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personal manager 2/2016 36 hr und social media Social Media im Personalmarketing Überzeugen statt granteln Jetzt schicken wir uns alle mehr oder weniger begeistert in das Social-Media-Zeitalter. Die schöne neue Welt soll im Idealfall im Vorbei- gehen die unbesetzten Stellen füllen. Hitzig wird über Sinn und Unsinn von Facebook, Kununu, Xing und Twitter diskutiert. Ob der Diskussion über die einzelnen Kanäle wird oft zu wenig an das Handwerk gedacht. An die Vo- raussetzungen – das Können, die Rahmenbe- dingungen und die mentalen Einstellungen – die das gekonnte Bespielen von sozialen Medien erst möglich machen. Über dieses Rüstzeug und die für Social Media im Human Resources nötigen Talente wird oft zu wenig nachgedacht. Das Patentrezept habe auch ich nicht. Aber ich rücke für Sie ein paar Denkan- stöße ins Rampenlicht. Einstellung hinterfragen Social Media ist erst einmal eine Einstel- lungssache. Social Media beginnt im Kopf Über Jahrzehnte führten die Personaler kommunikative Monologe. Man hat Inserate geschaltet, eine Webseite mehr oder weniger kreativ befüllt und Telefonnummern sowie E-Mail-Adressen für Fragen publi- ziert. Dabei waren die HR-Verantwortlichen stets am längeren Kommu- nikationshebel – sie haben entschieden, wann gnädigerweise mit den Bittstellern, sprich potenziellen Bewerbern, kommuniziert wird. Die neuen Medien wirbeln diese herrlich bequemen Traditionen durchei- nander. Gut so. jedes Einzelnen und damit, sich auf einen Dialog auf Augenhöhe mit den Zielgruppen einzulassen. Es hat mit der Bereitschaft zu tun, sich im Scheinwerferlicht einer breiten Öffentlichkeit zu äußern oder gar zu disku- tieren. Die richtige Einstellung heißt, Interes- senten als potenzielle Kunden zu betrachten, nicht als Störer. Und auch die Unternehmen müssen ihre Einstellung hinterfragen. Social Media schreit geradezu nach einem Vertrau- ensvorschuss in die Talente der zuständigen Personalisten. Denn die schnelle, direkte Form der Kommunikation lässt umständliche und bevormundende Bewilligungs- und Freiga- beschlaufen über die Kommunikationsabtei- lungen nicht zu. Das ist auch gut so. Tipp: Machen Sie es Ihren Zielgruppen konsequent einfach, Sie zu erreichen. Warum nicht mit einem „Rückruf-Butler“, wie ihn Siemens Schweiz verwendet? Einfach Telefonnummer eingeben und der potenzielle künftige Arbeit- geber ruft zurück. Ist doch eine feine Sache. Das ist gelebte Kundenorientierung – und Sie können Ihre Arbeitszeit noch besser ver- planen, weil Sie telefonieren, wenn Sie Zeit haben. Mehr Budget für mehr Kommunikationsflair In der Human-Resources-Management-DNA steckt viel Kommunikation drin. Und Social Media heißt, mehr oder weniger, Kommuni- kation in Echtzeit. Künftig brauchen Persona- listen also vermehrt Fähigkeiten, die bislang eher bei den Kommunikationsabteilungen zu vermuten waren. Diese Fähigkeiten gilt es, (wieder) zu entdecken und zu fördern. Ich staune, auf welch hohem fachlichen Niveau HR vielerorts in Arbeitsrechtsfragen mitdis- kutieren kann – derweil Personalfachleute in Kommunikationsweiterbildungen etwa so häufig anzutreffen sind wie Veganer in einer Metzgerei. Social Media verlangt nach dem Können, professionell zu schreiben, sich auf den Plattformen adäquat zu bewegen. Social Media ist nicht einfach ein neuer Schlauch für alte Inhalte. Social Media sind digitale Geschichtenbücher, die eine neue Erzählform verlangen, um bei den Zielgruppen Gehör zu finden. Wie andere Kompetenzen auch, müs- sen Personalisten die Fähigkeit, lebendige Ge- schichten zu erzählen, trainieren. Mein Rat: Fahren Sie 2016 das Weiterbildungsbudget für juristische Weiterbildungen runter und setzen Sie auf Kommunikationskurse und Schreibtrainings. Und noch etwas: Social Me- dia geht direkt übers Auge ins Gehirn, es lebt von Bildern, bewegten und statischen, aber auf jeden Fall „richtigen“ Bildern. Bilder lohnen sich Wir sind mehr und mehr darauf konditio- niert, unsere Informationen über Bilder auf- zunehmen. Youtube ist bei den Jüngeren die Suchmaschine Nummer eins. Diese Zielgrup- pe Ihres Recruitings weiß kaum noch, was eine Bedienungsanleitung ist. Youtube hat alles, und erst noch in einer Form, die selbst wenn es um das Zusammenschrauben von Ikea-Möbeln geht, noch Spaß macht. Warum nicht auch die Bewerbungstipps animieren? Die Social-Media-Plattform Pinterest ver- deutlicht diesen Trend vielleicht am besten, auf jeden Fall konsequent: Man pinnt darauf einfach Bilder. Millionen. Text Fehlanzeige. So weit müssen Sie im Personalmarketing nicht Autor Jörg Buckmann Geschäftsführer BUCKMANN GEWINNT GmbH Foto: Buckmann

