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Reliabilität von Bewegungskontrolltests der LWS 1 Reliability of Movement Control Tests in the Lumbar Spine Autoren H. Luomajoki 1, 2 , J. Kool 3 , E. D. de Bruin 4, 5 , O. Airaksinen 2, 6 Institute Die Institutsangaben sind am Ende des Beitrags gelistet. Schlüsselwörter LWS-Dysfunktionen Reliabilität von Bewegungs- kontrolltests Key words lumbar spine dysfunction reliability of movement con- trol tests eingereicht 29.2.2008 akzeptiert 29.5.2008 Bibliografie DOI 10.1055/s-0028-1109129 Manuelle Therapie 2009; 13: 30 38 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart New York ISSN 1433-2671 Korrespondenzadresse Hannu Luomajoki PT OMT svomp Mphty, Leiter Weiterbildung ZHAW, Institut für Physiotherapie, Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) Schweiz [email protected] Einleitung ! Schmerzen der LWS (Low back pain, LBP) sind ein großes soziales und finanzielles Problem al- ler westlichen Gesellschaften [35]. In auf Bewei- sen basierenden Richtlinien [1] werden bis zu 90 % aller LBP als nicht spezifische Schmerzen der LWS (Non-specific low back pain, NSLBP) eingestuft. Das bedeutet im medizinischen Sinne, dass die Ursache der Rückenschmerzen nicht klar ist. Obwohl verschiedene Systeme zur Klassifizie- rung der LBP vorliegen [3, 4, 7, 17], bleibt unge- klärt, welche klinischen Tests zur Einteilung von Patienten in Untergruppen verlässlich eingesetzt werden können. Die Identifizierung der LBP-Un- tergruppen wurde bereits als wichtiges Thema für die Zukunftsforschung eingestuft worden [1]. Viele Autoren empfehlen, den Schwerpunkt auf die klinischen Tests und Befundmaßnahmen zu legen, da es sich bei NSLBP um ein benignes Problem handelt [1, 13, 26, 28, 35]. In einer früheren systematischen Betrachtung der Behandlung von NSLBP zeigte sich, dass nur wenige Studien die Einteilung in Unter- gruppen tatsächlich zum Thema hatten [22]. Für die Dysfunktion der Bewegungskontrolle sind verschiedene Synonyme im Gebrauch: Syndrome der Beweglichkeitseinschränkung [7], relative Flexibilität [31], Dysfunktion der Bewegungskontrolle [25, 26, 29] und Bewe- gungsdysfunktionen [3, 4]. Im Folgenden wird durch die Beobachtung der aktiven Bewegun- gen diagnostizierte Dysfunktion der Bewegungs- kontrolle (Movement control dysfunction, MCD) verwendet. Eine typische Eigenschaft von MCD ist die verminderte aktive Bewegungskontrolle. Die be- troffenen Patienten könnten eine wichtige Un- tergruppe im Pool der Patienten mit unspezifi- schen Rückenschmerzen sein. Nach der dieser Theorie zugrunde liegenden Annahme, schaden sich MCD-Patienten aufgrund der eingeschränk- ten aktiven Bewegungskontrolle des Rückens selbst, da sie unabsichtlich schädliche Bewegun- gen ausführen. Im Gegensatz zu den Schmerz- vermeidern beschreibt OSullivan diese Rücken- patienten als Schmerzprovokateure [26]. Die Theorie der relativen Flexibilität [9, 31] legt nahe, dass die Bewegung den Weg des gerings- ten Widerstandes geht. Ist z.B. die Hüftgelenk- im Vergleich zur LWS-Flexion relativ steif, wird Zusammenfassung ! Patienten mit Dysfunktionen der aktiven Bewe- gungskontrolle bilden möglicherweise eine wichtige Untergruppe mit Schmerzen in der LWS. Die Diagnosestellung basiert auf der Beob- achtung der aktiven Bewegungen. Obwohl die Tests im klinischen Alltag weit verbreitet sind, finden sich nur wenige Untersuchungen zu ih- rer Reliabilität. Das Ziel dieser Studie bestand darin, die Inter- und Intrabeobachter-Reliabilität der Bewegungskontrolldysfunktionstests der LWS zu untersuchen. Abstract ! Patients with movement control dysfunction may be an important subgroup within lumbar spinal pain. The diagnosis is based on monitor- ing active movements. Although widely used in clinical practice only few investigations con- cerning their reliability have been carried out. This study aimed at determining the interrater and intrarater reliability of movement control dysfunction tests for the lumbar spine. 1 Der englische Originalartikel ist erschienen in: BMC Musculoskeletal Disorders 2007; 8: 90100. Luomajoki H et al. Reliabilität von BewegungskontrolltestsManuelle Therapie 2009; 13: 30 38 Originalarbeit 30 Heruntergeladen von: FH Campus Wien. Urheberrechtlich geschützt.

Bewegungskontrolltests der lws

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Page 1: Bewegungskontrolltests der lws

Reliabilität von Bewegungskontrolltests der LWS1

Reliability of Movement Control Tests in the Lumbar Spine

Autoren H. Luomajoki1, 2, J. Kool3, E. D. de Bruin4, 5, O. Airaksinen2, 6

Institute Die Institutsangaben sind am Ende des Beitrags gelistet.

Schlüsselwörter●▶ LWS-Dysfunktionen●▶ Reliabilität von Bewegungs-

kontrolltests

Key words●▶ lumbar spine dysfunction●▶ reliability of movement con-

trol tests

eingereicht 29.2.2008akzeptiert 29.5.2008

BibliografieDOI 10.1055/s-0028-1109129Manuelle Therapie 2009; 13:30–38 © Georg Thieme VerlagKG Stuttgart ∙ New York ∙ISSN 1433-2671

KorrespondenzadresseHannu LuomajokiPT OMT svomp Mphty, LeiterWeiterbildung ZHAW, Institutfür Physiotherapie, ZürcherHochschule für angewandteWissenschaften (ZHAW)[email protected]

Einleitung!

