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Social Media - Du oder Sie

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Page 1: Social Media - Du oder Sie

Social Media: Du oder Sie?www.geropflueger.de /social-media-du-oder-sie/

Gero Pflüger

Foto: © Martinan –Fotolia.com

Einer meiner Kunden ist die hannoversche Niederlassung einer Aktiengesellschaft aus demFinanzsektor mit Krawattenpflicht, dunklen Anzügen und Kundenschalter. Als ich den Job übernahmund die Facebook-Fans des Finanzdienstleisters wie selbstverständlich mit »du« ansprach, erntete ichein Krisengespräch.

Die Situation in diesem Gespräch war unangenehm: Am großen Konferenztisch saßen drei Personenin Anzügen – der Social-Media-Verantwortliche und der oberste Chef der Niederlassung auf der einenSeite, ich auf der anderen. Draußen war es heiß, die Klimaanlage lief erst seit wenigen Minuten, ichschwitzte. »Unsere Kunden werden mit ›Sie‹ angesprochen«, wurde ich angewiesen. Ende derDiskussion.

Ich greife das Thema auf, weil es bei fast jedem Unternehmen, das erstmals einen Auftritt in densozialen Medien plant, vor dieser Fragestellung steht. Schaut man sich die Facebook-Seiten, Twitter-Accounts, Blogs und sonstigen Social-Media-Auftritte von Unternehmen an, so stellt man fest:

manchmal wird durchgängig geduzt

manchmal wird durchgängig gesiezt

manchmal wird eine Mischung aus beidem betrieben

Während meine Werbeagentur »pflüger : kreativ ackern.«, die sich um Corporate Design kümmert,2010 im Blog zum »Sie« zurückkehrte, entschieden sich meine Kollegen von b2n Social MediaServices aus Bremen im August 2015, nunmehr durchgehend zu duzen – auf Twitter, Facebook, imBlog und auf der Website. Nachzulesen ist die Begründung im Blogpost »Warum wir ab sofort duzen«.Ich selber sage du oder Sie abhängig von der Plattform. Auf Twitter, Facebook und Tumblr duze ichmeine Leser. Auf XING, LinkedIn, im Blog und auf der Website sieze ich hingegen.

Verwirrung total – was ist nun richtig? Duzen? Siezen? Die Antwort: Es gibt keineallgemeinverbindliche Lösung. Aber es gibt einige Punkte, die Sie beachten sollten, wenn Sie vor derEntscheidung stehen, ob Sie künftig du oder Sie sagen.

1. Du oder Sie: Spielregeln der Plattform beachten

Jede Social-Media-Plattform hat ihre eigenen Regeln des Umgangs, eine eigeneKommunikationskultur der Mitglieder. Diese Regeln sind oftmals einfach so im Laufe der Zeitentstanden, haben aber auch damit zu tun, wie die Plattform seine Nutzer selber anspricht. XING etwasiezt seine Nutzer, Facebook duzt jeden.

FacebookDie größte Social-Media-Plattform der Welt ist nicht so groß geworden, weil die Menschen formalkorrekt miteinander umgegangen sind. Nein: Es ging von Anfang an um Privates, und das gilt bisheute. Facebook-Nutzer gehen nicht auf Facebook, um Werbebotschaften von Unternehmen zuerhalten – sie wollen mit ihren Freunden in Kontakt treten, sie wollen unterhalten werden. Und ab undzu lassen sie auch mal eine Werbebotschaft über sich ergehen. Die allerdings ertragen sie wesentlichbesser, wenn sie kaum als Werbebotschaft auffällt, sondern eher wie Product Placement wirkt. Daher

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ist es sinnvoll, auf Facebook die Anrede zu nehmen, die jeder nimmt und auch jeder erwartet: du.

LinkedIn und XINGDie beiden Business-Netzwerke XING und LinkedIn sind ganz klare Domänen für das formale Sie. Dasgilt natürlich nicht, wenn Ihr Gesprächspartner und Sie sich bereits anderswo auf du geeinigt haben.

TwitterWer auf Twitter siezt, macht sich irgendwie verdächtig. So steif geht es da einfach nicht zu. Das hatvielleicht auch damit zu tun, dass das Wort »Sie« einen ganzen Buchstaben mehr als das schlichte»du« umfasst – auf Twitter zählt mit seinem 140-Zeichen-Limit jedes Zeichen. Auch schafft das »Sie«eine psychologische Distanz, die bei 140 intimen Zeichen nicht angebracht erscheint.

Ausnahmen bestätigen die Regel: Der Account @germanpsycho, der zwischen Serienmorden, Ironie,Zynismus, Satire, bodenlosem Quatsch und tiefsinnigen Weisheiten schwankt, siezt seine zahlreichenFollower und besteht auch darauf, selber gesiezt zu werden (allerdings ist @germanpsycho keinUnternehmens-Account):

Wenn Sie glauben, Sie seien ausschließlich von Idioten umgeben, kann es leicht sein,dass nicht die anderen die Idioten sind.