Überzeugen statt granteln

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hr und social media Social Media im Personalmarketing

Überzeugen statt granteln

Jetzt schicken wir uns alle mehr oder weniger begeistert in das Social-Media-Zeitalter. Die schöne neue Welt soll im Idealfall im Vorbei-gehen die unbesetzten Stellen füllen. Hitzig wird über Sinn und Unsinn von Facebook, Kununu, Xing und Twitter diskutiert. Ob der Diskussion über die einzelnen Kanäle wird oft zu wenig an das Handwerk gedacht. An die Vo-raussetzungen – das Können, die Rahmenbe-dingungen und die mentalen Einstellungen – die das gekonnte Bespielen von sozialen Medien erst möglich machen. Über dieses Rüstzeug und die für Social Media im Human Resources nötigen Talente wird oft zu wenig nachgedacht. Das Patentrezept habe auch ich nicht. Aber ich rücke für Sie ein paar Denkan-stöße ins Rampenlicht.

Einstellung hinterfragenSocial Media ist erst einmal eine Einstel-lungssache. Social Media beginnt im Kopf

Über Jahrzehnte führten die Personaler kommunikative Monologe.

Man hat Inserate geschaltet, eine Webseite mehr oder weniger kreativ

befüllt und Telefonnummern sowie E-Mail-Adressen für Fragen publi-

ziert. Dabei waren die HR-Verantwortlichen stets am längeren Kommu-

nikationshebel – sie haben entschieden, wann gnädigerweise mit den

Bittstellern, sprich potenziellen Bewerbern, kommuniziert wird. Die

neuen Medien wirbeln diese herrlich bequemen Traditionen durchei-

nander. Gut so.

jedes Einzelnen und damit, sich auf einen Dialog auf Augenhöhe mit den Zielgruppen einzulassen. Es hat mit der Bereitschaft zu tun, sich im Scheinwerferlicht einer breiten Öffentlichkeit zu äußern oder gar zu disku-tieren. Die richtige Einstellung heißt, Interes-senten als potenzielle Kunden zu betrachten, nicht als Störer. Und auch die Unternehmen müssen ihre Einstellung hinterfragen. Social Media schreit geradezu nach einem Vertrau-ensvorschuss in die Talente der zuständigen Personalisten. Denn die schnelle, direkte Form der Kommunikation lässt umständliche und bevormundende Bewilligungs- und Freiga-beschlaufen über die Kommunikationsabtei-lungen nicht zu. Das ist auch gut so. Tipp: Machen Sie es Ihren Zielgruppen konsequent einfach, Sie zu erreichen. Warum nicht mit einem „Rückruf-Butler“, wie ihn Siemens Schweiz verwendet? Einfach Telefonnummer eingeben und der potenzielle künftige Arbeit-

geber ruft zurück. Ist doch eine feine Sache. Das ist gelebte Kundenorientierung – und Sie können Ihre Arbeitszeit noch besser ver-planen, weil Sie telefonieren, wenn Sie Zeit haben.