Schmerzen der LWS (Low back pain, LBP) sindein großes soziales und finanzielles Problem al-ler westlichen Gesellschaften [35]. In auf Bewei-sen basierenden Richtlinien [1] werden bis zu90% aller LBP als nicht spezifische Schmerzender LWS (Non-specific low back pain, NSLBP)eingestuft. Das bedeutet im medizinischenSinne, dass die Ursache der Rückenschmerzennicht klar ist.Obwohl verschiedene Systeme zur Klassifizie-rung der LBP vorliegen [3, 4, 7, 17], bleibt unge-klärt, welche klinischen Tests zur Einteilung vonPatienten in Untergruppen verlässlich eingesetztwerden können. Die Identifizierung der LBP-Un-tergruppen wurde bereits als wichtiges Themafür die Zukunftsforschung eingestuft worden[1]. Viele Autoren empfehlen, den Schwerpunktauf die klinischen Tests und Befundmaßnahmenzu legen, da es sich bei NSLBP um ein benignesProblem handelt [1, 13, 26, 28, 35].In einer früheren systematischen Betrachtungder Behandlung von NSLBP zeigte sich, dassnur wenige Studien die Einteilung in Unter-gruppen tatsächlich zum Thema hatten [22].Für die Dysfunktion der Bewegungskontrolle

sind verschiedene Synonyme im Gebrauch:Syndrome der Beweglichkeitseinschränkung[7], relative Flexibilität [31], Dysfunktion derBewegungskontrolle [25, 26, 29] und Bewe-gungsdysfunktionen [3, 4]. Im Folgenden wirddurch die Beobachtung der aktiven Bewegun-gen diagnostizierte Dysfunktion der Bewegungs-kontrolle (Movement control dysfunction, MCD)verwendet.Eine typische Eigenschaft von MCD ist dieverminderte aktive Bewegungskontrolle. Die be-troffenen Patienten könnten eine wichtige Un-tergruppe im Pool der Patienten mit unspezifi-schen Rückenschmerzen sein. Nach der dieserTheorie zugrunde liegenden Annahme, schadensich MCD-Patienten aufgrund der eingeschränk-ten aktiven Bewegungskontrolle des Rückensselbst, da sie unabsichtlich schädliche Bewegun-gen ausführen. Im Gegensatz zu den Schmerz-vermeidern beschreibt O‘Sullivan diese Rücken-patienten als Schmerzprovokateure [26].Die Theorie der relativen Flexibilität [9, 31] legtnahe, dass die Bewegung den Weg des gerings-ten Widerstandes geht. Ist z.B. die Hüftgelenk-im Vergleich zur LWS-Flexion relativ steif, wird

Zusammenfassung!

Patienten mit Dysfunktionen der aktiven Bewe-gungskontrolle bilden möglicherweise einewichtige Untergruppe mit Schmerzen in derLWS. Die Diagnosestellung basiert auf der Beob-achtung der aktiven Bewegungen. Obwohl dieTests im klinischen Alltag weit verbreitet sind,finden sich nur wenige Untersuchungen zu ih-rer Reliabilität. Das Ziel dieser Studie bestanddarin, die Inter- und Intrabeobachter-Reliabilitätder Bewegungskontrolldysfunktionstests derLWS zu untersuchen.

Abstract!

Patients with movement control dysfunctionmay be an important subgroup within lumbarspinal pain. The diagnosis is based on monitor-ing active movements. Although widely used inclinical practice only few investigations con-cerning their reliability have been carried out.This study aimed at determining the interraterand intrarater reliability of movement controldysfunction tests for the lumbar spine.

