wortbedeutungen lassen sich durch das Wirken von Bedeutungsparametern strukturell bestimmen. Nicht nur der Wandel und die Genese von neuen Wortbedeutungen können dadurch erklärt werden, auch die Struktur einer Gebrauchsregel kann mit Hilfe der entwickelten Bedeutungsparameter aufgebrochen werden.