Mehr Budget für mehr KommunikationsflairIn der Human-Resources-Management-DNA steckt viel Kommunikation drin. Und Social Media heißt, mehr oder weniger, Kommuni-kation in Echtzeit. Künftig brauchen Persona-listen also vermehrt Fähigkeiten, die bislang eher bei den Kommunikationsabteilungen zu vermuten waren. Diese Fähigkeiten gilt es, (wieder) zu entdecken und zu fördern. Ich staune, auf welch hohem fachlichen Niveau HR vielerorts in Arbeitsrechtsfragen mitdis-kutieren kann – derweil Personalfachleute in Kommunikationsweiterbildungen etwa so häufig anzutreffen sind wie Veganer in einer Metzgerei. Social Media verlangt nach dem Können, professionell zu schreiben, sich auf den Plattformen adäquat zu bewegen. Social Media ist nicht einfach ein neuer Schlauch für alte Inhalte. Social Media sind digitale Geschichtenbücher, die eine neue Erzählform verlangen, um bei den Zielgruppen Gehör zu finden. Wie andere Kompetenzen auch, müs-sen Personalisten die Fähigkeit, lebendige Ge-schichten zu erzählen, trainieren. Mein Rat: Fahren Sie 2016 das Weiterbildungsbudget für juristische Weiterbildungen runter und setzen Sie auf Kommunikationskurse und Schreibtrainings. Und noch etwas: Social Me-dia geht direkt übers Auge ins Gehirn, es lebt von Bildern, bewegten und statischen, aber auf jeden Fall „richtigen“ Bildern.

Bilder lohnen sichWir sind mehr und mehr darauf konditio-niert, unsere Informationen über Bilder auf-zunehmen. Youtube ist bei den Jüngeren die Suchmaschine Nummer eins. Diese Zielgrup-pe Ihres Recruitings weiß kaum noch, was eine Bedienungsanleitung ist. Youtube hat alles, und erst noch in einer Form, die selbst wenn es um das Zusammenschrauben von Ikea-Möbeln geht, noch Spaß macht. Warum nicht auch die Bewerbungstipps animieren? Die Social-Media-Plattform Pinterest ver-deutlicht diesen Trend vielleicht am besten, auf jeden Fall konsequent: Man pinnt darauf einfach Bilder. Millionen. Text Fehlanzeige. So weit müssen Sie im Personalmarketing nicht

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Jörg BuckmannGeschäftsführer

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gehen, aber: Setzen Sie auf Videos. Sie las-sen Menschen zu Menschen sprechen. Und beginnen Sie endlich damit, richtige Bilder zu verwenden. Bilder Ihres Unternehmens, Ihrer Arbeitsplätze, Ihrer Mitarbeitenden. What else?! Ganz ehrlich: Die grässlichen Bilder aus der sterilen Welt der Bilderdatenbanken sind einfach nur lächerlich. Hören Sie auf damit. Nutzen Sie stattdessen doch einfach mal Ihr Smartphone – kaum zu glauben, wie Sie aus Ihrer Kamera wunderbare, lebendige Bilder echter Menschen zaubern können. Oder inves- tieren Sie andernfalls ein paar Euro in einen Profi. Es lohnt sich.

Marketing: Auf die Bedürfnisse der Kunden eingehenRecruiting ist Verkauf – nicht erst seit Social Media ist es an der Zeit, mehr Marketingwis-sen in die HR-Abteilungen zu bringen. Dabei denke ich unter anderem an die Kompetenz, über verschiedene Kanäle eine Kampagne zu fahren. In erster Linie braucht es aber die Kompetenz, in Zielgruppen zu denken, deren Bedürfnisse zu kennen und ernst zu nehmen. Dagegen scheinen manche Personalisten ziemlich resistent zu sein. Mit Erstaunen ver-folge ich die Umsetzung der Lohnangaben in den Stelleninseraten in Österreich. Da hilft

der Gesetzgeber mit und verpflichtet die Un-ternehmen zu einem Marketingdenken – und die Personaler granteln. Schreiben widerwil-lig meist nur absurd tiefe Mindestlöhne hin. Das gängige „Überzahlung möglich“ klingt fast schon höhnisch. Aber warum? Weshalb schreiben Sie denn den Lohn so wenige präzi-se hin? Natürlich kenne ich die Ausreden, die Wenns und Abers. Aber warum, bitteschön, soll denn ein potenzieller Käufer nicht vor-her das Recht haben, den Preis zu kennen? Lohn gegen Arbeit lautet doch der Deal, oder nicht? Umfragen zeigen, dass der Lohn die meist vermisste Information in den Stellenin-seraten ist. Und sagen Sie jetzt nur nicht, das würde Sie überraschen. Ich gebe noch einen drauf und behaupte: Gerade Personalisten, die anderen den Lohn gerne vorenthalten, sind bei ihrer eigenen Stellensuche über-durchschnittlich „geldgeil“. Ich kann meine Tirade sogar untermauern. Das Kinderspi-tal Zürich, zusammen mit den Verkehrsbe-trieben in Zürich einer der Vorreiter in der Schweiz, wenn es um die freiwillige Angabe der Lohnhöhe geht, hat das Leseverhalten der Interessenten analysiert und 47 Inserate ausgewertet. Das geht online (im übrigens international ausgezeichneten Stelleninserat) speziell gut, weil es verschiedene „interaktive“