1 Der englische Originalartikel ist erschienen in: BMCMusculoskeletal Disorders 2007; 8: 90–100.

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die Flexionsbewegung sehr viel wahrscheinlicher in der LWSsattfinden, was zu einem Schmerzproblem des Rückens führenkann.Zwar wurden schon Befunde und Behandlungsmaßnahmen fürdie Dysfunktionen der Bewegungseinschränkungen aufgestellt[3, 4, 8, 25, 26, 28, 31, 34], allerdings gibt es nur sehr wenigeStudien zur Feststellung der Test-Reliabilität. Auch Studien, dieden Erfolg solcher Behandlungen bei der Untergruppe untersu-chen, fehlen noch.Van Dillen et al. [9, 10] erforschten die Reliabilität der zur Ein-teilung der LBP-Patienten eingesetzten körperlichen Untersu-chung. Bei den untersuchten 28 Punkten (N = 138) fanden sieeine generell hohe Reliabilität der Symptome (Kappa >0,75).Für die meisten der Bewegungspunkte war die Beobachtungder Wirbelsäulenausrichtung mittel (k = 0,27–0,66) und gut(k = 0,21–0,78). Die Autoren konstatierten, dass es oft schwie-rig war, eine gute Reliabilität bei der visuellen und taktilenUntersuchung zu erlangen. Sie glaubten jedoch, mit ausrei-chendem Training der einzelnen Tests sei eine deutliche Ver-besserung der Beurteilung zu erreichen [9, 10].In der Studie von Dankaerts et al. [7] teilten 2 klinische Exper-ten 35 NSLBP-Patienten auf der Basis subjektiver und körperli-cher Untersuchung ein. Sie fanden eine weitgehend perfekteÜbereinstimmung (k = 0,96; Übereinstimmung: 97%) zwischenden beiden Untersuchern. An 13 weitere Kliniker wurdendann 25 zufällige Videos mit der Schmerzgeschichte und demKrankheitsverhalten zur Einteilung ausgehändigt. Die erhalte-nen Kappa-Koeffizienten (0,47–0,8; Mittel: 0,61) und der Pro-zentrang der Übereinstimmung (60–84% Mittel: 70%) zeigteneine signifikante Übereinstimmung. Die Studienleiter folgerten,dass eine größere Vertrautheit mit dem Klassifizierungssystemdie Reliabilität deutlich erhöht. Die Studie nannte jedoch nichtdie einzelnen Tests, sodass diesbezüglich keine Schlussfolge-rung möglich ist.Hicks et al. [16] untersuchten die Reliabilität klinischer Maß-nahmen wie aktive und passive Bewegungs- sowie Palpations-und Provokationstests bei segmentalen Instabilitäten der LWS.Sie fanden gute Kappa-Werte (Mittel: 0,60–95%, Konfidenzin-tervall: 0,43–0,73) für Tests der aktiven Beweglichkeitstests,aber schlechte für passive segmentale Test (k = 0,02–0,26).Eine bessere Reliabilität (k = 0,25–0,55) zeigte sich bei denpassiven Schmerzprovokationstests.Es liegen einige Beweise für eine bessere Reliabilität aktiverim Gegensatz zu passiven Bewegungstests. Aus diesem Grundwurde eine Reihe aktiver Tests für die Diagnose von MCD desunteren Rückens entwickelt. Die Beurteilung der Bewegungs-qualität stützt sich auf die Inspektion, und die Autoren dervorliegenden Arbeit wollten die Reliabilität dieser Fähigkeitgetrennt von allen anderen bei der subjektiven oder objekti-ven Beurteilung gesammelten Daten untersuchen. Das Zielder Studie bestand darin, die Inter- und Intrabeobachter-Re-liabilität der LWS festzustellen und herauszufinden, ob dieBerufserfahrung des Beobachters eine Auswirkung auf die Re-liabilität hat.

Methode!

StudiendesignBei der durchgeführten Inter- und Intrabeobachter-Reliabili-tätsstudie wurden die Patienten, die 10 aktive Bewegungstestsabsolvieren mussten, mit einem standardisierten Verfahren aufVideo aufgenommen. 4 Physiotherapeuten, die weder sich un-tereinander noch die Patienten kannten, stuften die Testaus-führung als korrekt oder inkorrekt ein. Die Studie wurde vonder Ethik-Kommission des Gesundheitsamtes des KantonsAargau (Schweiz) genehmigt und in Einklang mit der Helsinki-Erklärung zur Forschung am Menschen durchgeführt. Eineschriftliche Einwilligung jedes einzelnen Patienten wurde ein-geholt.

StudiengrößeDie Berechnung der beim Vergleich von 2 Koeffizienten der In-terbeobachter-Übereinstimmung für ein gutes Ergebnis erfor-derlichen Probandenzahl erfolgte für dichotome Ergebnisvaria-blen nach Donners Methode (Tabelle zur Errechnung derProbandengruppengröße von Sim u. Wright [32]). Dabei wurdedie Signifikanz als Alpha = 0,01 und die Power (Beta = 0,80)für die Tests Ho: k1>0,4 versus H1: k1 <0,4 festgelegt. Diesergab eine für eine gute Übereinstimmung notwendige Grup-pengröße von 36 Probanden (k index>0,40). Um eine eventu-elle Drop-out-Rate von 10% aufzufangen, wurde die Proban-denzahl auf N = 40 festgelegt. In ●▶ Tab. 1 sind diePatientendaten dargestellt.

Probanden40 Patienten einer privaten Physiotherapiepraxis in Reinach(CH-Aargau) wurden gebeten, an der Studie teilzunehmen.Nachdem ihnen Hintergrund und Ziele der Studie erklärt wor-den waren, unterzeichneten alle Patienten eine Einwilligungs-erklärung. 27 Patienten litten unter unspezifischen LWS-Schmerzen (NSLBP), 13 hatten keine LWS-Beschwerden, erhiel-ten aber Behandlungen wegen anderer muskuloskelettaler Pro-bleme. Die Autoren hielten es für wichtig, auch solche Teilneh-mer auszuwählen, die die Übungen sehr gut durchführenkonnten, um die Variabilität der Testgruppe zu steigern undsomit nicht das Ergebnis in Richtung zu vieler inkorrekterTestergebnisse zu verfälschen. Ausschlusskriterien warenschwerwiegende Pathologien wie nicht verheilte Frakturen,Anomalien, Tumoren und akute Traumata. Auch Patienten mitakuten Rückenbeschwerden wurden ausgeschlossen, da derSchmerz die Ausführung der Tests hätte verhindern können.Die Patienten mussten außerdem in der Lage sein, die Erklä-rung in Deutsch zu verstehen

Bewertung der TestausführungVor der Bewertung der Testausführungen der Patienten mithil-fe von Videoaufzeichnungen stellte der Studienleiter typischeklinische MCD-Muster vor diskutierte die Bewertungskriterienmit den bewertenden Physiotherapeuten. 4 Physiotherapeuten

Tab. 1 Patientendaten.