— German Psycho (@germanpsycho) 27. August 2015

InstagramBeim stark wachsenden Bilderdienst aus dem Facebook-Konzern wird eindeutig geduzt. Ein Sie fälltwie schon bei Twitter negativ aus dem Rahmen.

BlogsAuf Ihrem Blog legen Sie selber die Spielregeln fest; daher sollten Sie für die Frage, ob Sie auf IhremBlog du oder Sie sagen, bei Punkt 2 weiterlesen.

TumblrTumblr als Microblog ist eine typische du-Domäne – wer bei Tumblr ist, ist eher lässig drauf underwartet keine formale Anrede.

WebsiteDie normale Internet-Präsenz hat gegenüber einem Corporate Blog einen eher offiziellen Charakter,daher wird hier meistens gesiezt.

Sonderfall Google plusDas soziale Netzwerk Google plus, das trotz bester Voraussetzungen nie richtig fliegen gelernt hat undaktuell (August 2015) von Google filetiert wird, so dass am Ende vermutlich kaum noch etwas übrigbleibt, war immer, ist und bleibt ein Sonderfall. Viele nutzen es ausschließlich, um ihrePressemitteilungen und Artikel zu publizieren – hier wäre vermutlich das Sie richtig. Andere, besondersTechnik- und SEO-affine Menschen, engagieren sich hingegen sehr stark auf Google plus. Hier kanndas du ebenso richtig sein. Ich empfehle Ihnen daher, Punkt 2 zu lesen und danach zu entscheiden,wie Sie Google plus angehen möchten – falls Sie es überhaupt tun wollen.

Sonderfall ChatsStellen Sie sich vor, Sie erhalten auf Facebook oder Twitter, wo Sie im Allgemeinen du sagen, perpersönlicher Nachricht die wutentbrannte Reklamation eines Kunden: »Eure Wassermelonenschmecken nicht!! Und dafür habe ich 6 Euro bezahlt!! Schweinerei!« Wie sprechen Sie ihn an – mit duoder Sie? Entweder reagieren Sie mit der gleichen Anrede. Doch das kann provozierend wirken, weil –wie in diesem Fall – das »euer« nicht als Anrede, sondern als verallgemeinernder Vorwurf aufzufassenist. Ein du kann hier zu flapsig wirken und den Reklamierenden erst recht auf die Palme bringen.Fragen Sie sich also daher, welche Anrede Sie benutzen würden, wenn der Mensch in diesem Momentdirekt vor Ihnen stünde und das exakt selbe sagte. Ein Sie schafft hier gelegentlich die nötige Distanz,um den wutschnaubenden Kunden zunächst einmal zu beruhigen und ihn auf ein normales,

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kommunikatives Miteinander einzustellen.

2. Sie oder du: Erwartung der Zielgruppe

Neben den Spielregeln der einzelnen Plattformen gilt es auch noch, die Erwartungen Ihreradressierten Leserschaft punktgenau zu treffen. Besitzen Sie einen Head Shop oder einenSkateboard-Laden, wäre es unüblich, Ihre Klientel zu siezen. Hier ist das Du ganz normal – und zwarauf jedem genutzten Kanal (Ausnahme: XING und LinkedIn, doch die werden vermutlich ohnehin nichtim Social-Media-Mix auftauchen). Als Finanzmakler kann es sinnvoll sein, seine Fans auf Facebookgrundsätzlich zu duzen, wenn Sie aber in direkte Kommunikation eintreten – auch in Kommentaren –auf Sie zu schalten. Das ist dann gelegentlich eine Momententscheidung.

Und so kommen Sie sehr schnell – wie ich – dazu, du oder Sie zu mischen. Denn der Mensch bleibtderselbe – doch je nach Plattform ist seine Erwartungshaltung in der Kommunikation eine andere.

Fazit: Du oder Sie in den sozialen Medien

Wie auch Ihre Garderobe zum Anlass passen sollte, so sollten Sie auch anlassbezogenkommunizieren. Wenn Sie Ihre Social-Media-Stretagie als Teil Ihrer Kommunikationsstrategiefestlegen, entscheiden Sie unter Beachtung der jeweiligen Gepflogenheiten, welche Anrede Siegrundsätzlich auf jeder einzelnen Plattform nutzen möchten – und weichen Sie davon gegebenenfallsim Einzelfall ab. Ob du oder Sie ist letztendlich keine Frage Ihres allgemeinen Verhaltens, wenn Siejemanden live vor sich haben, sondern eine Frage der Plattform und der dortigenKommunikationskultur.

Übrigens: Die Fans der eingangs erwähnten Facebook-Seite des Finanzdienstleisters werden wiedergeduzt – nachdem durch das Siezen die Fan-Aktivität in den Keller ging, hat mein Kunde selbstkritischdie Anweisung korrigiert. Und lässt mich seither einfach machen.

Wie ist das in Ihrem Unternehmen? Nutzen Sie du oder Sie auf Ihren Präsenzen? Schreiben Siedoch Ihre Erfahrungen unten in die Kommentare!