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Elemente enthält. Dadurch können Interes-senten beispielsweise durch Anklicken Zu-satzinformationen zum Bewerbungsprozess, zu den Fringe Benefits, zur Firmenkultur in Form eines Videos oder zum Lohn abrufen. Der Lohn wurde mit großem Abstand am meisten abgefragt, diese Information war für die Stellensuchenden mehr als doppelt so interessant wie zum Beispiel das integrierte Video oder die Benefits. Jeder zehnte Be-sucher klickte auf den Lohn. Spannend: Bei der ebenfalls analysierten Stelle „Sachbear-beiter/in Personal“ haben außergewöhnlich viele Personaler auf den Lohn geklickt, je-der Vierte, beim Bereichspersonalchef jeder Fünfte.

Breitbeinig gehen – selbstbewusst auftretenSocial Media heißt gleichzeitig, Gesicht zu zeigen. Aus der Anonymität der HR-Amts-stuben hervorzutreten, den Dialog zu suchen, seinem Unternehmen ein Gesicht zu geben. Da kommt mir doch glatt ein witziger Dialog in den Sinn:

Bruder Tobias: „Euch schickt der Herr zu uns!“Bud Spencer: „Nein, wir kommen zufällig vor-bei!“

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Darauf, dass frechmutige Personalgewin-nung etwas mit einem Western zu tun ha-ben könnte, muss man erst einmal kommen. Auf diesen Gedankengang bin ich, unter uns gesagt, ganz unbescheiden einigermaßen stolz, habe ich doch mit diesem Filmgenre nichts am Hut. Meine Erfahrungen beschrän-ken sich auf ein paar Jugendsünden, sprich Spaghetti-Western mit Carlo Pedersoli. Ken-nen Sie nicht? Dieser wurde als Bud Spencer berühmt-berüchtigt. Die Dialoge waren auf ihre Art schon ziemlich cool, wie das Zitat aus dem Film „Die rechte und die linke Hand des Teufels“ beweist. Und Bud Spencer war auf seine Art sicher ein Meister in „breitbeinig gehen“.

Die öffentliche Kommunikation in den so-zialen Medien und die Ansprüche nicht nur der jungen Zielgruppen nach direkten Kom-munikationsformen verlangt nach selbstbe-wussten Personalisten die, bildlich gesagt, breitbeinig gehen. Klar meine ich das im über-tragenen Sinne, obwohl das Schöne daran ist, dass sich dieser Effekt physisch üben lässt. Entdeckt habe ich das in einem wunderbar lesbaren und gestalteten kleinen Bildband: Nur Mut! von Dr. Claudia Croos-Müller. Darin empfiehlt sie als eine von zwölfeinhalb So-forthilfe-Übungen für Gelassenheit und Mut das breitbeinige Gehen. Dies sei eine schöne Aufgabe für das Gehirn. Die Fachärztin für Neurologie erklärt: „Das Kleinhirn freut sich, denn es kann zeigen, wie schön es Gleichge-wicht halten kann. Und es gibt die Meldung an das Großhirn weiter: Alles im Lot, weiter so, schön breitbeinig die Beine weiter bewe-gen und die Füße aufsetzen. Das Großhirn ist damit auch gut beschäftigt. Die beiden sind in einem aufmerksamen Dialog miteinander, und im Emotionszentrum können Gefühle wie Angst oder Herzklopfen sich dadurch nicht wichtigmachen oder durchsetzen.“

Dieser Tipp kann uns im mutigen Erobern der Social-Media-Welt und in der Personalwer-bung generell konkret helfen:

bei den nächsten Budget-Debatten, um die nötigen Mittel für gute Personalwerbung oder für Social-Media-Aktivitäten zu beschaffen,

beim Round-Table mit den Kollegen der Kommunikation, um für mehr

Kompetenzen und den Abbau unzeit-gemäßer Informationsschlaufen zu wer- ben,

beim Gespräch mit den Kollegen vom Marketing, wenn es um die auffälligere Positionierung der Karriere-Informationen auf der Firmenwebseite geht,

vor der Geschäftsleitung, wenn es darum geht, die Notwendigkeit richtig guter und manchmal von der Norm abweichender Personalwerbung überzeugend darzule-gen,

wenn man sich in der Personalwerbung etwas zu weit aus dem Fenster gewagt hat und der Wind etwas kälter und direk-ter als sonst ins Gesicht weht.