Patienten ohne Rückenschmerzen Patienten mit Rückenschmerzen Gesamt

Anzahl 13 27 40

Frauen/Männer 8 /5 18 /9 26/14

Durchschnittsalter (SD) 55,1 J. (5,1) 50,8 J. (6,2) 52,1 J. (5,5)

Roland-Morris-Score (SD) 8,5 (5,5)

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sahen die Videos einmal an und bewerteten anschließend dieTestdurchführung. Von den 4 Physiotherapeuten hatten 2 eineabgeschlossene Ausbildung in Manueller Therapie und warenSpezialisten mit 25 Jahren Erfahrung in der Diagnose vonMCD. die beiden andern verfügten über eine 5-jährige Berufs-praxis. Sie besaßen keine Zusatzqualifikation, aber nahmen aneinem vom Studienleiter gehaltenen 3-tägigen Kurs über Be-wegungskontrolldysfunktionen teil.Die Therapeuten waren gegenüber Diagnosen und Untersu-chungsergebnisse der Patienten verblindet und sahen jedes Vi-deo nur ein einmal. Für die Analyse der Intrabeobachter-Relia-bilität sah eine Person jedes Paares die Videos im Abstand von2 Wochen.

TestprotokollAlle Patienten erhielten standardisierte Anleitungen. So hieß z.B. der Auftrag für die Kniegelenkflexion aus Bauchlage: „Bittebeugen Sie ihr Kniegelenk so weit wie möglich, ohne den Rückenzu bewegen“ und „Halten Sie ihren Rücken in der Nullstellung,lassen sie ihn während der Kniebeugung nicht bewegen“. Wennder Patient die Übungsanweisungen nicht verstand, wurdensie ihm nochmals erklärt und vom Tester vorgemacht. Machteer Patient sie dann immer noch falsch, wurde es zugelassen.Die Testreihenfolge war vorher festgelegt. Die Videos wurdenanonym aufgenommen, ohne Gesichter zu zeigen oder es wur-de von hinten gefilmt, sodass die Person nicht zu erkennenwar. Dieselbe Person (HL) nahm alle Videos auf, war aber sonstnicht an der Bewertung beteiligt.

Um die Haltung und die Bewegungen der gesamten Wirbel-säule, des Beckens und der unteren Extremitätengelenke sicht-bar zu machen, trugen die Patienten Unterwäsche. Den bewer-tenden Physiotherapeuten waren die Identitäten der Patientenund der anderen Physiotherapeuten unbekannt.Es wurden 9 aktive Bewegungstests nach der Beschreibungvon Sahrmann [31] und O‘Sullivan [25] durchgeführt(●▶ Abb.1 a–i). Die Testreihe bestand aus jeweils 3 Tests fürdie Flexions-, Extensions- und Rotationskontrolle. Für dieDurchführung aller Tests benötigten die Patienten etwa 10 Mi-nuten. Alle Videos wurden innerhalb von 2 Wochen aufge-nommen.

AnalyseDie Datenanalyse erfolgte mithilfe von SPSS 14.0 für Windows(SPSS Inc. North Michigan Avenue, Chicago IL, 60611). Die Rateder Inter- und Intrabeobachter-Übereinstimmung wurde durchdie Berechnung der prozentualen Übereinstimmung sowie desKappa-Koeffizienten zwischen den beiden Paaren und allen 4Bewertern analysiert und anschließend die Konfidenzintervalle(95%) für alle Werte errechnet. Ein Kappa-Koeffizient von 1,0bedeutet eine vollständige Übereinstimmung ohne jede Abwei-chung. Werte über 0,8 gelten in der Regel als exzellente, Wertezwischen 0,6 und 0,8 als sehr gute, 0,4–0,6 als gute, 0,4–0,2als mittelmäßige und unter 0,2 als schlechte Übereinstimmung[24].Die Autoren legten fest, dass jeder Test sowohl für die Inter-als auch Intrabeobachter-Reliabilität und deren Median einen

Abb.1 a–d Testprotokoll (jeweils links korrekte, rechts unkorrekte Aus-führung). a–c Flexion. d Extension. a „Diener“: Hüftflexion in aufrechterHaltung ohne Flexion des unteren Rückens. Korrekt: Vorwärtsbeugen derHüfte ohne Bewegung des unteren Rückens (50–70° Hüftflexion). Unkor-rekt: abgewinkelte Hüftflexion ohne weniger als 50° Bewegung des unterenRückens oder Flexion im unteren Rücken. b Knieextension im Sitzen: auf-rechter Sitz mit korrekter Lumballordose, Knieextension ohne Bewegung(Flexion) des unteren Rückens. c Rückwärts schaukeln: Hüftbewegung nachhinten (schaukeln) im Vierfüßlerstand bei Neutralstellung des unteren Rü-

ckens. Korrekt: 120° Hüftflexion ohne (Flexions-) Bewegung des unterenRückens bei der Hüftbewegung nach hinten. Unkorrekt: Hüftflexion bewirktLWS-Flexion (typischerweise vom Patienten unbemerkt). d Dorsalkippungdes Beckens: aktiv im aufrechten Stand. Korrekt: aktive Bewegung im auf-rechten Stand (Aktivität des m. glutaeus) bei Neutralstellung der BWS undBewegung der LWS in die Flexion. Unkorrekt: keine Beckenkippung oder Be-wegung des unteren Rückens in Extension bzw. keine Aktivität des M. gluta-eus oder kompensatorische Flexion im Thorax.

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Kappa-Wert über 0,4 haben sollte. Außerdem sollte das untereLimit des Konfidenzintervalls (95%) über 0,2 liegen, um eineReliabilität von mindestens mittelmäßig zu erhalten. Um he-rauszufinden, ob die Erfahrung der Beobachter eine Rollespielt, wurden die Ergebnisse der erfahrenen Therapeuten mitdenen der weniger erfahrenen verglichen.

Ergebnisse!

In ●▶ Tab. 2 und ●▶ Tab. 3 sind die Inter- und Intrabeobachter-Reliabilität und in ●▶ Abb. 2 a–j die Kappa-Werte, 95%-Konfi-denzintervalle und Mittelwerte dargestellt. 5 Tests zeigteneine sehr gute Interbeobachter-Reliabilität (k > 0,6), 4 Testswiesen Kappa-Werte von 0,40–0,60 (gut) auf und 1 Test lagunter 0,4 (mittelmäßig). Bei 5 Tests ergab sich mit > 0,2 einniedrigeres 95%-Konfidenzintervall. Die prozentuale Überein-stimmung variierte von 65–97,5%. Außer 2 Tests beim 2. Be-obachterpaar waren alle Ergebnisse hoch signifikant (p <0,01).

Für die Intrabeobachter-Reliabilität zeigten 5 Tests eine exzellen-te (k> 0,80), 4 Tests eine sehr gute (k = 0,6–0,8) und 1 Test einegute Reliabilität (k = 0,51). Alle Ergebnisse lagen in ihrer statisti-schen Signifikanz auf dem Niveau von p<0,001 (●▶ Tab. 2u. 3).Die beste Interbeobachter-Reliabilität wiesen folgende 4 Testsauf: Dorsalkippung des Beckens, Einbeinstand links, Kniegelen-kextension im Sitzen und Extension im Vierfüßlerstand (beibeiden Beobachterpaaren: k >0,60). Das 1. Beobachterpaar (er-fahrene Therapeuten) bewertete 8 Tests mit signifikanter(k = 0,60–0,80) und 2 weitere Tests mit guter Reliabilität(k = 0,56 bzw. 0,44). Das 2. Beobachterpaar erreichte bei 4Tests eine sehr gute Reliabilität (k = 0,64–0,80) und bei je-weils 3 Tests gute (k = 0,45–0,52) bzw. mittelmäßige Reliabili-tät (k = 0,19–0,32).Die Tests mit der insgesamt höchsten Reliabilität bei beidenBeobachterpaaren waren Beckenkippung für die Extensions-dysfunktion, Einbeinstand links für die Rotationsdysfunktionund der Test der Kniestreckung im Sitzen für die Flexionsdys-funktion. Am schlechtesten schnitt der Abduktionstest aus derRückenlage mit angestellten Beinen für die Rotationsdysfunkti-

Abb.1 (Fortsetzung) e–i Testprotokoll (jeweils links korrekte, rechts un-korrekte Ausführung). e–f Extension. g–h Rotation. e Aktive Knieflexion inBauchlage. Korrekt: mindestens 90° aktive Knieflexion ohne Extensionsbe-wegung des unteren Rückens und des Beckens. Unkorrekt: unterer Rückenbleibt während der Knieflexion in Neutralstellung, sondern bewegt in Ex-tension. f Vorwärts schaukeln. Korrekt: Vorwärts schaukeln ohne Extensiondes unteren Rückens. Unkorrekt: Hüftbewegung bewirkt Extension des un-teren Rückens. g Einbeinstand (rechts und links): vom normalen Stand inden Einbeinstand: Messung der lateralen Bewegung des Bauchnabels (Posi-

tion: Fußabstand ein Drittel des Trochanterabstands). Korrekt: symmetri-scher Abstand rechts und links, nicht mehr als 2 cm Seitenunterschied. Un-korrekt: mehr als 10 cm Lateralverschiebung des Bauchnabels, mehr als2 cm Seitenunterschied. h Aktive Knieflexion in Bauchlage. Korrekt:mindes-tens 90° Knieflexion ohne (Rotations-) Bewegung des unteren Rückens. Un-korrekt: Beckenrotation mit Knieflexion. i Abduktion in Rückenlage mit ge-beugten Knien. Korrekt: Aktive Hüftabduktion ohne Rotationsbewegungdes Beckens und des unteren Rückens. Unkorrekt: Seitwärtsbewegung desBauchnabels, Beckenrotation oder -kippung.

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on ab (k = 0,44; Konfidenzintervall: 0,18–0,70 bzw. k = 0,32;Konfidenzintervall: 0,10–0,54). Auch das Kniebeugen aus derBauchlage und das Ventralkippen des Beckens müssen kritischbetrachtet werden, bei denen entweder 1 Beobachterpaar oderdie Intrabeobachter-Werte niedrig waren.

Diskussion!

Bei der Mehrheit der MCD-Tests fanden sich gute bzw. sehrgute Inter- und Intrabeobachter-Reliabilitäten (k >0,6). BeimIntrabeobachter-Vergleich wies jeweils 1 Person der Paarungeine signifikante oder sogar exzellente Reliabilität (k = 0,69–1,0) bei allen Tests auf. Bei der 2. Person traf dies zumindest

für 8 Tests zu (k = 0,60–1,0); jeweils 1 Test war gut (k = 0,59)bzw. mittelmäßig (k = 0,22).Es ist zu erwähnen, dass alle 4 Therapeuten der Meinung wa-ren, vorher hätte ein besseres Training der Testdurchführungerfolgen sollen. Von den 2 Beobachterpaaren erreichte das er-fahrenere eine bessere Interbeobachter-Reliabilität, was mitden Ergebnissen von Dankaerts [7] und der Hypothese vonvan Dillen [10] vergleichbar ist. Bei der Intrabeobachter-Relia-bilität erzielte das weniger erfahrene Paar eine höhere Reliabi-lität. Für alle Tests betrug k >0,69.Im Durchschnitt führten die Patienten 3–4 Tests, bei den ge-sunden Personen der Kontrollgruppe nur 1 Test unkorrekt aus.Diesen Ergebnissen wurde in der Studie nicht weiter nachge-gangen.