Mit Frechmut neue Wege gehenWer sich auf dem Arbeitsmarkt Gehör ver-schaffen will, muss die ausgetretenen Pfade in der Personalgewinnung verlassen und Frechmut beweisen. Das Spannende dabei: Es macht einen riesigen Spaß und es wirkt. Schauen wir doch ins beschauliche Städtchen Wiehl und lernen von den dortigen Politikern. „Eine faszinierende Zeit geht für mich zu Ende.“ Diese Worte stammen von Werner Becker-Bloningen, nicht weniger als 35 Jah-re Bürgermeister von Wiehl, einer Stadt mit 25.000 Einwohnern in der Nähe von Köln. Üblicherweise würde nun umgehend das Ge-rangel um die Nachfolge starten. Die Parteien würden ihre Kandidaten in Stellung bringen, das örtliche Gewerbe würde sich über ein paar Druckaufträge für Broschüren und Pla-kate freuen und die Bürger auf samstägliche Standaktionen in der Innenstadt. Nicht so in Wiehl.

Die großen Parteien SPD, CDU und FDP be-schlossen, die neue Magistratin (m/w, um im schrecklichen Stelleninserateslang zu bleiben) gemeinsam zu suchen. Alle, die das Profil er-füllen, sollten sich bewerben können, wie bei jeder anderen Stelle auch. Und einer dachte noch weiter: Sören Teichmann, Diplom-Fi-nanzwirt und Vorstand der CDU, schlug vor, die Suche zeitgemäß mit Video – und das erst noch in Comicform – und einer eigens eingerichteten Microsite anzugehen. Das ist Frechmut im Quadrat. Sören Teichmann er-innert sich: „Natürlich waren nicht alle von

Anfang an von der Idee begeistert. Gerade aus den übergeordneten Gremien unserer Parteien gab es sehr wohl kritische Stimmen und parteipolitische Überlegungen, einen ‚eigenen‘ Kandidaten zu bringen. Uns ging es aber wirklich darum, die für unser Wiehl richtige Person zu finden.“

Das ungewöhnliche Vorgehen zeigte Wir-kung. Die Idee wurde medial breit aufgenom-men, was zusätzliche Gratis-Aufmerksamkeit brachte. Schließlich bewarben sich nicht we-niger als 42 Kandidaten auf die ungewöhn-liche Ausschreibung. Sören Teichmann: „Dank der Ausschreibung hatten wir eine echte Aus-wahl und sehr respektable Alternativen für den Fall, dass es mit unserem ‚Spitzenkan-didaten‘ nicht klappen würde.“ Dass letztlich ausgerechnet ein bereits bekannter Bewerber auserkoren wurde, trug den Verantwortlichen vereinzelt Kritik ein. Zudem kam die Umset-zung mit einem Comic nicht überall gut an. Kritik, Neid, Besserwisserei: Der beste Beweis dafür, dass die Wiehler Politiker vieles richtig gemacht haben. Denn „kaum hat mal einer ein bissel was, gleich gibt es welche, die är-gert das.“ Diese Worte stammen passender-weise von Wilhelm Busch, gewissermaßen einem Pionier des Comics.

Literaturtipps

Personalmarketing to go. Von Jörg Buck-mann. Springer, Wiesbaden 2016.

Einstellungssache: Personalgewinnung mit Frechmut und Können. Von Jörg Buck-mann (Hrsg.). Springer, Wiesbaden 2013.

Musterbrecher. Von Prof. Hans. A. Wüthrich, Dirk Osmetz und Stefan Kaduk. Gabler, Wies-baden 2006.

Nur Mut! Das kleine Überlebensbuch. Von Dr.med. Claudia Croos-Müller. Kösel Verlag, München 2012.

Webtipps

Wiehl sucht Bürgi:www.stadt-wiehl-sucht-buergi.de

„Rückruf-Butler“ bei Siemenswww.siemens.ch