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c d

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g h

i j

Abb.2 a–j Kappa-Werte für Inter- und Interrater Reliabilität je Beobach-terpaar oder -person, 95%-Konfidenzintervall und Durchschnittswerte (vonlinks nach rechts: Interrater-Reliabilität 1, Interrater-Reliabilität 2, durch-schnitt, Intrarater-Reliabilität 1, Intrarater-Reliabilität 2, Durchschnitt)

a „Diener“. b Beckenkippung. c Einbeinstand rechts. d Einbeinstand links.e Knieextension im Sitzen, f Rückwärts schaukeln. g Vorwärts schaukeln.h Knieextension in Bauchlage mit gebeugtem Knie. i Knierotation in Bauch-lage mit gebeugtem Knie. j Abduktion in Rückenlage mit gebeugtem Knie.

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Tab. 2 Interbeobachter-Reliabilität (KI = Konfidenzintervall).

Test Diener Beckenkippung Einbeinstand

rechts

Einbeinstand

links

Knieextension

im Sitzen

Schaukeln

Flexion

Schaukeln

Extension

Extension in

Bauchlage

Rotation in

Bauchlage

Abduktion in

Rückenlage

Paar 1

Kappa-Koeffizient(95%-KI)

0,71(0,50 – 0,92)

0,60(0,36 – 0,84)

0,56(0,27 – 0,85)

0,70(0,57 – 0,93)

0,80(0,61 – 0,99)

0,68(0,45 – 0,91)

0,66(0,39 – 0,93)

0,75(0,52 – 0,98)

0,62(0,37 – 0,87)

0,44(0,18 – 0,70)

Übereinstimmung 85,7% 80,0% 88,0% 88,0% 90,4% 88,0% 92,8% 97,6% 90,5% 78,6%

Standardfehler 0,11 0,12 0,14 0,19 0,09 0,18 0,14 0,11 0,13 0,13

p-Wert < 0,001 < 0,001 < 0,001 < 0,001 < 0,001 < 0,001 < 0,001 < 0,001 < 0,001 0,003

Paar 2

Kappa-Koeffizient(95%-KI)

0,52(0,29 – 0,75)

0,70(0,48 – 0,92)

0,29(0,00 – 0,84)

0,80(0,54 – 1,00)

0,64(0,40 – 0,88)

0,45(0,16 – 0,74)

0,69(0,37 – 1,00)

0,19(0,00 – 0,42)

0,54(0,28 – 0,80)

0,32(0,10 – 0,54)

Übereinstimmung 75,0% 92,5% 97,5% 92, 5% 95,0% 90,0% 92,5% 87,5% 87,5% 65,0%

Standardfehler 0,12 0,11 0,26 0,13 0,12 0,15 0,17 0,12 0,14 0,11

p-Wert < 0,001 < 0,001 0,053 < 0,001 < 0,001 0,004 < 0,001 0,11 0,001 0,012

DurchschnittKappa

0,62 0,65 0,43 0,65 0,72 0,57 0,68 0,47 0,58 0,38

Tab. 3 Intrabeobachter-Reliabilität (KI = Konfidenzintervall).

Test Diener Beckenkippung Einbeinstand

rechts

Einbeinstand

links

Knieextension

im Sitzen

Schaukeln

Flexion

Schaukeln

Extension

Extension in

Bauchlage

Rotation in

Bauchlage

Abduktion in

Rückenlage

Beobachter 1

Kappa (95%-KI) 0,75(0,55 – 0,95)

0,80(0,61 – 0,99)

0,64(0,40 – 0,88)

0,67(0,44 – 0,90)

1,0 0,73(0,44 – 1,00)

0,22(0,00 – 0,64)

0,59(0,29 – 0,81)

0,60(0,31 – 0,91)

0,84(0,66 – 1,00)

Übereinstimmung 97,5% 95,0% 92,5% 87,5% 100% 97,5% 95,0% 92,5% 92,5% 97,5%

Standardfehler 0,10 0,01 0,12 0,12 0,0 0,15 0,24 0,15 0,15 0,09

p-Wert < 0,001 < 0,001 < 0,001 < 0,001 < 0,001 < 0,001 0,16 < 0,001 < 0,001 < 0,001

Beobachter 2

Kappa (95%-KI) 1,0 0,8(0,61 – 0,99)

0,69(0,29 – 0,99)

1,0 0,9(0,77 – 1,00)

0,0(0,48 – 0,92)

0,8(0,56 – 1,00)

0,8(0,62 – 0,98)

0,95(0,94 – 0,96)

0,88(0,71 – 1,00)

Übereinstimmung 100% 95% 100% 100% 100% 97,5% 100% 92,5% 100% 97,5%

Standardfehler 0,0 0,09 0,23 0,0 0,07 0,11 0,12 0,94 0,05 0,09

p-Wert 0,000 < 0,001 < 0,001 0,000 < 0,001 < 0,001 < 0,001 < 0,001 < 0,001 < 0,001

DurchschnittKappa

0,88 0,80 0,67 0,84 0,95 0,72 0,51 0,70 0,78 0,86

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Page 7: Bewegungskontrolltests der lws

Die Ergebnisse unterstützen die Aussagen früherer Studien, diedie Reliabilität der Bewegungsprüfung als gut bezeichneten [5,7, 10, 24, 36].Van Dillen et al. [10] setzten ein ganzes Paket körperlichenUntersuchungen ein, um die Patienten in Dysfunktionsun-tergruppen einzuteilen. Sie fanden bei den verschiedenenUntersuchern eine hohe Übereinstimmung der Symptombe-schreibung (k >0,89; Übereinstimmung>98%). Sie erforschtenauch die Reliabilität der Beobachtung bei Untersuchungen derWirbelsäulenstellung und -bewegung. Insgesamt war die Inter-pretation der Wirbelsäulenstellung geringgradig wenigerzuverlässig (k = 0,27–0,58) als die Beobachtung der aktivenBewegungen (k = 0,26–1,00).Van Dillen et al. [10] verwendeten 6 ähnliche Tests wie dievorliegende Studie. Allgemein ähneln sich die Ergebnisse derbeiden Studien. Van Dillen et al. [10] untersuchten die Flexi-onsbewegung im Stehen anhand der relativen Beweglichkeit(Flexibilität), d.h. der Untersucher beurteilt, ob sich die LWSfrüher, leichter oder schneller als die Hüfte bewegt. DieserTest ist teilweise mit dem hier eingesetzten Test für die Flexi-on im Stehen vergleichbar (als „Diener“ bekannt), der die Fä-higkeit des Patienten prüft, die Bewegung der Hüfte und derLWS voneinander zu trennen. Zwar ist das zugrunde liegendeKonzept bei beiden Übungen gleich, die Tests werden jedochunterschiedlich durchgeführt und bewertet.Ein Unterschied zwischen der vorliegenden Studie und dervon van Dillen et al. [10] bestand darin, dass in Letzterer dieTherapeuten während des Tests Informationen über die Symp-tome der Patienten erhielten, was die Bewertung der verschie-denen Untersuchungsschritte vereinfachte. In dieser Studiekannten die Therapeuten weder die Symptome noch die Kran-kengeschichte der Patienten.Außerdem hatten van Dillen et al. [10] ihres Erachtens denUntersuchern die Testdurchführung und -beurteilung rechtgut beigebracht und äußerten Zweifel, ob es anderen, nichtvon den Entwicklern der Studie angeleiteten Untersuchern ge-länge, ähnlich gute Ergebnisse zu erzielen.Die vorliegende Studie bestätigt, dass es möglich ist, die akku-rate Analyse von Bewegungen zu schulen, allerdings mit etwasgeringerer Präzision. Dies ist wichtig, da zur Bewegungsbeob-achtung in der Praxis auf die Diagnose der Bewegungsdysfunk-tionen vertraut wird. Im Gegensatz dazu zeigte sich, dass dieReliabilität vieler Techniken der Manuellen Therapie und derorthopädischen Diagnostik schlecht ist [11, 14, 15, 19, 20, 23,33].Im Gegensatz zu van Dillen et al. [10] benutzte die vorliegendeStudie den Einbeinstand. Die Grundlage dieses Tests ist, dassbei einer Rotations-/Extensionsdysfunktion ein deutlicher Un-

terschied zwischen der Lateralverschiebung des Beckens relativzum Rumpf auftritt [31]. Die Autoren standardisierten den Testnach den Prinzipien von Klein-Vogelbach [21], sodass die nor-male Standbreite ein Drittel des Abstands zwischen den Tro-chantern betrug. Bei einer ähnlichen Studie mit Gewichtsver-lagerung von einer zur anderen Seite zeigte sich eingravierender Unterschied zwischen Patienten mit LWS-Be-schwerden und der gesunden Kontrollgruppe [2].Ein weiterer häufig in der Klinik eingesetzter Test ist die Dor-salkippung des Beckens zur Untersuchung des Extensionskon-trollverlusts [31]. Dieser Test erreichte in dieser Studie diehöchste Reliabilität (k = 0,6–0,8).Dankaerts et al. [7] dokumentierten zwischen 2 erfahrenenUntersuchern eine fast perfekte Übereinstimmung bei derMCD-Einteilung (k = 0,96; Übereinstimmung: 97%). 13 weitereTherapeuten klassifizierten die gleichen Fälle. Kappa-Koeffi-zienten von durchschnittlich 0,61 (k = 0,47–0,80) zeigten einesignifikante Reliabilität. die Autoren konstatierten, dass Thera-peuten, die die Tests gut kennen, höhere Reliabilitätswerte er-reichen. Der Unterschied zu der vorliegenden Studie bestehtdarin, dass die ersten 2 Experten zunächst die gesamte subjek-tive und körperliche Untersuchung sahen, während die 13 an-deren Therapeuten im 2. Teil nur die schriftliche Dokumenta-tion der Krankengeschichte und Videoaufnahmen derfunktionellen Bewegungen erhielten. Dies ist klinisch sehr re-levant. Im diagnostischen Sinne verlangt die evidenzbasierteMedizin jedoch eine wie in der vorliegenden Studie durchge-führte Reliabilität individueller Tests [12]. Da die Tests nichtin im Klassifizierungsprozess analysiert wurden, lässt sich beiDankaerts et al. [7] keine wirkliche Schlussfolgerung über dieindividuellen Tests ziehen.White und Thomas [36] prüften die Reliabilität (N = 37) von16 Tests des von Sahrmann [31] entwickelten Movement Sys-tem Balance Approach. Sie fanden eine befriedigende Reliabili-tät zwischen den bewertenden Personen. 5 dieser Tests ver-wendete auch die vorliegende Studie, jedoch im Gegensatz zuWhite und Thomas [36] keine Provokationstests. Dabei handeltes sich um Tests, bei denen Schmerzen ausgelöst werden, diedurch Rückführung der Bewegung verschwinden. Bei Auftretendieses Schmerzverhaltens gilt der Test als positiv. Die vorlie-gende Studie beurteilte allein die Bewegungsqualität als kor-rekt oder unkorrekt. Das bedeutet, es erfolgte nur eine Bewer-tung der visuellen Information bei der Beobachtung derBewegungen, was als eine Schlüsselkompetenzen von Physio-therapeuten darstellt.Murphy et al. ([24]; N = 42) untersuchten die Hüftextensionaus der Rückenlage. Der Test wurde als positiv gewertet,wenn sich die LWS sich bei der Hüftgelenkextension bewegte.

Tab. 4 Vergleich der durchschnittlichen Kappa-Koeffizienten.

Test vorliegende Studie van Dillen et al. [10] White u. Thomas [36] Murphy et al. [24]

Knieextension im Sitzen 0,72 0,58 0,17 –

Hüftabduktion in Rückenlage 0,38 0,60 0,50 –

Extension in Bauchlage 0,47 0,76 0,22 –

Hüftextension in Bauchlage – – – 0,74

Rotation in Bauchlage 0,58 0,43 – –

Flexion beim Schaukeln im Vierfüßlerstand 0,57 0,78 0,62 –

Extension beim Schaukeln im Vierfüßlerstand 0,68 0,51 0,39 –

Flexion im Stand mit relativer Flexibilität – 0,51 0,55 –

„Diener“ 0,62 – – –

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Page 8: Bewegungskontrolltests der lws

Die Interbeobachter-Reliabilität war sehr gut (linke Hüfte:k = 0,72, rechte Hüfte: k = 0,76). Im Gegensatz dazu beugtendie Patienten in der vorliegenden Studie nur das Kniegelenk,und der Test galt als positiv, wenn sich die LWS mitbewegte.MCD ist eng mit einer klinischen Instabilität verbunden. Cook[5] beschrieb die Muster klinischer LWS-Instabilität mit einerqualitativen Delphi-Studie. Bei ihm dachten Manualtherapeu-ten (N = 168), dass der Nachweis schlechter Koordination, pro-priozeptiver Defizite und Kontrollverlust bei aktiven Bewegun-gen eine hohe Bedeutung hat. Nach Panjabi [27] repräsentiertdas neurale Kontrollsystem die Kontrolle einzelner Bewegun-gen sowie der gesamten Motorik.Die Untersuchung der motorischen Kontrolle einzelner Mus-keln steht auch im Zusammenhang mit MCD. Auch zu diesemThema wurden Reliabilitätsstudien in Bezug auf die passiveUntersuchung der lumbalen Bewegungen durchgeführt. Dabeizeigte sich eine gute Reliabilität der Ultraschalluntersuchungder primär stabilisierenden Muskeln, des M. transversus abdo-minis [18, 30] und des M. multifidus [17] im Vergleich zumMRI. Es gibt auch Beweise für eine gewisse Reliabilität der Un-tersuchung mit Palpation und Druck-Biofeedback bei diesenMuskeln [6]. Aber alle – Muskeldurchmessermessungen, Testszu Muskelkraft, Bewegung und aktiven Bewegungen – bewer-ten unterschiedliche Aspekte der Motorik. Bei der Beurteilungder Bewegungskontrolle können EMG und kinematische Studi-en zwar genauer sein, es ist jedoch fraglich, ob sich diese Sys-teme im täglichen Praxisalltag anwenden lassen. Klinisch wer-den die passiven Bewegungen mit passiven intervertebralenBewegungen und Palpation untersucht. Viele Studien zeigtenjedoch, dass diese Tests unzuverlässig sind [11, 14, 15, 19, 20,23, 33]. Aus diesem Grund ist die Untersuchung der aktivenFunktionen vielleicht lohnenswerter. Offensichtlich sind mehrStudien zur Reliabilität der klinischen Untersuchungen ohneteure Hilfsmittel wie Ultraschall und andere Geräte nötig.Die vorliegende Studie sagt nichts über die Validität der Tests,wie z.B. wie Patienten mit lumbalen Rückenbeschwerden dieÜbungen im Vergleich zu schmerzfreien Probanden ausführen.Vor Effektivitätsstudien in der Untergruppe der Patienten mitunspezifischen lumbalen Rückenbeschwerden müssten dieTest-Retest-Reliabilität der MCD untersucht und Normen fürkorrekt ausgeführte Tests festgelegt werden.

Schlussfolgerungen!

MCD-Tests der Lenden-Becken-Region weisen eine gute bisdeutliche Inter- und Intrabeobachter-Reliabilität auf. Die besteReliabilität (k > 0,6) erzielten der „Diener“ und die Kniegelenk-extension im Sitzen als Tests für die Flexionsdysfunktion, dieBeckenkippung für die Extensionsdysfunktion und die Seiten-unterschiede beim Einbeinstand für die Rotationsdysfunktion.Im klinischen Alltag scheint es empfehlenswert, dass der glei-che Therapeut den Patienten wiederbefundet, da die Intrabe-obachter-Reliabilität höher ist als die Interbeobachter-Reliabili-tät.

Danksagung!

Die Autoren danken den Physiotherapeuten, die die Videos be-werteten: Yolanda Mohr, Gerold Mohr, Isabel Gloor und Ange-lika Mannig. Vielen Dank auch an das Neuroorthopädische In-

stitut (NOI) für das Korrekturlesen der englischen Arbeit.(Ethische Genehmigung: Ethik-Kommission des Kanton Aargau,CH-Aarau; Finanzierung: EVO-Stipendium der finnischen Re-gierung für die Dokumentation der Ergebnisse).

Institute1 Physiotherapie Reinach, CH-Reinach2 University of Kuopio, FIN-Kuopio3 Institute für Physiotherapie, Abteilung Gesundheit, Züricher Hochschule fürAngewandte Wissenschaften, CH-Winterthur

4 Abt. für Rheumatologie und Institut für Physikalische Medizin, Universitäts-spital Zürich, CH-Zürich

5 Institut für Bewegungswissenschaften und Sport, ETH Zürich, CH-Zürich6 Dept. of Physical and Rehabilitation Medicine, University Hospital of Kuopio,FIN-Kuopio

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